Der Deutsche Orden im Kampf mit der Polnisch-Litauischen Union und den preußischen Ständen

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Abbildung 1: Bitwa pod Grunwaldem/ Schlacht von Tanneberg (Gemälde von Jan Matejko) - Großfürst Witold (rechts im roten Gewand) und Ulrich von Jungingen (links in weißer Rüstung) - Bild: Wikipedia

Der Deutsche Orden im Kampf mit der Polnisch-Litauischen Union und den preußischen Ständen (1409 – 1466) Im 14. Jahrhundert war der Deutsche Orden die bedeutendste Macht im Ostseeraum. Der Ordensstaat profitierte vom Reichtum der Region. Die Ordensritter waren für ihren Kampfesmut und ihre Eroberungslust bekannt. Doch 100 Jahre später erlebte der Ritterorden seinen Niedergang. Jahrelange Kriege mit der Polnisch-Litauischen Union und Spannungen innerhalb Preußens führten letztendlich zum Zusammenbruch des Ordensstaates. Eine Zeitreise in das Baltikum des 15. Jahrhunderts … Krieg und Frieden – die Konflikte des Ordens mit Polen-Litauen 1385 schlossen sich das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen zur Union von Krewo zusammen. Es war eine Reaktion auf den Deutschen Orden, der wirtschaftlichen und militärischen Großmacht im Baltikum. 1309 eroberte der Ordensstaat die Pommerellen sowie Danzig und trennte Polen von der wirtschaftlich wichtigen Ostsee. Gleichzeitig begannen die Ordensritter mit Kreuzzügen gegen die heidnischen Litauer. Eroberungsdrang und Missionierung gingen hier Hand in Hand. Trotz der Annäherung von Polen und Litauen – es entstand das größte Königreich Europas – blieb der Ordensstaat mächtig. Erst am Anfang des 15. Jahrhunderts schlug die Stunde Polen-Litauens. Streitpunkt war Sarmatien. Sowohl der Deutsche Orden als auch Litauen beanspruchten das Gebiet für sich. 1409 marschierte Hochmeister Ulrich von Jungingen in Sarmatien ein, um einen Aufstand niederzuschlagen. Der Großfürst von Litauen, Witold, stellte sich den Ordensrittern in den Weg. Der polnische König Wladyslaw II. Jagiello unterstützte Witolds Feldzug gegen den Orden. Daher erklärten die siegesgewohnten Ordensritter Polen den Krieg. Die Heere Polen-Litauens und des Deutschen Ordens stießen am 15. Juli 1410 bei den Dörfern Ludwigsdorf, Tannenberg und Grünfelde aufeinander. 45.000 Ritter und Fußsoldaten standen sich gegenüber. Es kam zu einer der größten Schlachten des Spätmittelalters: Die Schlacht von Tannenberg (polnisch: Bitwa pod Grunwaldem). Der Deutsche Orden erlitt eine herbe Niederlage. Zusammen mit Hochmeister Ulrich von Jungingen fiel die komplette Führungsriege des Ordens.


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Trotz des Sieges in der Schlacht von Tannenberg blieb es Wladislaw II. und Witold versagt, die Macht des Ordens endgültig zu zerschlagen. Die Marienburg, die Zentrale des Deutschen Ordens, wurde nicht erobert. Die Polen haben die Belagerungswaffen zuhause gelassen. Auch die anderen Burgen blieben in der Hand des Ordens. Gleichzeitig kamen Ordensritter aus Livland und der römisch-deutsche König Sigismund dem Deutschen Orden zur Hilfe. Angesichts der doppelten Bedrohung sah sich das polnisch-litauische Heer gezwungen, den Ordensstaat zu verlassen. Im (ersten) Frieden von Thorn 1411 kamen die Ordensritter mit einem blauen Auge davon. Sie verzichteten auf Sarmatien und leisteten hohe Kriegsentschädigungen an Polen-Litauen. Seine kriegerische “Missionierung” gegen die 1386 zum Christentum konvertierten Litauer musste der Orden einstellen. Seine Kampfbereitschaft verlor der Orden nicht. 1413 löste Hochmeister Heinrich von Plauen einen neuen Krieg mit der Polnisch-Litauischen Union aus. Die Kriegshandlungen zogen sich über neun Jahre hin, unterbrochen von zahlreichen Waffenstillständen. Die Ordensritter wollten den Fehler von Tannenberg nicht wiederholen und verzichteten auf eine offene Schlacht. Die Landesverteidigung konzentrierte sich auf die Ordensburgen. Der Konflikt kam selbst auf dem Konstanzer Konzil (14141418) zur Sprache. Doch der römisch-deutsche König Sigismund konnte den Streit nicht schlichten. Ende Juli 1422 verbuchte das polnisch-litauische Heer entscheidende Siege auf preußischem Boden. Sowohl die preußischen Untertanen als auch das Reich ließen den Orden im Stich. Im Frieden von Melno-See verzichtete der Orden erneut auf Samaiten und verlor das Gebiet Kujawien an Polen. Der Friede währte nur einige Jahre. Anfang 1430 rebellierte der litauische Fürst Switrigal gegen die polnische Oberhoheit. Der Orden nutzte die polnisch-litauische Krise und drang erneut in Polen ein. Doch auch diesmal war das Kriegsglück nicht an der Seite des Ordens: Am 13. September 1431 besiegte das polnische Heer die Ordensritter. Die Neumark und die Pommerellen fielen in Feindeshand. Im Ordensstaat rebellierten die preußischen Untertaten gegen den Orden. Als das polnische Heer 1435 Fürst Switrigal besiegt hatte, erkannte der Orden seine ausweglose Situation. Im Frieden von Brest/ Kujawien vom 31. Dezember 1435 bestätigten die Ordensritter die Existenz der Polnisch-Litauischen Union und des christlichen Litauens. Polen bekam einige reiche Gebiete und wirtschaftliche Sonderrechte zugesprochen. Der Frieden hielt über 20 Jahre. Der Deutsche Orden im Konflikt mit den preußischen Ständen Seit der Schlacht von Tannenberg 1410 verschärften sich im Innern des Ordensstaates die Spannungen zwischen dem Deutschen Orden und den preußischen Ständen. Die Stände, die Vertreter der Kaufleute und der ritterlichen Gutsbesitzer, profitierten genauso wie der Orden vom profitablen Weizen- und Holzhandel mit Westeuropa. Mit dem Anstieg des Wohlstands kam der Wunsch der Stände nach politischer Einflussnahme. Ihre Forderungen waren: • Einführung eines Landesrates für die inneren Angelegenheiten des Ordensstaates bestehend aus Vertretern der Städte, der Ritterschaft, des Klerus und des Deutschen Ordens • Einführung eines gemischten Gerichts, um den Amtsmissbrauch der Ordensritter einzudämmen • Bestätigung der ständischen Vorrechte Der Orden hatte jedoch keine Bereitschaft seine Macht zu teilen. Die Forderung der Stände lehnten er kategorisch ab. Das Argument der Ordensritter: (Kirchliche) Laien hätten kein Recht in einem geistlichen Territorium mitzubestimmen. Der Deutsche Orden versuchte im gleichen Zeitraum sich auf Kosten seiner Untertanen zu bereichern. Schließlich musste neben den Feldzügen gegen Polen-Litauen auch der einem Adligen entsprechende


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Lebensstandard finanziert werden. Der Orden konkurrierte im Handel mit den großen Städten des Landes oder er zwang die ritterlichen Gutsbesitzer (vergebens) zur Leistung von Abgaben. Eine psychologische Komponente spielte ebenfalls eine gewisse Rolle im Konflikt zwischen dem Orden und den Ständen. Die Ordensritter rekrutierten sich vorwiegend aus dem Heiligen Römischen Reich und blickten auf die Einheimischen, auch auf die sozial gleichgestellten Ritter, herunter. Die Folgen: Die Bindung der preußischen Untertanen an den Landesherrn verlor zunehmend an Kraft. Bereits um 1450 verstanden sich die einheimischen Untertanen als “Preußen”, um sich von den Ordensrittern aus dem Westen abzusondern. Die jahrelange aggressive Außenpolitik des Ordens stand auch im Brennpunkt der ständischen Kritik. Die Kriege verwüsteten das Land und behinderten den Handel. Das war weder im Interesse der Kaufleute noch der ritterlichen Gutsbesitzer. Ihren Widerstand gegen den Krieg bewiesen die preußischen Untertanen bereits 1410 und 1435: Sie fielen von der Herrschaft des Ordens ab. Auf Wunsch Polen-Litauens wurde den preußischen Ständen in den Friedensverträgen von 1422 und 1435 ein Widerstandsrecht eingeräumt: Sollte der Orden den Friedensvertrag brechen, waren die Stände nicht mehr an seine Herrschaft gebunden. Doch die Ordensritter ignorierten den Passus. Sie führten ihren polnisch-feindlichen Kurs fort. Da der Orden weiterhin auf seine Vormachtstellung in Preußen beharrte, vereinigten sich die Stände 1440 zum Preußischen Bund. Mit dieser Interessenvertretung hofften die Kaufleute und Ritter, ihre politischen Forderungen gegenüber den Ordensrittern durchzusetzen. Die preußischen Stände und Polen-Litauen im Krieg gegen den Dt. Orden (1454 – 1466) 1454 eskalierte der Konflikt zwischen dem Preußischen Bund und dem Deutschen Orden. Seit Jahren bekämpften die Ordensritter den Bund. Unterstützung bekam der Orden von außen: Papst und Kaiser erklärten die Interessenvertretung als illegal. Statt wie gefordert sich aufzulösen, kündigte der Preußische Bund dem Orden den Gehorsam auf (4. Februar 1454). Zwei Tage später unterwarfen sich in Krakau die Vertreter des Bundes dem polnischen König Kasimir IV. Jagiello. Doch der Preis für die Unterwerfung der preußischen Stände unter die polnische Krone war hoch: Kasimir IV. bestätigte die Forderungen der Stände, die seine königlichen Vorrechte deutlich beschnitten. Es folgte der Dreizehnjährige Krieg – zwischen dem Deutschen Orden auf der einen und den Preußischen Bund sowie Polen-Litauen auf der anderen Seite. Anfangs konnte sich der Orden der Übermacht erwehren. Seine Gegner errangen keinen entscheidenden Sieg in Preußen. Auch außenpolitisch verloren der Preußische Bund und Polen-Litauen an Boden: Kaiser Friedrich III. von Habsburg ächtete den Bund im Frühjahr 1455, Papst Calixt III. sprach im Herbst den Bann. Im Sommer des gleichen Jahres erklärte Dänemark Polen-Litauen den Krieg. Der große Coup der polnisch-preußischen Verbündeten im Jahre 1456 war die “Eroberung” der Marienburg. Aus Geldmangel konnte der Deutsche Orden seine Söldner nicht mehr bezahlen. So verkaufte oder verpfändete der Hochmeister die Ordensburgen, auch die Marienburg, an seine Söldner. Die verkauften die Hauptburg des Ordens an die vermögenden Gegner. Am 8. Juni 1457 zog Kasimir IV. in die Marienburg ein; das neue Hauptquartier der Ordensritter wurde Königsberg. Erst in den 1460er Jahren verzeichneten der Bund und Polen-Litauen militärische Erfolge. In der Nähe der strategisch wichtigen Stadt Mewe an der Weichsel wendete sich der Krieg zu Ungunsten der Ordensritter: Der Bund und das Königreich Polen besiegten das Heer und die Flotte des Ordens, die der belagerten Stadt zur Hilfe eilten. Anschließend wurden Mewe und weitere Städte an der Weichsel erobert. Nun kontrollierten die polnisch-preußischen Verbündeten den wichtigen Wasserweg zur Ostsee. Leere Kassen und der Verlust ganz Pommerellens (1466) zwangen den Deutschen Orden endgültig in die Knie.


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Im (zweiten) Thorner Frieden von 1466 fiel der Ordensstaat an das Königreich Polen. Der Hochmeister wurde zum Vasall des polnischen Königs. (Da aber der Lehnstatus im Friedensvertrag nicht schriftlich verankert wurde, blieb das Verhältnis zwischen dem Deutschen Orden und Polen weiterhin gespannt.) Dem Orden verblieb die Herrschaft über das östliche Preußen mit Königsberg als Zentrum. Der westliche Teil Preußens – hier war die ständische Opposition am stärksten – wurde Polen angegliedert. Zum “Königlichen Preußen” oder “Preußen königlichen Anteils” gehörten die Pommerellen, das Kulmer Land, Ermland, die Marienburg und Elbing. Im polnischen Staatsverband genoss das “Königliche Preußen” Autonomie. Danzig, das mit seiner Wirtschaftskraft am meisten zum Sieg beigesteuert hatte, stieg zu einer (inoffiziellen) freien Republik auf. Fazit Über 80 Jahre lang wehrte sich der Deutsche Orden gegen die Herausforderung durch Polen-Litauen. Schließlich fand der polnische König in den preußischen Ständen einen natürlichen Verbündeten. Ursprünglich wollten die ständischen Vertreter der Kaufleute und Ritter die Macht des Ordens nicht zerstören, sondern die Politik im Ordensstaat mitgestalten. Das lehnte der Orden ab. Die Folgen: Die inneren Spannungen spitzten sich zu. Hardliner im Orden und bei den Ständen befürworteten eine gewaltsame Lösung. Letztendlich verloren die Ordensritter ihren Kampf gegen Polen-Litauen und die preußischen Untertanen. Im zweiten Frieden von Thorn (1466) erntete der Deutsche Orden die Früchte seiner aggressiven Außenpolitik und konservativen Innenpolitik. Literatur • Gesamtdarstellung aus der Hand zweier polnischen Experten: Marian Biskup und Gerald Labuda, Die Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen, Wirtschaft – Gesellschaft – Staat – Ideologie (Klio in Polen 6), Osnabrück 2000. • Die Geschichte des Ordens aus deutscher Perspektive: Hartmut Boockmann, Der Deutsche Orden, Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, München 1981. • Kompakter Blick auf den Orden: Jürgen Sarnowsky, Deutscher Orden, München 2007. • Informative Kurzbiografien der Hochmeister: Udo Arnold (Hg.), Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190 – 1994 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 40), Marburg 1998. • Geschichtlicher Blick auf die Regionen Ostpreußen und Westpreußen: Hartmann Boockmann, Ostpreußen und Westpreußen (Deutsche Geschichte im Osten Europas), Berlin 2002. • Die Schlacht von Tannenberg 1410 ist aus dem polnischen Geschichtsbewusstsein nicht wegzudenken, anders in Deutschland: Sven Ekdahl, Tannenberg/ Grundwald – ein politisches Symbol in Deutschland und Polen, in: Udo Arnold (Hg.), Deutscher Orden 1190 – 1990 (Tagesberichte der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung 11), Lüneburg 1997, S.241-302. Über zeitreisen-blog: Einmal im Monat präsentiere ich ein spannendes Kapitel aus der Vergangenheit. Die bisherigen Artikel umfassen Themen wie Polen 1918-1939, Otto von Bismarck und Russland, Die Westpläne Alexander des Großen und Die Außenpolitik der CSA 1861-1865. Autor: Lukas Moj (Nobelstr. 46, 95444 Bayreuth) – Historiker & Blogger Webblog: www.zeitreisen-blog.de Twitter: http://twitter.com/waterloo186 Facebook: http://www.facebook.com/pages/Bayreuth-Germany/Zeitreisen-Blog/129472220


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