Saisonbroschüre des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn 2021/2022 - Teil 1

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KO N Z E R T S A I S O N 2 1 / 2 2



Saison 21/22 Grußworte zur Saison

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Was nun …?

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Biografie Chefdirigent Case Scaglione

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Biografie Württembergisches Kammerorchester Heilbronn

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Übersicht Abonnementkonzerte

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Abonnementkonzerte

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WKO im Gespräch – Hoffnung und Veränderung

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Das WKO für Zuhause – CDs

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Ein Blick in die Ewigkeit – Interview mit Case Scaglione

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Drei Fragen an – »Artist-in-Association« Emmanuel Tjeknavorian 44 Sehnlichste Wünsche – »WKO-Young-Artist« Friedrich Thiele

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Impressum

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Grußwort der Stadt Heilbronn Hatte ich in meinem Vorwort in der vergangenen Saison gehofft, dass die konzertlose Zeit bereits hinter uns läge, so wurde ich im Verlauf des letz­ ten Jahres eines anderen belehrt. Kulturschaf­ fen­d e blicken auf eine schwere Zeit für ihr Metier zurück und weiterhin unsicher in die Zukunft. Ich persön­lich freue mich sehr darüber, dass unser Kammer­orchester, das den Namen unserer Stadt schwerlich wie sonst in die Welt hinaustragen konnte, Wege gefunden hat, sich durch die Musik mit seinem Publikum zu verbinden. Ich denke an die Serie »WKO@Home«, in der uns die Musiker*innen digital persönliche Grüße aus ihrem Privatleben geschickt haben, an die digitalen Geburtstagsfeierlichkeiten zum 60-jährigen Bestehen, an die vielen Briefe und die persönlichen Ostergrüße an die treuen Abonennt*innen, an eine große Zahl hochwertiger CD-Einspielungen, auf die wir uns freuen dürfen und vieles mehr. Betrachte ich die Ideen und Projekte von Rainer Neumann, den ich vor einem Jahr als neuen Intendanten des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn begrüßen durfte, und Case Scaglione, welcher just seine Vertragsverlänge-

rung unterzeichnet hat, so freue ich mich besonders über die Fortsetzung und Erweiterung der Vernetzung unserer Heilbronner Kultur­ institutionen. Neue Konzert-Konzepte führen uns an neue Konzertorte innerhalb der Stadt. Im Rahmen des städtischen Musikfestivals »Klassik Open Air Heilbronn« finden Austausch-Konzerte mit dem Orchester SOBS unserer Partnerstadt Solothurn statt. In der Aufarbeitung der NSUVerbrechen beteiligt sich das WKO mit einem Abschlusskonzert am Programm des Theaters Heilbronn im Rahmen des bundesweiten Theaterprojekts »Kein Schlussstrich!« So viele von Ihnen haben das Orchester finanziell unterstützt, indem Sie Ihre Eintrittskarten gespendet haben – ein großartiges soziales Zeichen, das mir beweist, welch wichtige Rolle die Kultur und insbesondere die Musik für uns alle spielt. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit diesem Zusammenhalt gestärkt aus der Krise hervorgehen werden. Seien Sie gemeinsam mit mir gespannt auf eine vielversprechende und multikulturelle WKO-Saison.

Harry Mergel Oberbürgermeister Stadt Heilbronn

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Grußwort des Stiftungsratsvorsitzenden Mit großer Freude möchte ich zu Beginn dieser neuen Saison des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn ein paar Worte an Sie, liebes Publikum, richten. Im Juli 2020 habe ich den Vorsitz des WKO-Stiftungsrates übernommen. Schon damals war das Orchesterleben durch die Pandemie geprägt. Wie lange die nahezu konzertfreie Zeit dauern würde, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar. Tief beeindruckt bin ich deshalb von der Kraft, dem enormen Gestaltungswillen und der Liebe zur Musik, mit der im WKO weitergearbeitet wurde. Mit Kreativität entstanden neue Formate, vieles verlagerte sich ins Internet, die Zahl der eingespielten Werke nahm stetig zu. Der Ideenreichtum und die Umsetzungsstärke der Musiker*innen und des Management-Teams sind außergewöhnlich. Das WKO hat auch in anspruchsvollster Zeit hohe Flexibilität und große Gestaltungskraft bewiesen.

»Was nun …?« steht als Leitfaden über allem Handeln und Musizieren in der Saison 2021/22, von den Konzeptionsgedanken bis zu den Konzert­ abenden in der Heilbronner Harmonie. Die neue Saison ist geprägt von Miteinander und Füreinander, nimmt Bezug auf das aktuelle Geschehen und stellt Fragen nach der Zukunft. Ich freue mich auf zehn Mietekonzerte mit inspirierenden Programmen, auf neue Formate wie »Heilbronn Salon«, auf junge Talente und gute Bekannte. Uns allen wünsche ich, dass wir nach einer langen Zeit der Distanz wieder gemeinsam die verbindende Kraft der Musik unseres großartigen Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn erleben können. Mit herzlichen Grüßen Ihr

Prof. Dr. Tomás Bayón Vorsitzender des Stiftungsrats

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Was nun …? Liebes Publikum, als ich mich Ihnen vorherige Spielzeit an dieser Stelle als neuer Intendant vorstellen durfte, standen wir ganz am Anfang eines Ereignisses namens Pandemie. Keiner, ausgenommen viel­ leicht eine Handvoll Virologen, hatte damals eine Vorahnung, in welchem Ausmaß ein kleines Virus unseren Alltag umkrempeln würde. Woche für Woche fragten wir uns, wann der Albtraum endlich endet. Beim Schreiben dieser Zeilen scheint es tatsächlich so weit zu sein: Die vorerst letzte Welle ist gebrochen, die voranschreitende Impfkampagne sorgt für flächen­ deckenden Optimismus, Öffnungsszenarien bestimmen die Debatten. Aber die zentrale Frage, die nach der Rückkehr zur Normalität, dürfte uns wohl noch länger be­ schäftigen. Wie nachhaltig hat das Virus unsere (Lebens-)Einstellungen, das gesellschaftliche Miteinander verändert? Wie tiefgreifend haben die Monate der Pandemie unser Verhältnis zur (Musik-)Kultur beeinflusst? Ungewissheit allerorten. Und so lag es für uns gleichsam auf der Hand, daran anknüpfend unser diesjähriges Saisonmotto zu formulieren: »Was nun …?« Eine erste Antwort halten Sie in den Händen: unsere Spielzeit-Box. Als flexible Alternative zum gewohnten Spielzeitheft können wir damit dem stark verkürzten und im Detail noch immer unsicheren Planungsprozess Rechnung tragen. Nach und nach werden wir Ihnen einzelne Broschüren nachliefern, die die Box gerne für Sie aufnimmt und Sie somit immer auf dem aktuellen Stand hält.

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Chefdirigent Case Scaglione und Rainer Neumann

Was nun … was bleibt? Natürlich die KonzertReihen in Heilbronn und Ulm! Das künstlerische Überleben während der Pandemie-Schließzeiten sicherte uns eine Serie von CD-Produktionen, teils gepaart mit Video- und Rundfunkaufnahmen. Werke von J. S. Bach, Frommel, Seiber, Bottesini, Stamitz, Dittersdorf, Piazzolla, Kapustin, Schönberg und Beethoven lagen auf den Pulten – ein Mix aus Raritäten, Neuentdeckungen und Altbekanntem. Eine illustre Riege von Solist*innen gab sich ein Stelldichein. Zwei von Ihnen, die aus­ tralische Flötistin Ana de la Vega und den jungen Wiener Kontrabass-Virtuosen Dominik Wagner, können Sie in unseren Abonnement-Konzerten erleben. Ein künstlerisches Highlight ist die Zusammenarbeit mit unserem »Artist-in-Association« Emmanuel Tjeknavorian. In der neuen Saison stellt er sich Ihnen gleich in doppelter Funktion vor: als Violinsolist und als Dirigent. Seien Sie gespannt!


Und natürlich bleibt es auch bei unseren überregionalen Gastspielen. So stehen u. a. Konzerte an beim Mozartfest Würzburg, beim tschechischen Festival »Mährischer Herbst« in Brünn, in der belgischen Metropole Antwerpen sowie in der Essener Philharmonie.

westliche Exil. Für Case Scaglione zählt Ligeti zu seinen prägendsten Komponisten überhaupt – Anlass genug für uns, in den nächsten beiden Spielzeiten drei seiner Solokonzerte, einzigartig in ihrer Komplexität und Klangsprache, in den Fokus zu nehmen (Interview auf Seite 43).

Was nun … was kommt? Erstmals präsentieren wir Ihnen einen »WKO Young Artist«. Damit wollen wir der Tradition des WKO, herausragende junge Solist*innen zu fördern, einen neuen Akzent verleihen. Den Auftakt macht der aus Dresden stammende Cellist Friedrich Thiele. In den nächs­ten zwei Spielzeiten haben Sie Gelegenheit, ihn näher kennenzulernen! (Seite 45)

Was nun … auch das: Nicht zuletzt wollten wir auch etwas darüber erfahren, wie Sie diese ungewöhnlichen Zeitläufte erleben. In einer kleinen Interview-Reihe lassen wir Begleiter* innen des WKO zu Wort kommen, ergänzt durch Statements unserer Musiker*innen.

Was nun … was jetzt? Werden wir gerade Zeuge einer grundlegenden gesellschaftlichen Zäsur? Dafür spricht einiges. Zeit für Veränderung, Zeit für neue Perspektiven – eine von uns heißt: »Heilbronn Salon«. Dieser Begriff wird Ihnen zukünftig häufiger begegnen. Er fasst alles an speziellen Konzert-Formaten und -Events zusammen, die Ihnen das WKO in der Region anbietet. Stellvertretend seien dafür zwei neue Formate genannt: Zum einen heben wir einen Poetry Slam mit Kammerorchester aus der Tau­ fe, zum zweiten starten wir die »Soundbox«, unser neues Club-Format, bei dem klassische Kammermusik in unkonventioneller Atmosphäre erklingt. Lassen Sie sich überraschen! Bestandteil des »Heilbronn Salons« sind im Übrigen auch die kurz vor Corona-Beginn ins Leben g­e­rufenen Lunch-Konzerte – hier steht ein Neu­start an!

Was nun …? So viel ist sicher: Das WKO geht in seine 61. Spielzeit mit vielen Ideen und geballter künstlerischer Energie. Ob alles so kommt wie gedacht? Wer weiß es? So fühlt sich unsere Vorfreude auf die neue Saison denn auch anders an als die Jahre zuvor. Aber Gewissheit und sicheres Kalkül war nie Sache der Kunst. Das macht sie ja so spannend für uns – und, davon sind wir überzeugt, auch für Sie! In diesem Sinne freuen wir uns auf etwas Ungewöhnliches: auf eine Spielzeit mit Publikum! Mit musikalischen Grüßen Ihr

Rainer Neumann Geschäftsführender Intendant

Stichwort Neustart: Die als existentiell empfundene Notwendigkeit sich neu auszurichten, ist ein uraltes Phänomen. György Ligeti, dessen 100. Geburtstag in 2023 ansteht, musste sich 1956 aus der geistig-politischen Bevormundung in seiner Heimat Ungarn befreien. Er ging ins

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Foto: Nikolaj Lund


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Chefdirigent Case Scaglione Der Amerikaner Case Scaglione ist seit der Saison 18/19 Chefdirigent des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn und seit der Saison 19/20 Musikdirektor des Orchestre national d‘Île de France. Zuvor war er als Associate Conductor der New Yorker Philharmoniker und Musikdirektor des Debütorchesters der Young Musicians Foundation of Los Angeles tätig. Als Dirigent ist Case Scaglione auf dem gesamten Globus gefragt. Zu seinen jüngsten und kommenden Erfolgen in Europa zählen Konzerte mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester, Royal Liverpool Philharmonic Orchestra, Bournemouth Symphony Orchestra, Scottish Chamber Orchestra, Castilla y León und RTVE Symphony Orchestra in Madrid, RTÉ National Symphony Orchestra, Philharmonischen Orchester von Luxemburg, Luzerner Sinfonieorchester, Flanders Symphony Orchestra, den Brüsseler Philharmonikern und der Philharmonie Stettin. Darüber hinaus wird Case Scaglione in der Saison 2021/2022 sein Operndebüt an der Opéra national de Paris mit Richard Strauss‘ »Elektra« feiern. In den USA arbeitete Case Scaglione mit den Philharmonikern von New York, Houston, Dallas, Detroit, Phoenix, San Diego und Baltimore. In Asien konzertierte er sowohl mit den Chinesischen Philharmonikern als auch dem Shanghai und Guangzhou Symphony Orchestra. Darüber hinaus dirigierte er das Hong Kong Philharmonic Orchestra.

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»Eine Explosion aus Leidenschaft und Harmonie« ResMusica, 2021

Regelmäßig tritt Case Scaglione mit namhaften Solist*innen wie Joshua Bell, Yulianna Avdeeva, Jean-Efflam Bavouzet, Behzod Abduraimov und Khatia Buniatishvili auf. Case Scaglione studierte bei David Zinman an der American Academy of Conducting in Aspen und erhielt 2011 den Dirigentenpreis der amerikanischen Solti Foundation. Er erwarb seinen Bachelor-Abschluss am Cleveland Institute of Music und seinen Master-Abschluss am Peabody Institute, wo er bei Gustav Meier studierte. Zu seinen Mentoren zählen international renommierte Dirigenten wie Alan Gilbert, Jaap van Zweden und David Zinman.


Württembergisches Kammerorchester Heilbronn Getragen von der Leidenschaft und Inspira­tion seiner Musiker*innen, steht der Name Württembergisches Kammerorchester Heilbronn (WKO) für einen energetischen Musizierstil und eine ausgeprägte Individualität des Orchesterklangs. Dies sind auch die Garanten für die internationale Erfolgsgeschichte des Orchesters. »Die Württemberger zählen zu den Spitzenensembles in Europa, und sie spielen fürwahr virtuos.« Frankfurter Neue Presse, 2018

Wesentlich prägt das WKO das Musikleben seiner Heimatregion. Eigene Abonnementreihen in Heilbronn und Ulm sowie regelmäßige Musiktheater-Produktionen mit dem Theater Heilbronn zeugen davon. Das Orchester präsentiert neben innovativen Konzertformaten das fan­ tasievolle Musikvermittlungsprogramm »InEar« für alle Altersstufen und eine eigene, von den Musiker*innen gestaltete, Kammermusikreihe. Zu besonderen Publikumsmagneten zählen Open-Air-Konzerte – in frischer Erinnerung sind noch die Auftritte bei der Heilbronner Bundesgarten­schau 2019.

Zuhörens. Letzteres ermöglicht auch Aufführungen, bei dem das Orchester entweder von Solist*innen oder vom Konzertmeisterpult aus geleitet wird. Als musikalischer Botschafter Heilbronns ist das WKO gern gesehener Gast auf wichtigen internationalen Podien und Festivals wie beispielsweise der Royal Albert Hall London, dem Concertgebouw Amsterdam, der Kölner Phil­ har­monie, der Elbphilharmonie Hamburg, dem Rhein­ gau Musik Festival oder Schleswig-Holstein Musik Festival. Regelmäßige TourneeAkti­vitäten runden das Tätigkeitsspektrum ab. Das WKO ist das Lebenswerk des Dirigenten Jörg Faerber. Er gründete das Ensemble 1960 und führte es zu internationalem Renommee. Auf Jörg Faerber und seine visionäre Arbeit folgte im Jahr 2002 der armenisch-stämmige Dirigent Ruben Gazarian. Wichtiges Merkmal seiner Amtszeit ist die konsequente Erweiterung des Repertoires bis ins 20. Jahrhundert. Seit der Spielzeit 2018/19 hat der junge amerikanische Dirigent Case Scaglione die Position des WKO-Chefdirigenten inne.

Das WKO ist ein auf höchstem Niveau musizierendes Kammerorchester. Hierzu gehören die Fähigkeit, orchestrale Klangpracht zu entfalten und die kammermusikalischen Tugenden des aufeinander Eingehens sowie gegenseitigen

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Violine I Zohar Lerner, Konzertmeister Dr. Nanna Koch, Stellvertretende Konzertmeisterin Marlise Riniker Jun Hee An Aleksandar Maletic Rebecca Boyer

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Violine II Konstanze Felber-Faur, Stimmführerin Stefan Schubert Gretchen Wallbrunn Frank Willekens Johannes Hehrmann

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Viola Irene Lachner, Solobratschistin Hans Georg Fischer Götz Engelhardt Stefan Maneth

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Violoncello Lia Chen Perlov, Solocellistin Georg Oyen Patrick Burkhardt Kontrabass Blake Thomson, Solokontrabassist Gayoung Lee

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Heilbronner Konzerte 21/22 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

1 Do 16.09.21 Strawinsky, Prokofjew u. a.

Mi 23.02.22 Richter, Mozart, Beck

Noah Bendix-Balgley Violine Zohar Lerner Violine Case Scaglione Leitung

Sophie Pacini Klavier Case Scaglione Leitung

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Mi 20.10.21 Haydn, Breinschmid, Mozart

Do 17.03.22 Haydn, Mozart, Arensky

Dominik Wagner Kontrabass Emmanuel Tjeknavorian Leitung

Ana de la Vega Flöte Ruben Gazarian Leitung

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Mi 24.11.21 Mozart, Ligeti, Beethoven

Mi 13.04.22 Schubert

Yeol Eum Son Klavier Case Scaglione Leitung

Sergey Malov Violine, Violoncello da Spalla & Leitung

4 Mi 15.12.21 Avison, Purcell, Locke u. a. Sophie Rennert Mezzosopran Bernhard Forck Violine & Leitung

5 Mi 26.01.22 Bach, Schnittke, Piazzolla, MacMillan Joanna MacGregor Klavier & Leitung

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9 Mi 18.05.22 Henze, Mendelssohn Bartholdy, Hindemith, Schumann E. Tjeknavorian Violine Case Scaglione Leitung

10 Mi 22.06.22 Ligeti, Haydn, Brahms Alisa Weilerstein Violoncello Case Scaglione Leitung


Ulmer Konzerte 21/22 Kornhaussaal, Kornhaus Ulm

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Do 21.10.21 Haydn, Breinschmid, Mozart

Di 22.02.22 Richter, Mozart, Beck

Dominik Wagner Kontrabass Emmanuel Tjeknavorian Leitung

Sophie Pacini Klavier Case Scaglione Leitung

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Do 16.12.21 Avison, Purcell, Locke u. a.

Fr 18.03.22 Haydn, Mozart, Arensky

Sophie Rennert Mezzosopran Bernhard Forck Violine & Leitung

Ana de la Vega Flöte Ruben Gazarian Leitung

5 Do 19.05.22 Henze, Mendelssohn Bartholdy, Hindemith, Schumann E. Tjeknavorian Violine Case Scaglione Leitung

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1 Heilbronner Konzert

Neue Einfachheit 1. Heilbronner Konzert Do 16.09.21 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

Igor Strawinsky Konzert für Kammerorchester Es-Dur »Dumbarton Oaks« Sergej Prokofjew Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 63 Alfred Schnittke Concerto grosso Nr. 3 für zwei Violinen und Kammerorchester Sergej Prokofjew Sinfonie Nr. 1 D-Dur op. 25 »Symphonie Classique« Noah Bendix-Balgley Violine Zohar Lerner Violine Case Scaglione Leitung

Klarheit und Einfachheit waren nach dem Ersten Weltkrieg prägende Schlagworte der Kunst- und Musikszene. Statt mit immer Neuem nach vorne zu preschen, besannen sich Künstler*innen auf die alten Meister aus Barock und Klassik – die Geburtsstunde des Neoklassizismus. Sergej Prokofjews »Symphonie Classique« verweist bereits mit ihrem Namen auf diese rückblickende Perspektive. Kreativ berauscht von dem Aufbruchsgeist der russischen Revolution entstand eine rasante und gewitzte Sinfonie, die Tänze und vergessene Formen mit spielerischer Eleganz verarbeitet und den Geist der Partituren Haydns und Mozarts atmet. 1935 wandte sich Prokofjew, jetzt mit einem gereiften Erfahrungsschatz, abermals dem Neoklassizismus zu: Sein zweites Violinkonzert hat Prokofjew als Beispiel einer »neuen Einfachheit« bezeichnet. Einfach ist dabei vor allem die formale Anlage, die technischen Anforderungen des Soloparts hingegen sind höchst anspruchsvoll. Prokofjews Lands­m ann Igor Strawinsky gilt als der wohl führende Protagonist des Neoklassizismus. Sein Orchesterkonzert »Dumbarton Oaks« hat Strawinsky als »kleines Konzert im Stil der Brandenburgischen Konzerte« beschrieben. Das Vorbild eines barocken Concerto grosso hat auch Alfred Schnittke inspiriert. Er komponierte zwischen 1977 und 1993 gleich sechs dieser Art. Hierbei verbindet er in ganz persönlicher Manier barocke und zeitgenössische Elemente. »Einer der talentiertesten und vollkommensten Instrumentalisten« The Violin Channel über Noah Bendix-Balgley

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Noah Bendix-Balgley 19


2 Heilbronner Konzert

1 Ulmer Konzert

Urwienerisch 2. Heilbronner Konzert Mi 20.10.21 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

1. Ulmer Konzert Do 21.10.21 Kornhaussaal, Kornhaus Ulm

Joseph Haydn Sinfonie Nr. 92 G-Dur Hob. I:92 »Oxford« Georg Breinschmid Konzert für Kontrabass und Streichorchester »Neujahrskonzert« Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 41 C-Dur KV 551 »Jupiter« Dominik Wagner Kontrabass Emmanuel Tjeknavorian Leitung

Lassen Sie sich in die Stadt der Walzer, Bälle und Kaffeehäuser entführen! W. A. Mozart und Joseph Haydn dürfen dabei natürlich nicht fehlen: Zählt Mozarts »Jupiter«-Sinfonie zu einem der erfolgreichsten Werke der Wiener Klassik überhaupt, ist Haydns Sinfonie Nr. 92 wohl dafür verantwortlich, dass ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford verliehen wurde – und der Sinfonie prompt der entsprechende Beiname. Mehr als zweihundert Jahre später hat Georg Breinschmid (*1973) ein Solokonzert für sein Instrument, den Kontrabass, geschrieben. Mit dem so genannten »Neujahrskonzert« komponierte Breinschmid, die moderne Verkörperung einer urwienerischen Künstlerpersönlichkeit, eine virtuos-brummende Hommage an seine Stadt. Mal parodistisch, mal melancholisch greift er die Charakteristika des Wiener Schmähs humorvoll auf und lässt die Zuhörer*innen auf Entdeckungsreise gehen: Berühmte Walzer, Polkas und Märsche sind in dem Konzert zuhauf versteckt. Denn »seit ich selbst Musik schreibe, fließen diese Elemente auch immer wieder und ganz selbstverständlich in mein Komponieren ein, wobei ich oft auch mei­n er Lust nachgegeben habe, allzu ‚schöne‘ Melodien und Themen mit ‚falschen‘ Tönen zu brechen«, schreibt der Komponist. Selbstredend stammt auch unser Solist aus Wien: Dominik Wagner, zugleich Widmungsträger von Breinschmids »Neujahrskonzert«. »Mit großer Virtuosität, musikalischer Reife und Einfühlungsvermögen konzertierte er mit dem Orchester.« Internationaler Instrumentalwettbewerb Markneukirchen zu Dominik Wagner

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Dominik Wagner 21


3 Heilbronner Konzert

Sehr persönlich 3. Heilbronner Konzert Mi 24.11.21 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klavier und Orchester Nr. 15 B-Dur KV 450 György Ligeti Konzert für Klavier und Orchester Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36 Yeol Eum Son Klavier Case Scaglione Leitung

Manifestiert sich in einer Komposition der persönliche Stil in exemplarischer Weise, so wird ihr gemeinhin der Rang eines Schlüsselwerkes zuerkannt. Ein solches markiert das Klavierkonzert von György Ligeti. Der Spross einer jüdischen, verfolgten Familie betitelte das Klavierkonzert als sein »ästhetisches Credo«: eine in der Freiheit entstandene, somit von äußeren und stilistischen Zwängen losgelöste Musik. Gemeinsam erkunden Soloinstrument und Orchester bis dato unbekannte klangliche und technische Territorien. Ein persönliches Werk anderer Art ist das 15. Klavierkonzert von W. A. Mozart. Er hat es sich selbst als Solist auf den Leib geschrieben. Zwei Jahrhunderte vor Ligeti komponiert, wird es als sein erstes »großes« Klavierkonzert be­ zeichnet. Pracht- und kunstvoll zugleich kommt es daher - wenig verwunderlich also, dass es Mozart für eine Aufführung 1783 im Hofburg­ theater im Beisein von Kaiser Joseph II. auswählte. Im Zeichen seines persönlichen Schick­ salsschlages, der beginnenden Taubheit, steht Beethovens 2. Sinfonie. Man mag die Zweite als tönendes Zeugnis innerer Kämpfe deuten. Eindeutig belegt ist die existenzielle Verzweiflung, die von dem 32-jährigen Beethoven Besitz ergriffen hatte: In seinem berühmten, an seine Brüder adressierten Heiligenstädter Testament, offenbart sich in jenen Tagen erstmals das gan­ ze, von der Krankheit hervorgerufene, Ausmaß an Einsamkeit und erlittenem Unverständnis. »Wunderbar, intensiv und grenzenlos virtuos« Freiburger Nachrichten über Yeol Eum Son

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Yeol Eum Son 23


4 Heilbronner Konzert

2 Ulmer Konzert

Liebesglück, Liebesqualen 4. Heilbronner Konzert Mi 15.12.21 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

2. Ulmer Konzert Do 16.12.21 Kornhaussaal, Kornhaus Ulm

Charles Avison Concerto grosso Nr. 3 d-Moll Henry Purcell Three parts upon a ground Suite aus »Dido und Aeneas« Matthew Locke Suite aus »The Tempest« Francesco Geminiani Concerto grosso op. 5 Nr. 12 d-Moll »La Follia« Georg Friedrich Händel Arien der Dejanira aus »Hercules« HWV 60 Sophie Rennert Mezzosopran Bernhard Forck Violine & Leitung

Komponisten von Weltruhm tummelten sich im 17. und 18. Jahrhundert in London und sorgten für eine musikalische Blüte sondergleichen. Befördert durch die reiche Theaterlandschaft der britischen Metropole, legen davon nicht zuletzt eine Vielzahl musikdramatischer Werke ein beredtes Zeugnis ab. Dem in London ebenfalls zahlreich versammelten Solistenpersonal boten sich damit vokale Partien, die höchste stimmliche und darstellerische Anforderungen verbanden. Zwei Paradebeispiele sind die Protagonistinnen Dido (aus Purcells »Dido und Aeneas«) sowie Dejanira (aus Händels »Hercules«) – beide von tragischen Liebesqualen gepeinigte Frauenfiguren. Purcells »Dido und Aeneas« spielt in Karthago nach Ende des Trojanischen Krieges. Der Held Aeneas trifft auf die schöne Königin Dido. Ihre aufkeimende Liebe währt jedoch nur kurz. Aeneas bricht auf, um ein neues Reich zu gründen. Die verlassene Dido kann ihre Befreiung nur noch im Tod finden. Dem Liebesglück der Heroine Dejanira aus Händels spätem Oratorium »Hercules« steht die zerstörerische Kraft ihrer Eifersucht im Wege. Diese führt erst zum Tode des Gatten und schließlich zum eigenen, vom Wahnsinn beförderten Ende. Glänzendes Beispiel aus jener Zeit für die rein instrumentale »Verrücktheit« ist das auf Arcangelo Corellis La-Follia-Variationen zurückgehende Concerto grosso von Francesco Geminiani, einem führenden Geigenvirtuosen und Lehrer von Charles Avison. »Ihr Mezzosopran klingt wunderbar feurig und farbenreich« Berner Zeitung über Sophie Rennert

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Bernhard Forck // Sophie Rennert 25


5 Heilbronner Konzert

Chamäleon 5. Heilbronner Konzert Mi 26.01.22 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

Johann Sebastian Bach Konzert für Cembalo und Streichorchester f-Moll BWV 1056 Alfred Schnittke Konzert für Klavier und Streicher Astor Piazzolla Drei Stücke (Michelangelo 70/Milonga del Ángel/Libertango) (arr. Joanna MacGregor) James MacMillan Concerto Nr. 2 für Klavier und Streichorchester Joanna MacGregor Klavier & Leitung

Schillernd und wandelbar wie ein Chamäleon, so lässt sich die Künstlerpersönlichkeit von Joanna MacGregor charakterisieren. Und - wenig verwunderlich - gilt dies auch für das von ihr minutiös konzipierte Konzertprogramm: Vom knappen Cembalo-Konzert Johann Sebastian Bachs geht es direkt hinüber zu einem der wichtigsten Protagonisten der Musik des 20. Jahrhunderts, zum deutsch-russischen Komponisten Alfred Schnittke. Zu seiner Klangsprache passt der Begriff Polystilistik. Zitate und Erinnerungen aus Barock, Klassik und Romantik, dazu Anleihen aus Unterhaltungsmusik und Jazz, ver­ schmelzen bei Schnittke zu einem ganz persönlichen Ausdruck. Perkussive Schläge sind ein weiteres auffälliges Stilelement. Diese finden sich auch in der Musik des argentinischen TangoKönigs Astor Piazzolla. Mit außergewöhnlicher kompositorischer Raffinesse hat Piazzolla die Tanzmusik seines Volkes in die Sphären der Kunstmusik empor gehoben, was auch auf den Schotten James MacMillan und sein Concerto Nr. 2 für Klavier und Streicher zutrifft. Ursprünglich als Ballett konzipiert, basiert die Musik auf heimatlichen Weisen aus dem 18. Jahrhundert. Dabei spannt sich der Stimmungsbogen von rus­ tikal und archaisch-brutal bis hin zu spielerischverträumt. »Eine der innovativsten Musiker*innen der Welt« San Francisco Classical Voice über Joanna MacGregor

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Joanna MacGregor 27


6 Heilbronner Konzert

3 Ulmer Konzert

Geniestreich 6. Heilbronner Konzert Mi 23.02.22 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

3. Ulmer Konzert Di 22.02.22 Kornhaussaal, Kornhaus Ulm

Franz Xaver Richter Adagio und Fuge g-Moll für Streicher Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klavier und Orchester Nr. 9 Es-Dur KV 271 »Jeunehomme« Franz Ignaz Beck Ouvertüre zur Opéra comique »L'isle déserte« Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 33 B-Dur KV 319 Sophie Pacini Klavier Case Scaglione Leitung

Das »Jeunehomme« oder auch »Jenamy«Konzert – geschrieben für die französische Pianistin Victoire Jenamy – ist ein wahrer Geniestreich des 20-jährigen Mozart. Komponiert noch in seiner Salzburger Zeit, verblüfft es durch einen neuartigen, weit übers Gefällige hinausgehenden Tonfall, durch seinen außergewöhnlichen Umfang und ebensolche pianistische Anforderungen. Alfred Brendel hat über dieses Wunderwerk an Originalität geäußert, es sei Mozarts »erstes großes Meisterwerk«. Ungeachtet ihrer Beschränkung auf eine kleine Besetzung entfaltet Mozarts Sinfonie Nr. 33 eine Fülle an Klangfarben und wirkt mit ihrem kammermusikalischen Gestus spielerisch und leicht. Über den zwei anderen Komponisten des Programms, beides Zeitgenossen Mozarts, liegt der Schatten des übermächtigen Großmeisters – wiewohl sie zu Lebzeiten größten Respekt bei Kollegen und Publikum genossen. Der fast fünfzig Jahre ältere Franz Xaver Richter zählte zu den prägenden Figuren der Mannheimer Schule. Seine Klang­ sprache ist noch deutlich im Barock verwurzelt. Franz Ignaz Beck, ebenfalls durch die »Mannheimer« geprägt, machte sich in Frankreich einen Namen. Seine lange verschollene Oper »L’isle déserte« (Die einsame Insel) erlebte erst 2019 bei den Schwetzinger Festspielen ihre konzertante Wiederaufführung. »Mutige Virtuosität mit einer wunderbar melodiösen Gabe« Presto Classical über Sophie Pacini

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Sophie Pacini 29


7 Heilbronner Konzert

4 Ulmer Konzert

Produktive Einsamkeit 7. Heilbronner Konzert Do 17.03.22 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

4. Ulmer Konzert Fr 18.03.22 Kornhaussaal, Kornhaus Ulm

Joseph Haydn Sinfonie Nr. 47 G-Dur Hob. I:47 »Palindrom« Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Flöte und Orchester Nr. 1 G-Dur KV 313 Anton Arensky Quartett für Streichorchester op. 35a »Dem Andenken an P. I. Tschaikowsky« Ana de la Vega Flöte Ruben Gazarian Leitung

Wer hätte gedacht, dass Mozart ausgerechnet die Flöte nicht besonders schätzte – hatte sie es doch bis in den Titel der weltberühmten »Zauberflöte« geschafft? Trotz der dokumentierten Abneigung schrieb Mozart seiner Schwester Nannerl zum 26. Geburtstag gleich mehrere Werke für Flöte, darunter das 1. Flötenkonzert KV 313. Joseph Haydn plagten an seinem langjährigen Dienstort, dem Hofe des Fürsten Esterházy, des öfteren Einsamkeitsgefühle – es sollte der Nährboden sein für eine Vielzahl umso kreativerer Kompositionen. Zum Beispiel seiner Sinfonie Nr. 47: Gemäß ihrem Beinamen »Palindrom« hat Haydn einzelne Passagen kurzerhand rückwärts komponiert. Das isolierte Leben am Hofe wird von der Musikwissenschaft gar als ein entscheidender Faktor für Haydns kompositorischen Reifeprozess angesehen. So wurde er auch zum Wegbereiter für die Gattung Streichquartett. Mit seinem 2. Streichquartett op. 35a hat Anton Arensky einen Sonderweg beschritten: Ursprünglich verzichtete er auf die zweite Violinstimme, dafür nahm er – neben der Bratsche – noch ein zweites Cello mit in den Quartettverbund auf. Diese ungewöhnliche Formation steht für eine warme, dunkel getönte Klangwelt, in der sich Arenskys Reaktion auf den plötzlichen Tod Tschaikowskys niederschlug. Seinem Andenken hat Arensky nicht nur das Werk gewidmet, sondern im 2. Satz auch ein Thema des von ihm hochverehrten Kollegen variiert. »So eine interessante neue Solistin im Bereich der Flötenmusik hat es lange nicht gegeben.« NAXOS über Ana de la Vega

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Ana de la Vega // Ruben Gazarian 31


8 Heilbronner Konzert

Der eigene Ton 8. Heilbronner Konzert Mi 13.04.22 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

Franz Schubert Arpeggione-Sonate a-Moll D 821 (arr. für Violoncello da Spalla und Kammerorchester) Rondo für Violine und Streicher A-Dur D 438 Streichquartett d-Moll D 810 »Der Tod und das Mädchen« (eingerichtet von Georg Oyen) Sergey Malov Violine, Violoncello da Spalla & Leitung

Über die Schwierigkeit Schuberts, seinen eigenen Ton als Sinfoniker zu finden, wurde viel geschrieben und disputiert. Bis heute scheiden sich die Geister. Ganz anders sieht es bei seinem Liedschaffen und der Kammermusik aus. Auf beiden Feldern ist Schuberts künstlerische Reputation über jeden Zweifel erhaben. Zu seinem 225. Geburtstag, den wir 2022 feiern, nehmen wir das kammermusikalische Terrain ins Visier. Noch als Kompositionsschüler Antonio Salieris schrieb Schubert das Rondo für Violine und Streicher – eine kompositorische Fingerübung, und doch untrüglicher Vorschein seines Genius‘. Der Beschäftigung mit dem Kunstlied überdrüssig wandte sich Schubert Anfang 1824 verstärkt der Kammermusik zu. Dabei komponierte er eine Sonate für die Arpeggione, ein heute vergessenes, zwischen Gambe und Cello angesiedeltes Instrument. Im gleichen Jahr entstand das Streichquartett Nr. 14, besser bekannt unter dem Bei­ namen »Der Tod und das Mädchen«. Der Tod, der sich in verführerischer Weise der jungen Frau nähert, dieses Motiv hat Künstler*innen jedweder Gattung immer wieder aufs Neue fasziniert. So auch Schubert. Er hatte die schaurige Szenerie bereits 1817 in einem Lied vertont und griff sie nun in seinem 14. Streichquartett wieder auf. In dem Variationssatz verwandelt Schubert das verzweifelte Flehen des Mädchens über den starren, gleichsam tonlosen Akkorden des Sensenmanns in jede erdenkliche Richtung: zart, spielerisch - und unerbittlich. »Ein Künstler von beispielloser Vielseitigkeit und Kreativität« The Violin Channel über Sergey Malov

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Sergey Malov 33


9 Heilbronner Konzert

5 Ulmer Konzert

Politik, Paten & Poeten 9. Heilbronner Konzert Mi 18.05.22 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

5. Ulmer Konzert Do 19.05.22 Kornhaussaal, Kornhaus Ulm

Hans Werner Henze Fantasia für Streicher Felix Mendelssohn Bartholdy Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 Paul Hindemith Fünf Stücke für Streichorchester op. 44,4 Robert Schumann Ouvertüre, Scherzo und Finale op. 52 Emmanuel Tjeknavorian Violine Case Scaglione Leitung

Komponist*innen verbinden mit ihrem Schaffen nicht selten eine außermusikalische Intention. Bei Hans Werner Henze war es die Politik. Ihm ging es um die großen humanitären Fragen seiner Zeit. Die »Fantasia für Streicher« schrieb er als Musik zum Film »Der junge Törless«, der von einem Internatsskandal zur Zeit des Kaiserreichs handelt. Paul Hindemith galt in seiner frühen Schaffensperiode als »Bürgerschreck«, der es liebte, das traditionell-konservative Konzertpublikum zu provozieren. Felix Mendelssohn Bartholdy, Komponist, Kapellmeister in Leipzig und Wiederentdecker des zwischenzeitlich vergessenen J.S. Bach, gehört zu den prägendsten Figuren der Romantik. Für sein Violinkonzert, eines der beliebtesten und wirkungsvollsten Stücke der Gattung, stand hingegen ein Mann Pate, den wir heute eher in die zweite Reihe einordnen: Louis Spohr. Zu Lebzeiten freilich war er neben Paganini der bedeutendste Geigen-Virtuose seiner Zeit. Künstlerische Rangfolgen spielten auch bei Robert Schumann eine Rolle. Dass die Musik an erster Stelle stehen sollte, war zunächst nicht ausgemacht. So beschäftigte er sich neben dem Komponieren auch intensiv mit dem Verfassen von Gedichten, Prosawerken und Dramen. Der sich selbst als Tondichter verstehende Schumann hat sein Opus 52 ursprünglich als Sinfonietta betitelt – was den Kern trifft: Das Werk ist eine komprimierte Sinfonie ohne langsamen Satz. »Eleganz, Temperament und Virtuosität« Crescendo über Emmanuel Tjeknavorian

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Emmanuel Tjeknavorian 35


10 Heilbronner Konzert

Fokus Cello 10. Heilbronner Konzert Mi 22.06.22 Theodor-Heuss-Saal, Harmonie Heilbronn

György Ligeti Konzert für Violoncello und Orchester Joseph Haydn Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur Hob. VIIb:1 Johannes Brahms Streichquintett Nr. 2 G-Dur op. 111 Alisa Weilerstein Violoncello Case Scaglione Leitung

Warum auch immer – die Größen der Wiener Klassik haben das Cello als Soloinstrument weitestgehend ignoriert. Weder Mozart noch Beethoven schrieben Cellokonzerte, nur Joseph Haydn machte eine Ausnahme. Doch erst 1961 fand man drei bis dato verschollene Werke, heute zählen sie zum Cellisten-Standardrepertoire. Fünf Jahre nach der Haydn-Wiederentdeckung komponierte György Ligeti sein Konzert für Violoncello und Orchester. Grenzerfahrung durch Klangextreme, so könnte man seine kompositorische Intension bezeichnen. Exemplarisch belegt dies gleich der Einstieg, bei dem Ligeti dem Solocello ein 8-faches piano vorschreibt. Nicht Grenzerfahrung, dafür Resümee eines kompositorischen Lebens – ein solches Etikett könnte man Johannes Brahms‘ Streichquintett op. 111 anheften. Mit zahlreichen Zitaten aus Werken von Beethoven bis Wagner kreiert Brahms einen fulminanten musikalischen Rückblick auf das gesamte 19. Jahrhundert. Wobei erneut das Cello in den Fokus rückt, überlässt Brahms ihm doch einleitend die längste Melodie, die er je ge­ schrieben hat. Gedacht war op. 111 als Abschied, denn Brahms teilte seinem Verleger Fritz Simrock mit, das Quintett sei sein letztes Werk. Ein Irrtum. Denn zwischen 1891 und 1896 hat er, u. a. inspi­ riert durch die Begegnung mit dem Klari­nettisten Richard Mühlfeld, doch noch einmal die Kompo­ sitionsfeder in die Hand genommen. »Eine Ausnahme-Cellistin und eine herausragende Musikerin« The Classic Review über Alisa Weilerstein

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Alisa Weilerstein 37


WKO Im Gespräch — Hoffnung und Veränderung

Seit über einem Jahr begleitet uns Corona und greift in alle Lebensbereiche ein. Die Krise und ihre Lockdowns haben uns minimalistischer werden lassen. Wir haben Kontakte beschränkt und die Fahrt aus unserem Alltag genommen. Der Stillstand hat uns Zeit gegeben nachzudenken. Was kommt nach einer so schicksalhaften Zeit? Was bleibt? Was nun? Was haben Menschen erst jetzt so richtig schätzen gelernt und worauf blicken sie mit freudiger Zuversicht?

Case Scaglione

Case Scaglione Chefdirigent des WKO

All diese Gedanken begleiten unsere Saisonvorschau, die in einer Zeit der Ungewissheit entstanden ist. Aus dieser Stimmung heraus sind auch die Kurzinterviews zu lesen, die in allen Teilen der Saisonvorschau auftauchen.

Seit der Saison 18/19 sind Sie Chefdirigent des WKO. In der vergangenen Spielzeit wurde Ihr Vertrag bis 2024 verlängert. Hat sich das Orchester in der Zwischenzeit verändert? »Das ist schwer zu sagen. Es ist so, wie wenn man ein Kind hat und gesagt wird: »Oh, das Kind ist ja wieder so groß geworden«. Ich glaube, das Orchester hat sich schon verändert. Aber ich bin so tief in die »WKO-Familie« integriert, dass ich es nicht bemerke. Da müsste man wahrscheinlich das Publikum fragen. Was sich auf jeden Fall verändert hat, ist das Repertoire. Es ist in den letzten Jahren immens gewachsen. Es gibt insgesamt eine neue Atmosphäre, eine neue Richtung. Auch in der Zeit des Lockdowns. Wir haben währenddessen viel geschafft: viele CD-Aufnahmen zum Beispiel. Ich fühle mich immer mehr zu Hause.«

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Johannes Hehrmann 2.Violine WKO

Marlise Riniker

Was haben Sie durch Corona an Kultur schätzen gelernt? »Ich habe schätzen gelernt, was uns diese Krise als Musiker*innen nicht nehmen konnte: Die Musik. Sie wurde ja nicht nur für ein Publikum geschrieben, sondern trägt eine Aussage in sich – einen Gedanken, eine Idee, ein Gefühl. Dieser Aspekt bleibt unverändert bestehen, auch wenn kein Publikum da ist. Die Musik ist genauso spannend wie zuvor und ohne die Livesituation ist es fast so, als würde man ein privates Gespräch mit den Komponist*innen führen.«

Johannes Hehrmann

Marlise Riniker 1.Violine WKO Können Sie der Pandemie trotz allem vielleicht etwas Positives abgewinnen? »Schon, auf jeden Fall! Ich habe unter anderem zwei Duos gegründet. Mit meiner Kollegin Gayoung Lee habe ich kurz vor Weihnachten eine kleine musikalische Reihe aufgenommen. Zum 1. Mal habe ich mich soweit mit der Technik beschäftigt, um die Musikvideos auf einem eigenen YouTube Kanal hochzuladen. Zu Weihnachten haben wir den Link an Freund*innen und Bekannte verschickt. Was wir mit Freuden ge­ schaffen haben, ist auf großes Echo gestoßen.«

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Bettina Suditsch Mitglied im WKO-Orchesterverein und langjährige, ehemalige WKO-Mitarbeiterin Was haben Sie an Kultur durch Corona schätzen gelernt? »Ich vermisse die Livekonzerte und die damit verbundenen Sternstunden des WKO sehr. Deswegen freue ich mich umso mehr, wenn wieder Konzerte stattfinden können. CDs sind ein schöner Ersatz, worüber ich sehr froh bin, aber Livekonzerte können sie trotzdem nicht ganz ersetzen. Ich freue mich schon sehr auf das nächste WKO-Konzert. Gerade in und nach Krisenzeiten sehnen sich Menschen nach Gemeinsamkeit und Kultur – Jörg Faerber hatte mir mal von den ersten Konzerten nach dem Krieg erzählt. Tausende Menschen sind gekommen – unter freiem Himmel wurde gespielt. Das zeigt, wonach sich Menschen nach großen Katastrophen sehnen.«

Bettina Suditsch

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Georg Oyen

Georg Oyen Violoncello WKO Was sind Ihre Hoffnungen für die Kultur in der Spielzeit 21/22 und worauf freuen Sie sich am meisten? »Das ist ganz einfach zu beantworten: Wenn wir wieder vor Publikum spielen können. Das ist unser Beruf, alles andere ist nur ein Schatten dessen. Zum Kunstprozess gehören nun mal drei Komponenten: Das Werk, die Interpretation und das Zuhören. Aber das Publikum hört nicht einfach nur zu. Zuhörer*in ist ein falsches Wort, finde ich. Das Publikum ist aktiver Teil dieses Kunstprozesses. Es gibt Wechselwirkungen zwischen den Musiker*innen und dem Publikum und umgekehrt. Das fehlt mir sehr. Und außerdem ist es viel schöner so.«


Rainer Neumann Geschäftsführender Intendant des WKO Gerda Schmauser

Seit Februar 2020 sind Sie Intendant des WKO. Was war bisher Ihr tollster WKO-Moment? »Da fallen mir mindestens zwei ein. Der erste tolle Moment liegt lang zurück: Als Musikstudent habe ich unter Jörg Faerber als Klarinetten-Aushilfe im WKO bei einer Mozart-Sinfonie mitgespielt. Am Beginn meiner Intendanz war das Konzert in der Elbphilharmonie Anfang des Jahres 2020 ein großartiger Moment. Mein spontaner Gedanke: Was für ein Glück, für so ein tolles Orchester arbeiten zu dürfen.«

Gerda Schmauser Mitglied des WKO-Stiftungsrats Als langjähriges Stiftungsratsmitglied stehen Sie dem WKO sehr nahe. Was schätzen Sie an »Ihrem« Kammerorchester ganz besonders? »Ich schätze den besonderen Klangkörper vom WKO. Wenn ich im Radio ein Stück mit dem Orchester höre, dann erkenne ich bei den ersten Takten diesen unverkennbaren Klang. Zudem kann sich das Orchester immer besonders individuell auf die jeweils einzelnen Solist*innen einstellen. Ich wünsche dem WKO bald wieder vor Publikum spielen zu dürfen und hoffe sehr auf ein Neujahrskonzert 2022 in der Harmonie.«

Rainer Neumann

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cover not fin al

Das WKO für Sie Zuhause Seit Beginn der Corona-Krise hat das Württembergische Kammerorchester Heilbronn die Zeit ohne öffentliche Auftritte genutzt, um zahlreiche Werke einzuspielen. Neben Filmen und Videos wurden fast ein Dutzend Tonträger-Projekte in Angriff genommen, die keine Wünsche offenlassen. Zusammen mit Solist*innen von Rang und Namen zeigt das WKO die ganze Band­ breite seiner künstlerischen Vielfalt. Die Alben erscheinen innerhalb der nächsten zwei Jahre. Erhaschen Sie schon hier einen Eindruck! Bach Unbuttoned Ana de la Vega, eine Gruppe aufregender junger Solisten und das WKO präsentieren eine le­ bendige und frische Perspektive auf Bach als Mensch und Komponist. Auf dem Programm stehen die Brandenburgischen Konzerte Nr. 2, 4 & 5, eine einzigartige Wiedergabe des Doppel­ violinkonzerts mit Flöte und Oboe sowie die atemberaubend virtuose Badinerie für Flöte. Für das WKO ist es die erste Produktion beim niederländischen Erfolgslabel Pentatone. Anlässlich des 300. Schenkungsjubiläums der Brandenburgischen Konzerte an den Markgrafen von Brandenburg-Schwedt wurde außerdem eine Dokumentation produziert, die von ARTE ausgestrahlt wird. Das Sendedatum ist bislang noch unbekannt, wir halten Sie auf dem Laufenden! Ana de la Vega Flöte Alexander Sitkovetsky Violine Ramón Ortega Quero Oboe Cyrus Allyar Trompete Johannes Berger Cembalo Württembergisches Kammerorchester Heilbronn

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Fuga y Misterio // Rudens Turku & Friends 2021 feiern wir den 100. Geburtstag des argen­ tinischen Komponisten Astor Piazzolla, der den traditionellen Tango revolutionierte. Anlässlich dieses Jubiläums hat das WKO zusammen mit »Rudens Turku & Friends« (Rudens Turku, Carel Kraayenhof, Oliver Schnyder, Dominik Wagner, Lily Dahab und Benjamin Nyffenegger) Werke Piazzollas aufgezeichnet, die die unverwechselbare Bandbreite seines Schaffens zeigen. Die Einspielungen werden als CD und Schallplatte veröffentlicht. Rudens Turku Violine Carel Kraayenhof Bandeon Oliver Schnyder Klavier Dominik Wagner Kontrabass Lily Dahab Gesang Benjamin Nyffenegger Violoncello Württembergisches Kammerorchester Heilbronn Erscheint bald beim Label Prospero Classical


Ein Blick in die Ewigkeit Interview mit Case Scaglione über den Ligeti-Schwerpunkt

Die Musikwelt feiert im Jahr 2023 den 100. Geburtstag von Györgi Ligeti. Für Sie ist er einer Ihrer Lieblingskomponisten. Warum? Schon früh hat er Technologie und Elektronische Musik ins Zentrum seines Schaffens gerückt. Es entstand Musik ohne Melodie und Rhythmus, verrückt, – ein Klang, der frei in der Luft schwebt. Absolut faszinierend. Gegen Ende seines Lebens schrieb er eher »barocke« Musik, die mich strukturell an Johann Sebastian Bach erinnert. Ligeti nutzt alte Strukturen und füllt sie mit einer ganz neuen Stimme. Es ist wie ein Blick in die Ewigkeit – bei Bach wie bei Ligeti, obwohl ihre musikalischen Sprachen so unterschiedlich sind. In der Saisonbroschüre 2020/21 verrieten Sie, dass Sie dem Publikum gern das große Spektrum der Neuen Musik vorstellen möchten. Folgt die Schwerpunktlegung auf die Musik Ligetis diesem Wunsch? Das tut sie. Und ich glaube, dass das WKO mit seiner reichen Geschichte, seiner Klangsprache und Präzision prädestiniert dafür ist, die anspruchsvolle Musik Ligetis zu spielen. Ich muss oft an die Geschichte denken, als man bei einem Festival Ligetis Werke einstudiert hatte. Er sagte nahezu alle Aufführungen ab, da ihm die Interpretationen nicht exakt genug waren. Auch für uns wird es eine große Kraftanstrengung werden! Aber wir sind bereit und freuen uns auf die Herausforderungen seiner Musik. Und wir sind überzeugt, dass auch das Heilbronner Publikum bereit ist, seine Sprache zu hören. Ligeti zählt ja schon gar nicht mehr zur Neuen Musik. Ich würde ihn als Avantgardisten bezeichnen, empfinde seine Musik aber eher als zeitlos.

Ligetis Musik scheint die Fantasie anzuregen, denn sie wurde häufiger als Filmmusik verwendet. Ist sie auch für Sie besonders bildhaft? Unbedingt. Mich faszinieren die Weite und der angesprochene »Blick in die Ewigkeit«. Ligetis Musik wurde vor allem durch Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« bekannt. Ich habe einmal gehört, dass die ursprünglich geplante Musik für bestimmte Szenen nicht fertig wurde und so hat Kubrick Ligeti ausgewählt und die Filmszenen so umgearbeitet, dass sie der Musik entsprechen. Es sind perfekte Klänge für die schwarze Weite des Weltraums. Welche Werke werden wir hören dürfen? Wir fokussieren uns auf die drei Solokonzerte für Violine, Klavier und Violoncello. Die Werke sind ungeheuer komplex und sehr kammermusikalisch konzipiert. Im Violinkonzert sind zum Beispiel fünf Violinen besetzt und jede hat ihre eigene Stimme. Alle drei Solokonzerte möch­ ten wir übrigens auf einer CD dokumentieren – sozusagen unser Beitrag für die Ewigkeit.

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3 Fragen an: »Artist-in-Association« Emmanuel Tjeknavorian Was bedeutet Ihnen das Dirigieren und wie sind Sie dazu gekommen? Dirigieren ermöglicht mir die vollkommene Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung. Als Sohn eines Dirigenten kam ich seit meiner Geburt mit diesem Metier in Berührung.

Dass junge Künstler*innen mit dem WKO konzertieren, ist keine Besonderheit. Viele haben dies gemacht, und für viele waren dies erste wegweisende Schritte ihrer Solokarriere. So auch bei Emmanuel Tjeknavorian. Der aus einer Musiker­ familie stammende, in Wien geborene und ausgebildete Geiger war als junger internationaler Preisträger schon einige Male vom WKO eingeladen worden. Bei Beethovens Violinkonzert im Februar 2020 sprang dann der Funke endgültig über – der Beginn einer künstlerischen Freundschaft, wie sie zwischen Solist*innen und Orchester nicht alltäglich ist. Der damals neue Intendant Rainer Neumann nahm dies sofort zum Anlass, Emmanuel Tjeknavorian zum ersten »Artist-in-Association« des WKO zu ernennen. Für die Saison 2020/21 waren etliche Projekte vorgesehen – und fielen der Pandemie zum Opfer. Aber eine CD-Produktion in der Osterzeit kam doch zustande. Und hierbei debütierte Emmanuel Tjeknavorian beim WKO als Dirigent. Kein Zufall, denn das Dirigieren nimmt in seiner künstlerischen Arbeit einen immer breiteren Raum ein. Beim WKO wird man ihn regelmäßig in beiden Funktionen erleben können.

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Dirigent und Solist – wie würden Sie für sich den Unterschied beschreiben? Eine sehr komplexe Frage mit vielen Antwortmöglichkeiten. Hier eine, die mir spontan einfällt: je nach Persönlichkeit kann und sollte man als Solo-Instrumentalist die künstlerischkreativen Ziele zum großen Teil durch Selbstbeschäftigung erreichen. Ich aber erreiche meine musikalischen Vorhaben grundsätzlich lieber als Leiter eines Kollektivs – bestehend aus begnadeten Persönlichkeiten. Die Musiker*innen des WKO würden »selbstbestimmt miteinander musizieren«, haben Sie über das WKO gesagt. Ist dieses Charakteristikum nicht eine große Herausforderung für Sie als Dirigent? Ganz im Gegenteil! Dass das WKO selbstbestimmt miteinander musiziert, ist für mich hochgradig inspirierend. Diese Inspiration versuche ich dann in meine persönlichen Vorstellungen und Ideen einfließen zu lassen - und sie dann an die Musikerinnen und Musiker weiterzugeben. Dieser Austausch fühlt sich toll an.


Sehnlichste Wünsche: »WKO-Young-Artist« Friedrich Thiele Es war eine spontane Eingebung: Bei einem der wenigen WKO-Gastspiele vor dem erneuten Lockdown sprang der junge Cellist Friedrich Thiele im Oktober 2020 kurzfristig als Solist für die Rokoko-Variationen Tschaikowskys im Wiesba­dener Herzog-Friedrich-August-Saal ein. Ein Volltreffer, denn besser und stimmiger hätte eine musikalische Begegnung kaum sein können. Sogleich wurde die Liaison zwischen Friedrich Thiele und dem WKO beschlossen und exklusiv für ihn die Künstlerverbindung »WKO-YoungArtist« geschaffen. Friedrich Thiele ist beglückt: »Ich bedanke mich herzlich für das Vertrauen, mich als Young-Artist ausgewählt zu haben und freue mich schon riesig auf die kommenden Konzerte. Bei unserem ersten gemeinsamen Konzert im Oktober 2020 konnte man die beidseitige Freude am Musizieren bereits spüren – wir haben tolle Stimmungen kreiert. Umso gespannter bin ich nun, was wir noch zusammen auf die Beine stellen können. Das WKO steht für Spielfreude und Flexibilität, was sich jeder Solist sehnlichst wünscht.« Das WKO ist seit jeher an der Zusammenarbeit mit neuen, jungen Ausnahmetalenten interessiert, die es fordern und fördern kann. Wir freuen uns auf viele, besondere Projekte!

Der Cellist Friedrich Thiele, Jahrgang 1996, gewann zahlreiche nationale und internationale Preise, darunter den 2. Preis, Publikumspreis und Preis für die beste Interpretation des Auftragswerks beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD 2019. Thiele kann als Solist auf eine umfangreiche Gasttätigkeit mit renommierten Orchestern im In- und Ausland blicken. Seinen Bachelor of Music erhielt er 2021 an der Hochschule für Musik »Franz Liszt« in Weimar. Nun studiert er an der Kronberg Academy in der Klas­se von Wolfgang Emanuel Schmidt. Seit 2021 ist Thiele 1. Konzertmeister der Violoncelli in der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Als leidenschaftlicher Kammermusiker durfte er bereits bei hochkarätigen Kammermusikfestivals auftreten und spielte dort u. a. mit Igor Levit, Benjamin Beilman, Volker Jacobsen, Viviane Hagner und Marc-André Hamelin. Seit 2010 wird er von der Deutschen Stiftung Musikleben gefördert und spielt ein französisches Cello aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, aus dem Deutschen Musikinstrumentenfonds.

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Impressum Herausgeber Württembergisches Kammerorchester Heilbronn Case Scaglione // Chefdirigent Rainer Neumann // Geschäftsführender Intendant & Vorsitzender des Stiftungsvorstands Moltkestr. 11 // D-74072 Heilbronn Tel. 07131-27 10 950 // Fax: 07131-27 10 959 info@wko-heilbronn.de // www.wko-heilbronn.de

Stiftungsrat Prof. Dr. Tomás Bayón // (Vorstand und Geschäftsführer der GGS Heilbronn) Stiftungsratsvorsitzender Agnes Christner // Bürgermeisterin Heilbronn Elisabeth Dannecker // Regierungsdirektorin – Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst BW Konstanze Felber-Faur // Orchestervorstand Otto Friedrich // Vorsitzender des Orchestervereins Klaus Kölle Gerda Schmauser Managementteam Franziska Vivaldi // Orchestermanagerin & Vorstandsmitglied Viktoria Schomer // Assistentin Künstlerisches Betriebsbüro Cosima Obert // Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Marketing Judith Heinrich-Kerl // Grafik & Marketing Annette Kirchner // Controlling, Buchhaltung & Personal Konstanze Felber-Faur // Koordination Aushilfen Blake Thomson, Gayoung Lee // Notenbibliothek Lisa-Marie Hartung // FSJ-Kultur Georg Oyen // Koordination & Moderation Kammermusikreihe

Hotelpartner

Gestaltung parole GmbH München, www.parole.de Druck und Bindung Druckerei Otto Welker GmbH, Neckarsulm www.welker-druck.de Bildnachweise Umschlag: shutterstock // S. 4 © Stadt Heilbronn // S. 5/6 © Fotostudio M42 // S. 8-10 © Nikolaj Lund // S. 12-15 & 39-41 © Hans Georg Fischer // S. 16/19 © Nikolaj Lund // S. 16/17/21 © Julia Wesely // S. 16/23 © Jaehyong Park // S. 16/17/25 © Pia Clodi // S. 25 © Gudrun Senger // S. 16/27 © Pal Hansen // S. 16/17/29 © Susanne Krauss // S. 16/17/31 © Neda Navaee // S. 31 © Ronny Ristok // S. 16/33 © Julia Wesely // S. 16/17/35/44 © Uwe Arens // S. 16/37 © Marco Borggreve // S. 38 © Christian Steiner // S. 43 © Peter Andersen // S. 45 © Rene Gaens // Unbekannte Rechteinhaber bitten wir um Meldung.

Redaktion Judith Heinrich-Kerl, Cosima Obert Texte Lisa-Marie Hartung, Judith Heinrich-Kerl, Rainer Neumann, Cosima Obert Für die Bereitstellung der Räume zum Fototermin für die Stimmgruppenfotos geht unser herzlicher Dank an den Kunstverein Heilbronn e.V. Die Stimmgruppenfotos sind Fotomontagen. Den Hygienevorschriften entsprechend wurden alle Musiker*innen einzeln aufgenommen.

Orchestervorstand Konstanze Felber-Faur // Vorsitzende Marlise Riniker, Stefan Schubert Betriebsrat Johannes Hehrmann // Vorsitzender Marlise Riniker, Stefan Maneth

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Die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft wurde 2014 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.




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