HUT AUF! Österreichs Vergangenheit – Österreichs Zukunft
Doron Rabinovici
Monument in Bewegung Es ist das Monument einer Bewegung. Das Holzpferd war eine mobile Statue und ein kollektives Werk zugleich. Es gründete auf der Lüge des Präsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim, nie bei der SA oder dem NS-Reiterkorps gewesen zu sein, denn als ihm das Gegenteil bewiesen wurde, erklärte der Politiker, er sei „ja nur mitgeritten“. „Ich stelle fest, dass nicht Waldheim bei der SA war, sondern nur sein Pferd“, sagte daraufhin Bundeskanzler Fred Sinowatz. Und Manfred Deix zeichnete eine Karikatur: Waldheim auf seinem Pferd mit SA-Kappe und Hakenkreuzbinde schimpft: „Du bist schuld, wenn i später amal Schwierigkeiten krieg, du saublödes Viech!“ Eine kleine Runde im Wiener Volkstheater ersann das Holzpferd. Peter Turrini griff den Satz des Kanzlers und die Darstellung von Deix auf, als er die Idee vorbrachte. Kuno Knöbl meinte hierauf, Alfred Hrdlicka solle sogleich – an Ort und Stelle – eine Skizze machen. So entstand der Entwurf jenes Zugtieres, das zu einem Symbol der Zivilgesellschaft werden sollte, während dieser einen Sitzung im Büro des Theaterdirektors. Das Holzpferd wurde zum Symbol des Republikanischen Club – Neues Österreich, jener Organisation, die einen Nukleus des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rassismus und für Menschenrechte bilden sollte. Das Streitross wurde zum Schreckgespenst des Bundespräsidenten und seiner Anhänger. Kaum war das Denkmal gegen Verlogenheit und Gedächtnisschwund aufgestellt, flohen das Staatsoberhaupt und seine Entou-
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rage. Es war ein „Riding“-Gag. Flog der Präsident nach Rom, stand das Holzpferd schon da, und nicht der hohe Besuch, sondern die kritische Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegenwart gerieten ins Zentrum der Berichterstattung. Das Holzpferd wurde zu unserem Treffpunkt. Nach Waldheims Angelobung kam Elfriede Jelinek zur Kundgebung und bat eine Freundin, ihren Text vorzutragen. Erich Fried schickte eine Grußadresse. Ein Essay von Peter Handke leitete die Streitschrift Die Pflichterfüllung ein. In Kundgebungen und Veranstaltungen sprachen Rosa Jochmann, Gerhard Bronner, Gerhard Roth, Robert Menasse, Robert Jungk, Oswald Oberhuber, Adolf Frohner, Georg Chaimowicz, Josef Haslinger und Robert Schindel – um nur einige zu nennen. Diese intellektuelle Auseinandersetzung prägte die Kunst und die Literatur. Die Diskussion über die historische Verantwortung Österreichs riss nicht mehr ab. Mit dem Holzpferd waren wir zu Vorreitern der Debatte geworden. Das Holzpferd ist bis heute noch im Einsatz. Immer wieder führt es Demonstrationen an. Es zierte 2005 die Ausstellung Jetzt ist er bös, der Tennebaum im Wiener Jüdischen Museum und sein Modell steht jetzt dort in der Dauerschau. Derzeit steht es im Wien Museum. Es ist das Maskottchen der österreichischen Zivilgesellschaft. Es ist ein Mahnmal gegen galoppierende Geschichtsleugnung. Es ist ein Sinnbild der Erinnerung.
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