Wien Museum Ausstellungskatalog „Angelo Soliman - Ein Afrikaner in Wien“

Page 7

ZUR AUSSTELLUNG

Wolfgang Kos

Briefmarke aus Freimaurer-Serie, 2006 Wien Museum

Im Schatten der Erinnerung

Eine Briefmarke mit Angelo Soliman mit der Aufschrift Österreich – quasi eine posthume Einbürgerung eines Sklaven aus Afrika, den das Schicksal ins ferne Wien verschlagen hat, wo er in der High Society ebenso verkehrte wie in der ärmlichen Vorstadt. Geehrt wird ein Mann, dessen Körper einst mit hochamtlichem Bescheid geschändet wurde. Die Marke kam 2006 heraus, in einer Serie zum Thema Freimaurer. Als Stars traten dabei Mozart und Soliman auf. Anlass war das Mozartjahr, das auch für das 18. Jahrhundert außergewöhnliche Nebenfiguren ins Scheinwerferlicht rückte. Und damit auch diesen eleganten, orientalisch kostümierten Wiener aus Afrika, dem nach seinem Verkauf nach Europa der christliche Name Angelo übergestülpt worden war. Eine auf Briefmarken übliche Berufsbezeichnung wie „Mathematiker“ oder „Komponist“ fehlt. Doch was hätte man hinschreiben sollen? „Hofmohr“? „Kammerdiener“? „Assistent“ hoher Herren? „Bekannter von Mozart“? Oder gar: „nach seinem Tod ausgestopft“? Groß ist die Diskrepanz zwischen dem stolzen, edlen Konterfei und den makabren Assoziationen, die der Name Soliman auslöst. Fragt man in Wien herum, ist man überrascht, wie präsent dieser ist und wie viele Zipfel Halbwissen umhergeistern, zumeist versetzt mit einem Anflug von Gruseln. Denn Angelo Soliman verdankt seine Aufnahme in die hall of fame der Wiener Stadtmythologie (Unterabteilung: Schattenreich) vor allem jenen grässlichen, makabren Geschehnissen, die sein faszinierendes Leben posthum überschattet haben – der Schändung seines Leichnams, der dann als Stopfpräparat nach Art eines Tieres im kaiserlichen Naturalienkabinett zur Schau gestellt wurde.

Fremdbestimmung und Emanzipation

Ein zwangseuropäisierter Afrikaner mit außergewöhnlicher Karriere im aufgeklärten Wien wurde also wieder zum halbnackten „Wilden“ degradiert: Auf dem Weg aus Afrika ins Habsburgerreich war Soliman Objekt und Handelsware, dann Rollenspieler und Subjekt, so weit das einem schwarzen Dienstboten hoher Aristokraten möglich war, und schließlich ein geachteter Privatier mit Haus, Familie und Rente. Nach dem Tod als „Museumsmumie“ dann wieder entwürdigtes Objekt. Und in den 200 Jahren seither Objekt von abstrusen und verklärenden Imaginationen. Manchmal respektvoll, oft aber voyeuristisch. Doch die Zeit ist vorbei, in der Angelo Soliman vor allem als Kuriosum gesehen wurde. Endlich setzte solide wissenschaftliche Forschung ein, um die erstaunliche Lebensgeschichte eines Zwangseuropäers neu zu befragen, die ohne konsequente Anpassung nicht möglich gewesen wäre. Solimans Biografie kann als die eines geglückten Migrantenlebens bewertet werden, aber nur, wenn Sklaverei und Unterdrückung mitgedacht werden. Denn Exotismus und höfische Kultur, vormoderner Rassismus 7

Zur Ausstellung


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Wien Museum Ausstellungskatalog „Angelo Soliman - Ein Afrikaner in Wien“ by Wien Museum - Issuu