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Gas, Wasser, Sch...ocial Media
Ein Handwerksmeister macht vor, wie man
Azubis findet
Cehan San und seine Firma wirken wie die Antithese zu seiner Branche. Er öffnet die Tür in Sneakers, Jeans und Rollkragenpulli. Sein Büro ist minimalistisch eingerichtet, sein Schreibtisch bis auf den Computer leer. Macbooks, Flipcharts: Durch sein Unternehmen in Rastede bei Oldenburg weht Start-up-Atmosphäre. Dabei führt der 39-Jährige einen Handwerksbetrieb, Schwerpunkt: Haustechnik.
Seit 2017 installieren, warten und reparieren der Anlagenmechanikermeister für Sanitär, Heizung und Klima und sein 14-köpfiges Team unter anderem Heizungsanlagen. Firmen wie seine haben oft ein Problem: Sie finden keine Azubis. Zehntausende Lehrstellen im Handwerk bleiben jedes Jahr unbesetzt. Und schon jetzt fehlen laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks rund 250.000 Fachkräfte.
Cehan San sagt trotzdem, er könne sogar zwischen Bewerbern auswählen. Und das liege nicht daran, dass er besonders viel Lohn biete. »Wer wegen des Geldes kommt, geht wahrscheinlich auch irgendwann deswegen«, sagt der Unternehmer. Er will seinen Azubis einen modernen Betrieb bieten: »Wir wollen nicht dem Klischee entsprechen«, sagt San. Deswegen habe er etwa eine Vier-Tage-Woche eingeführt – für mehr Work-Life-Balance, auch im Handwerk.
Und San legt Wert auf Nachhaltigkeit. Das liege, sagt er, an einem »Schlüsselerlebnis«. Dann erzählt San, wie er kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 nach Ahr-
VON KEVIN GALLANT
weiler fuhr, um so viele Heizungen wie möglich zu reparieren oder zu ersetzen. Dabei habe er mit betroffenen Anwohnern gesprochen. »Als ich in meine heile Welt zurückkam, war ich immer noch traurig und überwältigt und habe geweint«, sagt San. Er findet: »Wir können den Klimawandel nicht aufhalten, aber verlangsamen.« mehr als 3000 Mitarbeitern gilt es bereits seit Beginn dieses Jahres. Das Gesetz weist Unternehmen eindeutig die Sorgfaltspflicht für den gesamten Wertschöpfungsprozess zu, vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt. Firmen haften damit für Menschen- und Klimarechtsverstöße entlang ihrer Lieferkette. Mittelständler müssen stärker als bisher ihre Zulieferer kontrollieren und damit Mitarbeiter betrauen.
Sans Azubis lernen deswegen, wie sie klimaschonende Wärmepumpen installieren oder Solaranlagen planen. Und San trägt diese Botschaft nach außen, wirbt auf Messen und in Schulen, spricht auf Panels über die Zukunft des Handwerks, bespielt alle gängigen Social-Media-Plattformen. Bei TikTok etwa führt er in Videos über Baustellen, auf denen er Wärmepumpen installiert.
Wenn San zeigen will, wie das funktioniert, steigt er in sein Hybrid-Auto und fährt zu einer seiner Baustellen. Dort hilft Marvin Schubert gerade dabei, eine Wärmepumpe zu installieren, er macht bei San eine Lehre zum Anlagenmechaniker. Der 17-Jährige ist durch eine Instagram-Story auf den Betrieb aufmerksam geworden. Er erzählt, dass es immer noch Betriebe gebe, die Lehrlinge als günstige Arbeitskraft ausnutzen, in seiner Berufsschulklasse etwa müsse ein Kollege nur stupide Kabel verlegen. Cehan San glaubt: Solchen jungen Menschen fehlten nach der Lehre so oftmals Fähigkeiten, die in einer nachhaltigeren Zukunft gebraucht würden – dabei könnten sie so viel bewirken. »Auch deswegen hoffe ich, dass ich mit meiner Arbeit einige wachrütteln kann«, sagt er.
Bei einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro und mehr als 500 Mitarbeitern greift zudem das Lieferkettengesetz der Europäischen Union. Für Unternehmer heißt das wiederum: Sie müssen ihre Zulieferer und Partner noch strenger überwachen und ihre Mitarbeiter darin schulen, wie sie die Lieferketten und die Einhaltung des Gesetzes kontrollieren.
Von 2025 an müssen viele Firmen auch die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung befolgen. Sie gilt für Be- triebe, die mindestens zwei der drei Kriterien erfüllen: mehr als 250 Beschäftigte, eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro, Umsätze von mehr als 40 Millionen Euro. Auch Mittelständler wie Betzold fallen darunter – und sie müssen sich bereits heute darum kümmern, Daten für den Bericht zu erheben. So müssen Firmen künftig etwa Angaben zu ihren Nachhaltigkeitszielen, den wichtigsten nachteiligen Wirkungen des Unternehmens und zu noch nicht bilanzierten immateriellen Ressourcen machen.
Wer als Chef nicht weiß, was all das in der Praxis genau bedeutet, braucht Hilfe. Die Beraterin Enslin rät, für solche regulatorischen Anforderungen im Zweifel neue Mitarbeiter mit mehr Expertise einzustellen.
Die Unternehmerin Betzold sucht deswegen gerade nach einem Nachhaltigkeitsmanager: »Wir haben schon einige gute Gespräche geführt.« Aber: Wer als kleines oder mittelgroßes Unternehmen auf Jobportalen ein Gesuch schaltet, konkurriert oft mit Konzernen und hat es schwer herauszustechen. Sie verlasse sich auf das »gute Standing am Standort Ellwangen«, sagt Betzold.
Zusätzlich will die Gesellschaft mit Extra leistungen punkten: Mittlerweile gibt es eine betriebseigene Kita, ein Fitnessstudio und ein Bistro, das mit regionalen Lebensmitteln kocht. Das Unternehmen heizt mit einem Blockheizkraftwerk und hat Solarpanels auf dem Dach. Die Firma ist damit unabhängig von Strom- und Wärmeerzeugern. »Wir hoffen, dass unsere Bemühungen auch extern gesehen werden«, sagt Betzold.
Wenn Unternehmen mit ihren Klimaschutzbemühungen werben, rät Ellen Enslin übrigens zu Vorsicht. Sie müssten darauf achten, nicht zu oberflächlich zu wirken. Wer ernst genommen werden will, sollte erst Ergebnisse produzieren und dann Erfolge vermelden. Nicht umgekehrt. Die ClimateQuitter schauen nämlich ganz genau hin.