Gudrun Dangl, von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern liebevoll »Queen Mum« genannt, hat von ihrem Charisma in den Jahren nichts verloren; unter ihrer verlegerischen Leitung wuchs der Werbe-Spiegel-Verlag von vormals 15 Mitarbeitern auf über 80 – die wöchentliche Auflage von damals 120.000 auf zweimal 200.000 pro Woche. Sie ist eine Geschäftsfrau und Verlegerin mit beeindruckender Schaffenskraft und Leidenschaft, die ab und an bei ihren »jungen Wilden« wegen eines Tags Urlaub nachfragt.
Eine außergewöhnliche »Familien«-Geschichte
Zeiten ändern sich – Bewährtes bleibt W
ie sehr sich die Zeiten tatsächlich verändert haben, mag eine kleine Anekdote verdeutlichen, die die jetzige Verlegerin des Werbe-Spiegels, Gudrun Dangl, gerne erzählt. Als sie 1956 ihren Führerschein gemacht hat, waren unter den Fahrschülern in ihrem Kurs nur zwei Frauen. Und als dann der große Tag kam, und sie ihre Fahrkünste unter Beweis stellen sollte, meinte der Prüfer zu ihr: »Sie bekommen den Schein. Aber Sie müssen zumindest einmal in den dritten Gang hoch schalten.« Aus Gudrun Dangl ist trotzdem oder vielleicht gerade deshalb eine spritzige Autofahrerin geworden. »Learning by doing« war damals das Schlagwort, obwohl man von Anglizismen noch weit entfernt war.
Adi & Dieter Die Geschichte des Verlags wurde durch zwei Familien geprägt: die Familie Ullrich und die Familie Dangl, verbunden durch eine Kinder- und Jugendfreundschaft von Dieter Ullrich und Adi Dangl. Nach seiner Heirat Anfang der 60er-Jahre stieg Dieter Ullrich in den 1950 gegründeten Verlag seines Schwiegervaters, den Werbe-Spiegel, ein und sorgte mit unternehmerischer Weitsicht für ein Erblühen des Unternehmens. Adi Dangl hatte derweil Koch beim Spöckmeier gelernt und begann nun gemeinsam mit seiner jungen Frau Gudrun Dangl eine Großküche aufzubauen. Gemeinsam schaffte es das Ehepaar einen erfolgreichen Betrieb auf den Weg zu bringen und drei Kinder großzuziehen. Auch wenn die Lebenswege der beiden Jugendfreunde durch diese unterschiedlichen Lebensplanungen erst einmal auseinander drifteten, so blieb der private Kontakt erhalten. Dieter Ullrichs Töchter waren oft im Hause der Dangls anzutreffen.
Die Entwicklung unter Dieter Ullrich Der Werbe-Spiegel hatte sich zum größten Anzeigenblatt im Münchner Westen gemausert. 1973 führte der Erfolg dazu, dass zwei Ausgaben produziert wurden. Eine versorgte den Großraum Pasing, die andere den Großraum Laim. Und natürlich versuchten viele Leser über die
Adi Dangl und Dieter Ullrich, immer mal wieder gemeinsam im Urlaub, privat sehr, sehr eng verbunden.
Kleinanzeigen im Werbe-Spiegel eine günstige Wohnung zu ergattern. In den Jahren des großen Wohnungsmangels in München bildeten sich regelmäßig vor Erscheinen des Blattes lange Warteschlangen vor dem Verlagsgebäude in der Fürstenrieder Straße.
Unternehmerische Herausforderungen Eine der großen verlegerischen Herausforderungen für Dieter Ullrich war Ende der 70er-Jahre die Umstellung vom Blei- zum Fotosatz. Vor allem auch dank des Setzereileiters Manfred Klunk, der viele Jahre lang im ersten Stock der Fürstenrieder Straße 5 dafür sorgte, dass die Zeitungen pünktlich in Druck gehen konnten, wurde diese bahnbrechende Neuerung relativ reibungslos umgesetzt. Redaktionell begann sich der WerbeSpiegel ebenfalls in diesen Jahren zu entwickeln und damit seine Funktion auszuweiten. Mit Helmar Klier als erstem Chefredakteur bekamen die Leser nun politische, soziale, kulturelle und sportliche Informationen geboten. Am 27. Juli 1991 traf ein tiefer Einschnitt und eine menschliche Tragödie die Mitarbeiter des Werbe-Spiegels: Verleger Dieter Ullrich kam mit seiner Frau Rosita und seiner jüngeren Tochter Edith bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Der weltoffene Mann war ein leidenschaftlicher
Hobbypilot und hatte selbst am Steuer der kleinen Maschine gesessen. Zurück blieb seine ältere Tochter Sonja Ullrich und ein Betrieb, der von einem Tag auf den anderen ohne Verleger war.
Die Zeit nach Dieter Ullrich Unmenschlich schnell wurden Begehrlichkeiten anderer Verlage wach. So setzten sich unmittelbar nach der Tragödie die beiden sog. seriösen Münchner Tageszeitungen mit der damals 18jährigen Gymnasiastin in Verbindung, um aus dem Drama maximales Kapital zu schlagen. Genau in dieser Situation und aus diesem Grund entschloss sich Adi Dangl, der sich nach einem erfolgreichen Berufsleben bereits ins Privatleben zurückgezogen hatte, das Vakuum zu füllen, als Geschäftsführer in den Verlag einzutreten und Dieter Ullrichs Tochter Sonja das Unternehmen zu erhalten, zusammen mit Michael Simon, der schon zuvor bei Dieter Ullrich das »Anzeigenblatt-Handwerk« gelernt hatte. Adi Dangl und Michael Simon – als »der Koch und der Student« wurden die zwei in der Branche bezeichnet – initiierten 1993 den ersten Dieter-Ullrich-Musikförderpreis, in Gedenken an den verstorbenen Freund und Mentor, der ein großer Musikliebhaber gewesen war.
Werner Dangl an Bord Gemeinsam mit Dangl senior zog auch die junge Generation in das Unternehmen ein. Sohn Werner Dangl (rechts ein Foto aus früheren Jahren), der sich nach einer kaufmännischen Ausbildung auf EDV spezialisiert und ein kleines EDV-Unternehmen etabliert hatte, stieg auf ausdrücklichen Wunsch seines Vaters 1992 ins Unternehmen ein, unternahm die längst überfällige Umstellung des Verlags vom »Karteikarten-Betrieb hin zu einem modernen EDV-gestützten Betrieb, mit selbst entwickelter Software. Diese Software wurde auch an andere Verlage verkauft – ein Quantensprung für den Werbe-Spiegel. Unter seiner Führung wurde in der Setzerei/Druckvorstufe der Übergang vom Fotosatz ins AppleZeitalter vollzogen und moderne Vertriebsprogramme entwickelt. Mit dem plötzlichen Tod Adi Dangls am 27. Februar 1994 ging erneut eine Ära
in der Historie des Werbe-Spiegels zu Ende. Nun oblag es seiner Witwe Gudrun Dangl, die Geschicke des Werbe-Spiegel-Verlags als Geschäftsführerin und Verlegerin zu lenken. Unterstützt wurde sie dabei von den »jungen Wilden«, Roland Binder, Werner Dangl, Michael Simon.
Mit Roland Binder explodiert der Kessel Mit Roland Binder war eine neue Turbine im Verlag angekommen, mit der ein höherer Gang eingelegt werden konnte. Auch Projekte mit anderen Verlegern im Verbund der Münchner Wochenanzeiger wurden auf den Weg gebracht, sei es das Ausbildungsmagazin »1-2-job« oder das Seniorenmagazin »inform«, ein Zustellermagazin sowie ein Hausmeister-Magazin, das den Vertrieb im Dialog mit dieser wichtigen Klientel unterstützt. Letzter Spross dieser gemeinsamen Ansätze ist die Internetfirma Wochenanzeiger München Marketing & Publishing GmbH, die auch das Redaktionssystem auf die Zukunft und damit den Anspruch stets auch online präsent zu sein, ausgerichtet hat. Werner Dangl jedenfalls, der als Bub immer erklärt hatte, dass er mit 45 Jahren mit dem Arbeiten aufhören wolle, weiß mit über 50 Jahren inzwischen, dass er wohl nochmal 45 Jahre im Verlag vollmachen muss. Schließlich ist der Werbe-Spiegel eine Lebensaufgabe, an der die ganze Familie mitarbeitet. So auch seine Frau Sabine Dangl, die als Informatikerin ihren Mann bestens ergänzt. Auch wenn nun seine Lebensplanung doch etwas anders ausschaut, gilt er als der ruhende Pol im Triumvirat. Seine Mutter Gudrun Dangl ist und bleibt die Queen Mum des Verlags. Nie hat sie sich gescheut, Neues zu lernen und mit der Zeit zu gehen. Und so ist das, was den WerbeSpiegel-Verlag in all den Jahren seines Bestehens ausgezeichnet hat, immer noch gültig: Nur wer Veränderung akzeptiert und aus neuen Gegebenheiten das Beste macht, nur wer immer wieder bereit ist, sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen, kann erfolgreich bestehen. ☐