Ausgabe 3_2017: fassadenBAUKULTUR

Page 1

BAUKULTUR Zeitschrift des DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.

2017

3

Schwerpunkte Gebäudehülle Textiles Bauen

AIV Stuttgart Frei Otto Förderpreis 2016

AIV zu Berlin Schinkel-Wettbewerb 2017

BAUKULTUR

fassaden



editorial

BAUKULTUR 3_2017

3

LIEBE LESERINNEN UND LESER, VEREHRTE FREUNDE DER BAUKULTUR, eine Ausgabe der BAUKULTUR befasst sich im Jahr traditionell mit dem Thema Fassaden. Die Fassade gibt dem Gebäude und seinem Umfeld „Gesicht“. Welche Besonderheiten und Innovationen im Bereich der Gebäudefassaden gibt es und wie werden diese präsentiert? Einige Antworten darauf finden Sie im vorliegenden Heft. Der DAI ist in diesem Jahr Kooperationspartner des WGIC Weltkongresses Gebäudegrün in Berlin. Dach- und Fassadenbegrünung wird insbesondere in dicht besiedelten Ballungsgebieten immer wichtiger, wenn wir über Luft- bzw. Lebensqualität sprechen. Die „Haut“ des Hauses macht die Wechselwirkungen mit der Umgebung unmittelbar spürbar, und zwar innerhalb wie außerhalb eines Gebäudes. Zu den technischen und ästhetischen Anforderungen wie Energieerzeugung, Smart-Vision, Antischmutz und Transparenz muss eine Gebäudefassade mit vielen Einflüssen professionell umgehen können bzw. Antworten liefern, wenn es um Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Orientierung, mechanische Belastung, Oberflächen- oder Farbdesign geht. Auf der anderen Seite kann auch eine High-Tech-Fassade nicht verbergen, was an technischem Know-how in einem Gebäude steckt. Das ist zwar ein anderes Thema, wird aber zu oft unterbelichtet: Der Nutzen eines Bauwerks wird maßgeblich durch sein an den Nutzern orientiertes Innenleben bestimmt. Von der Versorgung mit Wasser, Strom und Wärme bis hin zur Möblierung. Aber ohne Haut eben auch kein Durchlass: natürliches Licht und Luftzufuhr. Wie bereits angedeutet, ist die Fassade der Teil eines Gebäudes, der stadtplanerisch die Passgenauigkeit in der gebauten Umwelt definiert. Darum nimmt auch der aktuelle Baukulturbericht 2016/17 engen Bezug darauf. Ortskerne stärken und vitalisieren sowie die Ortsbilder baukulturell nach vorne bringen, sind zwei zentrale Forderungen im Bericht. Das passiert im Wesentlichen durch das Erscheinungsbild von Bauwerken, und damit sind wir wieder beim Schwerpunktthema dieses Heftes, der Fassade. Der DAI kooperiert im Übrigen wieder sehr eng mit der Bundesstiftung Baukultur, den Bericht auch im politischen Berlin entsprechend zu platzieren. Nicht alle Projekte lassen sich jedoch so einfach „anpassen“. Gerade im Bestand haben wir es mit gewachsenen und zum Teil geschützten Fassaden zu tun. Zahlenmäßig überwiegt das den Neubau bei weitem. Hier brauchen Fassaden oft selbst mehr Schutz als sie unter Umständen dem Gebäude und ihren Bewohnern bieten können – der Schutz des Denkmals inbegriffen. Wir haben gerade in Berlin-Schmargendorf wieder ein prominentes Beispiel, wo eine Siedlung

aus den 1930er Jahren unter einer dicken Schicht Styropor verschwindet. Der Denkmalschutz wird quasi weggedämmt. Das ist nicht das, was wir unter baukulturellem Umgang mit dem Antlitz eines Bauwerks verstehen. Es wird deutlich, wie vieldimensional das Thema ist. Wie immer gilt auch, dass nicht alle Bereiche in einer Ausgabe der BAUKULTUR ausführlich betrachtet werden können. Darum freuen wir uns über Hinweise und Anregungen aus den Reihen unserer Leser, die wir gerne in der nächsten fassadenBAUKULTUR im kommenden Jahr aufnehmen. Große Ereignisse werfen ihre Schatten bekanntlich voraus: Am 24.9.2017 findet der DAI Tag in Münster statt, und gleichzeitig ist Bundestagswahl. Natürlich sollten Sie sich weder von dem einen noch von dem anderen Termin abhalten lassen. Wählen Sie per Brief und kommen Sie ab Freitagnachmittag zum DAI Tag nach Münster. Die Kollegen vor Ort haben ein ansprechendes Programm auf die Beine gestellt, und parallel findet in Münster die internationale Skulpturenausstellung statt. Eine Open-Air-Schau, die es nur alle 10 Jahre gibt. Ein interessantes Novum dieses Jahr beim DAI Tag: Wir werden erstmalig einen Filmpreis verleihen. Melden Sie sich an und kommen Sie in die Stadt des Westfälischen Friedens, es lohnt sich. Mit Blick auf die Bundestagswahl haben die Kammern und Verbände in diesem Jahr wieder einige Wahlprüfsteine erarbeitet. Der DAI hat das Papier auf seiner Web-Seite veröffentlicht und verteilt es an die Mitglieder. Wir haben dazu im Frühjahr auch schon eine Pressemitteilung herausgegeben. Insgesamt wird es auch in der 19. Wahlperiode spannend bleiben, wie es mit den planenden und bauenden Berufen weitergeht. Wir halten Sie dazu gerne auf dem Laufenden. Lassen Sie mich Ihnen also wie gewohnt eine erkenntnisreiche Lektüre wünschen und bleiben Sie dem DAI sowie insbesondere der BAUKULTUR gewogen. Dann tragen Sie automatisch dazu bei, die Interessen unserer planenden und bauenden Berufe auf Augenhöhe zu vertreten. Herzlichst Ihr

Prof. Dipl.-Ing. Christian Baumgart DAI Präsident


4

DAI bundesweit

BAUKULTUR 3_2017

Kiel

Novelle des Bauvertragsrechts

Pinneberg

Die Novelle des Bauvertragsrechts tritt am 1.1.2018 in Kraft und sieht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) erstmals spezielle Vorschriften zum Ingenieur- und Architektenvertrag sowie dem Bauträgervertrag und dem Verbraucherbauvertrag vor. Außerdem erfolgen erhebliche Änderungen der bisherigen Vorschriften zum Bauvertrag. Am 17.5.2017 stellt die ZIRNGIBL Rechtsanwälte Partnerschaft mbB die Neuerungen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „ZL 17:30“ vor. Um verbindliche Anmeldung wird bis 10.5.2017 gebeten.

Osnabrück

Dortmund

Düsseldorf

Oberhessen

Wiesbaden

www.dai.org/veranstaltungen

Aschaffenburg Bamberg

Mainz

Mannheim

Saar

www.dai.org

Nürnberg

Freiburg

www.facebook.com/baukultur www.twitter.com/baukultur DAI Mitgliedsverein

https://plus.google.com/ +DaiOrgBaukultur

kein DAI Mitgliedsverein DAI Mitgliedsverein mit Textbeitrag in der vorliegenden Ausgabe

DAI MITGLIEDSVEREINE AIV Aschaffenburg AIV Aschersleben-Staßfurt AIV Bad Hersfeld AIV Bielefeld AIV Braunschweig AIV Frankfurt AIV Hamburg AIV Hanau AIV Hannover AIV Hildesheim AIV Karlsruhe

AIV Koblenz AIV KölnBonn AIV Konstanz AIV Magdeburg AIV Marburg AIV Mark-Sauerland AIV Oberhessen AIV Schweinfurt AIV Stuttgart AIV Ulm AIV Würzburg

AIV zu Berlin Dortmunder AIV Mittelrheinischer AIV Darmstadt Münchener AIV Münsterländer AIV Oberrheinischer AIV Freiburg Oldenburgischer AIV Ruhrländischer AIV zu Essen Schwäbischer AIV Augsburg


inhalt

BAUKULTUR 3_2017

26

14

16

3 4 5 6–8 6 7 8 9 9

Rubriken Nachrichten Kolumne Bundesstiftung Baukultur Wirtschaft + Recht DAI aktuell Aus dem Präsidium

10–13 10–11 12–13 13

DAI regional AIV Stuttgart: Frei Otto Förderpreis 2016 AIV zu Berlin: Schinkel-Wettbewerb 2017 Münchener AIV: Trauer um Petra Schober

14–29 14–15 16–17 18 19 20–21 22–23 24–25 26–27 28–29

Schwerpunkte: Gebäudehülle | Textiles Bauen Klangvolle Textilgestaltung: Kloster Vogelsburg bei Volkach Transluzente Hülle: Hauptbahnhof in Chemnitz Rationale Grundstruktur: Forschungs- und Entwicklungszentrum in Bielefeld Spiel aus Licht und Schatten: Bremer Landesbank Was steckt dahinter? Was steckt drin?: Laborgebäude in Köln Kraftvoller Edelstahl: Vertriebs- und Servicezentrum in Warschau Gleichmäßiges Schalungsbild: Einfamilienhaus in Bornstedt Ausdrucksstarkes Ensemble: Rathaus in St. Petersburg Sanierung nach historischem Befund: Kulturhaus in Dietfurt

30–38 30 31 32 33 34–35 36–37 38

Advertorials | Anzeigen Kebony: Silbrige Holzfassaden Opitz Holzbau GmbH & Co. KG: Innovativer Schottenbau Zebra Sails GmbH: Sonnensegel: gewölbt und Fassaden-integriert Girnghuber GmbH: Perforierte Backsteinhaut Keimfarben GmbH: Comeback der Fünfziger Jahre Schüco International KG: Ein Leuchtturm für die Welt Schlagmann Poroton GmbH & Co. KG: Wohnen und Arbeiten in urbaner Lage

39

Titel: Laborgebäude der Stadtentwässerungsbetriebe in Köln von kister scheithauer gross architekten und stadtplaner (Foto: Yohan Zerdoun)

Editorial Christian Baumgart DAI in Deutschland Inhalt

Autoren | Vorschau | Impressum

5


6

nachrichten

BAUKULTUR 3_2017

16. Mai 2017

5tes Symposium

Textile Architektur Das 5. Symposium des Netzwerks TEXTILE-ARCHITEKTUR findet am 16.5.2017 in den Räumlichkeiten der Archenhold-Sternwarte in Berlin statt. Fachvorträge führender Spezialisten ermöglichen eine praxisbezogene Auseinandersetzung rund um die Themen Formfindung, pneumatische oder mechanisch vorgespannte Membranen für Dach- und Fassadenkonstruktionen. Eine Ausstellung zum Thema Textiles Bauen rundet die Veranstaltung ab. Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie unter: www.textile-architektur.de

Weltkongress Gebäudegrün Der DAI ist Kooperationspartner des Weltkongresses Gebäudegrün WGIC, der vom 20.–22.6.2017 erstmals in Deutschland (Berlin) stattfindet. Innerstädtische Lebens- und Luftqualität wird in sich verdichtenden Stadträumen immer wichtiger. Sich darüber auszutauschen, ist u. a. Anlass für den Kongress, zu dem rund 300 Teilnehmer aus aller Welt erwartet werden. Neben den Vortragsreihen wird eine PosterAusstellung zu aktuellen wissenschaftlichen Projekten angeboten. Darüber hinaus können beispielhafte Gebäudebegrünungen besichtigt werden. www.wgic2017berlin.com Holzbautag Biel 2017 Der Baustoff Holz bewährt sich nunmehr auch dort, wo er vor Jahren verpönt war. So führt der Holzbautag Biel am 11.5.2017 in die Stadt. Die Vorteile des Materials und seiner Konstruktionsmöglichkeiten überzeugen: Mit Holz kann rasch und störungsfrei gebaut werden. Modulbausysteme ermöglichen den effizienten Baubetrieb. Lärm- und Staubemissionen sind gering. Bei Aufstockungen sind aufgrund des geringeren Gewichts mehr Geschosse möglich als bei Massivbauten. Weitgespannte Tragwerke

und Freiformen fordern die Kreativität im Entwurf. Und die aktuellen Brandschutzvorschriften eröffnen neue Wege – etwa Hochhäuser als vollständige Holz- oder als Hybridbauten. www.ahb.bfh.ch Draußen – Landschaftsarchitektur auf globalem Terrain Mit dieser Ausstellung widmet sich das Architekturmuseum der TU München bis zum 20.8.2017 erstmals der Landschaftsarchitektur. Damit wird ein Thema in den Fokus gestellt, das einen weiten räumlichen und zeitlichen Horizont behandelt. Die Idee einer harmonisierenden Planung zwischen den explosiv ausgreifenden Städten einerseits und der Natur andererseits entspricht längst nicht dem gegenwärtigen Stand einer Disziplin, die sich angesichts der radikalen Umformung des Planeten

Canaan Haiti: Ungeplantes Wachstum auf enteignetem Territorium (Foto: © Johann-Christian Hannemann)

Formen der Partizipation und stellt beteiligte Architekten vor. Zugleich sind historische Vorläufer zu sehen. www.design-museum.de Kolloquium Betoninstandhaltung Um Instandhaltungen an Bestandsbauten aus Stahlbeton mängelfrei planen und durchführen zu können, sind neben Werkstoffkenntnissen auch Erfahrungen bei der Planung, Bauausführung und -überwachung sowie Kenntnisse zum aktuellen Stand der maßgeblichen Regelwerke erforderlich. Das 4. WTAKolloquium Betoninstandhaltung am 20.6.2017 an der FH Erfurt behandelt die wichtigsten Aspekte. Schwerpunkt sind historische Betonkonstruktionen. www.wta-international.org Leichtbeton – Baustoff mit Zukunft Diese Veranstaltung findet am 20.6.2017 in Berlin statt. Leichtbeton ist ein sehr gut wärme- und schalldämmender Baustoff. Aufgrund des geringen Gewichts bringt er auch statische Vorteile mit sich. Themen: Leichtbeton als nachhaltiger Baustoff, Bauen und Konstruieren mit Leichtbeton, Leichtbetonfertigteile, Leichtbetonsteine, Leichtbeton als Außenwand. www.beton.org

Together! Die Neue Architektur der Gemeinschaft Wohnraum wird immer knapper und teurer. Um dieser Herausforderung zu begegnen, sind in den letzten Jahren weltweit neue Formen des gemeinschaftlichen Wohnens und Bauens entstanden. Die Ausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein präsentiert vom 3.6.–10.9.2017 Beispiele neuer Wohntypologien und

100 Jahre Erwin Heinle Am 5.4.2017 wäre der Gestalter des Fernsehturms Stuttgart, des Landtages von BadenWürttemberg, des Olympischen Dorfes in München und zahlreicher anderer Projekte 100 Jahre alt geworden. Vier seiner Gebäude wurden noch zu seinen Lebzeiten zu Denkmälern erklärt. Das Büro Heinle, Wischer und Partner ist auch heute noch als eines der größten deutschen Architekturbüros tätig. Zu Ehren des 100. Geburtstages findet am 8.9.2017 eine Vortragsveranstaltung in der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart statt. www.heinlewischerpartner.de

Moriyama house in Tokio (Foto: © Dean Kaufman)

Pädagogische Hochschule in Ludwigsburg, errichtet von Erwin Heinle 1961–1966

Erde in Richtung einer analytisch-kritischen Perspektive entwickelt. www.architekturmuseum.de


kolumne

BAUKULTUR 3_2017

7

Die Bundesstiftung Baukultur stellt ihre Arbeit vor

BAUKULTUR DOWNUNDER

Die Bundesstiftung auf internationaler Ebene Baukultur überbrückt Grenzen – zum Dialog und Austausch auf internationalem Parkett ist die Bundesstiftung Baukultur nach Frankreich und Australien gereist: Auf der MIPIM 2017 in Cannes zeigte sich erneut, dass die Stiftung mit ihren Anliegen in der Immobilienbranche wahrgenommen wird und wichtige Debatten anstoßen kann. In Sydney stellte Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, die Lage der Baukultur in Deutschland sowie die Arbeit der Stiftung vor. Wie kann durch Baukultur eine nachhaltige Stadtentwicklung gefördert werden? Darüber diskutierten auf Einladung der Bundesstiftung Baukultur im German Pavillon der Immobilienmesse MIPIM 2017 in Cannes zahlreiche Gäste, darunter Eike Becker, Jan Kleihues, Monika Thomas (BMUB), Christian Bergmann (Hadi Teherani Architekten) und Jan Busemeyer (blauraum). Das Spannungsfeld Stadt/Land beleuchteten Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, Rainer Schmidt (Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten und Stadtplaner) und Murat Tabanlioglu (Tabanlioglu Architekten) unter dem Titel „Bring the village back to the city“. Fazit: Lässt man alle immobilienwirtschaftlichen Allgemeinplätze und babylonischen Missverständnisse beiseite, so leistet Baukultur als Prozess- und als Gestaltqualität den wesentlichen erkennbaren Beitrag von Immobilienwirtschaft für unsere Gesellschaft. Beim Podium der „German Hour“ diskutierte Reiner Nagel mit Franz Rembold (AGROMEX GmbH & Co. KG) und Markus Weigold (Drees und Sommer) zum Thema „High Rise – Low Cost“. Themengeber Justus Pysall moderierte. Dabei ging es um die Frage, welchen Beitrag hohe Häuser zur Verdichtung beitragen können. Spannend für alle Beteiligten, wie sich dabei Hochhäuser nach Bauordnung (Geschossdecken über 22 m), hohe Häuser (bis 20/25 Geschosse) und Wolkenkratzer (150 m und höher) als städtebauliches, architektonisches und immobilienwirtschaftliches Thema voneinander unterscheiden. „Mich verblüfft immer wieder, wie sich diese Diskussion nicht nur in der Presse, sondern auch in der Fachwelt verselbstständigt, obwohl die echten Highrisers in Europa schon allein vom Marktanteil her niemals einen relevanten Beitrag zu unseren aktuellen Themen leisten können. Um so wichtiger ist deshalb die Gestaltungsqualität!“, so Reiner Nagel.

rechts Reiner Nagel in Sydney mit Briedie Mahr, Tutorin der University of New South Wales – zufällig in den Farben der Bundesstiftung (Foto: Bundesstiftung Baukultur)

Nur wenige Tage vor der MIPIM in Cannes war Reiner Nagel als Botschafter deutscher Baukultur in Sydney zu Gast. Auf Einladung der Universität von New South Wales hielt er die 10. Paul Reid Lecture – einen jährlichen Festvortrag zum Thema Urban Design. Anhand ausgewählter Beispiele zeigte Reiner Nagel, wo die Baukultur in Deutschland heute steht. In Australien ist Baukultur als Begriff noch nicht geläufig, Sie habe auch keinen hohen Stellenwert, obwohl in vielen Fällen hervorragende Architektur realisiert werde, erläutert Reiner Nagel. Denn in Australien seien in den vergangenen Jahrzehnten Stadtplanung und -entwicklung in hohem Maße investorengesteuert gewesen. „Das Land kann als Referenz dafür gelten, was passiert, wenn man städtebauliche Planung wirtschafts- und strukturliberal laufen lässt“, sagt Nagel. Internationaler Austausch sei nicht zuletzt deshalb so wichtig, um immer wieder die eigene „Betriebsblindheit“ zu revidieren: Man sehe mitunter „nicht mehr den Wert unserer grundsätzlich günstigen Rahmenbedingungen für Baukultur“. Auf der anderen Seite überlege nun der „Government Architect“, eine beratende Institution der australischen Regierung, ein eigenes Format nach Vorbild des Baukulturberichts zu entwickeln. „Also scheint mit unserem internationalen Austausch ein direkter Fachexport gelungen“, resümiert Reiner Nagel. Sabrina Ginter Den Baukulturbericht 2016/17 „Stadt und Land“ gibt es auf Englisch zum Download unter: www.bundesstiftungbaukultur.de


8

wirtschaft + recht

BAUKULTUR 3_2017

§§ Die in Berlin, München, Frankfurt und Wien ansässige Kanzlei Zirngibl Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ist Premiumpartner des DAI. Zu ihren bundesweiten Arbeitsschwerpunkten zählen das Immobilien-, Bau- sowie das Vergaberecht.

NEUES AUS DEM... ...Immobilien- und Baurecht

...Vergaberecht

Kein konkretes Baurecht wegen fehlender Baumfällgenehmigung? Wann Widerspruch und Klage sich lohnen!

Auch nach dem neuen Vergaberecht ist es zulässig, den Preis als alleiniges Zuschlagskriterium zu bestimmen

Bei der Planung von Bauvorhaben ist in vielen Städten und Gemeinden auf die örtlich geltenden Baumschutzsatzungen (häufig auch Baumschutzverordnungen genannt) Rücksicht zu nehmen. Verbote nach der Baumschutzsatzung, Bäume zu entfernen, zu zerstören oder zu verändern, können im Einzelfall der Verwirklichung eines nach baurechtlichen Vorschriften im Übrigen zulässigen Vorhabens entgegenstehen.

Die Vergabekammer Bund hat mit Beschluss vom 08.12.2016 (VK 1-108/16) entschieden, dass der Preis auch nach neuem Vergaberecht als alleiniges Zuschlagskriterium festgelegt werden kann.

Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet verfassungsrechtlich den Schutz des privaten Eigentums und damit auch der Baufreiheit. Für Bäume, die nicht als Naturdenkmal im Sinne von §28 BNatSchG festgesetzt und nur durch eine Baumschutzsatzung geschützt sind, bedeutet dies, dass Aspekte des Baumschutzes in der Regel hinter einem bestehenden Baurecht zurückstehen und die Bäume gefällt werden dürfen. Allerdings können Belange des Baumschutzes im Einzelfall das Verlangen nach einer Verschiebung oder Modifikation des Baukörpers rechtfertigen, wenn hierdurch geschützte Bäume erhalten werden können und dies keine unzumutbare Beschränkung des Baurechts darstellt. Dies ist jeweils anhand der konkreten Umstände zu bestimmen. Nach der Rechtsprechung ist eine räumliche Veränderung des Baukörpers unter anderem dann unzumutbar, wenn diese vernünftigerweise nicht vom Bauherrn gefordert werden kann. So stellte beispielsweise das Verwaltungsgericht München fest, dass im konkreten Fall kein vernünftiger Bauherr eine Vergrößerung der Garten- bzw. Freifläche auf der Nordseite eines Gebäudes zulasten der Garten- bzw. Freifläche auf der Südseite eines Gebäudes vornehmen würde, und gab der Klage auf Erteilung der Baugenehmigung ohne Abänderung statt. Die Baumfällungsgenehmigung sei zu erteilen, da durch den Verlust der zu fällenden Bäume kein Funktionsverlust des Baumbestandes insgesamt drohe und dieser kompensiert werden könne (VG München, Urteil vom 18.03.2013, Az. M 8 K 12.3075). Wird eine Baugenehmigung aufgrund baumschutzrechtlicher Bedenken nicht oder nur abgeändert erteilt, ist es also ratsam, anhand der konkreten Beschaffenheit des Vorhabens, des Grundstücks und der Umgebung zu überprüfen, ob ein Vorgehen hiergegen erfolgversprechend ist.

Gegenstand des Vergabeverfahrens ist der Abschluss von Rabattvereinbarungen für Grippeimpfstoffe für gesetzlich Krankenversicherte. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Wahl des Preises als alleiniges Zuschlagskriterium unzulässig ist. Sie trägt vor, dass es bei der Versorgung mit Grippeimpfstoffen im Sinne der Versicherten zwingend erforderlich sei, einen Vertragspartner auszuwählen, der auch qualitativ eine kontinuierliche Versorgung mit Grippeimpfstoffen gewährleisten könne. Die Sicherstellung dieser kontinuierlichen Versorgung sei allein anhand des Zuschlagskriteriums „Preis“ nicht möglich. Vielmehr hätten beispielsweise dahingehende Konzepte von den Bietern gefordert und bewertet werden müssen. In ihrer Entscheidung führt die Vergabekammer Bund aus, dass die Wahl des Preises als alleiniges Zuschlagskriterium vergaberechtlich nicht zu beanstanden sei. Nach §127 Abs. 1 Satz 3 GWB können neben dem Preis oder den Kosten zwar auch qualitative Zuschlagskriterien aufgestellt werden, allerdings ergebe sich daraus keine Pflicht. Es sei auch weiterhin grundsätzlich zulässig, den Preis als alleiniges Zuschlagskriterium zu bestimmen. Im vorliegenden Fall liegen auch keine besonderen Umstände vor, die ausnahmsweise weitere Zuschlagskriterien erfordern und damit die Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers beschränken. Insbesondere handele es sich bei der streitgegenständlichen Ausschreibung nicht um eine (teil-)funktionale, in der die Bieter (teilweise) Leistungsinhalte selbst individuell ausformen. Vorliegend sei vom Auftragnehmer im Wesentlichen die Lieferung von Grippeimpfstoffen geschuldet. Dass diese in dem geforderten Umfang erfolgt, sodass eine ausreichende Versorgung der Versicherten gewährleistet ist, sei typischer Teil einer Lieferverpflichtung und stellt keine gesonderte Leistung dar, die einer qualitativen Bewertung bedarf, um die Angebote vergleichbar zu machen. Rechtsanwältin Aline Karrakchou, LL.M.

Rechtsanwalt Sebastian Zelt Ansprechpartner Berlin: RA Lars Robbe, Tel.: 030–880331–231, Fax: 030–880331–100, Mail: l.robbe@zl-legal.de, www.zl-legal.de Ansprechpartner München: RA Dr. Ulrich May, Tel.: 089–29050–231, Fax: 089–29050–290, Mail: u.may@zl-legal.de, www.zl-legal.de


DAI aktuell

BAUKULTUR 3_2017

9

AUS DEM PRÄSIDIUM DAI Präsidiumssitzung in Berlin Das DAI Präsidium kam Anfang April zu einer weiteren Sitzung in Berlin zusammen. Gewürdigt wurde zunächst das jahrzehntelange Engagement des DAI Ehrenpräsidenten und Leitenden Senatsrats a.D. Architekt Joachim Darge, der am 22.2.2017 wenige Tage nach Vollendung seines 90. Geburtstages verstorben war. Der DAI wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Erfreut wurden die Ergebnisse der Arbeit im Verbändegespräch zur Kenntnis genommen. Hier wurden zum einen der Leitfaden zur Vergabe von Architektenleistungen und zum anderen die Wahlprüfsteine 2017 erarbeitet. Beide Dokumente sind auf der DAI Web-Seite unter www.dai.org zum Download hinterlegt. Des Weiteren wurde der Fortführung der Förderungen für den Schinkel-Wettbewerb (AIV zu Berlin) und den Schlaun-Wettbewerb (Münsterländer AIV) zugestimmt. In diesem Zusammenhang berichtete DAI Präsident Christian Baumgart über den aktuellen Stand beim DEUBAU-Preis. Nachdem Berichte vom Auslaufen dieses renommierten und etablierten Preises bekannt geworden waren, haben sich Vertreter der bisherigen Träger-Organisationen in Essen getroffen und sich darauf verständigt, den Preis fortzuführen.

DAI Ehrenpräsident Hans-Martin Schutte brachte das Thema zum Umgang mit der historischen Gleishalle am Oldenburger Hauptbahnhof in die Sitzung ein. Der Umgang der Deutschen Bahn mit historischen und denkmalgeschützten Gebäuden betrifft auch noch weitere bedeutende Bauwerke im Land. Es wurde vereinbart, diese Themen über den DAI Vertreter im Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz, Jens Walko, dorthin zu überstellen und das weitere Verfahren konstruktiv zu begleiten. DAI Regionaltreffen in Münster Am 22.2.2017 waren DAI Präsident Christian Baumgart und DAI Geschäftsführer Udo Sonnenberg zu einem weiteren DAI Regionaltreffen in Münster zu Gast. Der Münsterländer AIV ist dieses Jahr Gastgeber des DAI Tages. Zum Stand der Vorbereitungen sei verraten: 2017 wird erstmals ein Filmpreis verliehen. Außerdem findet parallel zum DAI Tag die internationale Ausstellung „Skulptur Projekte“ in Münster statt – nur alle 10 Jahre, darum ein begehrter Anlaufpunkt. Das heißt im Umkehrschluss, dass sich ein zeitiges Anmelden für den DAI Tag lohnt. Alle Informationen dazu finden Sie auf der DAI Web-Seite unter www.dai.org. Udo Sonnenberg

ZAPF Designgarage CLOU 2.0: iinnovatives nnovattives D Design, esiign mei meisterhafte istterh haf Qualität.

EINE RUNDE SACHE IN DESIGN UND ÄSTHETIK Mit der CLOU 2.0 ist es ZAPF gelungen, die Garage völlig neu zu interpretieren. Mit dieser Innovation festigt ZAPF seine Vorreiterstellung am Markt. Der mutige Entwurf begeistert seitdem Bauherren, die nicht nur an die Funktionalität, sondern auch an die Architektur einer Garage höchste Anprüche stellen. ZAPF GmbH | Nürnberger Straße 38 | 95448 Bayreuth

0921 601-601 | www.garagen-welt-de


10

DAI regional

BAUKULTUR 3_2017

AIV Stuttgart

FREI OTTO FÖRDERPREIS 2016 Der vom AIV Stuttgart initiierte Ideenwettbewerb „Flexible Space“ für Studierende der Universität Stuttgart, der Hochschule für Technik Stuttgart, der Kunstakademie Stuttgart und der Hochschule Biberach hatte zum Gegenstand die Umsetzung eines Entwurfsprojekts im Geiste der Ideen, Ansätze und Visionen des Stuttgarter Architekten Frei Otto. Frei Otto gilt weltweit als Pionier der Leichtbauweise, als Forscher in den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen, Biologie und Sozialwissenschaften und als Autor grundlegender Veröffentlichungen. Sein Ausruf „Hört endlich auf zu bauen, wie ihr baut!“ von 1977 ist angesichts schwindender Ressourcen und steigenden Energie- und Materialbedarfs heute so aktuell wie damals. Wettbewerbsaufgabe und Preisgericht Eine multifunktionale Begegnungsstätte für 500 Personen (bestuhlt) mit einer stützenfreien Fläche von ca. 1000 m2 sollte als Leichtbau nach neuesten Erkenntnissen unter Anwendung von Prinzipien der Formfindung und der Bionik geplant werden. Gefragt waren unkonventionelle, fantasievolle, nachhaltige und neuartige Lösungen. Mitglieder des Preisgerichts waren Prof. Stefan Schäfer (Vorsitzender), Andreas Keil, Prof. Berthold Burkhardt, Prof. Dr. Jan Cremers, Dr. Alexander Michalski, Jürgen Bradatsch, Dr. Switbert Greiner, Hans-Günther Friedrich, Arne Rüdenauer und Michael Balz.

2. Preis: Peter Kovač, Tianshuo Zhang

2. Preis: Marina Schmid

Das Preisgericht entschied sich für einen 1. Preisträger, drei 2. Preisträger sowie drei Anerkennungen. 1. Preis Ramon Weber, Ayanna Mitupova, Tiago Carvalho Universität Stuttgart Der Entwurf überzeugt durch architektonische Klarheit und Einfachheit. Das Prinzip Leichtbau wird durch die vorgespannte Dachmembran und die leichte Stützstruktur erreicht. Die Dachhaut spannt sich zwischen zwei Kreisringen unterschiedlicher Durchmesser. Die daraus resultierenden differenten Kräfte werden durch Verstärkungen im oberen Druckring aufgenommen. Die diagonalen Unterstützungen des Druckrings bildet ein ringförmiger Konoid, der sich ebenfalls als Minimalkonstruktion ausbilden lässt, da bei den sich kreuzenden Stäben die Knicklängen reduziert sind. Die Verflechtung von Innen- und Außenraum lässt eine sehr gute kontextuelle Einbindung in eine Parklandschaft erwarten. Durch eine umschließende Membran könnte die

2. Preis: Uli Schaller, Jo F. Effenberger


Editorial

BAUKULTUR 3_2017

11

links 1. Preis: Ramon Weber, Ayanna Mitupova, Tiago Carvalho

Fassade witterungsbedingt reagieren. Insgesamt stellt der Beitrag eine leichte, aber auch realisierbare Architektur mit minimalem Aufwand dar. 2. Preis Peter Kovač, Tianshuo Zhang Universität Stuttgart Eine „wolkenartige“ Überdachung wird als Pneukonstruktion vorgeschlagen. Durchlässigkeit und Durchwegung in einer Parklandschaft lassen eine gute stadträumliche Verflechtung erwarten. Die gewählte „Aufpumpmethode“ in Form einer elektrischen Luftpumpe wird kritisch bewertet. Grundrissorganisation und Zonierung sind gelungen. Eingestanzte Lichtaugen lassen einen spannenden Innenraum entstehen, ergeben jedoch aufwändigere konstruktive Eingriffe. Die Bodenverankerung erscheint etwas unterdimensioniert und im Detail verbesserungsbedürftig. Insgesamt kann die Arbeit durch Leichtigkeit und temporären Charakter überzeugen. 2. Preis Marina Schmid Universität Stuttgart Die Gitterschale mit beidseitiger Membran wird durch Unterdruck stabilisiert. Der Zugang und die flexible Grundrissstruktur sind gut organisiert. Die Verbindung der Rundrohre aus CFK mittels Gerüstschellen wird im Zusammenhang mit einem Glasfaservlies kritisch betrachtet. Die durch den Unterdruck gepressten Füllmaterialien reduzieren die Drehbewegung durch Scheibeneffekte und schaffen eine nur bedingt wirksame thermische Hülle. Hinterfragt werden die Montage der innenliegenden Membran und die Dauerhaftigkeit der Unterdruckfunktion. Die Konstruktion überzeugt hinsichtlich der Wahl der Hüllfläche durch funktionale Vielfalt. 2. Preis Uli Schaller, Jo F. Effenberger Universität Stuttgart

Verantwortung übernehmen.

WOHNGESUND BAUEN. Wärmeschutz durch integrierte, natürliche Perlitfüllung Umweltschutz durch 100% Natur in Ziegel und Füllung Von Natur aus brandsicher.

POROTON®-T7® Der Ziegel. Beste Werte für jede Anforderung: Die U-Werte reichen von beachtlichen 0,14 W/(m2K) bei einer Wandstärke von 49,0 cm bis hin zu 0,18 bei einer 36,5 cm dicken Wand! Mit der beeindruckenden Wärmeleitzahl von 0,070 W/(mK) erfüllt der neue POROTON®-T7® die strengen Anforderungen an KfW-Effizienzhäuser mit Leichtigkeit!

POROTON®-S9® Der Objektziegel.

Die Kombination von Stahlbetonschale und Membrankonstruktion überzeugt in ihrer floralen Gesamtfigur. Die Formfindung mittels Hängemodellen wird positiv bewertet. Die Schalenkonstruktion erscheint etwas zu flach und zu schlank ausgebildet. Das Heranziehen der Membran zur Stabilisierung der Schalenkonstruktion wird kritisch bewertet. Der Zugang kann nicht überzeugen, zudem sind die Membrananschlüsse als luftoffene, regendurchlässige Anschlusspunkte ausformuliert. Die semitransparente Membran lässt eine spannende Erscheinung bei Nacht erwarten. Die Arbeit überzeugt in ihrer Gesamtgestaltung. Anerkennungen erhalten Julian Länge, David Horvath, Patric Trauschke, Natasha Nathan und Gesche Falkenberg.

Der neu entwickelte POROTON®-S9® ist der stabilste perlitgefüllte Objektziegel mit herausragender Tragfähigkeit fk: 5,3 MN/m2. Der massive Ziegelkörper gibt statische Sicherheit und meistert höchste Belastungen im mehrgeschossigen Wohnungsbau.

Unser perlitgefüllter Ziegel erfüllt die Anforderungen an emissionsarme Baustoffe.

Hans-Günther Friedrich Dieter Peschke www.schlagmann.de

Der Perlit-Dämmstoff für unsere Premiumziegel ist mit dem Blauen Engel ausgezeichnet.

Nachhaltige Rohstoffauswahl, niedrige Emissionen und sauber in der Herstellung.


12

DAI regional

BAUKULTUR 3_2017

AIV zu Berlin

SCHINKEL-WETTBEWERB 2017 Die Planungsaufgaben des Schinkel-Wettbewerbs greifen regelmäßig aktuelle Fragen der Stadtentwicklung auf, die oft vielschichtige technische, soziale, ökologische und wirtschaftliche Zusammenhänge berühren. Anders als bei „professionellen” Verfahren bleiben daher Teile der Aufgabenstellung des Schinkel-Wettbewerbs bewusst offen. Ziel ist es, eine „Werkstatt der Ideen“ in Gang zu setzen, in der möglichst viele eigenständige Ansätze entstehen.

oben Schinkelpreis „Friendly Alien“: Noah Scheifele und Joel Seeger unten Schinkelpreis „Canyon“: Nora Prahm und Jelena-Kristina Vincetic

Wettbewerbsaufgabe Im Jahr 2017 war das Berliner Westkreuz Gegenstand des Wettbewerbs mit dem Ziel, Entwicklungschancen rund um den Verkehrsknoten zu untersuchen. Das Westkreuz dient vor allem dem motorisierten Verkehr. Zwischen den Trassen liegen Rest- und Zwischenflächen – schwierig zu erreichen, lärmig und durch Schadstoffe belastet. Unterschiedliche Eigner verfolgen jeweils unterschiedliche Interessen, was mögliche Veränderungen erschwert. Dagegen wünscht sich der AIV zu Berlin eine integrierte Sicht auf das Areal. Gefragt waren Entwürfe für drei unterschiedliche Fragestellungen: 1. Canyon: Lassen sich die innerstädtischen Flächen zwischen den Stadtteilen Charlottenburg, Wilmersdorf, Grunewald und Westend besser nutzen? 2. Arrival City: Kann der Berliner Busbahnhof mehr sein als ein Umsteigepunkt unter Wellblech? 3. Friendly Alien: Das ICC und die „Zitrone“ (Bürohaus am Halensee) behaupten sich selbstbewusst neben vielbefahrenen Verkehrstrassen. Lässt sich an diese Vorbilder anknüpfen? Mit den drei Entwurfsaufgaben beschäftigten sich insgesamt 322 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich,


DAI regional

BAUKULTUR 3_2017

links Schinkelpreis „Arrival City“ Julian Brack, Gerson Egerter und Robert Stahlschmidt

China, Jordanien und Frankreich. Prämiert wurden 11 Arbeiten mit Schwerpunkten in den Fachsparten Architektur, Städtebau, Landschaftsarchitektur sowie konstruktiver Ingenieurbau. Konzeption und Durchführung des Wettbewerbs lagen beim Schinkelausschuss des AIV zu Berlin. Schinkelpreis „Arrival City“ Arrival City: Julian Brack, Gerson Egerter und Robert Stahlschmidt von der Technischen Universität Berlin Der neue ZOB an der Stadtautobahn präsentiert sich als neues Stadtzeichen. Die Busse erreichen die Fahrsteige über eine Rampe, die in das Gebäu-

devolumen eingeschnitten ist. Die Fahrgäste gelangen über eine großzügige Eingangshalle in das Gebäude und auf die darüber liegenden Fahrsteige. Über dem Terminalbereich „schwebt“ ein zweiter Baukörper, in dem eine Bibliothek und eine Mediathek untergebracht sind. Die Arbeit illustriert beispielhaft einen metropolitanen Umsteigepunkt und macht das Ankommen und Abfahren zum Erlebnis. Mit der Verlagerung des ZOB an die Stadtautobahn wird eine Wiederbelebung des ursprünglichen Standorts zu einem Stadtquartier möglich. Schinkelpreis „Friendly Alien“ Stadtmalandersrum: Noah Scheifele und Joel Seeger von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt Der Entwurf spannt einen großen Ring auf, der einen Teil des Westkreuzes als neues „Stadtbild“ einrahmt. Das Dachgeschoss ist als Ringpark Fußgängern und Radfahrern vorbehalten. Unterstützt durch eine Ringbahn verbindet der Park unterschiedliche Orte – u. a. die beiden S-Bahnhöfe Westkreuz und Waldsiedung. Anstelle eines Gebäudes schlagen die Verfasser ein Traggerüst vor. Auf 4 Ebenen sollen nach und nach individuell geplante Gebäude

13

eingestellt werden. An wichtigen Übergangsorten zur Stadt dienen Türme der Erschließung und der technischen Ver- und Entsorgung. Das Konzept etabliert eine überzeugende Großform, die stadträumlich sinnvolle Verbindungen aufbaut und damit die Barrierewirkung des Verkehrskreuzes mindert. Anstelle einer Großarchitektur soll eine Struktur entstehen, die Selbstorganisation und Eigenbau initiieren will. Schinkelpreis „Canyon“ Im Westen drei Neue: Nora Prahm und Jelena-Kristina Vincetic von der Bauhaus-Universität Weimar Für die Flächen rund um das Westkreuz werden drei Quartiere vorgeschlagen. Sie liegen als langgestreckte Bänder vor den bestehenden Stadtkanten. Gleichzeitig „überspringen“ sie die bestehenden Verkehrstrassen und ergänzen so bestehende Fuß- und Radwegeverbindungen. Der S-Bahnhof Westkreuz wird als neues „Stadttor“ eingefügt. Auf den dazwischen liegenden Freiflächen entsteht ein großzügiger Park. Der Bestand an unterschiedlichen Freiraumnutzungen bleibt weitgehend erhalten. Vivian Kreft

Münchener AIV

TRAUER UM PETRA SCHOBER Am 15.3.2017 verstarb Petra Schober im Alter von 57 Jahren. Petra Schober war seit 2001 Mitglied des Münchener AIV. Seit 2006 und bis zuletzt gehörte sie dem Vorstand als Schriftführerin an. Durch ihre hilfsbereite, engagierte und immer von Menschlichkeit und Toleranz erfüllte Art hat Petra Schober die Arbeit des Vereins geprägt. Sie hat sich mit großem Einsatz und viel Tatendrang um den nachhaltigen Dialog zwischen Architekten und Ingenieuren verdient gemacht. Vielfach waren es ihre Vorschläge zu Projekten und Veranstaltungen, die das Vereinsleben bei Besichtigungen und Vorträgen nachhaltig bestimmt haben. Insbesondere hat sie die jährlichen Exkursionen des MAIV geprägt und mit großem Engagement durchgeführt. Die Nachricht von ihrem plötzlichen Tod erfüllt uns mit tiefer Trauer. Gero Hoffmann, 2. Vorsitzender Andreas Langer, Schatzmeister


14

fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

KLANGVOLLE TEXTILGESTALTUNG Mit Abschluss des Umbaus und der Sanierung von Kloster Vogelsburg kann in der Kirche Mariä Schutz seit 2016 eine besondere Wandgestaltung in Augenschein genommen werden. Die textile Fassade wurde nach dem gestalterischen Gesamtkonzept des Würzburger Architekten Stephan Tittl von SEQ7 SequenzSieben Architekten realisiert. Architektonische Transformation Die Klosteranlage Vogelsburg liegt inmitten der fränkischen Weinberge an der Mainschleife bei Volkach. Ihre traditionsreiche und in Teilen tragische Geschichte hat dazu geführt, dass für den Umbau und die Sanierung ein nahezu unverbauter mittelalterlicher Kirchenraum zur Verfügung gestanden hat. Erhaltenswerter Bauschmuck fand sich lediglich an der Außenfassade. Somit waren für den Innenraum aus denkmalpflegerischer Sicht keine wesentlichen Auflagen gefordert. Dies spiegelt sich über die gesamte Planung und Ausführung im breiten Spektrum der Architektur wider – von der Naturstein- und Fassadenrestaurierung, der klassischen Dachsanierung, der Neuanfertigung eines Glockenstuhls an der Gebäudehülle bis hin zum Betonterrazzobelag, dem seilzuggeschnittenen Altar aus Muschelkalk und der organisch geformten, textilen Fassade im Innenraum.

Textile Wandbespannung Schon früh war die Entscheidung gefallen, dass die bestehende Holzbalkendecke über dem Kirchenraum mit ihrem Jahrhunderte alten Holzgebälk als nahezu einziges raumprägendes Element bestehen bleibt und diese durch einen neuen Terrazzobelag einen starken Gegenpol in der Materialität erhält. Gleichzeitig gab es zu Beginn der Planung keine konkrete Vorstellung über die Gegenwart einer Orgel, mit der man hätte planen können. Diese Umstände führten in der Folge zu ersten Tendenzen bei der Konzeption des Kirchenraums im Allgemeinen und der Fassade vor der Orgelempore im Speziellen. Zum einen sollte sich diese Fassade – hinter der neben der Orgelempore noch Sakristei- und Nebenräume untergebracht sind – in die vorhandene Wandfläche integrieren. Zum anderen sollte die neue Fassadenfläche im weißen Farbton eine Einheit mit den umliegenden Wänden bilden.

Um den schlichten Raumeindruck zu erhalten, galt es, eine Fassade zu entwickeln, die sich optisch geschlossen und gleichzeitig funktional offen zur Entfaltung des Orgelklangs präsentiert. Die Frage, wie eine geschlossene Wand akustisch wirksam gemacht werden kann, fand schnell in Analogie zu einer Lautsprecherbespannung ihre Antwort in der positiven Wirkung von Textilen. Komplexe Geometrie Da hinsichtlich der akustischen Anforderungen ein rein perforiertes Textil allein nicht für die Transformation des Orgelklangs in den Kirchenraum ausgereicht hätte, mussten weitere freie Öffnungsquerschnitte zur maximalen Übertragung in die Fassade integriert werden. Damit diese einen leicht spielerischen, fast schon melodischen Ausdruck erhalten, haben mehrere Fassadenstudien dazu geführt, diese Öffnungen in Form von Kiemen auszubilden. Diese entwickeln sich aus der


fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

15

oben Die Mikroperforation der Bespannung optimiert die Schallübertragung von der Orgelempore hinein in den Kirchenraum links Die kiemenartigen Öffnungen entwickeln sich sukzessive aus der geschlossenen Fläche heraus

geschlossenen Fassadenfläche heraus und erweitern sich in ihrer Größe von links nach rechts. Um der starr befestigten Anordnung eine wahrnehmbare Dynamik zu verleihen, wurde neben der rein zweidimensionalen Öffnungsgeometrie zusätzlich eine Dreidimensionalität eingeführt. Somit wirkt die Fassade beim Eintreten in die Kirche auf den ersten Blick durch die Überlappung der räumlich dreidimensional und mit Textil bespannten Bögen eher geschlossen und öffnet sich sukzessive beim weiteren Herumschreiten im Raum. Technische Ausformulierung Der Betrachter findet visuell eine weißgeschwungene Textilbespannung vor,

die im oberen Bereich 12 kiemenartige Öffnungen aufweist. Zusätzlich befindet sich auf der Bespannung eine Mikroperforation mit knapp 60.000 Löchern pro Quadratmeter, wodurch ein erheblicher Anteil der notwendigen Schallübertragung in den Kirchenraum gewährleistet ist. Die Perforation ist von vorn kaum sichtbar. Von hinten jedoch hat der Organist einen guten Blickbezug durch die Bespannung hindurch zum Kirchenraum. Die Bespannung wurde bei der Montage jeweils in einzelnen Segmenten Feld für Feld auf zuvor befestigte Klemmschienen aufgebracht. Dabei ist die untere Ebene mit den beiden drehgelagerten Tapetentüren lediglich im Grundriss

gekrümmt, während die obere Ebene aufgrund ihrer Dreidimensionalität eine deutlich komplexere Konstruktion aufweist. Durch die Anordnung vertikaler Rechteck-Aluminiumprofile im Raster der darzustellenden Öffnungen wurde im Bereich der Orgelempore eine tragende Unterkonstruktion geschaffen. Zur Ausbildung der kiemenartigen Öffnungen wurde dazwischen jeweils ein CNC-gebogenes 2D- und 3D-Rundrohr mit Kederanschluss aus Aluminium eingesetzt. Durch deren Bespannung entstanden schlussendlich die räumlich individuell geschwungenen Konturen. Lars Meeß-Olsohn Stephan Tittl

PROJEKTDATEN Auftraggeber: Stiftung Juliusspital Würzburg Generalunternehmer: ICS Vertical GmbH & Co. KG, München* Planung und Bauleitung: SequenzSieben Architekten, Stephan Tittl, Würzburg 3D-Planung: Atelier leichtbaukunst, Dr. Lars Meeß-Olsohn, Velbert* Bespannung: Projektionsfolie Whitestar B1, Tüchler Bühnen- und Textiltechnik GmbH, Wien *Partner des Netzwerkes TEXTILE-ARCHITEKTUR (www.textile-architektur.de) Fotos: Daniel Farò (Innenaufnahmen) und Stephan Tittl (Außenaufnahme)


16

fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

TRANSLUZENTE HÜLLE Durch die Transformation des Hauptbahnhofs in Chemnitz durch das Berliner Büro Grüntuch Ernst Architekten entstand ein neues Entree zur Stadt. Die Bestandshalle aus den 1970er Jahren wurde bis auf die Tragstruktur zurück gebaut und geöffnet. Die Hülle des Gebäudes wird durch mattierte pneumatische ETFE-Membran-Kissenelemente geprägt. Veränderung als Chance Als Chemnitz aus dem Fernverkehrsnetz der Bahn genommen wurde, erkannte die Stadt diese Veränderung als Chance. Sie entwickelte das „Chemnitzer Modell“, das seit 2002 in mehreren Stufen realisiert wird, um die Regionen im Umland besser anzubinden. Das Konzept sieht die Verknüpfung des regionalen Eisenbahnnetzes mit dem städtischen Straßenbahnnetz vor. Die Straßenbahnen können inzwischen direkt im Hauptbahnhof auf das Netz der Deutschen Bahn wechseln. Durch die Umstrukturierung entstand ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, der als Entree zur Stadt neue Bedeutung gewinnt. Tragwerk als Einheit Das architektonische Konzept sah vor, die bislang vom Stadtraum abgekoppelte Halle zu öffnen und in den städtischen Kontext einzubinden. Um die gewünschte Offenheit zu realisieren, musste ein neues Tragsystem entwickelt werden, das möglichst ressourcenschonend auf dem Bestand aufbaut. Dafür wurde die Anzahl der Stützen zunächst massiv reduziert. Die kraftschlüssige Verbindung der verbleibenden Stützen im Fundament sorgt für den Erhalt der Stabilität der Gesamtkonstruktion. Zusammen mit der Unterkonstruktion für die neue Fassade verbindet sich das Tragwerk zu einer Einheit. Dabei war es die besondere Leistung der Ingenieure, die neuen Elemente im Fassadentragwerk in moderner Bauweise zu konzipieren und es dennoch dem Bestand möglichst genau nachzuempfinden.

Schwebende Fassade Durch die Transformation des Bahnhofs kann die Stadtbahn nun auf abgesenkten Gleisen bis in die Halle einfahren. Aus dem ehemals geschlossenen Bahnhofsgebäude ist ein „Stadtbaldachin“ geworden, der sich weit über die Bahnsteige spannt. An der schwebenden Fassade, die in etwa 6 m Höhe über dem Boden beginnt und die Halle an zwei Seiten abschließt, sind etwa 100 mattierte, pneumatische Kissenelemente aus transluzenter ETFE-Membran befestigt. Die Membrankissen sind bis zu 27 m lang und 3,50 m hoch mit einer Gesamtfläche von 3.212 m². Sie sind mit einer Klemmkonstruktion in verschieden große Rahmen gespannt, ein Kompressor hält sie konstant in Form. Je nach Bedarf steuern Fühler den Druck. Aufgrund ihrer sehr glatten Oberfläche reinigen die Membranen sich durch Niederschlag weitgehend selbst. Opake Erscheinung und Lichtinszenierung Mit der versetzten Anordnung der Kissen wird das Gestaltungsthema der rhythmischen Gliederung weiterentwickelt, das auch schon die Fassade des Bestandsgebäudes prägte. Die mattierte und rückseitig zum Teil bedruckte Oberfläche der Kisseninnenseiten sorgt tagsüber von außen für eine opake Erscheinung mit Tiefenwirkung, sodass die Streben der tragenden Stahlkonstruktion verborgen bleiben. Nachts erscheint auf der Fassade die Lichtinszenierung „Swarm Study/IX“ des Künstlerkollektivs Random International. Die Künstler übersetzen die akrobatische Effizienz von Vogel-


fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

17

links Die skulptural gewölbten Membrankissen schaffen die Anmutung eines geschlossenen Volumens oben Die „kommunizierende“ Fassade markiert den Bahnhof als Ort der Bewegung und Versammlung rechts Durch die transparente Textilhülle kann das Tageslicht bis tief in die Halle eindringen

schwärmen auf minimalistische Weise in bewegtes, monochromes Licht. Jedem Lichtpunkt des LED-Netzes in der Fassade wird dabei kollektives „Leben“ eingehaucht: Wenn der Schwarm sich über die Fläche bewegt, agiert jedes Element sowohl nach seinen eigenen Regeln als auch im Dialog mit seinen unmittelbaren Nachbarn. „Swarm Study/IX“ lädt dazu ein, die selbstorganisierte Intelligenz der Bewegung als lebendigen Teil des Stadtbildes wahrzunehmen, eingebettet in die echten Bewegungen echter Menschen. Textilverkleidung und Edelstahl Innen ist die Fassade textil verkleidet. Das Glasfasergewebe mit silberner Teflonbeschichtung ist auf verschieden große Metallrahmen gespannt, die ähnlich der Außenfassade versetzt zueinander angeordnet sind. In die Halterung integrierte

Stahlfedern halten die 2.600 m2 große Fläche dauerhaft straff. Durch die transparente Textilhülle hindurch kann das Tageslicht bis tief in die Halle eindringen. Als Kontrast bildet die geschlossene Fassadenunterseite mit rautenförmigen, schwarz polierten Edelstahlblechen eine kleinteilige Textur. Zuschnitt und Kantung der Bleche wurden im Werk nach millimetergenauer Montageplanung vorgenommen. Entlang des Bahnsteigs ist die Unterseite schräg gestellt und neigt sich dem Innenraum zu. Über die Spiegelung an der Schwelle zwischen innen und außen vermittelt die Fassadenunterseite spielerisch zwischen den neu geschaffenen Stadträumen. Carolin Kleist Alle Fotos: Jan Bitter

FASSADENTECHNIK Wegweisend für die Ausführung von wärmegedämmten Vorgehängten Hinterlüfteten Fassaden (VHF) der Werkstoffe Faserzement, HPL, Ziegel/Keramik und Aluminium. SEIT 1959 Laichanger 36 86554 Pöttmes Tel.: 0 82 53- 99 86 - 0 Fax: 0 82 53- 99 86 - 30

Plohnbachstraße 33-35 08485 Lengenfeld Tel.: 0 37 60 6 - 86 28-0 www.frahammer.de


18

fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

rechts Der Neubau hat eine Bruttogrundfläche von 9.600 m2 und hält Arbeitsplätze für rund 150 Mitarbeiter vor

Das Dr.-Oetker-Betriebsgelände wurde um ein Forschungs- und Entwicklungszentrum nach einem Entwurf von Staab Architekten erweitert. Der quer stehende Bau schließt das Werksgelände ab und wirkt als Bindeglied zu den nördlich gelegenen Gebäuden des Konzerns.

RATIONALE GRUNDSTRUKTUR

Forschungs- und Entwicklungszentrum in Bielefeld Lebendige Rhythmisierung Der Wunsch des Bauherrn nach einem kommunikativen und hellen Gebäude führte zu einer Grundstruktur aus zwei versetzt zueinander angeordneten Innenhöfen und einem lichten Treppenhaus in der Gebäudemitte, das die beiden Höfe miteinander verbindet. Die Fassade spiegelt sowohl die rationale Grundordnung als auch die räumliche Vielfalt wider. Nach außen zeichnet sich das Tragwerk aus Stützen und Deckenplatten als übergeordnetes Raster ab, das mit Zementfaserplatten in einem hellen Grauton verkleidet ist. Die Felder in diesem Raster sind je nach dahinter liegender Nutzung unterschiedlich breit und mit hell eloxierten Rahmen eingefasst. Dadurch erhält die Fassade eine lebendige Rhythmisierung, die das strenge Grundraster überlagert. Variables Fassadenbild Ein Regelwerk weist den einzelnen Fassadenelementen jeweils eine bestimmte Gestaltung zu, wobei das Ausbauraster als Grundlage dient. Um die Büros mit möglichst viel Tageslicht zu versorgen, erhielten die Festverglasungen ein niedriges Brüstungsfeld auf Tischhöhe, dessen tiefbrauner Farbton sich mit der Glasfläche optisch verbindet. Die Öffnungsflügel haben eine Brüstung von 90 cm Höhe in hell eloxiertem Lochblech oder, wenn sie nur der Entrauchung dienen, in raumhoher Ausführung. Besprechungs- und Verkostungsräume zeichnen sich in der Fassade durch raumhohe Festverglasungen ab, Lager- und Technikflächen durch vollflächige Füllungen in Dunkelbraun.

Der Sonnenschutz verläuft zwischen den leicht vortretenden Fassadenpfosten und verschattet die großen Glasflächen. Alle Elemente sind miteinander kombinierbar, wodurch zu allen Seiten ein leicht anderes Fassadenbild entsteht. Der Aufbau aus kräftiger Grundstruktur, vertikaler Rhythmisierung und variablem Fassadenfeld bildet die verschiedenen Nutzungen ab, ohne in Einzelteile zu zerfallen, und erlaubt eine spätere Anpassung der Funktionen im Haus. Fassaden der Innenhöfe Die Fassaden der Innenhöfe unterscheiden sich von dieser Systematik dadurch, dass umlaufend nur Erschließungsflächen angrenzen und auf eine außenliegende Verschattung verzichtet werden konnte. Hier wurde eine weniger tiefe, vollverglaste Pfosten-Riegel-Fassade in dem hellen Eloxalton der Rahmen an der Außenfassade gewählt. Die Tragstützen stehen in den Flurzonen frei hinter der Fassade, wodurch nur die Bänderung der Geschosse in Erscheinung tritt. Auch hier werden Öffnungsflügel und Festverglasung unterschieden und in vertikale Felder gesetzt, jedoch wirkt die Fassade flächiger und leichter und unterstreicht das lichte Innenleben des Gebäudes. Staab Architekten unten Die Fassaden spiegeln sowohl die rationale Grundstruktur des Gebäudes als auch die räumliche Vielfalt wider (Alle Fotos: Ulf Theenhausen)


fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

19

oben und rechts Die Fassade nimmt Bezug auf den norddeutschen Backstein-Expressionismus der 1920er Jahre (Fotos: Ulrich Hoppe)

In der Altstadt von Bremen ist nach Plänen des Büros Caruso St John der neue Hauptsitz für die Bremer Landesbank entstanden. Mit seiner facettenreichen Backsteinfassade stellt er einen repräsentativen Bezug zur hanseatischen Baukultur her.

SPIEL AUS LICHT UND SCHATTEN Neubau der Bremer Landesbank

Backstein-Expressionismus Das alte Bankgebäude aus dem Jahr 1969/70 erwies sich als technisch unwirtschaftlich und nicht mehr zeitgemäß, sodass sich die Bremer Landesbank im Jahr 2011 entschieden hatte, einen Wettbewerb zur Errichtung eines Neubaus auszuloben. Das Londoner Architekturbüro Caruso St John konnte mit seinem Entwurf überzeugen. Entstanden ist ein zurückhaltendes Bauwerk, das sich im Kontext der Bauten im historischen Viertel der Bremer Innenstadt durch seine außergewöhnliche Erscheinung unter den wichtigen Figuren am Domshof behauptet. Seine Fassade sollte Bezug auf den norddeutschen Backstein-Expressionismus der 1920er Jahre nehmen. Außerdem bestand eine genaue Vorstellung davon, wie das Gebäude in seiner Farbigkeit aussehen sollte. Vielfältige Formate Die vielfältigen Wölbungen, Linien, Stützen und Simse setzen sich aus 65 verschiedenen Formsteinen zusammen, die maßgeschneidert für den Neubau entwickelt und produziert

Ihr Partner für Textile Architektur und Werbetechnik. 20 Jahre Erfahrung aus über 4.000 Projekten weltweit. www.icsvertical.de Wir realisieren für Sie schlüsselfertige Projektabwicklungen oder übernehmen Teilaufgaben Ihrer Projekte.

worden sind. Die in ihrer Farbigkeit variierenden Klinker kommen ohne Einsatz einer zusätzlichen Engobe aus. Mit ihrer Robustheit und durch die geringe Wasseraufnahme sind die hart gebrannten Vollsteine perfekt auf das hanseatische Klima abgestimmt. Ein Großteil konnte maschinell hergestellt werden, was die Produktionszeit verringerte. Möglich machte dies eine angepasste und eigens weiterentwickelte Wasserstrichpresse mit einem hohen Maß an Flexibilität. Anders als standardisierte Pressen ist sie in der Lage, 16 unterschiedliche Formsteine gleichzeitig zu pressen. Einzelne Steine in ihrer Form so zu gestalten, dass sie in ihrer Gesamtheit eine gleichmäßige Wellenform ergeben, bedeutete eine große handwerkliche Herausforderung. Die Abdecksteine für die oberen Geschosse wurden von Hand bearbeitet. Tiefe und Dreidimensionalität des Fassadenreliefs erzeugen ein lebendiges Spiel aus Licht und Schatten. Frauke Stroman


20

fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

Das komplett eingehauste Gebäude ähnelt einem metallischen Gefäß und harmoniert so mit seiner Umgebung

WAS STECKT DAHINTER? WAS STECKT DRIN? Laborgebäude in Köln

Kompakt, oberflächenreduziert und nachhaltig präsentiert sich das im Oktober 2016 fertig gestellte Laborgebäude der Stadtentwässerungsbetriebe in Köln-Stammheim. kister scheithauer gross (ksg) gingen 2013 aus einem begrenzt offenen Realisierungswettbewerb als Sieger hervor und planten einen ästhetischen Bau in außergewöhnlicher Form. Nachhaltigkeitsorientierte Planung Das alte, stark sanierungsbedürfte Laborgebäude bildete ein L-förmiges Ensemble aus zwei Baukörpern. Um den laufenden Betrieb zu gewährleisten, sollte der Neubau auf dem 2.000 m² großen Parkplatzgelände nordöstlich des Bestands realisiert werden. Gefordert waren intelligent angeordnete Laborbereiche für optimierte Arbeitsabläufe und kurze Wege. Funktionalität, Transparenz und Kommunikationsfreundlichkeit sollten in einer nachhaltigkeitsorientierten Planung umgesetzt werden. Besonders wichtig waren die Planung eines kompakten Baukörpers und die Verwendung von recycelbaren Materialien. Eigenständiger geometrischer Solitär Das Werksgelände ist umgeben von viel Natur und geprägt von großen runden Silos und lose angeordneten Gebäuden. Diese Silotanks führten zum Verlust des Maßstabs. Der urbane Kontext fehlte. Der Entwurf von ksg reagierte mit einer ebenfalls maßstabslosen Antwort – einem freien und zugleich geometrischen Baukörper, der das dreieckige Grundstück optimal ausnutzt. Sein Zuschnitt und die technischen Bauten der Nachbarschaft haben zu einem Gebäudekonzept beigetragen, das auf einen Solitär von eigenständiger geometrischer Form setzt. Der eingeschossige Baukörper mit dem runden Aufbau greift die Körperhaftigkeit der technischen Bauwerke auf und wird sowohl in seiner Funktion als auch in seiner bildhaften Wirkung einem mar-

kanten Technikgebäude gerecht. Der komplett eingehauste Bau mit der gebogenen Fassade ähnelt einem Gefäß aus Metall und harmoniert so mit seiner Umgebung. Die Fassade nimmt dem Gebäude die Maßstäblichkeit. Allerdings ohne distanziert und charakterlos und ohne typische Industriearchitektur zu sein. Identität durch Material und Gestaltung Seine Identität erhält der Neubau durch seine Materialität und ornamentale Gestaltung. Die Fassade erzeugt viele Assoziationen. So fühlt sich Architekt Johannes Kister an die typische Siebcharakteristik erinnert, die er mit Analyse und Recherche, also mit den Abläufen in einem Labor verbindet. Das Spiel mit der Neugier eines Chemikers wurde auf die Gestaltung übertragen. Der Betrachter sieht von außen immer nur Teile des Ganzen. Bei jedem Schritt um das Gebäude verändert sich der Blick auf den Kern, das Innere. Die vorgesetzte Metallfassade dient nicht nur der Gestaltung, sondern auch dem Sonnenschutz und schafft es zudem, die unterschiedlich großen und unterschiedlich angeordneten Fensteröffnungen im Sozial-, Büro- und Laborbereich harmonisch zu vereinheitlichen. Es gibt keine „schlechte Rückseite“, und auch für die Mitarbeiter im Inneren ergeben sich spannende Ausblicke in die Umgebung. Deshalb wurde bewusst vermieden, bei der Konstruktion mit großen Schrauben oder anderen unschönen Befestigungsvarianten zu arbeiten.


fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

21

rechts Aufgrund seiner ästhetischen Form, seiner außergewöhnlichen Fassade und seiner optimalen Arbeitsabläufe zählt der Laborneubau zu den Pilotprojekten im modernen Laborbau

Innovative Laborplanung Der Zugang zum Gebäude erfolgt ebenerdig ebenso wie die Anlieferung der Proben. Der Weg einer solchen wurde in Zusammenarbeit mit den Laborplanern und dem Nutzer genau analysiert, um die Arbeitsabläufe zu optimieren. So wandert diese von der separat angeordneten Probenannahme über einen zentralen, kreuzungsfreien Mittelgang in die nasschemische, organische oder auch biologisch-ökologische Analyse. Die hohe Transparenz der offenen Laborstruktur mit den langen, in Reihe geschalteten Labortischen ermöglicht den engen Austausch zwischen den unterschiedlichen Abteilungen. Anders als bei herkömmlichen Zellenlabors sorgt dieser Labortypus für kurze Wege. Die klare Gebäudeform schafft ein Raumkontinuum, das in unterschiedliche Funktionsbereiche zoniert werden kann. Dieses Konzept erfüllt die Zielsetzung einer flexibel gestaltbaren Laborlandschaft bei gleichzeitiger Verzahnung der Bereiche und lässt Spielraum für künftige Veränderungen. Genau diesem Sinn folgt die offene Installation der Gebäude- und Labortechnik. So wurde bewusst auf abgehängte Decken verzichtet, um eine einfache Nachinstallation zu ermöglichen. Eine weitere Neuerung ist die dem Analysebereich vorgelagerte Auswertungszone. Hier können die Mitarbeiter in Ruhe, aber immer mit Sichtbezug, ihre Ergebnisse dokumentieren. In derselben Transparenz wurde der Aufenthaltsraum mit Teeküche realisiert. Alle Bereiche haben nicht nur den Blick zueinander, sondern auch nach außen. Natalie Bräuninger Alle Fotos: Yohan Zerdoun

unten Die vorgesetzte Metallfassade dient nicht nur der Gestaltung, sondern auch dem Sonnenschutz und schafft es zudem, die unterschiedlich großen und unterschiedlich angeordneten Fensteröffnungen harmonisch zu vereinheitlichen


22

fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

KRAFTVOLLER EDELSTAHL

Vertriebs- und Servicezentrum in Warschau Mit dem neuen Hauptsitz von Trumpf in Polen haben Barkow Leibinger Architekten den Prototyp eines wirtschaftlichen Industriebaus mit Showroom entworfen, der eine einfache Kubatur mit komplexer Fassade und differenzierten Innenräumen kombiniert. Reduzierte industrielle Materialien prägen das Haus sowohl innen als auch außen. Spiegel der Technologie Als wollten sie eine Geschichte über das Innenleben des Hauses erzählen, legen sich metallisch schimmernde Lamellen aus Edelstahlblech in einem weichen Verlauf auf die Fassaden. Die Lamellen weiten sich optisch auf und verengen sich, sie sind über eine Länge von jeweils gut 10 m lasergeschnitten und gekantet und werden so zum architekturbestimmenden Ausdruck der Technologie des auf Werkzeugmaschinen und Lasertechnik spezialisierten Unternehmens Trumpf. Dieses gewinnt mit dem zweigeschossigen Neubau auf knapp 3.200 m2 Fläche Büroräume für etwa 50 Mitarbeiter sowie einen repräsentativen Showroom zur Ausstellung von Flachbettlasern, Kant- und Stanzmaschinen. Situation im Kontext Strategisch günstig mit Autobahnanschluss und nahe dem Flughafen gelegen, fügt sich das Gebäude in eine vorstädtische Umgebung mit Gewerbe, Parkplätzen und Entwicklungsflächen ein. Seine Positionierung im nördlichen Bereich des ca. 10.000 m2 großen

Grundstücks, das im Süden und Norden von Straßen, östlich und westlich von weiteren Gewerbeflächen begrenzt wird, hält die Möglichkeit einer späteren Erweiterung offen. Auf diesen heterogenen Kontext reagiert der Neubau mit einer introvertierten Organisation und prototypischen Erscheinung: Sein quadratisches Äußeres wird bestimmt durch die kraftvollen Edelstahlfassaden, die wie Billboards zu den Straßen zeigen und in der Fernsicht robust und zugleich grafisch-elegant wirken. Im Inneren, eingeschnitten in das Obergeschoss, entsteht mit einem ca. 16 x 16 m großen hofartigen Dachgarten ein in dieser Lage unerwartet charmanter und intimer Ort für Pausenaufenthalte und kleinere Kundenveranstaltungen. Ein warmer, dunkelgrauer Granitboden und Felsenbirnen in großen Pflanztöpfen sorgen für Atmosphäre.

und Osten legt sich L-förmig der zweigeschossige Showroom für Maschinen an. Richtung Süden und Westen befinden sich auf beiden Ebenen Büro- und Seminarräume sowie eine Cafeteria für die Mitarbeiter. In der Schnittfläche der beiden Nutzungsbereiche in der südöstlichen Gebäudeecke liegt das Foyer mit Empfangstheke. Gegenüber, in der nordwestlichen Ecke, geht der offene Showroom in einen kleinteiligeren, eingeschossigen Ausstellungsbereich über, in dem fertige Werkstücke und die für die jeweilige Herstellung erforderlichen Bearbeitungsköpfe präsentiert werden. Eine verglaste, über eine offene Treppe erschlossene Empore bietet Raum für großzügige Kundenempfangs- und -besprechungsräume, die an die Bürofläche und den Dachgarten im Obergeschoss anschließen und Einblicke in den Showroom ermöglichen.

Innere Organisation Die innere Organisation des Hauses orientiert sich umlaufend um den Dachgarten bzw. einen darunter liegenden geschlossenen Block mit Haustechnikund Lagerräumen: Richtung Norden

Industrielle Materialien Sowohl innen als auch außen ist das Haus von reduzierten, industriellen Materialien geprägt. Der Dachgarten ist zum Showroom hin mit Profilbauglas mit transluzenter Wärmedämmung ein-


fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

23

oben Die Lamellen sind abwechselnd mit der Innen- und Außenseite auf einer Scherenkonstruktion aus Flachprofilen montiert und erzeugen durch zunehmende Breiten das Bild einer relativ offenen bis nahezu geschlossenen Fassade (Fotos: David Franck)

gefasst, die Tragstruktur des Gebäudes im Innenraum sichtbar belassen. Im Bürobereich, wo sich auch die Kerne und Fluchttreppenhäuser befinden, wurde diese massiv in Stahlbeton ausgeführt, im zweigeschossigen repräsentativen Bereich als schwarz gestrichene Stahlskelettkonstruktion. Neben gestalterischen Aspekten lag ein Vorteil dieser Bauweise in der kurzen Bauzeit von nur 12 Monaten. Äußere Hülle Für die äußere Hülle des Gebäudes kamen Aluminium und Edelstahl zum Einsatz. Die beiden seitlichen Fassaden nach Osten und Westen sind funktional und schlicht mit Aluminium-Trapezblech verkleidet, in das auf der einen Seite die verglaste Eingangspforte und ein großes Tor für die Anlieferung, auf der anderen Seite zwei lange Fensterbänder zur Belichtung

der Schulungs- und Büroräume eingeschnitten sind. Die den Pfosten-RiegelGlasfassaden vor dem Showroom vorgehängten glänzenden Lamellen aus geschliffenem Edelstahl machen diese Ansichten zu repräsentativen, identitätsstiftenden Visitenkarten des Unternehmens und seiner Produkte. Lasergeschnittene Lamellen Die Lamellen werden gebildet von lasergeschnittenen, rechtwinklig gekanteten Edelstahlblechen variierender Breite, die sich zu öffnen und zu schließen scheinen. Abwechselnd mit der Innenund der Außenseite auf einer filigranen Scherenkonstruktion aus Flachprofilen montiert, erzeugen sie durch zunehmende Breiten ein Gesamtbild mit weichem Verlauf von relativ offen bis nahezu geschlossen. Dieser folgt den Anforderungen der inneren Nutzungen: Schmale Lamellen im Bereich

des Showrooms bieten großzügige Einund Ausblicke, während sie zum Ausstellungsbereich hin breiter werden und die dort aufgrund von Bildschirmen erforderliche Dunkelheit schaffen. Im Süden gewährleistet das hier insgesamt geschlossenere Lamellensystem den Sonnenschutz für die dahinter liegenden Büros. Mit Einbruch der Dunkelheit zeichnen sich die beleuchteten Innenräume wie auf einem schimmernden Screen nach außen ab. Kontrast zur Geometrie Der Außenraum um das Gebäude ist durch Erdschollen in lockerer Anordnung gestaltet, die mit Birken und Rittersporn bepflanzt sind und mit ihrer natürlichen Struktur einen Kontrast zur strengen Geometrie des metallisch schimmernden Gebäudes bilden. Barkow Leibinger

Bausysteme nach Maß – umweltgerecht mit industrieller Perfektion gefertigt

Perfektion aus den Opitz Zukunftsfabriken in Neuruppin …

OPITZ Holzbau GmbH & Co. KG Valentin-Rose-Straße 4 · 16816 Neuruppin 콯 +49 (0)3391 5196 - 0 · Fax +49 (0)3391 5196 - 33 www.opitz-holzbau.com Jetzt auf info@opitz-holzbau.com Opitz Riesenbinder-Konstruktion

Die Opitz-Verwaltung

Das Fontane-Palais

Die Opitz Zukunftsfabrik 1

Die Opitz Zukunftsfabrik 2

15.300 m2 Produktionsfläche!


24

fassadenBAUKULTUR

GLEICHMÄSSIGES SCHALUNGSBILD Die Dorfanlage Bornstedt unweit von Schloss Sanssouci in Potsdam wird durch die UNESCO als Weltkulturerbe geschützt. Beim Bau des neu errichteten Einfamilienhauses bestand die Kunst für den Berliner Architekten Ingo Andernach darin, ein Raum- und Gestaltungskonzept zu realisieren, das dem Bauherrn zusagt, zum Grundstück passt und den Genius Loci bewahrt. Denkmalpflegerische Kriterien Bezüglich des Denkmalschutzes waren Auflagen hinsichtlich der Materialverwendung sowie Kriterien wie die Berücksichtigung von Sichtachsen, Kubaturgrößen etc. einzuhalten. Der Neubau ist klar, stringent und reduziert gehalten – passend zur ebenfalls schlichten Architektur der umgebenden historischen Gebäude. Gestaltungskonzept Aus der Vogelperspektive gleicht das Grundstück einem langgezogenen Tortenstück. Entstanden ist darauf ein zweigeschossiges Gebäude mit flachem Satteldach. Durch die Anordnung von zwei Baukörpern ergab sich ein halböffentlicher Außenbereich mit Hof und ein nach Süden orientierter privater Außenbereich. Neben tragenden Sichtbetonaußenwänden (Stahlbeton C 30/37) kamen für die Außenhülle nur geölte Eiche sowie anthrazitgefärbte Betondachsteine und anthrazitfarbene Metallteile zum Einsatz. Für die Schornsteinköpfe wurden Fertigbetonelemente aus Glasfaserspritzbeton hergestellt. Auch bei der Zaunanlage, die sich in Proportion und Anordnung an historischen Vorbildern orientiert, wurden diese Materialien verwendet. Die beiden Baukörper sind mit einem verglasten Flachbau verbunden.

BAUKULTUR 3_2017

oben und unten Das Material Beton ist hochwertig, robust, ehrlich und mit Liebe zum Detail umgesetzt


fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

25

rechts Die geölte Eiche bei Fenstern, Türen und Parkett setzt warme, natürliche Akzente (Alle Fotos: IZB/Christian Michael Peters)

Wegen des beengten Grundstücks erhielten die Sichtbetonaußenwände eine Innendämmung. Ebenso wie die leichten Trennwände und die Innenbekleidungen der Dächer wurden diese Flächen glatt gespachtelt und gestrichen. Durch die konsequente Innendämmung und die thermische Trennung der an die Außenwände anschließenden Innenbauteile fallen die Wärmebrücken nicht ins Gewicht. Die Anforderung der ENEV/EEWärmeG wurde erfüllt durch eine Kombination aus einfacher Brennwerttherme sowie Fußbodenheizung mit den hohen Dämmstandards der Fenster, Böden und Dächer. Typisiertes Schalungssystem Die einfache und klare Architektur mit dem gleichmäßigen Schalungsbild erforderte eine exakte Planung und Ausführung auf hohem Niveau. Für die Herstellung der Sichtbetonwände in Ortbeton kam ein typisiertes Schalungssystem zum Einsatz. Um ein gleichmäßiges Tafelbild zu erreichen, wurden Passstücke vermieden. Die Herausforderung lag darin, ein typisiertes Schalungssystem zu finden, das zur Kubatur der Baukörper passt. Die Schaltafeln gingen von den Abmessungen her optisch auf. Doch bei ihrer Verbindung an den

Wandaußenecken hätte das Standardeckstück das Fugenbild zerstört. Das passende Verbindungselement wurde aus den USA importiert. Sichtbeton auch im Interieur Auch im Innenbereich herrscht bei Wänden, Treppe und Küchenblock das Material Sichtbeton vor. Anthrazitfarbenes Metall für Treppengeländer und die sichtbaren Zugbänder vom Sparrendach der Remise geben dem helleren Beton einen dunklen Rahmen. Geölte Eiche bei Fenstern, Türen und Parkettboden setzt warme, natürliche Akzente. Holger Kotzan

4.725 KUBIKMETER SPEZIALBETON

VHV BAUVERSICHERUNGEN Die VHV bietet eine in der Branche einzigartige Expertise und langjährige Erfahrung bei der Versicherung von Bauprojekten. So profitieren Sie von spezifischen, ständig weiterentwickelten und innovativen Versicherungslösungen. Mehr Informationen erhalten Sie unter Tel.: 0180.22 32 100* oder unter www.vhv-bauexperten.de * Festnetzpreis 6 Cent pro Anruf, aus Mobilfunknetzen höchstens 42 Cent pro Minute.


26

fassadenBAUKULTUR

Zwei Gebäudereihen von einfacher Geometrie führen zum Rathaus als bildlichem Mittelpunkt (Foto: Andrey Belimov-Gushchin)

BAUKULTUR 3_2017

Heller Naturstein und großzügige Glasflächen verleihen dem Quartier ein wirkungsvolles Erscheinungsbild (Foto: Yuri Slavtsov)

AUSDRUCKSSTARKES ENSEMBLE Neues Rathaus in St. Petersburg

Die Nutzungsvielfalt des neuen Verwaltungs- und Geschäftsquartiers in Sankt Petersburg ist hoch: Das Newski Rathaus nach einem Entwurf durch Tchoban Voss Architekten mit EGP und einem Fassadenentwurf durch das Büro SPEECH vereint Regierungs- und Bürogebäude, Hotels sowie Einzelhandel und öffentliche Flächen. Städtebauliche Einbindung Durch einheitliche Gebäudehöhen, -längen und -abstände entsteht ein harmonischer Rhythmus, der die Merkmale der Umgebung aufnimmt. Die Eingänge der Geschäftshäuser orientieren sich zum öffentlichen Platz als Kern der Anlage. Ein zweigeschossiger Säulengang eint die Bauten und schützt die Passanten bei schlechtem Wetter. Das Rathaus wurde mit 55 m Höhe und ausdrucksstarker Formsprache zur Dominante des Ensembles. Seine Hauptfassade ist dabei nicht zum Quartiersinneren, sondern nach außen gerichtet. Der Entwurf symbolisiert die Öffnung der Verwaltung gegenüber den Bürgern: Transparenz findet sich im Gebäudeaufbau, seinen Fassaden und der Außenraumgestaltung. In der Gebäudemitte liegt das Foyer, das die öffent-

lichen Bereiche im Erdgeschoss miteinander verbindet und über einen zylindrischen Innenhof belichtet wird. Öffentlich zugänglich ist auch die linsenförmige Glaskuppel. Eine runde Glaskabine befördert Besucher zur Aussichtsplattform mit Panoramablick auf die Stadt. Schützende Säulengänge Die Verbindung von großzügigen Glasflächen mit Säulen, Pilastern und Portalen aus hellem Naturstein verleiht dem Gebäude ein wirkungsvolles Erscheinungsbild. Der äußere Säulengang mit insgesamt 16 Säulen von 30 m Höhe liegt im Abstand von 6 m vor der Fassade und ist durch Gebälk und Glasflächen geschützt. Die Fassade zum Quartiersplatz ist mit 22 Säulen und einem Gesims versehen.


fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

UNIPOR SILVACOR

27

Ökologisch und nachhaltig bauen

Die markante Kuppel wird bereits heute als ein Wahrzeichen des neuen Quartiers wahrgenommen (Foto: VTB-Development) S T OF F DÄ M M A U S G N F ÜL L U REINEN SOR T EN ERN S HOL Z FA

UNIPOR W07 SILVACOR Natürliche Rohstoffe Besonders diffusionsoffen Hoher Wärmeschutz

Fassadenplanung Aufgrund von Budgetkürzungen in Krisenzeiten mussten hinsichtlich der Fassaden mehrfach alternative Lösungen gefunden werden. Anfänglich plante man eine Natursteinfassade, doch der Bauherr wollte kurzzeitig umdisponieren und auf günstigere Materialien zurückgreifen. Durch die Entscheidung, die Tiefe der Natursteinplatten zu reduzieren, musste nicht auf sie verzichtet werden. Die dünneren Steinplatten wurden auf speziell dafür entwickelte AluminiumSandwichpaneele mit Wabenkern angebracht. Neben Travertino Romano wurden weitere Natursteine verwendet, u.a. Nero Impala für die Sockelverkleidung. Während das Rathaus in hellen Beigetönen gehalten ist, variieren die Fassaden der beiden Nachbargebäude von feiner Ornamentik zum massiven und farbintensiveren Erscheinungsbild. Für die Oberflächen der übrigen Bauten wurden weitere Natursteine individuell ausgesucht. Ein 5 x 6 m großes Stadtwappen aus farbigen Steinen ziert die Fassade auf der Platzseite. Verglasung Einen bedeutenden Part der Fassaden macht die Verglasung aus. Der hohe Anteil der Glasflächen ist dem Wunsch geschuldet, eine maximale Öffnung der Verwaltungsprozesse gegenüber den Bürgern zu erreichen. Verwendet wurde ein Double-Skin-System: Zwischen zwei Glasschichten zirkuliert Luft – diese Ventilation entlastet die Heizungs- und Lüftungssysteme und sichert den Lärmschutz. Die Rahmenfertigteile – so genannte Paneel-Module – verfügen über durchsichtige Öffnungselemente und ein außen liegendes Sonnenschutzsystem in Form von automatischen Raffstoren aus Aluminium. Die äußere Glasschicht konnte an den vorhandenen Elementen mit Stein- oder Glasverkleidung angebracht werden. Zwischen den Glaspaneelen kompensieren

links Säulengänge einen die Bauten und schützen die Passanten vor Witterung (Fotos: Yuri Slavtsov)

Optimales Wohnklima Nachhaltig und recycelbar

Dehnungsfugen mögliche Konstruktionsbewegungen. Das Grundgerüst für die Paneel-Module wurde unter Verwendung von individuell hergestellten Aluminium-Profilen ausgeführt. Die Halterungselemente der äußeren Verglasung sind in Abstimmung mit den Architekten aus rostfreiem Stahl nach individuellen Zeichnungen gefertigt. Die äußeren Glasschichten in Größe von 5,8 x 1,8 m wurden auf insgesamt 4 Halterungspunkte montiert. Lediglich die beiden oberen Halterungspunkte tragen das Gewicht der Platte und geben es auch weiter. Verwendet wurde ein Doppel-Sicherheitsglas. Über den Eingängen sind die Glasplatten als schmale Streifen mit 4-Punkte-Halterung ausgeführt. Rathauskuppel Die Konstruktion der Rathauskuppel besteht aus 12 krummlinigen Stahlrahmen von 1,5 m Durchmesser am Ansatz bis 40 cm in der Kuppelspitze. Sie ist mit einer großformatigen Dreifachisolierverglasung und einem integrierten Schneeschmelzsystem versehen. Für ungetrübten Ausblick wurde im Sichtbereich Weißglas eingesetzt. Die gebogenen Glasplatten sind etwa 4 x 3 m groß. Die Außenschicht weist dabei keine Halterungselemente auf. Die Kuppel stellte aufgrund der strikten Höhenbestimmungen in der Sankt Petersburger Innenstadt eine der schwierigsten Etappen im Planungsprozess dar. Erst nach langwieriger Prüfung wurde die Genehmigung erteilt. Die markante Ellipsenform ist prägend für das Stadtpanorama und wird bereits heute als ein Wahrzeichen des neuen Quartiers wahrgenommen. Polina Goldberg


28

fassadenBAUKULTUR

Durch die freskierte Bemalung, das Putzrelief, die Mauernischen und Öffnungen erhält das Haus Präsenz

BAUKULTUR 3_2017

Die Nordfassade nimmt anfänglich die Gestaltung der Ostfassade auf und mündet dann in ein sichtbares Fachwerk mit verputzten Gefachen

SANIERUNG NACH HISTORISCHEM BEFUND Das Jurahaus – heute Kulturhaus Dietfurt – entstand um 1715. Die Fassaden wurden im Laufe der Jahrhunderte mehrmals überputzt und übermalt. Im Zuge der Sanierung durch das Büro Kühnlein Architektur, Berching, wurden die bauzeitlichen Putz- und Farbfassungen freigelegt, untersucht, gefestigt und schließlich nach der Rezeptur der historischen Befunde zur Konservierung mit einer neuen Lage Putz abgedeckt. Drei Putzphasen An den Fassaden konnten drei Putzphasen festgestellt werden: Eine aus dem Baujahr um 1715 (Putzphase 1), eine Überarbeitung wohl aus dem 19. Jahrhundert (Putzphase 2) und eine weitere aus dem 20. Jahrhundert (Putzphase 3). Da die Überarbeitungen in ihrer Stabilität und Anhaftung zum Untergrund in sehr schlechtem Zustand und von einfacher Qualität waren, erhielt die Erstfassung der Untersuchung besondere Beachtung. Putzphase um 1715 Die Ostfassade stellt die Schmuckseite des Gebäudes dar. Ihr Giebel aus Kalksteinen mit Ziegelzusetzungen ist mit mehreren Putzlagen unterschiedlichster Qualität überzogen. In der Erstfassung handelt es sich um einen sehr hellen, festen Kalkputz, teilweise als Glattputz mit geriebener Oberfläche, teilweise als Strukturputz. Die unterschiedlichen Putztechniken sind Teil der Gestaltung. Horizontale Bänder in verschiedenen Breiten dienen der Gliederung. Die glatt geriebenen Putzbänder sind freskal mit ockerfarbenen, schwärzlichen und gräulichen Kalklasuren ornamentiert. Als Motiv findet sich der „laufende Hund“, ein zweifarbiges, doppeltes Wellenband als Symbol für Werden und Vergehen. Dazu steht ein über Glattputzniveau liegender Stupfputz, der vermutlich in seiner Sandfarbigkeit putzsichtig zu den gefassten Oberflächen gestanden hat. Die bauzeitlichen Putze sind in einem allgemein stabilen Zustand. Die Gefache der Süd- und Nordfassade in Fachwerkbauweise sind mit Kalksteinen und Ziegelsteinen ausgemauert. Die Südfassade war komplett verputzt. Nachvollziehbar ist das zumindest bis ca. 2 m hinter der Überschneidung mit

dem Nachbargebäude. An der Südfassade wird die Gestaltung der Ostfassade weitergeführt. Die Nordfassade nimmt nur im Übergang zur Ostfassade deren Gestaltung um ca. 1,50 m auf. Es wurden aber lediglich die Bänderungen und Bossierungen auf die Fassade übertragen. Aufwändige Elemente wie der „laufende Hund“ finden sich hier nicht. Die Farbigkeit der ansonsten monochrom gefassten Fassadenseite zieht sich mit in die Gestaltung ein und ergänzt die Ornamente. Die restliche Fassadenseite war wahrscheinlich als Fachwerkwand mit sichtbaren Balken und verputzten Gefachen monochrom in hellem Grau gefasst. Farbbefunde an den Holzbalken konnten nicht nachgewiesen werden. Putzphasen 19. und 20. Jahrhundert Die folgende Putzlage (Putzphase 2) imitiert den originalen Putz in seiner Technik, ist jedoch längst nicht so fein aufgeführt. Der Putz ist extrem bindemittelarm und sandet stark. Es folgt der Sichtputz (Putzphase 3), ein Kalkputz mit hydraulischem Anteil, der an der gesamten Fassade als quer geriebener Rillenputz ausgeführt ist. Teilweise gibt es Ausbesserungen mit Zementputz besonders im Sockelbereich, an den Fenstern und an den Ecken. Historische Putzphasen an der Ostfassade enden auf einer Höhe von ca. 2,50 m über Gelände. Die Gestaltung der Fassadenflächen am aufgehenden Mauerwerk dürfte hier mit der ersten Fassung als flächiger Stupfputz ausgeführt gewesen sein. Die vorgefundene Gestaltung der ersten Putzphase ist in ihrem Erhaltungszustand und ihrer Ausführung einzigartig und wurde als unbedingt erhaltenswert angesehen. Aufgrund des vorgefundenen Bestandes konnte diese als rekonstruierbar bezeichnet werden.


fassadenBAUKULTUR

BAUKULTUR 3_2017

29

rechts Glatte, teils farbig gefasste Putzflächen wechseln sich mit rauen Stupfputzflächen ab und bilden eine horizontale Bänderung

Fensteröffnungen Alle Fensteröffnungen dürften bei den letzten Umbauten geändert worden sein. Im Dachgeschoss wurden einige kleinere Öffnungen und die Aufzugsöffnung geschlossen und durch drei gleich große Fenster ersetzt. Im Obergeschoss entsprechen die Fenster nahezu den bauzeitlichen Öffnungen. Im Erdgeschoss steht vermutlich nur die Öffnung im nördlichen Bereich in etwa an bauzeitlicher Stelle. Der Großteil ist mit dem neuen Eingang an der Südostecke komplett verändert worden. Sanierung Unter dem abgeplatzten Zementputz wurden Farbreste und Putzritzungen der bauzeitlichen Fassung sichtbar. Auch die Punkte, in denen ein Zirkel eingeschlagen worden war, waren noch zu erkennen. Prägend sind die groben Stupfputzflächen im Erdgeschoss und teilweise im oberen Bereich. Diese Struktur wurde mit einem Nagelbrett oder Reisigbesen in den frischen Putz „gestupft“. Die glatten Putzflächen wechseln sich mit den rauen Stupfputzflächen ab und bilden eine horizontale Bänderung. Das unterste Band mit dem „laufenden Hund“ verläuft direkt über den Fensteröffnungen im Erdgeschoss. Das zweite Band liegt auf dem Scheitel der Toreinfahrt auf und umzieht den Giebel, allerdings wird es durch die Fensteröffnungen im Obergeschoss unterbrochen. In der Höhe des Kniestocks sind zwei quergestreifte Ornamentbänder eingefügt. Durch die freskierte Bemalung, das Putzrelief sowie die Mauernischen und Öffnungen im Giebel erhält das Haus Präsenz. Viele Fragen konnten während der Bauforschungs- und

Sanierungsphase beantwortet werden, einige bleiben allerdings offen: Wer war Bauherr des Hauses und welche Handwerker stellten diese in der bayerischen Oberpfalz nicht ganz alltägliche Putzfassade her? Vieles deutet auf Graubündner Handwerker hin, die in familiären Bautrupps organisiert in der Region um das Bistum Eichstätt tätig waren. Christian Bayer, Anke Hirsch, Michael Kühnlein

unten links Die glatt geriebenen Putzbänder sind freskal mit ockerfarbenen, schwärzlichen und gräulichen Kalklasuren ausgeführt unten Die Putzumrandungen der Fenster sind mit einem schwarzen Begleitstrich von der Stupffassade abgesetzt


30

advertorial | anzeige

BAUKULTUR 3_2017

SILBRIGE HOLZFASSADEN Zwei ungewöhnliche Strandhäuser stehen seit gut zwei Jahren an der Küste von Camber Sands im englischen East Sussex. Auf schwimmenden Fundamenten errichtet, sind ihre Fassaden von einer innovativen Holzverkleidung geprägt, die mit dem wechselnden Tageslicht am Meer silbrig schimmert. Das Londoner Architekturbüro WAM Design wollte eine nahtlose Kontinuität in der Struktur der Gebäude schaffen, um die natürliche Form der Dünen aufzugreifen. Die Häuser wurden so gestaltet, dass sie minimale Auswirkungen auf die Umwelt haben – so wurden auch nur umweltverträgliche Materialien verwendet. Wichtig dabei: Das Fassadenholz musste nachweislich nachhaltig sein, der Witterung standhalten und durch die Optik den Standort am Meer reflektieren können. Die Wahl fiel auf Kebony aus Norwegen. Das norwegische Unternehmen Kebony verwendet Kiefernholz als Ausgansmaterial und veredelt es mit Hilfe einer patentierten Technologie. Das Holz wird mit Furfurylalkohol, einem Naturprodukt, getränkt und anschließend getrocknet. Dabei vernetzt der Bioalkohol mit dem Holz und modifiziert es derart, dass zum einen Schädlinge es als Substrat nicht mehr erkennen und es zum anderen kaum noch Feuchtigkeit aufnehmen kann. Es entsteht Holz mit hoher Dauerhaftigkeit, exzellenter Dimensionsstabilität und sehr

hoher Festigkeit, vergleichbar mit dauerhaften tropischen Harthölzern. Durch die natürliche Bewitterung erhält das anfangs dunkelbraune Holz eine silbergraue Patina. Die Häuser wurden im Jahr 2014 fertig gestellt. Das Kebony Holz hatte nach etwa einem Jahr den heutigen Farbton erreicht. Die Architekten sind von der Qualität und Langlebigkeit des Holzes beeindruckt und von dem Endergebnis begeistert: „Genauso hatten wir uns das Zusammenspiel mit der Natur vorgestellt.“ WAM Design und Kebony haben 2016 für das Projekt den Surface Design Award in der Kategorie „Sustainable Exterior Surface“ gewonnen. www.kebony.de

rechts Durch natürliche Bewitterung erhält das anfangs dunkelbraune Kebony Holz eine schöne, silbergraue Patina


advertorial | anzeige

BAUKULTUR 3_2017

31

INNOVATIVER SCHOTTENBAU Schottenbau ermöglicht die Verknüpfung von massiver Bauweise mit industriell vorgefertigten Holztafelbauelementen, welche in kürzester Zeit passgenau als Fassadenbauteile eingebaut werden. Er eignet sich hervorragend für den Mehrfamilienhausbau, ist schnell, wirtschaftlich und effektiv. Das Unternehmen Opitz Holzbau ist spezialisiert auf energiesparenden innovativen Schottenbau. Dabei werden massiven Seitenwänden und Geschossdecken Holztafelbauelemente passgenau vorgesetzt. So wird der Bau präzise abgeschlossen. In der Opitz Zukunftsfabrik, einer firmeneigenen hochmodernen Fertigungsstätte, werden Holztafeln nach individuellen Vorgaben konfektioniert und gefertigt. Fenster- und Türelemente können entweder im Werk eingeplant oder auf der Baustelle eingesetzt werden. Vorgefertigte Elemente kommen just in time auf der Baustelle an und können sofort eingesetzt werden, wodurch Bauzeiten erheblich verkürzt werden. Die Bauweise des Schottenbaus eröffnet dem Holztafelbau neue Dimensionen für Gebäude mit hoher Geschossigkeit sowie viele Vorteile wie Maßgenauigkeit durch industrielle

präzise Vorfertigung und energetisch hervorragende Dämmeigenschaften. Zudem profitieren die Bauten von den klassischen Vorteilen des Holzbaus. Opitz Fassadenelemente aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz • sparen Ressourcen • sind baubiologisch hervorragend • haben beste Energiewerte • sorgen für eine CO2-neutrale Bauweise • erreichen Passivhausstandard • sind besonders schlank und damit raumsparend OPITZ HOLZBAU GmbH & Co. KG Valentin-Rose-Straße 4 16816 Neuruppin www.opitz-holzbau.de

iv bei

Exklus

TE

EVERLI

U-WERT 1,0 W/(M²·K) MIT 40MM-FASSADENPLATTE

FOKUS AUF: TRANSPARENTE DÄMMUNG ,=,930;, -HZZHKLUS Z\UNLU ZPUK Å L_PILS H\M 0OYL (UMVYKLY\UNLU HUWHZZIHY \UK THJOLU 0OY .LIp\KL [YHUZWHYLU[! :`Z[LTS Z\UNLU TP[ verschiedenen Stärken \UK -HYILU 0 L_[YLT schlagzähes 4H[LYPHS 0 M Y QLKLZ Budget die passende FassaKLUNLZ[HS[\UN 0 transparente Wärmedämmung TP[ ZLOY N\[LU +pTT^LY[LU 4LOY 0UMVYTH[PVULU LYOHS[LU :PL H\M ^^^ L]LYSP[L KL VKLY NLYUL PU LP ULT WLYZ USPJOLU .LZWYpJO TP[ 0OYLT ;HNLZSPJO[L_WLY[LU

Deutsche Everlite GmbH Am Keßler 4 97877 Wertheim

Tel. +49 9342 9604-0 Fax +49 9342 9604-60 info@everlite.de I www.everlite.de


32

advertorial | anzeige

BAUKULTUR 3_2017

Die textilen Dächer von ZEBRA Sails aktivieren auf Knopfdruck attraktive Freiflächen und bereichern das Lebensgefühl im Outdoor-Living-Bereich

SONNENSEGEL: GEWÖLBT UND FASSADEN-INTEGRIERT Mit der gedämmten Kassetten-Lösung von ZEBRA Sails lassen sich Sonnensegel erstmals schon in der Planungsphase in der Fassadenebene unterbringen. Sie sind für WDVS oder Klinkerfassaden mit hinterlüfteter Dämmebene geeignet. ZEBRA Sails sind behaglich Die leicht gewölbte Form vereint ein Gefühl von Geborgenheit mit angenehmer Leichtigkeit – nun auch mit der neuen Funktion: Fassaden-integriert! ZEBRA Sails sind regensicher Durch ihre innovative Wölbungstechnik gelingt es den Segelanlagen, den Regen seitlich abzuleiten. ZEBRA Sails sind windsicher Mit ihrer Wölbung und ausgeklügelten Winddruck-Entlastung in den Masten widerstehen die Segel auch stärkeren Windböen, ohne Schaden zu nehmen.

ZEBRA Sails sind ein- und ausfahrbar Auf Knopfdruck werden die Sonnensegel nach Belieben ein- oder ausgefahren. Der verdeckt eingebaute Elektromotor wickelt das gelattete Segel in wenigen Augenblicken bis zur gewünschten Position. ZEBRA Sails sind variabel Neben einem hochwertigen Tuch in attraktiven Farben kommen in der Regel ausschließlich Edelstahlkomponenten zum Einsatz. Die Mastsysteme nutzen Gewichte aus Granit, Corten- oder Edelstahl, um eine permanente Vorspannung des Segels aufrecht zu halten.

ZEBRA Sails stellen aus in Berlin Machen Sie sich Ihr Bild von den innovativen Anlagen auf dem 5. Symposium des Netzwerks TEXTILE-ARCHITEKTUR in Berlin am 16.5.2017: 16. Mai 2017

5tes Symposium

ZEBRA Sails GmbH Dr. Meeß-Olsohn / Wronka

Rennbahnstraße 20 40629 Düsseldorf www.zebra-sails.de


advertorial | anzeige

BAUKULTUR 3_2017

33

rechts Die Erweiterung der Tate Modern in London wurde im Jahr 2016 eröffnet (Alle Fotos: Anke Müllerklein)

PERFORIERTE BACKSTEINHAUT Ein abgekanteter Pyramidenstumpf der Basler Architekten Herzog & de Meuron ergänzt seit vergangenem Jahr die Tate Gallery of Modern Art in London. Das perforierte Klinkerkleid des Neubaus verbindet nicht nur die unterschiedlichen Baukörper miteinander, sondern verleiht der Gebäudehülle Plastizität und lässt sie nachts von innen strahlen. Erweiterung der Tate Modern in London Auf einer dreieckigen Grundfläche erhebt sich der 64 m hohe Erweiterungsbau. Auf insgesamt 11 Ebenen beherberbt er 9.000 m² Ausstellungsfläche. Mit Hilfe eines austarierten Wechsels von Stein und Öffnung gelang es den Architekten, licht- und luftdurchlässige Fassadenflächen zu gestalten, die durch eine sorgfältige Detaillierung überzeugen. Vorgehängte hinterlüftete Fassade Ihre besondere Plastizität erhält die Fassade durch die im Versatz und Zahnschnittmuster gelegten Klinker im quadratischen Grundformat von 215 x 69 mm. Diese sind zu Modulen von zwei miteinander vermörtelten Steinen zusammengesetzt und im Prinzip einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade montiert. Die Fassadenstruktur umhüllt wie ein Schleier das darunter befindliche Stahlbetonskelett und zeichnet sich durch eine präzise Fertigung der Klinker und des Lochbildes im Klinker aus: So musste mit extrem geringen Maßtoleranzen gefertigt werden, da die Toleranzen nicht nicht wie bei herkömmlich vermörtelten Verbänden im Fugenapparat aufgenommen werden konnten. Sorgfältige Detaillierung Um das Mauerwerk an die dreidimensional geneigte Gebäudeform anzupassen, wurde die Fassade in Spannten unterteilt. 336.000 Klinkersteine wurden in 212 verschiedenen Typen mit Edelstahlstiften und Kunstharzgelenken in Blöcken mit der Unterkonstruktion verbunden. Hierfür wurden 5 verschiedene Ziegelarten definiert: Stufenziegel für die senkrecht und schräg perforierten Bereiche sowie für die senkrechten geschlossenen Flächen und bündige Ziegel für die senkrechten und schrägen geschlossenen Bereiche. Für die Gebäudekanten und Faltungen kamen zusätzlich individuelle Steine und angeschnittene Standardsteine zum Einsatz. Gleichmäßiges Farbspiel Bei der Farbgebung der Ziegel orientierten sich Herzog & de Meuron an dem vorhandenen Gebäude und entwickelten zusammen mit dem Hersteller einen speziellen Keramikscherben, der keine Engoben oder anderweitig künstliche Farbaufträge verwendet, sondern durchgefärbt ist. Um ein möglichst gleichmäßiges Farbspiel zu erreichen, wurden die

Die präzise gefertigte, homogene Klinkerhaut verleiht dem Erweiterungsbau ein plastisches Relief

Die Klinkersteine sind im Versatz und Zahnschnittmuster um die dreidimensional geneigte Gebäudeform gelegt

Klinker in einer Charge gefertigt, wobei eine prozentuale Verteilung von hell, mittel und dunkel festgelegt wurde. Zusammen mit den versetzt angeordneten Klinkern entsteht ein lebendiges Licht- und Schattenspiel auf den Außenwänden der neuen Tate Modern. www.gima-ziegel.de


34

advertorial | anzeige

BAUKULTUR 3_2017

COMEBACK DER FÜNFZIGER JAHRE Modernisierung oder Abriss? Vor dieser Entscheidung stand die Städtische Wohnungsgesellschaft Bremerhaven rund 50 Jahre nach der Errichtung einer Wohnanlage in Bremerhaven. Im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens entschied sie sich aus ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Gründen für den Erhalt der Gebäude. Sanierung oder Neubau Die Wohnanlage mit ursprünglich 33 Wohnungen besteht aus zwei einfachen Baukörpern mit Satteldach, die zueinander um Giebelbreite versetzt stehen. Sie wurde im Jahr 1958 erbaut und gehört damit zu den Gebäuden, die typisch sind für viele deutsche Städte, die nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut werden mussten. Architekt Hans-Joachim Ewert sieht jedes Gebäude in seiner Gesamtheit, nicht nur unter den Aspekten Energieeffizienz, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz, sondern auch hinsichtlich der Sicherung von Gesundheit, Behaglichkeit und eines menschengerechten Umfeldes unter Erhaltung sozialer und kultureller Werte. Die technisch und baukonstruktiv einwandfreie Substanz eignete sich aufgrund ihrer schlichten architektonischen Gestaltung sehr gut für eine Sanierung. Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit kostete es deutlich weniger Energie, die Wohnungen im Bestand zu sanieren, als sie abzureißen und neu zu erstellen. Hinzu kamen die Themen Ressourcenschonung und Abfallvermeidung: Ein Abriss produziert Abfall und Bauschutt, der anschließende Neubau hat einen immensen Rohstoff- und Energiebedarf. Problematisch wäre auch die bei Abriss und Neubau unvermeidbare Entmietung gewesen, was in diesem Fall zum großen Teil Erstmieter im Seniorenalter betroffen hätte. Und nicht zuletzt haben Gebäude aus den 1950er Jahren einen baukulturellen Wert als Zeitdokumente des Wiederaufbaus. Nachhaltige Modernisierung Die schlichte Gestalt der Baukörper war ein Glücksfall für die energetische Optimierung. Das günstige Verhältnis von Volumen zu Oberfläche und das Fehlen architektonischer Sonderelemente bis auf kleine Küchenbalkone an den Ostseiten reduzierten den Aufwand und wirkten sich somit kostensparend aus. Der Vollwärmeschutz im Wandbereich mit 14 cm, im Keller mit 8 cm und im Dach mit 20 cm führte im Zusammenwirken mit der Wärmeschutzverglasung der

Fenster zu einer Energieeinsparung auf NiedrigenergiehausStandard. Bei der Ausführung fiel die Wahl auf ein WDVSystem aus dem Hause KEIM. Zum Einsatz kamen rund 2000 m2 EPS-Wärmedämmplatten der Wärmeleitfähigkeitsgruppe 035, die mit Brillantputz Rau 2 mm verputzt wurden. Anschließend erfolgte ein Anstrich mit KEIM Soldalit® getönt, einer Fassadenfarbe auf Sol-Silikatbasis, wobei Sockel und Eingangsbereiche mit einer Keramikverkleidung abgesetzt wurden. KEIM Soldalit® haftet sicher auf mineralischen wie organischen Untergründen, ist wasserabweisend, hoch diffusionsfähig, lichtecht, UV-stabil und sehr witterungsbeständig bei minimaler Verschmutzungsneigung. Energiebilanz Zusätzlich zur passiven Wärmedämmung tragen zwei neu installierte Photovoltaikanlagen auf den ideal ausgerichteten Dachflächen zur Verbesserung der Gebäudeenergiebilanz bei. Sie liefern bei Sonnenschein 20.000 bzw. 25.000 kWh umweltfreundliche Stromenergie pro Jahr und reduzieren die CO2-Einträge dadurch um ca. 30 t jährlich. Dank der verringerten Heizenergie und der neuen Wintergärten addieren sich die eingesparten CO2-Emissionen auf 148 t im Jahr. Die vorhandenen Küchenbalkone auf der südöstlich orientierten Eingangsseite wurden zu Wintergärten verglast und bilden nun „Sonnenfallen“, die nicht nur bei Sonnenschein vor allem den altersbedingt bewegungseingeschränkten Bewohnern ein großzügiges Fenster zur Außenwelt bieten. Haustechnik Im Zuge der Modernisierung der gesamten Haustechnik wurden alle Wohnungen an eine neue, zentrale Warmwasserbereitung angeschlossen, durchgängig neue Schmutzwasserleitungen installiert und sämtliche Elektroinstallationen bis zu den Unterverteilungen neu verlegt. Ein innovatives Technik-Trassensystem ermöglichte die Umsetzung dieser Maßnahmen im bewohnten Zustand der Gebäude. Dazu wurden


BAUKULTUR 3_2017

advertorial | anzeige

links Mehr Lebensqualität bei weniger Energieverbrauch bringen die zu Ganzglaswintergärten aufgerüsteten Küchenbalkone

alle neuen vertikalen Leitungen gebündelt vor der alten Fassade im wärmegedämmten Bereich der neu geschaffenen Wintergärten geführt. Die Installationsarbeiten an der Fassade beeinträchtigten die Mieter sehr viel weniger als Umbaumaßnahmen an innen liegenden Schächten und ermöglichen spätere individuelle Modernisierungen, ohne in angrenzende Wohnungen eingreifen zu müssen. Altersgerechter Umbau Der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf beschränkte sich aber nicht auf rein technische Faktoren. Auch die Anforderungen an den Nutzerkomfort haben sich im Laufe der Zeit geändert: Behaglichkeit, Sicherheit, Komfort und Flexibilität nehmen heute einen hohen Stellenwert ein und wurden in der Planung berücksichtigt. Die Wohnungen sollten den neuen Bestimmungen des KFW-Förderprogrammes „Altersgerecht Umbauen“ genügen. Diese sehen umfassende Maßnahmen vor, wie z. B. Barrierefreiheit oder -reduzierung, Schaffung von Bewegungsflächen und die Möglichkeiten einer variableren Nutzung durch Wohnflächenerweiterung oder -teilung, um die Wohnungen jedem Lebensabschnitt ihrer Nutzer anpassen zu können. In der Praxis bedeutete dies größere Durchgangsbreiten bei allen Türen, rollstuhlgerechte Bewegungsflächen in den Wohnräumen und Rampen in den Eingangsbereichen. Auch die Treppenhäuser wurden den Bedürfnissen der älteren Bewohner angepasst: Beidseitige Handläufe, eine bessere Ausleuchtung der Treppenstufen und ein Farbkonzept, das die Orientierung der einzelnen Stockwerke mit eindeutigen, leicht unterscheidbaren Anstrichen erleichtert. Die Farben Rot, Blau und Gelb aus der KEIM Avantgarde-Farbpalette beziehen sich auf die von Bruno Taut und Hans Scharoun im Berlin der Zwanziger Jahre entwickelte intensive Farbigkeit. Hierfür fand mit KEIM Optil® eine besonders hochwertige Silikatfarbe Verwendung, die für ein bauphysikalisch optimales Wohnklima sorgt und deren samtmatte Oberfläche und brillante Leuchtkraft eine angenehme Wirkung auf die Nutzer ausstrahlen. www.keim.com

PROJEKTDATEN Bauherr: Städtische Wohnungsgesellschaft Bremerhaven mbH Architekt: Hans-Joachim Ewert mit der Planungsabteilung der Stäwog Fachplaner: Polyplan GmbH, Ingenieurbüro für Energie- und Umwelttechnik, Bremen/Hannover Produkte: KEIM EPS-Wärmedämmung, KEIM Brillantputz, KEIM Soldalit®, KEIM Optil® Fachberater: Thore Heitmann Ausführende Malerfirma: Mönnich, Bremerhaven

oben Die gedämmte Fassade erhielt einen Anstrich mit KEIM Soldalit®, weiß getönt unten Die farbige Gestaltung der Treppenhäuser dient vor allem der Orientierung

35


36

advertorial | anzeige

BAUKULTUR 3_2017

EIN LEUCHTTURM FÜR DIE WELT Das Port House in Antwerpen stellt die vertikale Erweiterung, Sanierung und Transformation einer ehemaligen Feuerwache zum neuen Headquarter der Hafenbehörde von Antwerpen dar. Es verbindet das Alte mit dem Neuen und ist weithin sichtbares Zeichen für die Zukunft des Seehandels. Verbindung von Alt und Neu Antwerpen hat als zweitgrößter Handelshafen in Europa maßgeblichen Anteil am internationalen See- und Binnenhandel. So schafft der Hafen nicht nur in Antwerpen, sondern auch bei seinen weltweiten Handelspartnern zahlreiche Arbeitsplätze und hat das Ziel, Standort und Unternehmen nachhaltig und zukunftsfähig zu gestalten. Wunsch war es, ein neues Headquarter am Hafen in Antwerpen zu errichten, das die Werte des Unternehmens sowohl intern für seine 500 Mitarbeiter aus den Bereichen Technik und Verwaltung, aber auch nach außen in einem lokalen und internationalen Markt repräsentiert. Der Bedarf nach einem neuen Bürogebäude für die Hafenbehörde und die Auflage, die denkmalgeschützte ehemalige Feuerwache an der Hafenanlage Mexico Island in Antwerpens Kattendijk Dock zu erhalten, führte 2007 zur Auslobung des Wettbewerbs seitens der flämischen Baubehörde und der Hafenbehörde Antwerpens. Signalhafte Wirkung Entsprechend intensiv setzten sich Zaha Hadid Architects gemeinsam mit Origin, einem Beratungsunternehmen für kulturelles Erbe, mit der Geschichte des Standorts und des Gebäudes auseinander. Realisiert wurde ein signalhafter Erweiterungsbau, der sowohl Referenz für die Stadt Antwerpen als „Stadt der Diamanten“ ist, als auch in seiner dem Rumpf eines Schiffes ähnlichen Form den Seehandel am Hafen von Antwerpen symbolisiert. Der Aufbau interpretiert

die Fassaden der alten Feuerwache als gleichrangige Fassaden und scheint über dem alten Gebäude zu schweben. Die nüchterne, kantige Solidität des Bestandsgebäudes kontrastiert dabei mit der Dynamik der gekrümmten Oberfläche des Aufbaus, der in seiner organischen Form das Prinzip einer einzelnen fließenden Fassade repräsentiert. Motiv des Schiffbaus An der Schwelle zwischen Stadt und Hafen gelegen, zeigt der neue Erweiterungsbau wie der Bug eines Schiffes in Richtung des Flusses Scheldt und verbindet damit das Gebäude mit dem Fluss, an dem Antwerpen gegründet worden war. Auch das Innere des neuen Gebäudes erinnert in seiner Dynamik an einen Schiffsbau: Durch die verglaste Panoramafassade werden in den farblich weiß gehaltenen Räumen vielfältige Blickbezüge zu Hafen, Stadt und Fluss hergestellt. Wellenartige Fassadenoptik Umgeben von Wasser besteht die Fassade aus einer verglasten Oberfläche, die sich in ihrer Optik wellenartig zu bewegen scheint und die Schattierungen und Farben des Stadthimmels reflektiert. Die gemeinsam von Architekten, Fassadenplanern und Schüco entwickelte Sonderkonstruktion, bestehend aus dreieckigen Segmenten, ermöglicht die Formung scheinbar reibungsloser Kurven mit flachen Glasplatten und bewirkt den graduellen Übergang von flacher Fassade im Süden zu einer wellenartigen Fassade im Norden.


advertorial | anzeige

BAUKULTUR 3_2017

37

links Das neue Headquarter der Hafenbehörde von Antwerpen entstand aus dem Zusammenspiel dreier Baukörper: dem denkmalgeschützten Bestandsgebäude, der Betonbrücke und dem vertikalen Erweiterungsbau (Alle Fotos: Schüco International KG)

Stadt und Hafenbehörde sehen das neue Port House als Symbol für die Tradition des Diamantenhandels und der Schifffahrt

Transparentes Volumen Die meisten der dreieckigen Segmente sind transparent, einige opak. Diese präzise abgestimmte Mischung sorgt für ausreichend Sonnenlicht innerhalb des Gebäudes und kontrolliert gleichzeitig die Sonneneinstrahlung. Ebenso bewirkt der Wechsel von transparenten und opaken Fassadenelementen eine Brechung des Gebäudevolumens des neuen Erweiterungsbaus. Die raue, wellenartige Erscheinungsform der Fassadenfläche wird hervorgerufen durch flache Fassadengelenke im Süden, die nach Norden hin zunehmend dreidimensionaler werden. Die neue Erweiterung erscheint als ein transparentes Volumen, das seine Oberfläche mit der wechselnden Intensität des Tageslichts verändert. Wie die raue Wasseroberfläche des umgebenden Hafens spiegelt die Fassade die sich ständig verändernden Lichtbedingungen wider. Interne Erschließung Der Innenhof der ehemaligen Feuerwache wurde mit einem Glasdach geschlossen und zum Empfangsbereich für das neue Port House umfunktioniert. Von diesem zentralen Atrium aus erschließen sich den Besuchern ein öffentlicher Lesesaal und eine Bibliothek innerhalb der ehemaligen Halle für Löschfahrzeuge, die sorgfältig restauriert und transformiert wurde. Panoramalifte ermöglichen den direkten Zugang zum neuen Erweiterungsbau mittels einer externen Betonbrücke und bieten Ausblicke auf die Stadt und den Hafen. Die Anforderung der Hafenbehörde an Büroräume mit hohem Kommunikationswert wurde durch entsprechende Bereiche wie einem Restaurant, Besprechungsräumen und einem Auditorium erfüllt. Nachhaltigkeit In Zusammenarbeit mit der Energieberatungsfirma Ingenium entwickelten Zaha Hadid Architects ein nachhaltiges und energieeffizientes Design, das mit der Bewertung „sehr gut” durch das Umweltzertifikat BREEAM ausgezeichnet wurde. Trotz der Herausforderungen bei der Integration eines Neubaus in ein denkmalgeschütztes Gebäude konnten durch die Implementierung effektiver Strategien in jeder Bauphase hohe Standards an nachhaltigem Entwerfen erreicht werden. Ein Erdwärmesystem pumpt Wasser aus 80 m Bodentiefe an über 100 Orte innerhalb des Gebäudes und sorgt so für Wärme und Kühlung. Im Bestandsgebäude benutzt dieses System Kühlbalken, im Neubau Kühldecken. Die Uferlage ermöglichte außerdem eine nachhaltige Konstruktionsweise, da Material und Gebäudekomponenten per Wasserweg direkt zur Baustelle transportiert werden konnten.

Der Innenhof der ehemaligen Feuerwache wurde sorgfältig restauriert und zum Empfangsbereich umfunktioniert

Der Wechsel von transparenten und opaken Fassadenelementen führt zu einer Brechung des Gebäudevolumens, dessen transparent erscheinende Oberfläche sich mit der wechselnden Intensität des Tageslichts verändert

Das neue Port House in Antwerpen ist gleichermaßen beispielhaft für den sensiblen Umgang mit der Geschichte und den Bedürfnissen des Standorts. Ebenso weist es in Form, Nachhaltigkeit, Entwurfs- und Produktionsweise selbstbewusst in die Zukunft: ein funkelnder Leuchtturm, sichtbar für alle Welt. www.schueco.de


38

advertorial | anzeige

BAUKULTUR 3_2017

rechts Zum Innenhof öffnet sich die Fassade mit bodentiefen Fenstern (Foto: Christian Willner Photographie)

Das neue Wohn- und Geschäftshaus von schmidt heinz pflüger architekten aus Moosburg ersetzt eine zweigeschossige Nachkriegsbebauung in Münchens Lindwurmstraße. Die Außenwandkonstruktion aus Stahlbeton mit vorgemauerter Ziegelschale aus Poroton-WDF erwies sich dabei als optimale Kombination für die Erfordernisse an anspruchsvolles Bauen.

WOHNEN UND ARBEITEN IN URBANER LAGE Besondere Herausforderungen Mit dem Neubau konnten Flächen für Wohnen und Arbeiten in zentraler Lage geschaffen werden. Dabei stellten die beengte Baustelleneinrichtung und die Baulückenschließung besondere planerische Herausforderungen dar. Hinzu kam, dass zwar der Nachkriegsbau abgerissen werden durfte, nicht aber der Bestandskeller seines im Krieg zerstörten Vorgängerbaus. Die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) mit den damit verbundenen Anforderungen an eine wärmedämmende Außenwandkonstruktion waren ebenfalls zu berücksichtigen. Werthaltige Fassade Gemäß allen Erfordernissen in statischer, thermischer, wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht wurde die Tragstruktur in Stahlbeton (25 cm) mit einer vorgemauerten Wärmedämmfassade (18 cm) von Schlagmann Poroton ausgeführt. Die Stahlbetonkonstruktion erhielt mit der Vorsatzschale aus Poroton-WDF hohen Wärmeschutz und zugleich eine werthaltige Fassade mit der Lebensdauer einer massiven Konstruktion. Der Neubau musste optimal gedämmt werden, um die schlechteren Wärmedämmeigenschaften von Beton auszugleichen und um den energetischen Anforderungen insge-

samt zu entsprechen. Es entstand eine homogene Gebäudehülle mit einheitlichem Putzgrund, die das Gebäude vor hoher mechanischer und natürlich-biologischer Beanspruchung auf nachhaltig ökologische Weise schützt. Erreicht wurde ein Energiestandard, der weit unter den Vorgaben der EnEV 2009 liegt. Der Energiebedarf der Gewerbeeinheit im Erdgeschoss weist 41 % weniger als erforderlich aus, bei den darüber liegenden Wohneinheiten wurde mit 54 % sogar ein Energiebedarf um weniger als die Hälfte erreicht. Die WDFVorsatzschale von Poroton überzeugte im Vergleich zum konventionellen WDVS durch ihre Werthaltigkeit, Robustheit, Ökologie und gute Verarbeitbarkeit. Qualitätvolle Lösung Mit der Baulückenschließung entstand ein harmonisches Straßenbild. Die Kubatur mit der ursprünglichen Gebäudehöhe der Vorkriegszeit ist wieder hergestellt. Das neue Wohnund Geschäftshaus genügt den anspruchsvollen Kriterien an die städtebauliche und architektonische Qualität, an die Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz sowie an die Einhaltung planungsrechtlicher Rahmenbedingungen. www.poroton-wdf.de links Ohne zusätzliche Zwischendämmung erhielt die Stahlbetonkonstruktion mit der Vorsatzschale aus PorotonWDF einen hohen Wärmeschutz (Foto: Christian Willner Photographie)


autoren | vorschau | impressum

BAUKULTUR 3_2017

Impressum BAUKULTUR – Zeitschrift des DAI 38. Jahrgang ISSN 1862-9571 Herausgeber DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V. DAI Geschäftsstelle c/o KEC Planungsgesellschaft mbH Salzufer 8 10587 Berlin Telefon: +49 (0)30.400 54 100 Telefax: +49 (0)30.21 47 31 82 E-Mail: kontakt@dai.org www.dai.org DAI Geschäftsführung Udo Sonnenberg M.A. E-Mail: sonnenberg@dai.org DAI Präsidium Prof. Dipl-Ing. Christian Baumgart (Präsident) Dipl.-Ing. Arnold Ernst (Schatzmeister) Marion Uhrig-Lammersen (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) Dipl.-Ing. Alexander von Canal (Veranstaltungen und Mitgliederbetreuung) Verlag, Gestaltung, Anzeigenverwaltung VBK Verlag S. Kuballa Verlag für Bau + Kultur Zur Leiten 11 95517 Emtmannsberg (Lkr. Bayreuth) Telefon: +49 (0)9209.91 86 240 Telefax: +49 (0)3212.45 26 570 E-Mail: info@vbk-verlag.de www.vbk-verlag.de

Vorschau Ausgabe 4_2017 >> lichtBAUKULTUR Autoren dieser Ausgabe Prof. Christian Baumgart DAI Präsident Berufsmäßiger Stadtrat und Stadtbaurat der Stadt Würzburg www.dai.org

Holger Kotzan InformationsZentrum Beton GmbH Pressearbeit Erkrath www.beton.org

Christian Bayer Anke Hirsch Michael Kühnlein Kühnlein Architektur Berching www.kuehnlein-architektur.de

Vivian Kreft AIV zu Berlin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit www.aiv-berlin.de

Natalie Bräuninger kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Köln/Leipzig www.ksg-architekten.info

Chefredaktion Susanne Kuballa M.A. E-Mail: kuballa@dai.org Anschrift wie Verlag

Hans-Günther Friedrich AIV Stuttgart 1. Vorsitzender www.aiv-stuttgart.org

Redaktion Dipl.-Ing. Sylvia Jung E-Mail: jung@vbk-verlag.de

Sabrina Ginter Bundesstiftung Baukultur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Potsdam www.bundesstiftung-baukultur.de

Anzeigen Dipl.-BW (FH) Ines Moritz E-Mail: moritz@vbk-verlag.de Gültig ist Anzeigenpreisliste Nr. 11 vom 1.10.2016. Druck Benedict Press, Vier-Türme GmbH Abtei Münsterschwarzach www.benedictpress.de Der Bezug der Zeitschrift ist im DAI Mitgliedsbeitrag enthalten.

Polina Goldberg Tchoban Voss Architekten GmbH Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Hamburg, Berlin, Dresden www.tchobanvoss.de Aline Karrakchou Sebastian Zelt Zirngibl Langwieser Rechtsanwälte Partnerschaft Berlin www.zl-legal.de

DAI Kooperationspartner

Dr. Lars Meeß-Olsohn Ruhrländischer AIV zu Essen, Mitglied Netzwerk Textile Architektur www.raiv.de www.textile-architektur.de Dieter Peschke AIV Stuttgart Schriftführer/Geschäftsführer www.aiv-stuttgart.org Udo Sonnenberg DAI Geschäftsführer elfnullelf® Unternehmensberatung Berlin www.dai.org Frauke Stroman Kuhl|Frenzel GmbH & Co. KG Osnabrück www.kuhlfrenzel.de Stephan Tittl SequenzSieben Architekten Würzburg www.sequenzsieben.com

39


BAUKULTUR | Zeitschrift des DAI | Mai 2017 | Ausgabe 3 | ISSN 1862-9571

DAI Premiumpartner

DAI Fรถrderpartner


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.