1848 im Wiener Kunstverein ausgestellt wurde, schritten die Ordnungshüter ein. Das Bild wurde abgehängt und musste vom Künstler umgemalt werden: Die Schärpe verschwand, der Kalabreser wurde durch einen Zylinder ersetzt. War der Zylinder in den Jahren nach der Französischen Revolution noch Zeichen der Republikaner, stand er nach 1848 für die bürgerliche Ordnung, während der Name „Demokratenhut“ auf den von den Revolutionären getragenen Kalabreser übergegangen war. Weil Kopfbedeckungen ein gesellschaftlicher Code waren (und es zum Teil heute noch sind), war (und ist) es nicht egal, wer welche Kopfbedeckung trug (und trägt): Könige haben ein gekröntes Haupt, während Knechte barhäuptig waren. Die Kopfbedeckung steht symbolhaft für die Macht ihres Trägers – wahrscheinlich kann das nicht besser beschrieben werden als mit dem Gessler-Hut in Schillers Wilhelm Tell, der gegrüßt werden muss, obwohl ihn niemand aufhat. Nicht nur vordergründig „politische Hüte“, wie der Hut der Habsburger im Wilhelm Tell oder der Kalabreser der Revolutionäre von 1848, haben eine politische Dimension, sondern etwa auch religiöse und sogar vermeintlich „unpolitische“ Kopfbedeckungen. Eine Muslimin wurde wegen des Tragens einer Burka letztes Jahr in Wien aus ihrem Deutschkurs verwiesen – mit der Begründung, dass ihre Verschleierung ein Statement der Integrationsunwilligkeit und des religiös-politischen Radikalismus sei. Dass sie dies auch schriftlich von ihrem Deutschlehrer bekam, verweist deutlich auf den Konnex zwischen veränderten gesellschaftspolitischen Bedingungen in Österreich und den Assoziationen, die Kopfbedeckungen hervorrufen können. Hüte und andere Kopfbedeckungen waren nach außen getragenes Zeichen des gesellschaftlichen Standes des Trägers oder auch der Trägerin – quer durch alle gesellschaftlichen Schichten. Noch heute gibt es Relikte dieses Codes: etwa in Redewendungen wie „den Hut aufhaben“ oder auch in tradierten Berufstrachten wie der weißen Rauchfangkehrermütze, dem feierlich-repräsentativen Talar und Barett des Richters, die ihn als Amtsträger ausweisen, oder in Uniformen. Die Kopfbedeckung ist bei weitem nicht nur Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe und Kennzeichnung des gesellschaftlichen Rangs, sondern sie erweckt Assoziationen und Emotionen bei den anderen und verraten – scheinbar – vieles über Mentalität, Kultur und Religion ihres Trägers oder ihrer Trägerin. Kopfbedeckungen stehen daher nicht für sich selbst. Sie sind immer abhängig vom Träger oder der Trägerin und davon, wie sie gesellschaftlich dekodiert werden. Sie sind mehrschichtig, verweisen jedoch immer auf das Wechselspiel zwischen Macht und Identität. Die Ausstellung spürt der Symbolhaftigkeit von Kopfbedeckungen in der Wiener Geschichte von 1848 bis heute anhand von fünf Themen nach, bei denen es „um den Kopf
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ging“. Dabei werden die Geschichten der TrägerInnen mit einzelnen „Hutgeschichten“ verwoben, die Kopfbedeckungen also eingebettet in ihren jeweiligen Kontext. Damit lässt sich, so unsere These, eine Sozialgeschichte Wiens anhand von Kopfbedeckungen erzählen. Denn Kopfbedeckungen stehen immer sowohl für Stand und Uniformität als auch für Individualität – also gleichsam für gesellschaftliche wie persönliche Identität. HUT AUF! – Politische Köpfe thematisiert zum einen den Machtanspruch, der politischen Kopfbedeckungen inhärent ist. Herrscher haben andere Kopfbedeckungen als Beherrschte, Revolutionäre andere als die Reaktion. Kopfbedeckungen lassen auf den ersten Blick erahnen, welcher politischen Richtung die/der jeweilig/e TrägerIn zuzuordnen ist. Die Bedeutungsverschiebungen der einzelnen Kopfbedeckungen werden ebenso erzählt wie die Politik mit Kopfbedeckungen. Das Kapitel spürt zum anderen aber auch selbstbestimmten Formen der politischen Identitätsfindung und des Widerstands nach. HUT AB? – Kopfsache Emanzipation erzählt Emanzipationsgeschichten anhand von unterschiedlichen Kopfbedeckungen und ihrer Trägerinnen. Da sind etwa die Kämpferinnen für Frauenrechte, es kommen jedoch auch Tänzerinnen und Schönheitsköniginnen, feministische Musliminnen und Literatinnen zu Wort. Dabei gilt es, anhand der Kopfbedeckungen zu zeigen, welches Emanzipationsverständnis die einzelne Trägerin hatte und wie sie dieses nach außen trug. „Aneignung“ und „Selbstbestimmung“ sind nicht nur Schlagworte der Emanzipationsbewegung, sondern auch Begriffe, die sich mit konkreten Kopfbedeckungen verbinden lassen. HÜTE DICH! – Religion auf den Köpfen geht von den religiösen Vorschriften aus und untersucht, wer, wann, welche Kopfbedeckung tragen musste, um die Religionsgesetze zu befolgen. Während die Bedeckung des Kopfes für Frauen vorgeschrieben ist, ist sie für Männer Brauch und Tradition. Der normativen Ebene werden Kopfbedeckungen einzelner Menschen der verschiedensten Religionen gegenübergestellt und damit auf ein oft flexibel gestaltetes Verhältnis von Norm und Praxis verwiesen. Weil religiöse Kopfbedeckungen auch von außen als Identität prägendes Zeichen wahrgenommen werden, wecken sie oft unterschiedliche Emotionen und Vorurteile, die mit dem Selbstbild des Trägers oder der Trägerin nicht übereinstimmen müssen. ALTER HUT, NEUER HUT – Verkopfte Identitäten zeigt anhand von Kopfbedeckungen aus der vergangenen und gegenwärtigen Wiener Stadtgesellschaft, wo ständische Ordnung damals wie heute am Kopf abzulesen war und