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36 – financenet

Freitag, 4. April 2014

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Türkei-Wahlen Der klare Sieg der Erdogan-Partei AKP bei den Kommunalwahlen pusht Währung und Börse

kolumne

Frühling am Bosporus?

Zahnloser Mist aus Brüssel

Einige Experten sehen Wahlergebnis als Signal für politische Stabilität, andere bleiben skeptisch. Wien. Fast hätte die Sturheit des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan die perfekt geschmierte Wahlkampfmaschine aus dem Gleis geworfen: Obwohl ihm seine Berater wegen der bereits ziemlich angeschlagenen Stimmbänder von einer Rede in der Stadt Van abgeraten hatten, zog er diese trotzdem durch. Die Folge: Im Lauf der Rede überschlug sich die Stimme Erdogans und klang, als sei der Wahlkämpfer unter Helium-Einfluss. Obwohl der Premier seine Zuhörer bereits zu Beginn der Veranstaltung davor gewarnt hatte, wurde der Auftritt zur Lachnummer.

reinhard krémer

G

ar groß war das Ge­ schrei der Politiker anno 2009, als sich heraus­ stellte, dass stinknormale Geschäftsbanken, teilweise zu Spielbanken mutiert, drauf und dran waren, das ganze Finanzgefüge nachhaltig zu zerstören. Eilig wurde in -zig Konferenzen geschworen, Derartiges nie, nie wieder zu­ zulassen und entsprechende Regulative zu schaffen, die das Armageddon verhindern sollten. Mittels der sogenannten Trennbanken-Regulative sollte der normale Geschäftsbetrieb vom Investment-Teil getrennt werden, damit, sollten sich die Investmentbanker verzockt ha­ ben, dies ohne Folgen für den Steuerzahler bliebe. Vor wenigen Wochen kam nun ein schlaffer Vorschlag der EU-Kommission auf den Tisch. Das Regulativ soll nur für 29 Großbanken gelten. Es sieht vor: Verbot von Eigenhandel der Banken im engsten Sinne, Prüfung weiterer Handelsak­ tivitäten mit der Option für die Regu­lierungs­behörden, diese in Tochtergesellschaften ausgliedern zu lassen sowie erhöhte Berichtspflichten für Geschäftsverbindungen mit Schattenbanken. Staaten, die bereits ein „gleichwertiges” Trennbankengesetz beschlos­ sen haben, sind generell aus­ genommen – also Großbritan­ nien, Frankreich und Deutsch­ land. „Zahnlos” ist für diesen Mist ein Hilfsausdruck ...

Trügerisches Wahlergebnis?

Doch auch dieser Zwischenfall, der Erdogan den Spitznamen „Zornige Micky-Maus“einbrachte, verhinderte nicht den triumphalen Sieg der AKP bei den türkischen Kommunalwahlen wenige Tage später. Insgesamt 45,5% – ein Plus von sechs Prozent – hat die AKP landesweit erreicht; sogar die liberalen Hochburgen Ankara und Istanbul blieben in der Hand der religiös-konservativen AKP. Die größte Oppositionspartei CHP erreichte gerade rund 28%.

Warmer Frühlingsregen ... Und allen Unkenrufen zum Trotz entpuppte sich der Sieg Erdogans, den man diverser Skandale in Politik und Wirtschaft bezichtigte, zum warmen Frühjahrsregen für die Märkte: Die Kurse an der Istanbuler Börse und die niedergeprügelte türkische Lira erholten sich umgehend. Der Leitindex der Istanbuler Börse, kurz ISE, zog am Montag um bis zu zwei Prozent auf 70.464 Punkte an; im Laufe der Woche gab es weitere kleine Zuwächse. Insgesamt wurde der höchste Stand seit dreieinhalb Monaten erreicht. Der Sieg Erdogans war offenbar von Finanzkreisen antizipiert worden,

© APA/EPA/Tolga Bozoglu

Die „Zornige Micky-Maus“

VIG Zuwachs in Ukraine

Kommunalwahlen-Triumph der AKP von Premier Erdogan: Finanzmärkte blühen auf.

denn bereits in den letzten Tagen vor der Wahl hatten Anleger offenbar in der Hoffnung auf einen AKP-Sieg und politische Kontinuität türkische Wertpapiere gekauft. Allein in den vergangenen zwei Wochen war der ISE um gut zehn Prozent gestiegen; auf zwölfMonats-Sicht liegt er aber noch immer im Minus.

... für Börse und Währung Auch die während des letzten Jahres schwer geprüfte Währung des Landes legte zu. Ein Dollar war mit 2,1478 Lira zeitweise so billig wie zuletzt Anfang Jänner. Zum Euro gab es allerdings nur eine marginale Verbesserung. Gleichzeitig fielen die Renditen türkischer Staatsanleihen. Zehnjährige Papiere rentierten nur

noch mit 10,1 Prozent; das ist ein deutlicher Abschlag zum Stand vor wenigen Wochen, als die türkische Nationalbank die Zinsen für die Zehnjährigen wegen des hohen Kapitalabflusses auf zwölf Prozent anheben musste.

Analysten sind uneinig Analysten sind sich jedenfalls über die Auswirkungen der Wahl nicht einig: Die Anleger seien nicht an erhöhter politischer Unsicherheit und Instabilität interessiert, kommentierte Benoit Anne von der Societe Generale die Reaktion der Devisenanleger. Das Ergebnis zeige, dass die AKP von der wirtschaftlichen Entwicklung der Türkei in den vergangenen Jahren profitiere, meinte auch Tim Ash, Analyst bei der Standard

Expertenrat Wechselkursschwankungen bei Geld-Anlagen aus dem Weg gehen

32 Prozent plus in der Leben

Gefahren beim Devisenhandel Genf/Luxemburg/Wien. Der Devisenhandel nimmt wieder an Fahrt auf und übt damit auch auf private Investoren wieder verstärkt Anziehungskraft aus. Diese sollten Wechselkursrisiken jedoch bei Anlagen möglichst ausschließen, rät der Anlage-Experte Thomas Freiberg. Der Portfoliomanager beim Schweizer Vermögensverwalter Genève Invest warnt vor übereilten Engagements: „Der De-

visenhandel bleibt der größte Finanzmarkt der Welt. Gerade angesichts sich auseinanderentwickelnder Volkswirtschaften fallen die Wechselkursschwankungen fortan wieder deutlich größer aus. Damit steigt das Gewinnpotenzial bei entsprechenden Investitionen in Währungen aber ebenso auch das Risiko.“ Händler am Devisenmarkt bewegen täglich ein Volumen von rund 3.600 Mrd. €. Privatanleger

© Franck Robichon/EPA/picturedesk.com

Wien/Kiew. Die Vienna Insurance Group (VIG) entwickelt sich in der Ukraine – unbeeinträchtigt von der aktuellen politischen Situation – äußerst positiv. Es gelingt den vier VIG-Konzerngesellschaften, die Chancen auf dem bevölkerungsreichsten CEE-Markt optimal zu nützen, meldet der Konzern. Die Kunden schätzen die Solidität, finanzielle Stabilität sowie Verlässlichkeit der lokalen Konzerngesellschaften der internationalen Vienna Insurance Group als Marktführer in CEE. Die VIG verzeichnet in der Ukraine ein zweistelliges Wachstum. Insgesamt stiegen in den ersten zwei Monaten des Jahres die Prämien auf Lokalwährungsbasis um 16,2% auf rd. 11,4 Mio. €. In der Nichtlebensversicherung konnte ein Anstieg um 15,5% verzeichnet werden. Mit einem Plus von 32% steigerte die VIG die Prämien in der Lebensversicherung noch deutlicher. (red/ag)

Bank. Schließlich hätten sich die Lebensverhältnisse, die Lage am Arbeits- und auch am Wohnungsmarkt unter Erdogan deutlich verbessert. Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann zeigte sich dagegen weniger optimistisch: Offenbar werde politische Stabilität am Devisenmarkt als wertvolles Gut angesehen.

Der Devisenhandel als größter Finanzmarkt bewegt täglich 3.600 Milliarden Euro.

sollten Anlagen in Fremdwährung grundsätzlich meiden, so Freiberg. Dies gilt auch bei Investitionen in Unternehmensanleihen, zumal sich derzeit eine Vielzahl an attraktiven Anleihen im Euro-Raum findet, mit denen Wechselkursrisiken von vornherein ausgeschlossen werden können, ist Freiberg überzeugt.

Währungsrisiko vermeiden Von Unternehmensanleihen in Emerging Markets sollte nach Ansicht des Anlageexperten daher – auch wenn es vielversprechende gibt – vor diesem Hintergrund vorerst abgesehen werden. Gerade Anleger, die in Euro rechnen, müssen sehen, dass sie bei Anlagen in Fremdwährung eben immer ein zusätzliches Währungsrisiko in die Investition einbringen, meint Thomas Freiberg. Im Vorjahr betrugen die Umsätze mit Anleihen aus den Emerging Markets weltweit insgesamt 4,03 Billionen €. Sie waren zuletzt durch Repatri-ierungen US-amerikanischen Vermögens unter Druck geraten. (ag/red)

Das Wahlergebnis könnte aber trügerisch sein – und damit auch die Stärke der Lira. „Ein neu erstarkter und in der Folge umso gnadenloserer Ministerpräsident könnte mittelfristig eher die Gefahr neuer innenpolitischer Konflikte heraufbeschwören, als ein geschwächter, auf Kompromisse angewiesener Regierungschef“, warnte Leuchtmann. Für Investoren bedeute der Sieg der AKP keinen gravierenden Handlungsbedarf, meint Emerging-Markets-Fondsmanager Gregor Holek von Raiffeisen Capital Management (RCM) im Gespräch mit fondscheck.de. Das wirtschaftliche Umfeld der Türkei habe sich seit Jahresbeginn naturgemäß nicht – analog zum Aktienmarkt – radikal verbessert. Das Wirtschaftswachstum bleibe mit nur zwei Prozent schwach und müsse möglicherweise weiter nach unten revidiert werden. Der Türkischen Notenbank werde weiterhin eine wichtige Funktion bei der Stützung der schwachen Währung zukommen, und auch die hohe Inflation bleibe ein brisantes Thema, meint Holek. Auf Jahressicht dürfte im Lichte der erwarteten politischen Stabilisierung auch die Währung befestigen. Die Wirtschaft könnte daher im zweiten Halbjahr 2014 anziehen und eine nachhaltige Trendumkehr auf dem türkischen Kapitalmarkt herbeiführen, ist der RCM-Fondsmanager überzeugt. (rk/APA)

WKO Finanzdienstleister

Kunden wählen beste Berater Wien. Berufsangehörige der Gewerblichen Vermögensberatung haben seit Herbst vergangenen Jahres die Möglichkeit, sich freiwillig den Standes- und Ausübungsregeln für die Gewerbliche Vermögensberatung und die Wertpapiervermittler zu verpflichten. Ab sofort sind nun die Kunden dieses qualitätsorientierten Kreises von Finanzdienstleistern in ganz Österreich eingeladen, die besten Finanzberater zu ermitteln. „Das Gütesiegel des Fachverbands Finanzdienstleister ist das sichtbare Zeichen der Verpflichtung zur Einhaltung der Standes- und Ausübungsregeln. Wir hoffen auf zahlreiche Teilnahme bei der Publikumswahl und einen fairen Wettbewerb“, lädt FachverbandsObmann Wolfgang K. Göltl zum Mitmachen ein. Die teilnehmenden Finanzberater erhalten je 20 Bewertungsbögen, die sie an ihre Kunden weitergeben können. Diese werden dann per Fax oder Post an den Fachverband Finanzdienstleister in der WKO retourniert. (red)


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