Wien Museum Ausstellungskatalog „Angelo Soliman - Ein Afrikaner in Wien“

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4.2.9 Soliman neben der Kutsche von Fürst Liechtenstein, Detail aus: Einzug der Prinzessin Isabella von Parma als Braut Josephs II. in Wien, 1760 Martin van Meytens (Werkstatt), Wien, Bundesmobilienverwaltung, MD 040078

Angelo Soliman – Ein Afrikaner in Wien

Der Raum, der sich mit der Schaustellung beschäftigt, bricht mit der klaren und kühlen Ästhetik der bisherigen Exponate und stellt einen Kasten wie den, in dem sich Solimans präparierte Haut befand, vor einem gemalten Landschaftspanorama dar. Besucherinnen und Besucher treten plötzlich in einen Museumsraum um 1797. Schon der ästhetische Bruch soll deutlich machen, dass hier etwas Außergewöhnliches und Groteskes geschehen ist. Das Ensemble ist der historischen Beschreibung des Museumsraumes so eng wie möglich nachempfunden. Der Schrank selbst ist eine imaginative Rekonstruktion des Umgangs mit einem Menschen, der posthum zum bloßen Träger von exotischen und entwürdigenden Accessoires herabgewürdigt wurde. Um diese brutale Transformation deutlich zu machen, ist innerhalb des Kastens die Ausstaffierung des „wilden Mannes“ – Federkrone, Federrock, Kette, Arm- und Beinschmuck – in den leeren Raum montiert. Das Individuum Angelo Soliman ist verschwunden und durch eine exotische Fantasie ersetzt worden, die dem Menschen jede Persönlichkeit nimmt. Ein wichtiger weiterer Aspekt in diesem Kapitel beschäftigt sich mit dem erfolglosen Kampf von Solimans Tochter Josephine, die Haut ihres Vaters zurückzubekommen und begraben zu können. „Soliman nach Soliman“ heißt das folgende Kapitel, das den kulturellen Spuren des ehemaligen „Hofmohren“ in Wien nachgeht, von der erbaulichen Anekdote in Pichlers Darstellung bis zur zeitgenössischen Rassismus-Kritik. Die Perspektive wird im Folgenden erweitert, um allgemeiner auf Afrika-Klischees in der Wiener Alltagskultur von 1800 bis heute einzugehen. Eine Videoinstallation mit dem Titel „Wien, 2011“ lässt Afrikanerinnen und Afrikaner, die heute in Wien leben, vor dem Hintergrund aktueller Erfahrungen über Solimans Geschichte und die Lebensmöglichkeiten in einem immer stärker kosmopolitisch werdenden Wien reflektieren – auch um deutlich zu machen, dass eine Geschichte wie die Angelo Solimans in einer von Migrationsdebatten und gesellschaftlichem Wandel geprägten Zeit nicht als eine rein historische angesehen werden kann. Wenn Solimans Leben und Nachleben in der heutigen Zeit eine Bedeutung haben, dann muss es auch eine soziale und politische sein. Für einen Historiker, der seine Arbeit normalerweise allein und im sprichwörtlichen stillen Kämmerlein tut, ist es eine außerordentlich bereichernde Erfahrung, gemeinsam mit einem ganzen Team zu arbeiten und ein Buch gewissermaßen in 3D zu schreiben. Mein Dank geht an Wolfgang Kos, der aus einem KaffeehausGespräch heraus spontan die Gelegenheit ergriff, mich als Gastkurator einzuladen. Er begleitete das Projekt mit enormer Energie, Erfahrung, freundschaftlicher Unterstützung und Begeisterung. 2 2

4.1.7 Ein „Läufer“, Detail aus: Die Hofkriegskanzlei und Garnisonskirche Am Hof, 1780 Carl Schütz Wien Museum

Mit Eva-Maria Orosz als Co-Kuratorin konkretisierten sich die Inhalte, im kuratorischen Austausch mit dem Team des Wien Museums wurden sie in ausstellbare Realität übersetzt. Nennen möchte ich auch Werner Schwarz und Walter Öhlinger, der den Katalog koordinierte. Isabelle Exinger in der Produktion und ein Team von Registraren machten es möglich, den Träumen von Objekten auch Taten folgen zu lassen. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses halfen durch kollegiale Hilfe und persönlichen Einsatz, dieses Projekt zu realisieren. Luigi Blau und Fartak Khatibi machten aus abstrakten Plänen begehbare architektonische Wirklichkeit, Hannelore und Andreas Haller machten aus dem Katalog ein Kunstwerk. Auch Ansprechpartner in anderen Museen und Sammlungen, Katalogautoren, großzügige Freunde und kluge Gesprächspartner halfen, Soliman in Wien eine neue und vielschichtige Präsenz zu geben. Ihnen wird am Ende des Katalogs eine kleine Hommage erwiesen. Besonders hervorheben will ich Walter Sauer, Barbara CoudenhoveKalergi, Werner Hanak, Franz Koessler und Chibo Onyeji. Meinen besonders tiefen Dank verdient Veronica Buckley, meine Frau, ohne deren historisches Wissen, konzeptuelle Einsichten, dauernde Ermutigung, Liebe und Geduld ich dieses Projekt nicht bewältigt hätte. Philipp Blom, Wien am 26. August 2011

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solimans Körper, Angelos Geist


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