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ABENTEUER WALD Der Natur auf der Spur

Mit allen Sinnen

Zum ersten Mal heute ist es still. Das heißt, eigentlich hört man ganz viel: den Wind, der in den Bäumen rauscht. Eine Taube gurrt. Es raschelt im trockenen Laub. In der Ferne klopft ein Specht. Nach einem lauten Vormittag mit viel Schwesterngezanke und Nach-Urlaubs-Langeweile habe ich mir die Kinder geschnappt und wir sind raus in den Wald.

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Zugegeben, die Begeisterung hielt sich zunächst in Grenzen. Aber jetzt liegen wir hier im Schatten der Bäume, schauen in die schwankenden Baumwipfel, lauschen den Waldgeräuschen und sind auf einmal sehr entspannt. Kein Wunder, denn im Wald verlangsamen wir ganz von selbst unser Tempo. Zahlreiche Studien bestätigen, was wir ganz intuitiv spüren: Der Wald tut uns gut, unserem Körper genau so wie unserer Seele. Das gilt heute mehr denn je. In unserem durchgetakteten Alltag mit vielen Terminen, Mediennutzung und Stadtlärm sind Kinder starken Reizen ausgesetzt. Da fällt es zunehmend schwer, zur Ruhe zu kommen. Regelmäßige Auszeiten in der Natur können helfen. Forscher von der Universität Michigan sprechen aufgrund der entspannenden Wirkung des Waldes sogar von einer „Naturpille“: Bereits 20 Minuten im Wald reduzieren Stress und senken den Cortisolspiegel. Allein schon die Farbe Grün wirkt beruhigend auf uns Menschen. So konnte nachgewiesen werden, dass Kinder sich im Unterricht besser konzentrieren können, wenn sie durch das Fenster auf Bäume schauen.

Entspannender Naturcocktail

Und der Wald kann noch mehr. Waldluft enthält nicht nur über 90 Prozent weniger Staubteilchen als die Luft in der Stadt, sie ist auch voller Phytonzide. Diese chemischen Substanzen, die Pflanzen absondern, wirken als eine Art natürliche Aromatherapie und stärken unser Immunsystem nachhaltig. Zeit in der Natur senkt den Blutdruck, verbessert die Schlafqualität, minimiert das Krankheitsrisiko und fördert die Konzentration. Studien mit Kindern, die Waldkindergärten besucht haben, zeigen, dass die „Draußen-Kinder“ hinsichtlich ihres Sprachvermögens, Kreativität, der Konzentrationsfähigkeit und im Sozialverhalten deutlich besser abschneiden als Kinder aus Regelkindergärten. Das japanische Waldbaden, das auch bei uns immer populärer wird, nutzt die heilsame Kraft des Waldes schon lange. Anders als beim klassischen Spaziergang, der bei Kindern ja nicht unbedingt immer Jubelstürme auslöst, geht es beim Waldbaden darum, den Wald achtsam mit allen fünf Sinnen wahrzunehmen. Das feuchte Moos riechen, die frische Luft schmecken, die unterschiedlichen Grüntöne der Blätter bemerken, die Vögel singen hören und den Wind auf der Haut spüren. Den Kindern ist in der Zwischenzeit ein bisschen zu viel Ruhe eingekehrt. „Mama, und was machen wir jetzt?“ Eine Runde „Verstecken-Fangen“ ist angesagt. Im Wald

macht das gleich doppelt Spaß. Den Hügel rauf, über Baumstämme springen, tief hängenden Ästen ausweichen und atemlos in Mulden kauern, um sich zu verstecken. Wer die große Buche erreicht, ohne gefangen zu werden, hat gewonnen! Unter dem Baum entdecken wir dann noch haufenweise Bucheckern. Nur wenige der nährstoffreichen Nüsschen probieren wir direkt. Neben vielen Mineralstoffen, Zink und Eisen enthalten die Eckern nämlich den schwach giftigen Stoff „Fagin“, der bei größeren Mengen Bauchschmerzen verursacht. Werden die geschälten Bucheckern ein paar Minuten in der Pfanne geröstet, wird das Fagin abgebaut. Wir sammeln also einen kleinen Vorrat für zu Hause, bevor wir noch einen Abstecher in die Waldschule im Wildpark machen.

Der Natur auf der Spur

Zwar ist die 2019 neu eröffnete Waldschule für das außerschulische Umweltbildungsprogramm von Kitas und Schulen reserviert, die Dauerausstellung im alten Waldschul-Blockhaus steht aber allen Wildparkbesucher:innen weiterhin zur Verfügung. Besonders spannend für die Kinder ist neben den Terrarien mit Fröschen, Eidechsen und Co. alles, was die Sinne anregt. So erschnuppern sie Pfefferminze und Kiefernnadeln an der Duftorgel. Ein bisschen mehr Überwindung kostet der Griff ins Unbekannte: Wer schafft es, zu ertasten, was sich hinter dem Sichtschutz verbirgt? Eine glatte Kastanie erfühlen wir, einen kühlen Stein, die leicht fettige Wolle von Schafen. Wer den Besuch im Wald mit seinen Kindern gern vor- oder nachbereiten möchte, findet übrigens unter duesseldorf.de/stadtgruen/wald/waldschule spannende Arbeitsblätter mit jeder Menge Informationen, von A wie Allesfresser bis Z wie Zähne zeigen. Für allzu viel Theorie fehlt bei uns jetzt allerdings die Geduld, denn das größte Highlight des Wildparks steht ja noch aus.

Mehr zum Thema WALD gibt es auf den nächsten Seiten.

„Mama, komm, lass uns die Rehe füttern, sonst sind die schon satt, bis wir kommen“, drängelt es schon. Zum Glück nehmen die Tiere unsere Möhren und Apfelschnitze dankbar an und unsere Vorräte sind mal wieder viel zu schnell erschöpft. Aber wir nehmen uns fest vor: Ganz bald gehen wir wieder in den Wald.

Text und Fotos: Susanne Werding Illustrationen: Nursery Art – AdobeStock

Familienmusikwoche 19. – 25. Sep

Spielend den Wald erkunden

Man muss einen Waldausflug nicht generalstabsmäßig vorbereiten. Ein paar Ideen parat zu haben hilft aber, wenn die Kinder nicht direkt ins freie Spiel finden. Dabei kann man Elemente aus dem Waldbaden einbauen, um den Wald mit allen Sinnen zu erforschen.

Sammeln geht immer. Der Wald hält schließlich jede Menge Schätze parat. Zu Hause könnt ihr die Naturmaterialien dann wunderbar verbasteln. Ob Waldmobile, Feenhaus oder Insektenhotel, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Auch ein Jahreszeitentisch ist eine tolle Idee, um die Kostbarkeiten des Waldes in Szene zu setzen und sich ein Stück Wald nach Hause zu holen. Für viel Spaß sorgt auch das Wald-Memory. Dafür sucht der Spielleiter je nach Alter der mitspielenden Kinder fünf bis zehn Gegenstände (Bucheckern, Zapfen, Baumrinde, Blätter verschiedener Bäume etc.). Die Kinder haben nun 30 Sekunden Zeit, um sich die Gegenstände einzuprägen, der Spielleiter benennt dabei jeden Gegenstand ein Mal. Dann wird alles mit einem Tuch abgedeckt. Und los – alle strömen aus, um innerhalb von drei Minuten so viele der Gegenstände wie möglich im Wald zu finden.

Bäume kennenlernen mit Gefühl? Dazu braucht ihr ein Waldstück, an dem mehrere unterschiedliche Baumarten wachsen. Man führt das Kind mit verbundenen Augen an einen Baum und lässt es den Baumstamm genau erkunden. Ist die Rinde glatt oder rau? Fühlt sich der Baum warm an oder kalt? Auch schnuppern ist natürlich erlaubt.

Danach könnt ihr die Waldkönigin oder den Waldkönig küren. Macht ein kleines Wettwerfen mit Fichtenzapfen. Wer trifft den Baumstamm am häufigsten und wird Waldkönig:in? Vielleicht könnt ihr ihm/ihr noch eine tolle Krone aus Waldmaterialien basteln.

Sollen alle wieder etwas zur Ruhe kommen? Dann ist es Zeit für eine Runde Sag mir, was du hörst. Alle schließen für etwa zwei Minuten die Augen – und konzentrieren sich einmal ganz auf die vielen unterschiedlichen Geräusche, die man im Wald wahrnehmen kann. Vom Rauschen des Windes in den Bäumen über verschiedenste Vogelrufe (versucht, sie einmal ganz genau zu beschreiben oder nachzumachen), bis hin zum Rascheln von Laub etc.

Draußen spielen und lernen

in Düsseldorfs Waldkindergärten und -spielgruppen

Gesungen wird auf der Waldlichtung, balanciert über Baumstämme, gespielt wird mit allem, was sich im Wald findet. Bei Wind und Wetter den ganzen Tag lang draußen sein, dieses Konzept verfolgen Waldkindergärten. In Düsseldorf gibt es drei davon:

WALDKINDERGARTEN DÜSSELDORF E. V., AAPER WALD

Der erste Waldkindergarten der Stadt entstand 1998 aus einer Initiative engagierter Eltern heraus, die sich für ihre Kinder ein Leben im Einklang mit der Natur wünschten. Mitten im Aaper Wald gelegen, bietet der Waldkindergarten Düsseldorf e. V. in zwei Gruppen Platz für insgesamt 36 Kinder ab drei Jahren, um gemeinsam Wald und Natur mit allen Sinnen zu erleben.

WALDKINDERGARTEN ÜLLEHÜTT, GERRESHEIM

Das Üllehütt, Düsseldorfer Platt für „Eulennest“, in Gerresheim blickt auf ein bewegtes erstes Kindergartenjahr zurück. 20 Kinder haben in dem bedürfnisorientierten Naturkindergarten Platz gefunden. Als Anlaufstelle, Materiallager und Unterschlupf dient der große Bauwagen mit den grünen Fensterläden, der am Fuße der Gerresheimer Höhen direkt am Wald steht. Die meiste Zeit verbringen die Kinder aber natürlich draußen an der frischen Luft. Denn „den Wald zu erkunden ist ein Grundbedürfnis für Kinder“, wie Katja Weyer, eine der Mitbegründerinnen der Elterninitiative, sagt.

WALDKOBOLDE, DÜSSELDORFER SÜDEN E. V.

Im äußersten Süden Düsseldorfs, zwischen Benrath, Urdenbach, Garath und Hilden, toben die „Waldkobolde“ bei Wind und Wetter durch die Natur. Auch ohne konventionelles Spielzeug wird es den insgesamt 18 Kinder des eingruppigen Kindergartens nie langweilig, gibt es im Wald doch jede Menge zu entdecken. Nur bei extremen Witterungsbedingungen machen es sich die Kinder mit ihren vier Erzieher:innen im Bauwagen gemütlich.

WALDSPIELGRUPPEN

Ob Naturzwerge, Gummistiefelbande oder Waldforscher – wer sich lieber in Gemeinschaft und mit etwas Anleitung auf den Weg in den Wald machen möchte, findet in Düsseldorf zahlreiche Angebote von Waldspielgruppen. „Ich finde es wichtig, dass die Kinder überhaupt rausgehen, das wird leider zunehmend weniger“, meint Katharina Phlipsen, Eltern-Kind-Gruppen-Leiterin beim SOS-Kinderdorf Düsseldorf. „Und dass sie sich auch einfach mal richtig dreckig machen dürfen. Schritt für Schritt lernen bei uns schon die Kleinsten die ersten Tiere und Pflanzen kennen.“ Auch die evangelische Familienbildung (efa) bietet verschiedene Angebot in den Düsseldorfer Wäldern und Parks für Kinder ab dem Laufalter und ihre Familien.

33. PUPPENSPIELWOCHE

Mi., 5. Oktober, 15 Uhr, 3,50 Euro, ab 4 Jahren Lille Kartofler: Rapunzel Do., 6. Oktober, 15 Uhr, 3,50 Euro, ab 5 Jahren Figurentheater Neumond: Dornröschen Fr., 7. Oktober, 15 Uhr, 3,50 Euro, ab 4 Jahren Theater con Cuore: Ritter Rost und das Sternenschiff Sa., 8. Oktober, 15 Uhr, 3,50 Euro, ab 5 Jahren Hohenloher Figurentheater: Aladin und die Wunderlampe So., 9. Oktober, 15 Uhr, 3,50 Euro, ab 6 Jahren Seifenblasen Theater: Der Sturm

So., 23. Oktober, 15 Uhr, Eintritt: 3,50/3 Euro, ab 3 Jahren Haste Töne: Wind & Wetter Live-Konzert

Einlass nur nach telefonischer Anmeldung.

Bürgerhaus Reisholz

Kappeler Straße 231, 40599 Düsseldorf Telefon 0211 746695

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Mit offenen Augen und Ohren

Waldpädagoge Frithjof Schnurbusch über das Lernen in der und über die Natur

Libelle: Herr Schnurbusch, warum profitieren Kinder davon, in den Wald zu gehen? Frithjof Schnurbusch: Es gibt den einen großen Irrtum in der Erziehung: Dass man denkt, A plus B ergibt C. Also nach dem Motto: „Wenn du viel in den Wald gehst, dann wirst du so und so.“ Ganz so einfach ist es nicht. Ich denke, die Frage lautet eher: Was bietet der Wald als Erfahrungs- und Lernraum? Die Leute gehen häufig lieber auf den Spielplatz am Wald als wirklich in den Wald. Klar, da ist alles vorgegeben, da weiß man, was man machen soll. Im Wald dagegen wird ein kreativer Prozess in Gang gesetzt. Da kann man rennen und springen, weich fallen, balancieren, Hindernissen ausweichen, sich verstecken. Da liegt überall Baumaterial herum. Da wachsen duftende Kräuter, da gibt es die unterschiedlichsten Geräusche. Im Wald werden alle Sinne angeregt.

Was kann ich denn nun ganz konkret machen, wenn ich mit meinen Kindern in den Wald gehe. Da setze ich mich hin und sage, so, nun spielt mal schön? Ich fürchte, rausgehen allein reicht nicht. Kinder kennen den Wald als Spielort nur selten, daher müssen wir als Eltern die Impulse geben. Es geht darum, mit offenen Augen und Ohren in den Wald zu gehen und zu verstehen, was da ist. Und warum. Der Wald ist ein komplexes System, in dem alles miteinander verzahnt ist. Wir sollten den Wald mit unseren Kindern erleben und erklären. Der Wald ist noch weit mehr als ein Spielort – er sollte Teil unseres Lebensraumes sein. Noch einmal, es geht darum, mit offenen Sinnen durch den Wald zu gehen. Dinge zu berühren. Zu beobachten. Warum sitzt der Eichenprozessionsspinner eher auf Eichen, aber nicht so oft auf Buchen? Warum ist die Buche kälter als die Eiche? Warum wächst an manchen Stellen Moos, an anderen nicht? Sich immer zu fragen: „Wozu und für wen ist das gut?“

Nun hat aber nicht jeder dieses Wissen. Finden Sie, dass man sich auf so einen Waldbesuch vorbereiten sollte als Eltern? Ja, das kann man durchaus machen. Wir leben in dieser Welt und sollten sie auch verstehen. Das ist ein Stück weit unsere Pflicht, finde ich. Genauso, wie wir uns Medienkompetenzen aneignen und unseren Kindern vermitteln, brauchen wir auch Naturkompetenzen. Wichtig und für die Kinder spannend ist es, Zusammenhänge zu verstehen. Kinder spielen, um die Welt zu begreifen, sie zu dekodieren. Der Wald ist ein Lebensraum von Tieren. Ein Lebensraum besteht aus Futter, Wasser und einem warmen Platz, wo man sich verstecken und ruhen kann. Ich lasse die Kinder beispielsweise unterschiedliche Waldtiere spielen und sie sollen sich dann ein Versteck suchen. Meist finden sie intuitiv die richtigen Stellen. Das liegt daran, dass Systeme eine gewisse Logik haben, die tief in uns verankert ist. Werden Sie mit den Kindern aktiv. Geben Sie den ersten Anstoß und lassen sich überraschen, was dann passiert. Man kann so viel machen. Eicheln sammeln und einpflanzen. Schnitzen. Etwas bauen. Und wenn man dann mit den Kindern ein Tipi gebaut hat aus Ästen und Laub, dann hat man direkt etwas für das ganze System getan. An der Stelle bleibt der Boden feucht. Insekten, Eidechsen und Vögel finden Unterschlupf. Der Kot der Tiere wiederum sorgt dafür, dass neue Pflanzen wachsen. Schon den Jüngsten kann man so extrem viel vermitteln und eine Verbundenheit zu unserer Mitwelt schaffen.

Haben Sie Tipps, welche Wälder in und um Düsseldorf besonders schön sind für Kinder? Wir haben hier in Düsseldorf tatsächlich einen tollen Wald, der vorrangig Erholungs- und nicht Wirtschaftswald ist. Für Kinder finde ich den Aaper und den Grafenberger Wald besonders attraktiv. Weil man in diese Wälder gut tiefer rein kann und die hügelige Landschaft vielfältige Möglichkeiten bietet. Letzen Endes ist es aber immer da am spannendsten, wo man lebt. Man muss nicht immer unbedingt in den Wald fahren. Auch der Park oder der Garten nebenan ist ein Lebensraum, den es zu erkunden lohnt.

Das Gespräch führte Susanne Werding

Fotos: Susanne Werding Illustrationen: Nursery Art – AdobeStock

ZUR PERSON

Frithjof Schnurbusch, studierter Sozialpädagoge und Falkner, führt das rheinische Waldpädagogium in der zweiten Generation. Der 43-Jährige bietet hier einen Mix aus Ökologie, Wald- und Erlebnispädagogik – für Kita-Kinder genauso wie für Lehrer oder Manager. wald-paedagogik.de