Patronenzeichnung für den Teppich im Damenzimmer in der Wohnung Döblergasse 4, 1912 (Backhausen Dessin Nr. 8530) Backhausen Archiv, Inv.-Nr. BA 06401
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Späte Entwürfe Für seine letzte Wohnung in der Döblergasse (Kat.-Nr. 133) schöpfte Wagner 1912 aus seinem gesamten persönlichen Reservoir an Musterkonzeptionen und ordnete sie der Funktion des jeweiligen Raumes unter. Der Läufer im Vorzimmer mit kleinen gerasterten dunkleren Quadraten auf grauem Grund passt in das funktionalistisch ausgestattete Vorzimmer. Der einfarbig rote Teppich und die Wandbehänge aus rotem Plüsch im Salon dienten als Folie für das effektvolle gelbe Rosenmuster auf dunkelrostrotem Grund, mit dem die Polstermöbel bezogen waren.33 Der große dreiteilige Teppich im Speisezimmer zeigte ein strenges Linienmuster aus Hochrechtecken, in die stilisierte, gegengleich arrangierte Sonnenblumen so eingepasst waren, dass sie an den Längsseiten als dekorative Borte wirkten34 und den ähnlich arrangierten Sonnenblumen in geprägtem Leder auf den Sessellehnen „antworteten“. Der dreiteilige Teppich im Schlafzimmer folgte jenem des Speisezimmerteppichs mit reduzierteren Musterelementen und entsprach in der Farbigkeit – Violett und Weiß – den Textilien des Bades. In der Wohnung gab es außerdem ein „Zimmer der Frau“, das exemplarisch Wagners Beschäftigung mit dem Biedermeier widerspiegelte. Wandbespannung und Möbel bezüge waren identisch: grün-gelb-blau-weiße Streifen, auf denen ein hellrotes, streng stilisiertes Rosenmotiv – versetzt gereiht – hervorstach. Dasselbe Muster in größerem Maßstab
Reinzeichnung für den Teppich im Zimmer des Direktors im Erweiterungsbau der Postsparkasse, 1916 (Backhausen Dessin Nr. 9626) Backhausen Archiv, Inv.-Nr. BA 06399
zierte den in einer Bahn ohne Borte geknüpften Bodenbelag. Streifen mit Blumen entsprachen der verbreiteten Vorstellung vom Biedermeierstoffmuster. Als vergleichbares Dessin sei Eduard Josef Wimmer-Wisgrills „Ameise“ genannt, ein Muster, das er 1914 auf der Werkbundausstellung in Köln für den Raum der Wiener Werkstätte verwendete.35 Wagner schuf auch einen Entwurf für den Teppich in einem Herrenzimmer.36 Das Muster rezipiert ein authentisches Biedermeiermuster: einen Webteppich von 1822 aus der Linzer Wollenzeug-Manufaktur.37 Im Zuge der Erweiterung der Postsparkasse ließ Wagner zwei weitere Teppiche anfertigen:38 Zu dem früheren Teppich von 1914, olivgrün und mit einer konventionellen Borte aus länglichen und quadratischen Kartuschen, gibt es Wand behänge aus Baumwollstoff mit Stickereien, die das Borten muster aufnehmen.39 Der „Vindobona Knüpfer“ mit „Sonnenrosen“ aus dem Jahr 1916 lag im Zimmer des Direktors, in dem sich eine korrespondierende Wanddekoration aus Sonnenblumen erhalten hat. Die Reinzeichnung im Backhausen Archiv zeigt, wie aus einem gerasterten Rapportmuster von großen und kleinen Kreisen ein Dekor üppiger Sonnenblumen entsteht, die asymmetrisch aus der rechten Ecke herauswachsen. Wagner ist damit 1916 zum stilisierenden Musterzeichnen ohne secessionistischen Einfluss zurückgekehrt.40 Wagners letzter Entwurf für einen Knüpfteppich entstand 1916 für seine zweite, damals bereits an die Familie Erben verkaufte Villa in Hütteldorf.41 Der 400 × 720 oder 850 cm große, in drei Rottönen gehaltene „Knüpfer“ sollte im Speisezimmer liegen; es ist unbekannt, ob er ausgeführt wurde.42