Zeit für Kärnten - Nr.4 September 2010

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ZEIT FÜR KÄRNTEN 5 Kanaltaler ließ sich dabei auch von seiner ursprünglichen Heimat inspirieren. Bei der Landeshandwerkerausstellung 1911 in Klagenfurt war es dann endlich soweit. Der Kärntner Trachtenanzug hatte seinen ersten Auftritt, präsentiert wurde er von Resch und acht weiteren Männern. Der Anzug war damals noch kastanienbraun und zum braunen Rock konnte alternativ eine schwarze Hose getragen werden. Im Laufe der Jahre setzte sich dann aber das für den Kärntner Anzug typische Haselnussbraun durch. Dieser Farbton sollte das Erdnahe und Heimatverbundene ausdrücken und dazu dienen, sich von der grauen Landestracht anderer Bundesländer abzuheben. Der grüne Aufputz symbolisiert den Waldreichtum Kärntens. Komplett wird das Traditionsgewand mit einer schwarzen Blümchenweste und einem weißen oder hellblauen Hemd. Diese Merkmale der Kärntner Tracht gelten auch für das Kärntner Kostüm.

Kärnten is lei ans Stolz auf ihr eigenes „G'wandl“, verlor der „Steirer“ bei den Kärntnern schnell an Bedeutung. Der Kärntner Anzug bestärkte die Bevölkerung im Bewusstsein ihrer eigenständigen Identität. „Ab diesem Zeitpunkt galt der Kärntner Anzug als der Anzug schlechthin“, erzählt Wolfgang Lattacher, Obmann des Kärntner Brauchtumsverbandes. Mit dem Kärntner Anzug hatte man „den Anzug“ und war zu jedem Anlass ob Hochzeit, Taufe, Kirchtag oder Begräbnis perfekt gekleidet. Natürlich durften auch die Kärntner Frauen nicht zu kurz kommen, und so entwarf Resch ein Sommerdirndl, das als ReschDirndl bekannt wurde. Dieses sogenannte Blaupunkt-Dirndl besteht aus einem dunkelblauen Baumwollstoff mit weißen Tupfen. „Da damals noch die finanziellen Mittel für aufwändige Drucke fehlten, wurde das einfachste Muster, bei dem Holznägel in ein Brett geschlagen wurden, abgedruckt“, so der Brauchtumsexperte. Charakteristisch für das Tupfendirndl sind der runde Ausschnitt und die

Kärntner greifen aus Freundschaft zum Kärntner Anzug.

Trendig und traditionell

weiße Schürze mit rot-blauem Streifenmuster. Wer verheiratet ist, trägt die Masche rechts, Unverheiratete links. „Der Kärntner Anzug ist eine offene Kleidung und verbindet die Menschen in Kärnten, so auch die Kärntner Slowenen mit den deutschsprachigen Kärntnern“, betont Lattacher. Auch viele Nicht-

So sollten die ersten Männer-Trachtenjacken aussehen Foto: www.schloss-albeck.at

Entwurf des ersten Kärntner Anzuges Foto: www.schloss-albeck.at

Der Kärntner Anzug mit seiner braunen Grundfarbe und dem grünen Aufputz wurde vom Kärntner Heimatwerk über Jahrzehnte dem jeweiligen Zeitgeschmack maßvoll angepasst. Für den Kärntner Heimatwerk-Geschäftsführer Ewald Opetnik sind ständige Trachtenerneuerungen von großer Bedeutung: „Jede Generation soll die Möglichkeit haben, Tracht verändern zu können. Die Tracht möchte Tradition zeigen, aber auch Moderne miteinschließen, so dass man sie gerne anzieht und sich darin wohlfühlt. Dass sich die erneuerten Trachten im Laufe der Zeit zu Klassikern der Moderne entwickelt haben, war nur möglich, weil in vielen Bereichen Umdenkprozesse stattgefunden haben.“ Dem gesellschaftlichen Wandel entsprechend hat eine weitgehende Entideologisierung stattgefunden. Wurden die Trachten früher von „oben herab“ zum Teil mit wissenschaftlicher Sanktionierung bestimmt, wird heute die gesamte Bevölkerung zum kreativen Umgang mit Tracht ermutigt. Das Heimatwerk steht diesem Prozess hilfreich zur Seite und entwickelt immer wieder neue Modellvorschläge oder Variationen zu bestehenden Trachten, aber immer mit dem Wissen, dass eine verantwortungsvolle Trachtenerneuerung nur mit guter Kenntnis der historischen Kostümkunde und der gesellschaftlichen Trachtenentwicklung geschehen kann. Die Kärntner Tracht ist ein wertvoller Bestandteil unseres volkskulturellen Erbes. Früher wurde sie als Abbild unserer Heimat, Geschichte und Volkskultur hauptsächlich bei brauchtümlichen Anlässen getragen. In letzter Zeit wurde sie immer mehr zu einem beliebten Festgewand. Gerade die Jugend bringt moderne Akzente ein, so wie beispielsweise die Kombination von traditioneller Tracht mit trendigen Jeans. Vorreiter und modischer Trendsetter in diese Richtung war unter anderem der verstorbene Landeshauptmann Jörg Haider, der diesen Stil salonfähig machte. Ulli Sternig & Carina Lach


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