Börsianer 43. Ausgabe, Q2 2021

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FINANZPLATZ KONJUNKTUR

W

egen des von der Corona-Pan-

war im Vorjahr im Würgegriff der Shut-

den Euro. Vor allem Segmente der Tou-

demie ausgelösten Konjunk-

downs. Im Schlussquartal waren die poli-

rismuswirtschaft und des Einzelhandels

turknicks

tischen Entscheidungen der ausschlagge-

verzeichnen enorme Einbußen. Der Tou-

bende Strukturtreiber.“

rismus hat einen Anteil von 7,3 Prozent

steht

Österreich

schlecht da. Das Austro-BIP ist im vierten Quartal 2020 im Vergleich zum Vor-

an Österreichs Wirtschaftsleistung. Je-

quartal laut Eurostat um 2,7 Prozent ge-

Geringe Effizienz

der 14. verdiente Euro hat also einen Be-

schrumpft. Peter Brezinschek, Chefana-

Die Krise verursache bei Unternehmen

zug zum Tourismus.“ Für Harald Ober-

lyst der Raiffeisen Bank International AG

große Erlösausfälle und damit Verlus-

hofer, VWL-Professor an der WU Wien

(RBI): „Österreich war damit europaweit

te, sagt Christian Keuschnigg, Leiter des

und Ökonom am Wirtschaftsforschungs­

nur Vorletzter. In den EU 27 war nur Ir-

Wirtschaftspolitischen Zentrums (WPZ)

institut (Wifo), waren die Lockdowns das

land mit minus 5,1 Prozent schlechter.“

Wien: „Mit weniger Eigenkapital sind

Zünglein an der Waage: „Die Notwendig-

Auch im Gesamtjahr 2020 kam Öster-

Unternehmen weniger widerstandsfähig.

keit von vergleichsweise langen und re-

reich nicht gut weg und lag laut Euro­stat-

Das dürfte die politischen Maßnahmen

striktiven Lockdown-Maßnahmen hat

Zahlen vom 16. März 2021 mit einem BIP-

für die Krisenbekämpfung für Österreich

zum starken Einbruch der Wirtschaft

Minus von 6,6 Prozent unter den 27 EU-

eher teurer und weniger erfolgreich ma-

maßgeblich beigetragen.“

Staaten im unteren Drittel. Aber warum

chen.“ Markus Marterbauer, Leiter Wirt-

Die Experten haben viele gute Ideen,

entwickelt sich die Wirtschaft hierzulan-

schaftswissenschaft und Statistik der Ar-

die Österreich zu neuer Stärke verhel-

de schaumgebremst? Was ist nötig, um

beiterkammer (AK) Wien meint indes,

fen können. RBI-Chefanalyst Brezin-

das Werkel wieder zum Laufen zu brin-

dass Subventionen von Bund, Land, Kom-

schek: „Es ist entscheidend, Unterneh-

gen? Antworten auf diese Fragen geben

munen oder Sozialversicherung zu stark

men und Arbeitnehmern Perspektiven

von Börsianer befragte Experten.

in den Tourismus geflossen sind: „Die

zu geben und geplante Öffnungsschritte

Gabriel Felbermayr, Präsident des Kie-

Bewältigung der Pandemie in der zweiten

nicht vom Zeitpunkt, sondern vom Ab-

ler Instituts für Weltwirtschaft IFW: „Als

Welle im Herbst 2020 war relativ schlecht.

lauf her zu kommunizieren. Damit kann

erster und quantitativ wichtigster Punkt

Die Effizienz der Hilfsmaßnahmen war

Vertrauen und Zuversicht aufgebaut wer-

ist die sektorale Aufstellung Österreichs

gering, weil das Interesse starker Lobbys

den. Jetzt besteht die Chance, viel über

zu nennen. Gerade die von Schließungen

im Mittelpunkt stand.“

Transferleistungen hinaus zu bewegen.

besonders negativ betroffenen Sektoren

Stefan Bruckbauer, Chefökonom der

Das ist über Investitionsanreize, Unter-

haben in Österreich besonders hohe An-

Unicredit Bank Austria AG, verweist auf

stützung bei Innovationen und Digitali-

teile am BIP und an der Beschäftigung, al-

Unterschiede zu Deutschland: „Öster-

sierung, einen Strukturwandel oder auch

len voran der Tourismus- und der Kultur-

reich erzielt 15 Prozent der Wirtschafts-

mit dem Fokus auf die Bekämpfung des

bereich.“ Die Branchen, die in der zweiten

leistung mit Gastronomie, Beherber-

Klimawandels möglich. Darüber hinaus

Welle laut Felbermayr sehr gut gelaufen

gung, Einzelhandel und Verkehr. In

ist der Faktor Arbeit zu entlasten und die

seien, dazu zählen vor allem die Industrie

Deutschland sind es nicht einmal zehn

Armutsbekämpfung über Ausbildungs­

und das Baugewerbe, seien in Österreich

Prozent. Besonders Gastronomie und

offensive ernst zu nehmen. Bei vie-

im Vergleich mit Deutschland merklich

Beherbergung mit fast 5,5 Prozent BIP-

len Reglementierungen, die Investitio-

schwächer ausgeprägt. Felbermayr: „Ab

Anteil in Österreich und nur 1,6 Prozent

nen erschweren oder verhindern, ist eine

Mitte Oktober waren die Eindämmungs-

in Deutschland macht sich negativ be-

Entrümpelung nötig, um einen Investi­

maßnahmen in Österreich härter als etwa

merkbar. Die Industrie überstand die

tionsschub auszulösen, der nicht von öf-

in Deutschland. Das hat die Wirtschaft und

Lage besser als in Deutschland. Der In-

fentlichem Geld getragen ist.“

speziell soziale Dienstleister belastet.“

dustrieoutput sank in Österreich 2020

Ähnlich denkt Monika Köppl-Turyna,

um 5,6 Prozent, in Deutschland waren es

Arbeitsmarkt belastet

Direk­ torin des Wirtschaftsforschungs­

10,6 Prozent.“

Für IFW-Kiel-Präsident Felbermayr ist kurzfristig die „Beherrschung der Pan-

instituts Eco Austria: „Der Tourismus hat einen hohen Anteil an der Wertschöp-

Tourismus und Einzelhandel

demie trivialerweise am wichtigsten.

fung. Das dürfte für die ersten drei Quar-

Wie groß der Schaden ist, skizziert Chris-

Dennoch kann auch nach dem Abflauen

tale 2020 etwa zwei Drittel des BIP-Rück-

tian Helmenstein, Chefökonom der In-

der Pandemie der Rückprall beim BIP in

gangs erklären. Zweitens ist die Variation

dustriellenvereinigung: „Die wirtschaft-

Österreich stärker ausfallen als anders-

zwischen den EU-Ländern durch die In-

lichen Schäden lagen in Österreich, ge-

wo. Das haben wir bereits nach der ers-

tensität der Lockdowns erklärbar. Insbe-

messen an entgangener Wertschöpfung,

ten Welle erlebt.“ Felbermayr geht da-

sondere im vierten Quartal setzte Öster-

also an jenem Betrag, der zur Entloh-

von aus, dass Österreich mittelfristig mit

reich strengere Maßnahmen.“ Ins gleiche

nung aller Produktionsfaktoren aufge-

einer höheren Belastung auf dem Ar-

Horn stößt Brezinschek: „Die Konjunktur

wendet wird, im Vorjahr über 30 Milliar-

beitsmarkt kämpfen wird: „Auf lange

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