Konstantin der Große

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Sarapis contra Christum Zur Religionspolitik des Maximinus Daia, Konstantins Gegenspieler im Osten von Kay Ehling

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Maximinus Daia ist der letzte römische Kaiser, der Christen offiziell und blutig verfolgen ließ. Zugleich versuchte er, das absterbende Heidentum durch den Aufbau einer eigenen «Gegenkirche» und die Favorisierung bestimmter Götter, insbesondere des ägyptischen Gottes Sarapis, zu stärken.

Abb. 1 a–c Auffällig ist der Porträtstil für Maximinus Daia, dessen Gesichtszüge einen besonders formelhaften, ja brutalen Ausdruck annehmen. Er förderte insbesondere den ägyptischen Gott Sarapis als counterpart zu Christus. a

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ls sich Konstantin der Große im Jahr 310 Sol zuwandte, griff er auf einen Gott zurück, der eigentlich durch den Kaiser des Ostens, Maximinus Daia, «besetzt» war (Abb. 1 a–c). Denn seit seiner Erhebung wurden für Daia Münzen mit Sol-Darstellungen geprägt (Abb. 2 a.b), und Konstantin selbst brachte Silberstücke aus, die seinen Kollegen in der Pose des Sonnengottes abbildeten (Abb. 3 a.b). Aber «in Sachen» Götter war Konstantin flexibel: Nach der Schlacht an der Milvischen Brücke übernahm er wie selbstverständlich Roma (siehe den Beitrag K. Ehling, S. 29–32) und die Dioskuren von dem besiegten Maxentius (Abb. 4 a.b); letzterem ließ Konstantin nach der Niederringung des Licinius am Hippodrom von Konstantinopel sogar ein eigenes Heiligtum errichten. Was die geradezu wütende Polemik der antiken Kirchenhistoriker Laktanz und Euseb gegenüber Maximinus Daia hervorrief, war anscheinend nicht nur dessen offen christenfeindliche Politik, sondern auch sein Versuch, zur christlichen eine konkurrierende «heidnische Kirche» aufzubauen. Denn im Gegensatz zu seinen Vorgängern und den anderen altgläubigen Tetrarchen hatte Daia erkannt, dass es nicht genügte, die Christen verfolgen zu lassen. Vielmehr kam es darauf an, der hergebrachten heidnischen Religion selbst wieder neues Leben einzuhauchen und der Bevölkerung des Reiches eine echte religiöse Alternative zum Christentum zu bieten. Er setzte dabei auf eine von der Regierung ausgewählte und neu

organisierte, vornehme Priesterschaft und insbesondere zwei Götter: Sol und Sarapis. Die Religionspolitik des Maximinus Daia macht deutlich, dass es für Konstantin im Jahr 312 auch eine andere Option gegeben hätte: Statt den christlichen Klerus zu fördern, hätte er ebenso an den Versuch seines Gegenspielers im Osten anknüpfen und eine neue «heidnische Kirche» aufbauen können. Dass er dies nicht tat, zeigt seinen Weitblick. Wäre die Religionspolitik des Daia nicht eine potentielle Alternative zu dem von Konstantin eingeschlagenen Weg gewesen?

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Aufstieg und Untergang des Maximinus Daia Etwa im Alter von 35 Jahren wurde Maximinus Daia am 1. Mai 305 bei einem vor den Toren Nikomedias gelegenen Iuppiterheiligtum von Kaiser Diokletian mit dem Purpurmantel bekleidet und vor der Heeresversammlung zum Caesar ausgerufen. Seine Erhebung verdankte der aus einfachsten Verhältnissen stammende Daia seiner Verwandtschaft mit Kaiser Galerius, dem er als Schildträger (scutarius), Leibwächter (protector) und Offizier (tribunus) gedient hatte. Galerius adoptierte seinen Neffen unter dem Namen Caius Galerius Valerius Maximinus. Als dessen Caesar wurde ihm die Verwaltung des Ostens, genauer der Diözesen Oriens (Syrien) und Ägypten übertragen. Nach seinen ersten Münzen und Medaillons zu schließen, bezog er zunächst Alexandria

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Abb. 2 a.b Sol invictus erscheint bald nach Machtantritt auf den Münzen des Maximinus Daia. Im Jahr 310 wird dann Konstantin diesen Gott für sich entdecken.

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Abb. 3 a.b Konstantin der Große ließ in der Münzstätte Trier Silbermünzen prägen, die seinen Kollegen Maximinus Daia in der Pose des Sonnengottes darstellen. Charakteristisch sind die Strahlenkrone und der Gestus der erhobenen Hand.

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Abb. 4 a.b Konstantins späterer Gegner Maxentius brachte Bronzemünzen heraus, die die göttlichen Dioskuren zeigen. Konstantin okkupierte später dieses Götterpaar, genau wie er Sol von Maximinus Daia übernahm.

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als Residenzstadt. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass Maximinus Daia der bislang letzte in hieroglyphischer Schreibung bezeugte römische Kaiser in Ägypten ist (auf einer Stele eines heiligen Buchis-Stieres). Noch im selben Jahr erließ der neue Caesar des Ostens ein Edikt (griech.: prostagma), in dem er seine Beamten anwies, dass die Bevölkerung ein Opfer darzubringen habe. Dieses Schreiben stellt wahrscheinlich eine Erneuerung des vierten diokletianischen Christenedikts von 304 dar. Bei der Verfolgung der Christen taten sich die Statthalter Urbanus und dessen Nachfolger Firmilianus besonders hervor. Vereinzelt kam es zu Martyrien, andere Christen

wurden zur Zwangsarbeit in die Erz- oder Porphyrbergwerke verschickt. Noch in seiner Zeit als Caesar führte Daia einen Armenienkrieg. Für die Historizität dieses nur in der Kirchengeschichte des Euseb erwähnten Krieges spricht auch eine Sonderserie von Münzen, die den Kaiser ganz martialisch mit Helm und Schild darstellen (Abb. 5 a.b). Das Schildbild zeigt bei näherer Betrachtung unterworfene «Barbaren» (Armenier), dahinter zwei römische Reiter mit Drachenfahnen und links einen Opferaltar. Letzteres bietet einen eindrucksvollen ikonographischen Beleg für die Überlieferung bei Euseb nach der Maximinus Daia die christlichen Armenier zum heidnischen Opfer gezwungen habe. Von seiner Armenienexpedition zurückgekehrt, ließ sich Daia vielleicht anlässlich seiner Quinquennalien (Fünfjahresfeier) am 1. Mai 310 eigenmächtig zum Augustus ausrufen und verstieß damit massiv gegen die tetrarchische Ordnung. Als Galerius bald nach der Verkündung des Toleranzediktes für die Christen im Mai 311 verstarb, okkupierte Maximinus Daia dessen Herrschaftsgebiet in Kleinasien, während Licinius in Thrakien einrückte. Am Bosporus standen sich die Armeen gegenüber, doch kam es nach einer Begegnung der beiden Kontrahenten auf der Meeresenge noch zu einem Ausgleich. Um Licinius strategisch in die Zange nehmen zu können, knüpfte Daia diplomatische Beziehungen mit dem Konstantin-Gegner Maxentius an. Im Jahr 313 brach dann der wohl unvermeidliche Konflikt zwischen Daia und Licinius aus, den letzterer am 30. April 313 auf dem etwas nördlich von Heraclea gelegenen Campus Ergenus für sich entscheiden konnte. Maximinus floh und begann in den Pässen des Taurusgebirges eine neue Front aufzubauen, als er völlig unerwartet im Juli oder August 313 an einer Krankheit verstarb. Sein Andenken wurde überall getilgt, Ehefrau und Kinder getötet, seine Freunde und Berater brutal verfolgt. Erst 50 Jahre später sollte unter Kaiser Julian (355/361–363; Abb. 6 a.b) zur Erinnerung an Daia bei Tarsos ein Grabmal (Kenotaph) errichtet werden. Die kirchlichen Quellen schildern Maximinus Daia rein negativ als einen brutalen Trunkenbold, der jeden Abend nach dem Mahle unzurechnungsfähig zu sein und sich bevorzugt seinen sexuellen Ausschweifungen hinzugeben pflegte, als einen politisch wie militärisch gleichermaßen unfähigen, abergläubischen Herrscher und erbitterten Feind des Christengottes. Die neuere Forschung hat dieses sicher einseitige Bild mit wenigen Ausnahmen übernommen. Letztlich aber ist sein Regime auch nicht schlechter als das seiner Mitkaiser Galerius, Maxentius oder Licinius gewesen.

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Gründe für die erneute Christenverfolgung von 311/312 Nachdem Galerius am 30. April 311 in Serdica im Namen aller Kaiser, also auch des Maximinus Daia, das Toleranzedikt zu Gunsten der Christen erlassen hatte, wurden die Verfolgungen reichsweit eingestellt. Im Osten wurde der Kurswechsel durch ein Schreiben des höchsten Zivilbeamten, des praefectus praetorio Sabinus, verkündet. Als Folge der neuen Toleranzpolitik kam es v. a. in den großen Städten des Ostens zu starken Spannungen zwischen den städtischen Behörden und den aus Verbannung, Gefängnis und Bergwerk zurückgekehrten Christen, die insbesondere die Rückgabe ihres konfiszierten und veräußerten Eigentums an Häusern und Grundstücken forderten. Die Gegensätze spitzten sich so zu, dass die Honoratioren von Nikomedia Ende Oktober oder Anfang November 311 mit ihren altehrwürdigen Götterbildern vor Daia erschienen und den Kaiser baten, den Christen das Wohnen in ihrer Stadt zu verbieten. Der Kaiser lehnte dies offenbar zunächst ab. Als jedoch weitere Städte, namentlich Antiochia und Tyros, mit demselben Gesuch an ihn herantraten, stimmte er zu. Er war auf das Wohlwollen und die Unterstützung der städtischen Oberschicht angewiesen und wollte seine Macht im Reich erhalten. Laktanz erwähnt städtische Gesandtschaften, die die Erlaubnis einholten, den Christen das Errichten eigener Kultstätten (conventicula) innerhalb der Städte zu verbieten (De mortibus persecutorum 36, 3). Die Petition, «die seit langem irrsinnigen Christen ... zum Schweigen zu bringen», welche die Bewohner der Provinz Lycia et Pamphylia an die Kaiser Maximinus, Licinius und Konstantin richteten, ist inschriftlich bezeugt (S. Şahin [Hrsg.], Die Inschriften von Arykanda. Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 48 [1994] Nr. 12). Dass die Initiative zu diesen städtischen «Bittgesuchen» letztlich auf den Kaiser selbst zurückgegangen sein soll, ist, auch wenn diese den religionspolitischen Vorstellungen des altgläubigen Kaisers entsprachen, allerdings wohl eine Behauptung des Euseb, der die Städte dadurch entlastete und die Schuld an der nun erneut einsetzenden Christenverfolgung allein dem «Gotthasser» (Euseb, Kirchengeschichte 9, 8, 2) zuschieben konnte. Stolz und Selbstverständnis der städtischen, heidnischen Honoratiorenschicht kommen darüber hinaus in einer Serie von Kleinstmünzen zum Ausdruck, die 312 von den Städten Nikomedia, Antiochia und Alexandria ausgegeben wurden. Es handelt sich dabei um die letzten provinzialrömischen Bronzen überhaupt. Diese stellen u. a. die Göttin Ceres (in Nikomedia), die Tyche von Antiochia und den Apollon von Daphne (in An-

tiochia, Abb. 7 a.b) und schließlich Nil und Sarapis dar (in Alexandria mit den Legenden DEO SANCTO NILO «Dem heiligen Gott Nil» und DEO SANCTO SARAPIDI «Dem heiligen Gott Sarapis»; Abb. 8 a.b).

Die Situation der Christen Ein bemerkenswertes Zeugnis christlicher Standhaftigkeit in dieser überaus schwierigen Situation stellt der inschriftlich erhaltene Bericht des Marius Iulius Eugenius dar (Abb. 9). Als Angehöriger der Oberschicht war er mit Flavia Iulia Flaviana, der Tochter eines Senators verheiratet und gehörte dem Verwaltungsstab des Statthalters

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Abb. 5 a.b Maximinus Daia als Krieger. Die Stücke wurden im Anschluss an den mehr oder weniger großen Sieg über die Armenier im Jahr 310 geprägt. Das Schildbild bestätigt die Überlieferung bei Euseb, wonach Daia die christlichen Armenier zum heidnischen Opferkult zwang. Abb. 6 a.b Kaiser Julian, der letzte Heide auf dem römischen Kaiserthron. Er ließ sich mit dem Bart des Philosophen darstellen. Julian verfasste eine Schrift mit dem Titel «Gegen die Galiläer», konnte die konstantinische Wende von 312 aber nicht rückgängig machen.

Abb. 7 a.b Die Stadt Antiochia durfte unter Maximinus Daia ein letztes Mal eigene städtische Münzen prägen. Die Honoratioren entschieden sich dafür, die Stadtgöttin und den Apollon von Daphne abzubilden. In diesen Göttern bündelte sich das Selbstverständnis der Polis.

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b Abb. 8 a.b Für Alexandria stehen der «Ernährer des Erdkreises» Sarapis und der Flussgott Nil.

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von Pisidien an. «Aber auf einmal», so schreibt Eugenius, «kam unter Maximinus (Daia) ein Befehl, dass die Christen Opfer bringen und nicht aus dem Dienst entlassen werden sollten. Ich habe unter dem Praeses Diogenes viele und schwere Qualen ertragen und es durchgesetzt, dass ich aus dem Dienst entlassen wurde, um dem christlichen Glauben treu zu bleiben.» (Übers. von R. Merkelbach / J. Stauber, Steinepigramme aus dem griechischen Osten [2001] 80). Eugenius wurde bald darauf Bischof der lykaonischen Stadt Laodikeia Katakekaumene und übte dieses Amt 25 Jahre aus, bis er um 340 verstarb. Die Aussage des Eugenius belegt nicht nur seinen persönlichen Mut, sondern macht auch deutlich, worin die Absicht der heidnischen Regierung bestand: Mit der Forderung, ein Opfer darzubringen, sollte die Loyalität v. a. der Soldaten und Beamten überprüft werden, wie dies schon Kaiser Decius Mitte des 3. Jhs. verlangt hatte. Die zunehmende Christianisierung von Armee und Staat hatte bei den altgläubigen und konservativ eingestellten Kaisern Diokletian und Galerius Zweifel an der Staatstreue der christlichen Soldaten und Beamten aufkommen lassen, was diese nach Beratungen mit ihren amici im Jahr 303 veranlasste, gegen die Kirche vorzugehen. Maximinus Daia, der sich immer wieder ausdrücklich auf die beiden Oberkaiser berief, setzte im Jahr 312/313 also letztlich deren Politik fort. Die Verfolgung forderte einige prominente Opfer wie den Bischof von Alexandria, Petrus, der am 26. November 311 hingerichtet wurde, oder den berühmten Kirchenlehrer und antiochenischen Presbyter Lucian, der am 7. Januar 312 in Nikomedia den Märtyrertod erlitt. Angeblich, so die christliche Überlieferung, habe Maximinus Daia Lucian im Gefängnis verhungern lassen, weil dieser kein Opferfleisch essen wollte, und dann befohlen, den Leichnam ins Meer zu werfen. Diesen habe ein Delphin aufgelesen und an Land gebracht. Letzteres greift

ein von der wunderbaren Errettung des Kitharaspielers Arion her bekanntes Motiv auf. Den Toten bestatteten seine Schüler dann in Drepanum, dem später nach Helena, der Mutter Konstantins, benannten Helenopolis, wo die Kaiserinmutter im Jahr 327 eine prächtige Basilika über dem Grab des Märtyrers errichten ließ (siehe den Beitrag von H. Schlange-Schöningen, S. 100–109). Als eine besondere Maßnahme der Regierung wird die Verbreitung gefälschter Akten des Prozesses gegen Jesus vor Pontius Pilatus erwähnt, die im Schulunterricht zu behandeln waren. Absicht dieser Pseudodokumente war vermutlich, Jesus als Betrüger und Anstifter sittlich verwerflicher wie politisch gefährlicher Taten hinzustellen. Die Christenverfolgung dauerte jedoch kein Jahr (Euseb, Kirchengeschichte 9, 10, 12). Bereits im November / Dezember 312 ordnete Daia ihre Einstellung an. Was den Kaiser konkret dazu veranlasst hat, geht aus den Quellen nicht hervor. Wahrscheinlich erkannte Daia, dass das erneute Christenverbot von Ende 311 keine wirkliche Beruhigung der Situation in den Städten gebracht, sondern nur weitere Konflikte geschaffen hatte. Als Reaktion auf die ohne Zweifel auch in seinem Namen erlassenen christenfreundlichen Beschlüsse von Mailand (Maximinus bekleidete im Jahr 313 gemeinsam mit Konstantin den Konsulat) oder als Folge der Niederlage auf dem Campus Ergenus, also im Frühjahr oder Mai 313, erließ der Ostkaiser schließlich ein zweites förmliches Toleranzedikt (Euseb, Kirchengeschichte 9, 10, 7−11), in dem die Regierung den Christen auch ausdrücklich die Rückgabe ihres früheren Eigentums an Häusern und Grundstücken zusicherte.

Daias «heidnische Kirche» Schon bei seinem Machtantritt im Jahr 305 hatte Maximinus Daia erkannt, dass das Heidentum nicht allein durch die Bekämpfung des Christentums neu zu beleben war. Von seiner Residenzstadt Alexandria aus begann er mit dem Aufbau einer an ägyptischen Vorbildern orientierten «heidnischen Kirche». Maßgeblichen Anteil daran dürften hohe Berater und Freunde des neuen Kaisers gehabt haben, wie Sossianus Hierocles oder Clodius Culcianus, die beide das Amt des Präfekten von Ägypten bekleidet hatten. Daia berief in den Städten seines Reiches die vornehmsten Männer zu Priestern (sacerdotes). Ihre Aufgabe war es, die täglichen Opfer «für alle ihre Götter» darzubringen, wie es bei dem Kirchenvater Laktanz heißt. Auf Provinzebene setzte er Oberpriester (pontifices) als leitende Kontrollinstanzen ein. Beide Priesterklassen trugen besondere weiße Amtsgewänder.

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Diese Oberpriester hatten sich, wie Euseb im 9. Buch seiner Kirchengeschichte schreibt, im politischen Leben ausgezeichnet und waren hochberühmte Männer. Epigraphisch können wir mit Epitynchanos wahrscheinlich wenigstens einen dieser Oberpriester greifen. Aus einer ins Jahr 313/314 datierten und im kleinasiatischen Phrygien gefundenen Grabinschrift geht hervor, dass dieser Epitynchanos ein wohlhabender und gottesfürchtiger Mann gewesen ist und in seiner Heimatstadt den Kult der Hekate, des Manes-Zeus und des Apollon-Helios versehen hat. Über die Grenzen seiner Heimat hinaus hatte sich Epitynchanos als Wahrsager einen Namen gemacht. Gerade Zauberer und Magier soll Daia ja besonders gefördert haben (Euseb, Kirchengeschichte 8, 14, 8). Die unter der Regierung des Maximinus Daia eingeleiteten, nach dessen Untergang und Tod abgebrochenen heidnischen Reformbemühungen wurden 50 Jahre später noch einmal von Julian (vgl. Abb. 6 a.b), dem letz-

ten Heiden auf dem römischen Kaiserthron, aufgenommen und fortgesetzt. Nicht ganz zu Unrecht schreibt der belgische Gelehrte J. Bidez, dass man Julian in religiösen Dingen «fast» als einen «Nachahmer» des Maximinus bezeichnen könne. Doch war die julianische «Kirche», weit mehr als der Kaiser dies selbst hätte wahrhaben wollen, vom «Geist» des Christentums durchdrungen. Auf die Idee, Menschenliebe und Armenfürsorge in den Mittelpunkt seiner «Kirche» zu rücken, wie Julian dies tat, wäre Maximinus nicht gekommen. Ihm genügte es in altbewährter Weise, möglichst reiche und angesehene Personen zu sacerdotes und pontifices zu machen, während Julian auch arme Männer in Priesterämter brachte, wenn sie nur altgläubig und fromm waren. Im Gegensatz zu dem christlich erzogenen Julian hatte Daia von den Texten des Neuen Testaments schwerlich genauere Kenntnisse. Dennoch stammt auch sein Erlöser, Sarapis, wie Christus aus dem Osten.

Abb. 9 Die Inschrift enthält den Bericht des Marius Iulius Eugenius, der sich unter Maximinus Daia weigerte, das von ihm geforderte heidnische Opfer darzubringen. Er durfte den Staatsdienst quittieren, wurde Bischof der Stadt Laodikeia Katakekaumene, wo er um 340 verstarb. Rekonstruktion von W. M. Calder.

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Sarapis contra Christum? Abb. 10 a.b Gleich nach Machtantritt ließ Maximinus Daia Goldmedaillons mit dem Bildnis des von ihm favorisierten ägyptischen Gottes Sarapis ausgeben. Mit den kostbaren Goldstücken entlohnte Daia aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Anführer seiner gotischen Leibwache.

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Abb. 11 a.b Dieser Silbermünztyp ist erst kürzlich durch den Münzhandel bekannt geworden. Er stellt die Personifikation von Alexandria dar, die eine Büste des Sarapis auf der rechten Hand hält. Alexandria war die erste Residenzstadt des Maximinus Daia.

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Abb. 12 a.b Auffällig ist, dass Sol auf diesem Stück ein langes Gewand trägt. In der Regel wird er auf Münzen nackt, allenfalls mit einem Rückenmantel bekleidet, dargestellt. Er scheint hier, wie der Sol am Konstantinsbogen in Rom (vgl. Abb. 21), an Apollon angenähert zu sein.

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Abb. 13 Der Genius des Kaisers hält eine Sarapisbüste auf der Hand und blickt auf den Gott, so wie Sarapis auf den Genius schaut. Der Stern zwischen den beiden ist zwar einerseits ein münzstätteninternes Zeichen, drückt andererseits aber auch die kosmischen Beziehungen zwischen den beiden Gottheiten aus.

Es ist höchst bemerkenswert, dass Maximinus Daia schon in seinem ersten Regierungsjahr Münzen und Medaillons mit Sarapis ausgeben ließ. Kein anderer Tetrarchenkaiser hat auf seinen Münzen das Bild dieses ägyptischen Gottes verwendet. Gleich bei Machtantritt im Jahr 305 wurden prächtige Goldmedaillons geschlagen, die einen langgewandeten Sol mit einer Sarapisbüste auf der linken Hand darstellen (Abb. 10 a.b). Wenig später wurde derselbe Bildtypus auch für seine Goldmünzen verwendet. Medaillons und Goldmünzen dienten als Geschenke und zur Besoldung der hohen Würdenträger und Truppenführer seiner gotischen Leibwache (Laktanz, De mortibus persecutorum 37, 5). Hinzu kommt jetzt ein neuer, bislang unpublizierter Silbermünztyp ebenfalls aus der Münzstätte Alexandria, der die stehende weibliche Personifikation der Nilstadt mit Sarapisbüste auf der rechten Hand abbildet (Abb. 11 a.b). Aufgrund dieser auffälligen Sarapisstücke wird man darüber hinaus davon ausgehen dürfen, dass Daia schon in seiner Zeit als Caesar den in seinem Herrschaftsbereich gelegenen Tempel des Sarapis in Alexandria, der als größtes und schönstes Heiligtum der Welt galt (Theodoret, Historia ecclesiastica 5, 22, 3), finanziell großzügig unterstützt hat. Doch wurde das Sarapeum unter Theodosius I. im Jahr 391 mit Zustimmung des Kaisers zerstört, trotz erbitterten heidnischen Widerstandes, bei dem Philosophen und Priester wie Olympios und Helladios die Führung innehatten; letzterer rühmte sich später, neun Christen erschlagen zu haben (Sokrates Scholasticus, Historia ecclesiastica 5, 16, 14). Nach der Erhebung des Maximinus Daia zum Augustus wurde die Sarapisbüste auf der Hand des Sol invictus (Abb. 12 a.b) oder des kaiserlichen Genius (Abb. 13) auch zum Thema der Massenprägungen in Bronze. Die Münze Abbildung 12 zeigt Sol mit Strahlenkrone, langem Prunkgewand und Rückenmantel nach links gewandt, die rechte Hand zum Segensgruß erhoben, auf der Linken hält er eine Sarapisbüste. Auch der Genius des Kaisers (vgl. Abb. 13) trägt ein Getreidemaß (Kalathos); sein Blick ist auf Sarapis gerichtet und umgekehrt. Der zwischen den beiden Göttern befindliche Stern ist einerseits als münzstätteninternes Emissionszeichen aufzufassen, andererseits steht er für die kosmischen Beziehungen zwischen Allgott und Kaisergenius.

Ursprung und Bedeutung des Sarapis 13

Über die Herkunft des Sarapis und die Anfänge seines Kultes geben die antiken Quellen verschiedene, sich wi-

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dersprechende Nachrichten. Die Ursprünge dieser Gottheit scheinen jedoch im ägyptischen Memphis zu liegen. Der griechische Name Sarapis leitet sich von dem ägyptischen Gott Wsr-Hp («Osiris-Apis») ab, der in Memphis bereits in vorhellenistischer Zeit verehrt wurde. Man darf m. E. vermuten, dass die 321 v. Chr. erfolgte Beisetzung Alexanders des Großen in Memphis, der ersten Residenzstadt der Ptolemäer, in enger Verbindung mit dem Kult des Wsr-Hp = Sarapis stand. Im Zuge der Verlegung des Regierungssitzes von Memphis nach Alexandria (ab 320 v. Chr.) wurde dann Alexanders Leichnam umgebettet und mit diesem der Kult des Sarapis in die neue Hauptstadt verpflanzt. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte er sich zum Schutzgott der Ptolemäerdynastie und Gott der Stadt Alexandria. Um 300 v. Chr. schuf der griechische Bildhauer Bryaxis die berühmte Sitzstatue, die in zahlreichen großen und kleinen Wiederholungen existiert. Als in den Jahren zwischen 320 und 311 v. Chr. der König von Zypern, Nikokreon, bei Sarapis anfragte, wer und was für ein Gott er sei, antwortete dieser: «Ich bin der Gott, den man so erkennen kann: Das All des Himmels ist mein Haupt, mein Bauch das Meer, meine Füße die Erde, meine Ohren im Äther, aber mein weithin glänzendes Auge das helle Licht des Sonnengottes.» (Macrobius, Saturnalia 1, 20, 17; Übers. R. Merkelbach) So war Sarapis ein Allgott, der mit allen Göttern gleichgesetzt werden konnte, in dem sich alle Götter manifestierten. Wie der ägyptische Osiris war Sarapis Herr der Unterwelt, wie Aion ein Gott der Ewigkeit. Seine Kopfbedeckung, ein Kalathos genanntes Getreidemaß, weist ihn als Garant der Fruchtbarkeit, als «Ernährer des Erdkreises» aus. Zahlreiche über das ganze römische Reich verteilte Inschriften setzen ihn mit Zeus, Poseidon, ja Jahwe gleich. R. Merkelbach weist darauf hin, dass die wichtigste aller Identifikationen des Sarapis die mit Helios war, was ja auch aus seiner oben zitierten Antwort an Nikokreon hervorgeht, wenn er sein «weithin glänzendes Auge» als das «helle Licht des Sonnengottes» beschreibt. Es gibt rundplastische Bildnisse, die Sarapis mit den Strahlen des Helios / Sol darstellen (Abb. 14). Andere Züge seines Wesens verraten die abgebildeten Ringsteine (Abb. 15–18): Die Verbindung mit den Dioskuren verweist auf Sarapis als Schlachtenhelfer (Abb. 15), die Standarten darauf, dass Sarapis den Sieg bringt; wie Zeus ist diesem der Adler beigegeben (Abb. 16). Mit dem Tierkreiszeichen wird seine astrologische und seine ägyptisch-magische Seite erkennbar, wenn er mit Isis in Schlangengestalt erscheint (Abb. 17. 18).

Die Verbreitung des ägyptischen Kultes nach Westen erfolgte über die Kykladeninsel Delos. Freigelassene und Sklaven orientalischer Herkunft dürften dabei ebenso wie Kaufleute die entscheidende Rolle gespielt haben. Ein Sarapistempel ist für die italische Hafenstadt Puteoli schon im Jahr 105 v. Chr. nachweisbar, und zur Zeit Sullas (gest. 78 v. Chr.) muss auf dem Kapitol in Rom ein Isisheiligtum existiert haben. Auch ein Verbot des ägyptischen Kultes durch den römischen Senat in der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. konnte seinen weiteren Aufstieg nicht verhindern. Parallel zur Ausbreitung und Mission des Christentums setzt dann am Ende des 2. Jhs. n. Chr. ein Siegeszug der orientalischen Gottheiten ein, angeführt

Abb. 14 Die Büste zeigt den oberen Teil des alexandrinischen Kultbildes des Bryaxis. Im 2./3. Jh. wurden (hier nicht zu sehen) zusätzlich sieben metallene Strahlen am Kopf angebracht und so wurde aus Sarapis Helios-Sarapis.

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Abb. 15 –18 (von links nach rechts) Die zunehmende Beliebtheit des ägyptischen Gottes Sarapis in der römischen Kaiserzeit spiegelt sich auch in einer wachsenden Zahl von bildlichen Darstellungen auf geschnittenen Ringsteinen wider. Wie Zeus verleiht auch Sarapis den Schlachtensieg. Der Gott kann darüber hinaus in einem astrologischen oder ägyptisch-magischen Zusammenhang vorkommen.

von Isis und Sarapis. Von Kaiser Commodus wird überliefert (Historia Augusta, Vita Commodi 8, 4), dass er sich als Verehrer der Isis die Haare geschoren haben soll, wie dies für einen Priester der ägyptischen Göttin vorgeschrieben war. Schon auf Denaren des Domitian (81–96) wird ein Sarapistempel abgebildet; als CONSERVATOR des Kaisers begegnet er auf Münzen des Commodus, und zur Zeit des Caracalla muss der Name des Sarapis gar nicht mehr in der Umschrift genannt werden, weil jeder weiß, wer dieser Gott mit dem Kalathos ist (Abb. 19 a.b). Spezialstudien haben deutlich gemacht, dass Sarapis im 3. Jh. die althergebrachten griechischen Götter im Osten des Reiches verdrängte bzw. überlagerte. So tritt in der kilikischen Stadt Anazarbos Sarapis an die Stelle von Zeus, und in Aigeai verschmelzen die Heilgötter Asklepios und Sarapis.

b Abb. 19 a.b Der aus dem Jahr 212 stammende Denar des Kaisers Caracalla mit dem stehenden Sarapis auf der Rückseite macht deutlich, dass der ägyptische Gott endgültig in Rom angekommen ist.

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Die Wahl des Christengottes Auf E. Renan geht der provokante Ausspruch zurück, dass unsere Welt, wenn sie nicht christlich, dann mithräisch geworden wäre. Die Bedeutung des aus Persien stammenden Gottes Mithras wird damit aber doch weit überschätzt (Abb. 20). Allenfalls in Verschmelzung mit Sol invictus war Mithras für breitere Kreise akzeptabel. Aber der v. a. bei unteren Chargen des römischen Heeres verbreitete Mithras-Kult hätte nie Aussichten auf wirklichen Erfolg gehabt, da er die Hälfte der Menschheit ausschloss. Denn Frauen durften an seinen Kultfeierlichkeiten nicht teilnehmen. Dass hingegen das Christentum nicht exklusiv, sondern offen für alle war – Soldaten und Gebildete, Arme und Reiche, Männer und Frauen – macht einen wesentlichen Teil seines Erfolges aus. Aber auch der Isisund Sarapiskult war offen für alle und nicht weniger als das Christentum eine echte Mysterienreligion. Mit weit mehr Recht darf man deshalb die Behauptung aufstellen, dass die Welt «ägyptisch» geworden wäre, wenn nicht das Christentum den Sieg davon getragen hätte. Mit seiner Förderung und Propagierung des Sarapis folgte Maximinus Daia der Grundstimmung seiner Zeit. Zum einen kam der Sarapiskult – wie das Christentum – aus dem Osten, zum anderen war der ägyptische Gott spätestens im Laufe des 3. Jhs. zu einer im ganzen Imperium Romanum bekannten Gottheit mit stark monotheistischen Zügen aufgestiegen. Mit dem Sarapiskult unterstützte Maximinus eine monotheistische Erlösungsreligion östlicher Herkunft, die bei der (altgläubigen) Bevölkerung seines Reichsteiles sehr beliebt war. Gerade Sarapis war klug gewählt und ein wirklich «gefährlicher» counterpart zu Christus. Auf der anderen Seite war Konstantins Entscheidung für das Christentum alles andere als selbstverständlich.

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Abb. 20 Der Gott Mithras wurde in der Masse von einfachen Soldaten, Sklaven und Freigelassenen verehrt. Die mythische Tötung des Stieres ist die bedeutendste Tat des Gottes, durch sie entsteht das Leben neu. Seine fackeltragenden Begleiter heißen Cautes und Cautopates und symbolisieren Leben und Tod.

Noch für das Jahr 310 berichtet ein Hofredner von einer «heidnischen» Vision des Kaisers: Bei dem Besuch eines Apollontempels in Gallien habe Konstantin Apollon und Victoria gesehen, die ihm je einen mit der Zahl XXX geschmückten Lorbeerkranz darreichten (als Zeichen einer 30-jährigen Herrschaftsdauer), und sich in den Gesichtszügen Apollons als künftiger Weltenherrscher erkannt. Nach seinem Sieg über Maxentius hätte Konstantin also auch eine «heidnische Kirche» im Stile des Maximinus Daia initiieren können mit einem Apollon-Sol als Hauptgottheit, wie er am Konstantinsbogen zu sehen ist (Abb. 21 a.b). Bedenkt man diese Möglichkeit, wird erst recht deutlich, wie folgenreich und letztlich glücklich Konstantins Wahl des Christengottes war.

Adresse des Autors PD Dr. Kay Ehling Konservator Staatliche Münzsammlung München Residenzstraße 1 D-80333 München Bildnachweis Abb. 1 a.b, 12, 13, 19, 21 Privatslg. (Foto: N. Kästner); alle übrigen Abb. Staatliche Münzsammlung München (Foto: N. Kästner).

Abb. 21 a.b Hauptgott einer «heidnischen Kirche» Konstantins hätte Apollon-Sol werden können.

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K. EHLING, Bilder aus dem Armenienkrieg des Maximinus Daia, in: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 60 (2010) 183–192. DERS., Der Tetrarch Maximinus Daia, sein Grab bei Tarsos und Kaiser Julian, in: Historia 59 (2010) 252–255. W. KUHOFF, Diokletian und die Epoche der Tetrarchie. Das römische Reich zwischen Krisenbewältigung und Neuaufbau (284–313 n. Chr.) (2001) 914–934. W. KUHOFF / K. EHLING, Maximinus Daia (Daza), in: Reallexikon für Antike und Christentum 24 (2011) Sp. 495–504.

Literatur H. CASTRITIUS, Studien zu Maximinus Daia (FAS 2) (1969).

R. MERKELBACH, Isis regina – Zeus Sarapis. Die griechischägyptische Religion nach den Quellen dargestellt (1995).

A. DEMANDT, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diokletian bis Justinian 284–565 n. Chr. (2007).

O. SEECK, Daia, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Alterumswissenschaft 4, 2 (1901) Sp. 1986–1990.

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