Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

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WELTERNÄHRUNG DIE ZEITUNG DER WELTHUNGERHILFE

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3. QUARTAL 2010 | 39. JAHRGANG

ECUADOR

DOSSIER

Die Flutkatastrophe wird Pakistan noch viele Jahre belasten.

Private und öffentliche Gelder schützen einen Nationalpark vor der Erdölausbeutung.

Professor Michael Krawinkel erläutert, warum eine ausgewogene Kinderernährung eine zentrale Aufgabe der Entwicklungspolitik ist.

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© privat

PAKISTAN

WELTHUNGERHILFE AKTUELL

Bundespräsident als Schirmherr

© Welthungerhilfe

BERLIN | Auch der neue Bundespräsident Christian Wulff hat die Schirmherrschaft über die Welthungerhilfe übernommen und setzt damit die Tradition seiner Amtsvorgänger fort. Bärbel Dieckmann, Präsidentin, und Wolfgang Jamann, Generalsekretär der Welthungerhilfe, danken dem Bundespräsidenten herzlich für die Übernahme der Schirmherrschaft: »Wir freuen uns, mit dem neuen Bundespräsidenten Christian Wulff einen idealen Unterstützer dafür gefunden zu haben, unsere Arbeit in unserer Gesellschaft noch bekannter und anerkannter zu machen und noch mehr Menschen für die Überwindung von Hunger und Armut zu mobilisieren. Deshalb freuen wir uns sehr auf die Zusammenarbeit.« pas

EINE CHANCE GEGEN DEN HUNGER: Nur eine ausreichende Ernährung in den ersten 1000 Lebenstagen ermöglicht eine gesunde Entwicklung – ein ganzes Leben lang.

Kinder brauchen gutes Essen Die Welthungerhilfe und das US-Forschungsinstitut IFPRI stellen gemeinsam den Welthunger-Index 2010 vor Die Ernährung von Kindern innerhalb der ersten 1000 Tage ist entscheidend für die weitere Entwicklung und den künftigen Lebensweg. Dies ist die zentrale Botschaft des Welthunger-Indexes 2010, den die Welthungerhilfe gemeinsam mit dem Internationalen Forschungsinstitut für Agrarund Ernährungspolitik (IFPRI) am 11. Oktober in Berlin vorstellte.

Von Bärbel Dieckmann

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er Kampf gegen die Unterernährung von Kindern in Entwicklungsländern ist ein zentraler Faktor für die Reduzierung des weltweiten Hungerproblems. Neue Erkenntnisse zeigen, dass es dabei vor allem auf eine gesunde Ernährung innerhalb eines entscheidenden Zeitfensters von gerade einmal 1000 Tagen ankommt. Dieses umfasst die Phase von der Empfängnis bis zum zweiten Geburtstag eines Kleinkindes. Warum sind ausgerechnet diese ersten 1000 Tage für den weiteren Lebensweg so entscheidend? Kinder, die bereits in dieser intensiven Wachstumsphase an Mangelernährung leiden, besuchen weniger lange und erfolgreich die Schule, verdienen als Erwachsene weniger und haben insgesamt eine geringere Lebenserwartung. Physische und kognitive Schäden, die durch Unterernährung innerhalb dieses Zeitraumes ausgelöst werden, können späterhin meist nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zudem bekommen Frauen, die als Kind unter Mangelernährung gelitten haben, später selbst oft Kinder mit einem zu niedrigen Geburtsgewicht. Der Teufelskreis der Unterernährung setzt

sich so über Generationen fort. Das Problem der frühkindlichen Unterernährung ist dabei nicht gleichmäßig über den Globus verteilt, sondern konzentriert sich auf wenige Länder und Regionen. Über 90 Prozent der Kinder, die für ihr Alter eine zu geringe Körpergröße aufweisen (ein Anzeichen für chronische Unterernährung), sind in Afrika und Asien beheimatet. In Indien allein leben 42 Prozent aller unterernährten Kinder weltweit. Doch gibt es auch positive Beispiele bei der Bekämpfung von frühkindlicher Unterernährung: In Thailand

Arbeit der Welthungerhilfe. In vielen Projekten steht die Ernährungssituation von Kindern und Frauen im Fokus, wie zum Beispiel in Mali. Hier sollen durch ein Vierjahresprogramm bis 2011 etwa 125 000 Menschen erreicht werden. Die ersten Erfolge sind in den Dörfern bereits sichtbar. Es gibt weniger unterernährte Kinder, die Frauen stillen ihre Kinder länger und sowohl die Gesundheit der Mütter als auch die der Kinder hat sich verbessert. Doch trotz dieser positiven Beispiele sind weltweit noch immer Millionen von Kindern auf der ganzen

Mehr zum Thema Der Welthunger-Index wird seit 2006 gemeinsam mit dem Washingtoner Forschungsinstitut IFPRI und der irischen Nichtregierungsorganisation Concern Worldwide herausgegeben. Sie erhalten den Bericht unter Telefon: (0228) 22 88-134 oder als Download unter www.welthunger-index.de.

beispielsweise konnte in den 1980erJahren die Fehlernährung bei Kindern um die Hälfte von 50 auf 25 Prozent gesenkt werden. Der gezielte Einsatz von Ernährungsprogrammen durch die Regierung, die Einrichtung eines weitreichenden Netzes von freiwilligen Helfern sowie der verbesserte Zugang zu Gesundheitsvorsorge, Abwasserentsorgung und sanitären Einrichtungen waren zentrale Säulen dieses Erfolgs. Die Bekämpfung von Hunger und Armut ist das zentrale Anliegen in der

Welt tagtäglich Unterernährung und Hunger ausgesetzt. Diese Situation muss sich ändern. Daran arbeitet die Welthungerhilfe in ihren Projekten jeden Tag (siehe auch Seite 2 und Dossier auf Seite 9 bis 12).

Transparente Zivilgesellschaft BONN | Die Welthungerhilfe als eine der größten nationalen Hilfsorganisationen beteiligt sich an der Initiative Transparente Zivilgesellschaft. Ziel dieser Initiative ist es, ein möglichst breites Aktionsbündnis innerhalb der Zivilgesellschaft herzustellen, das sich auf die wesentlichen Parameter für effektive Transparenz einigt. Die Unterzeichner verpflichten sich, zehn präzise benannte, relevante Informationen über ihre Organisation der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Welthungerhilfe kommt dieser Forderung auf folgender Internetseite nach: www.welthungerhilfe.de/transparente-zivilgesellschaft.html pas

Godesberger Gespräch: Das Maß des Glücks BONN | Immer mehr materieller Wohlstand macht die Menschen kaum glücklicher. Zudem lässt sich Wachstum oft nur auf Kosten anderer Gesellschaften und der Umwelt erzielen. Diese beiden zentralen Botschaften vermittelte der Volkswirt und Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel bei dem diesjährigen Godesberger Gespräch Ende September in Bonn. Unter der Moderation von Mirjam Gehrke (Deutsche Welle) machte er sich zusammen mit Karma Ura, Präsident des »Center for Bhutan Studies«, Bhutan, auf die Suche nach Alternativen zum Wachstumsdenken. Karma Ura stellte das Konzept des »Bruttonationalglücks« vor, das bereits in den siebziger Jahren von der bhutanesischen Regierung entwickelt und in der Verfassung verankert wurde. pas

Bärbel Dieckmann ist Präsidentin der Welthungerhilfe.

Weitere Informationen: www.welthungerhilfe.de/ whi2010.html

ONLINE SPENDEN: www.welthungerhilfe.de


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WELTERNÄHRUNG

NACHRICHTEN

3. Quartal 2010

KURZ NOTIERT

Infos aus Krisengebieten WELTWEIT | Mit der Internetseite »Channel 16« liefert ein internationales Netzwerk von unabhängigen Bloggern Informationen aus Krisengebieten, die in den Medien sonst kaum auftauchen. Aktuell finden sich zum Beispiel viele Informationen über die Flutkatastrophe in Pakistan. Alle Nachrichten der Seite lassen sich mit einem einfachen Klick über Twitter oder Facebook verbreiten. Bisher ist das Projekt nur in englischer, französischer und spanischer Sprache verfügbar. »Channel 16« ist nach einem internationalen Notrufkanal benannt. Das Projekt wird durch die Unterstützung von internationalen Nichtregierungsorganisationen ermöglicht. Wer sich selbst in einem Krisengebiet aufhält, kann eigene Berichte direkt auf die Webseite hochladen. Mehr Infos: www.ch16.org cas

WELTHUNGER-INDEX 2010 NACH SCHWEREGRAD ≥ 30,0 (gravierend) 20,0 bis 29,9 (sehr ernst) 10,0 bis 19,9 (ernst) 5,0 bis 9,9 (mäßig) ≤ 4,9 (wenig) Keine Angaben Industrieland

Probleme besser verstehen BERLIN | Die Zukunft unserer Welt wird von zahlreichen Herausforderungen bestimmt: Rohstoffe und Energie werden knapp, Umweltprobleme nehmen zu, und der Hunger wächst. Keiner dieser Prozesse vollzieht sich isoliert. Sie hängen alle miteinander zusammen. Um die Komplexität verstehen zu lernen, hat das Entwicklungsministerium BMZ den Wettbewerb vernetzte-er.de ausgeschrieben, an dem sich Schulen im Schuljahr 2010/11 beteiligen können. Mehr Infos: www.vernetzte-er.de cas

Eritrea Tschad Demokratische Republik Kongo

Burundi

Rechte weltweit einfordern BONN | In einer neuen Ausgabe ist das Handbuch »How to File Complaints in Human Rights Violations« erschienen, das von der Deutschen UNESCOKommission und der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen herausgegeben wird. Es informiert über die Menschenrechtsverfahren der Vereinten Nationen und anderer Organisationen. Dazu bietet es Formblätter für Beschwerden und Hinweise für die Menschenrechtsarbeit. Die Publikation in englischer Sprache klärt auf, wie Nichtregierungsorganisationen, Einzelpersonen und Opfer bei Menschenrechtsverletzungen verfahren können. Mehr Infos: www.unesco.de/c_humanrights/ cas

Anmerkung: Die Daten über den Anteil der Unterernährten für den WHI 2010 stammen aus den Jahren 2004–2006, die Daten zu untergewichtigen Kindern aus dem letzten Jahr im Zeitraum 2003–2008, für das Daten verfügbar waren, und die Daten zur Kindersterblichkeit aus dem Jahr 2008. Quelle: Welthunger-Index 2010

Hunger bleibt katastrophal Laut FAO ist die Zahl der Hungernden zwar gesunken. Mit 925 Millionen ist sie aber weiterhin erschreckend hoch

Deutschland hilft mehr BERLIN | Die Bundesregierung hat ihr Engagement im Bereich der humanitären Hilfe in den Jahren 2006 bis 2009 deutlich gestärkt. Das berichtete sie Anfang August dem Bundestag. Das Volumen der finanziellen Leistungen sei gestiegen. Doch »trotz aller Erfolge« stellt die Bundesregierung auch fest, dass die aus öffentlichen Mitteln gewährte humanitäre Hilfe aus Deutschland im internationalen Vergleich noch gering sei. Mehr Infos: http://dip21. bundestag.de/dip21/btd/17/027/1702725.pdf cas

INHALT 1 Titel Welthunger-Index 2010 2 Nachrichten 3 Reportage Wasserkraftwerke am Horn von Afrika geben den Menschen Hoffnung 4 Partner & Projekte Die Folgen der Flutkatastrophe werden Pakistan noch Jahre hemmen 5 Fotoreportage Als die Flut kam 6 Partner & Projekte In Ruanda macht die Welthungerhilfe ehemalige Sümpfe urbar 7 Kontrovers Zur Selbstbestimmung der Völker führen viele Wege 8 Partner & Projekte In Tadschikistan investiert die Welthungerhilfe in Lehmöfen 9 Dossier Frühkindliche Mangelernährung 13 Ecuador Schutz des Regenwaldes contra Interessen der Erdölindustrie 14 Medien & Informationen 16 Unterhaltung

WELTHUNGER-INDEX | Mit den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs) hatte sich die internationale Staatengemeinschaft im Jahr 2000 das Ziel gesetzt, unter anderem den Anteil der hungernden Menschen in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Auf dem Weltarmutsgipfel in New York vom 20. bis 22. September dieses Jahres wurde nach dem Verstreichen von zwei Dritteln dieser Frist eine Zwischenbilanz gezogen. Dabei wurde deutlich, dass dieses Ziel trotz bereits erreichter Fortschritte noch immer in weiter Ferne liegt. Zusätzlich wurden bereits errungene Erfolge stellenweise durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise wieder zunichtegemacht.

Situation ist dramatisch Die neuesten Schätzungen der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) gehen zwar davon aus, dass die Anzahl der Hungernden im Jahr 2010 auf 925 Millionen gesunken ist, nachdem sie ein Jahr zuvor die Milliardengrenze überschritten hatte. Doch trotz des positiven Trends bleibt die Zahl der Hungernden erschreckend und inakzeptabel hoch, denn noch immer hat mehr als jeder siebte Mensch jeden Tag nicht ausreichend zu essen. Der überwiegende Großteil der Menschen, die ihren täglichen Kalorienbedarf nicht decken können, lebt in Entwicklungsländern. Die größte

Anzahl hungernder Menschen ist dabei mit 578 Millionen in der Region Asien und Pazifik beheimatet, gefolgt von Afrika südlich der Sahara mit 239 Millionen Hungernden. Über 70 Prozent der Menschen, die von umgerechnet weniger als einem USDollar täglich leben und damit extremer Armut ausgesetzt sind, stammt aus ländlichen Gebieten. Zwei Drittel aller unterernährten Menschen weltweit sind in gerade einmal sieben Ländern beheimatet – Bangladesch, China, der Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien, Indien, Indonesien und Pakistan. Der Anteil der Hungernden an der Bevölkerung bleibt mit 30 Prozent im Jahr 2010 weiterhin in Afrika südlich der Sahara am höchsten. Wie die Karte des aktuellen Welthunger-Indexes (WHI) auf einen Blick erkennen lässt, befinden sich alle Länder, in denen gravierender Hunger herrscht, in Afrika südlich der Sahara. Zu diesen Ländern gehören die Demokratische Republik Kongo, Burundi, Eritrea und der Tschad, wobei die Demokratische Republik Kongo den mit Abstand schlechtesten Wert aufweist. Langwierige Bürgerkriege und Konflikte haben dort zu wirtschaftlichem Zusammenbruch, Vertreibung und einer chronischen Ernährungsunsicherheit geführt. Eine geringe Lebensmittelproduktion sowie die desolate Infrastruktur erschweren zudem den Zugang der Bevölkerung zu Nahrungsmitteln.

Außerhalb Afrikas ist Haiti das Land mit den schlechtesten WHI-Werten, und das, obwohl das dramatische Erdbeben Anfang des Jahres 2010, bei dem mehr als 250 000 Menschen ihr Leben verloren und über eine Million obdachlos wurden, nicht mit in die Berechnungen des Welthunger-Indexes 2010 eingeflossen ist. Doch bereits vor dieser verheerenden Naturkatastrophe war das Land schon Faktoren wie politischer Instabilität, schlechter Regierungsführung und unzureichender sozialer Sicherung ausgesetzt, die sowohl Hunger als auch Armut verstärken.

Erfolge in Malaysia Es gibt jedoch auch Länder, die ihren Welthunger-Index-Wert innerhalb der letzten 20 Jahre bedeutend reduzieren konnten. Eines jener Länder ist Malaysia, wo diese Verbesserung einerseits zwar auf das rasante wirtschaftliche Wachstum, aber andererseits vor allem auf gezielte Maßnahmen der Regierung und anderer Organisationen speziell für Frauen und Kinder zurückzuführen ist. Ernährung und Gesundheit waren schon immer Prioritäten der Regierung, und in der jüngsten Vergangenheit hat das Land zudem umfassende nationale Ernährungsprogramme umgesetzt. Eine Bevölkerungsgruppe ist innerhalb der Hungernden besonders gefährdet – die der Kleinkinder, die

in der intensiven Wachstumsphase bis zum Alter von zwei Jahren einen besonders hohen Bedarf an Nährstoffen haben und speziellen Schutz benötigen. Innerhalb eines entscheidenden Zeitraums von gerade einmal 1000 Tagen ist es von besonderer Bedeutung, dass Kinder gesund und ausgewogen ernährt werden und einen ausreichenden Zugang zu gesundheitlicher Vorsorge haben sowie unter hygienischen Bedingungen mit sanitären Einrichtungen leben. Laut neuesten Untersuchungen des Fachmagazins Lancet sind im letzten Jahr zwar dank medizinischer Hilfe und besserer Ausbildung von Mädchen und Frauen weltweit 4,2 Millionen weniger Kinder unter fünf Jahren gestorben als 1990. Dennoch wurden 2009 in dieser Altersgruppe noch immer 8,1 Millionen Todesopfer verzeichnet – mehr als 22 000 Kinder jeden Tag. Noch ist es nicht zu spät, um die Millenniumsentwicklungsziele innerhalb der vorgegebenen Frist zu erreichen. Doch müssen hierzu die internationale Staatengemeinschaft und alle übrigen Akteure ihre Anstrengungen vervielfachen und bereits gegebene Versprechen und Zusagen endlich wirksam umsetzen. Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie auf Seite 1 und im Dossier (Seite 9 bis 12). Nina Wünsche ist Mitarbeiterin der Welthungerhilfe in Bonn.


REPORTAGE

3. Quartal 2010

WELTERNÄHRUNG

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Kraft schöpfen aus dem Blauen Nil Energieerzeugung, Tourismus und Neuerungen in der Landwirtschaft geben dem Hungerland starke Impulse In der einst von Hunger geprägten Region am Horn von Afrika geht es voran: Wasserkraftwerke sind die neue Hoffnung Äthiopiens – und der wachsende Tourismus signalisiert, dass sich das Land langsam der Welt öffnet. Die Regierung möchte, dass die Bevölkerung direkt vom Fremdenverkehr profitiert.

BESSER VERSORGT: Viele Äthiopier wissen noch, was Hunger ist. Dass die Einkommen langsam steigen, ist einer Reihe wichtiger Eigeninitiativen zu verdanken.

LÄNDERINFORMATION

Von Gabriela Greess

Unschätzbare Hochkultur

M

Nordatlantischer Ozean

© Greess (2)

aschinen für den Straßenbau sind hier noch in weiter Ferne: In Lalibela, der alten Königsstadt, sieht man Männer wie Frauen beim Steineklopfen, nur ein paar Minuten entfernt von den mystischen Felsenkirchen, die als Weltkulturerbe Touristen aus aller Welt anziehen. »Die Äthiopier sind in ihrem Land noch selbst die Denkfabriken, sie initiieren Projekte wie dieses aus eigener Kraft«, betont Sven Nicolas. Der Berliner Ethnologe lebt und arbeitet seit mehreren Jahren im Land: »Das sind sinnvolle Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung für wenig qualifizierte Äthiopier; schlammige Verkehrswege, einst Brutstätten für Malaria, werden so im ganzen Land trockengelegt.« Der Straßenbau ist ein Zeichen für den kollektiven Fortschritt des Landes, genauso wie die Eisenarmaturen in vielen Dörfern, die auf den Bau neuer Brunnen hinweisen. Noch sieht man entlang der Straßen viele Menschen, die 20-Liter-Kanister von weit entfernten Wasserstellen nach Hause schleppen, genauso wie Karawanen strohbeladener Esel, an denen Lastwagen vorbeibrausen. Biblische und moderne Zeiten kreuzen sich in dem Land, in dem vielerorts ein tiefer orthodoxer Glaube noch das Leben bestimmt.

Der Energieexport wird möglich

HINA

LAOS

HAILAND

Als neue Ressource profitiert Äthiopien von seiner Wasserkraft und liegt dank dieser Energiequelle in Afrika mittlerweile mit ganz vorn. Zu verdanken ist dies den reichen Zuflüssen des Blauen Nils. Am 60 Kilometer langen Stausee Tegesse erspart jetzt ein riesiges Kraftwerk dem Land Stromsperren und ermöglicht sogar den Export großer Energiemengen. Dennoch gibt es in Äthiopien weiter Regionen wie im Nordosten, wo die Menschen jeden Tag mit der Wassernot zu kämpfen haben. Doch Südchin. im drittbevölkerungsreichsten Land AfriM eer kas hat man aus den Hungerkatastrophen der 70erund 80er-Jahre gelernt. In den betroffenen Gegenden und in großen Städten wurden Getreidelager angelegt. Seit über sechs Jahren hat sich so eine präventive Politik durchgesetzt. Der Staat kauft für diese Reserven Getreide zuerst lokal auf. Falls diese nicht ausreichen, werden Vorräte über das Ausland besorgt; zusätzliche Arsenale unterhalten Hilfsorganisationen in Kooperation mit der Regierung.

Denn weite Gebiete des bergigen Landes, das Doch Äthiopien ist auch ein Land mit einer unüber 82 Millionen Menschen zu ernähren hat, sind schätzbaren Hochkultur. In den alten Königsstädten für die Landwirtschaft nicht nutzbar. »Seit zwei MALI Jah- Lalibela und Gondar fließt über den Tourismus viel ren haben wir eine inflationäre Entwicklung beim Geld inNIGER die lokalen Kassen. Die Regierung ist sehr Getreidepreis«, betont Sven Nicolas. Ursache dafür daran interessiert, dass die Bevölkerung direkt vom BURKINA FASO Fremdenverkehr profitiert. Internationale Konzerne GUINEAdie von skrupellosen sind regional isolierte Märkte, BENIN Zwischenhändlern dominiert werden. Die verkaufen sind hier bisher wenig aktiv. Vom touristischen AufNIGERIA Sierra Leone das Grundnahrungsmittel mit einer ELFENBEINkünstlich auf- TOGO schwung zeugen in Lalibela bereits viele neu gebauKÜSTE immer te Hütten: Allein die Kirchen erwirtschaften mit ihgeblähten Teuerungsrate: undLIBERIA das in einem GHANA Porto noch bitterarmen Land, in dem Getreide ein Grund- ren Eintrittsgeldern hier stattliche Verdienste – und Novo nahrungsmittel ist. finanzieren viele Großfamilien. Die Weltbank will mit ihrem Agrarbörsenprojekt Atla n tis c h e r (www.ecx.com.et) die Basis für einen fairen Markt OzGabriela Greess ist freie Journalistin in München. ean schaffen. In einer der Kornkammern des Landes, Südatlantischer Ozean 50 Kilometer südlich der Hauptstadt Addis Abeba, sieht man auf einem zentralen Platz die Vorboten: Weitere Informationen unter: eine elektronische Infotafel, die Bauern über die lan- www.welthungerhilfe.de/hilfsprojektdesweiten Preise informiert. aethiopien-trinkwasser-sanitaeranlagen.html

Mit rund 77 Millionen Einwohnern und stetig wachsender Bevölkerung ist Äthiopien eins der bevölkerungsreichsten Länder Afrikas – aber auch eins der ärmsten. Im Human Development Index des UNDP rangiert Äthiopien auf Platz 171 von 182 Ländern. Die Lebenserwartung liegt bei knapp 55 Jahren, nur jeder Dritte über 15 Jahren kann lesen und schreiben. Fast 85 Prozent der Menschen leben auf dem Land, wo sie unter schlechter Infrastruktur und Trinkwassermangel leiden. Vor allem die immer wiederkehrenden Dürreperioden verursachen im Hochland Äthiopiens Hungersnöte. Dabei hat Äthiopien – das als einziges Land Afrikas nie kolonisiert wurde – landschaftlich und kulturell viel zu bieten. Die größten Flüsse Äthiopiens, darunter der Blaue Nil, entspringen im Hochgebirge; auch Wüsten und Sumpfgebiete gehören zum Landschaftsbild. Neben beeindruckenden Funden aus der Frühgeschichte der Menschheit birgt Äthiopien Schätze der christlichen und muslimischen Kultur: Die Felsenkirchen in Lalibela und die arabische Stadt Harar veranschaulichen die Geschichte der heutigen Bevölkerung, die zum Großteil aus Christen und zu einem Drittel aus Muslimen besteht.

JEMEN

ERITREA

SUDAN

Lalibela Addis Abeba

DSCHIBUTI SOMALIA

ÄTHIOPIEN

KENIA

WELTHUNGER-INDEX

Rang 80/122 Ländern 29,8 (sehr ernst)

0 wenig Hunger www.welthunger-index.de

gravierend 40

Indis cher Ozean

Eine Agrarbörse sorgt für faire Preise INTERVIEW Achim Fock ist bei der Weltbank in Addis Abeba Sachverständiger für Landwirtschaft und nachhaltige ländliche Entwicklung. Seit 2009 profitieren die Bauern Äthiopiens vom Pionierprojekt einer Agrarbörse, die auf moderne Kommunikationsmittel setzt. So sollen die großen Zwischenhändler ausgeschaltet werden, damit der Ertrag für die Bauern größer wird.

WELTERNÄHRUNG: Welche Produkte stehen im Fokus der Agrarbörse? ACHIM FOCK: Es geht um Erzeugnisse der Kleinbauern, der Kaffee ist dabei besonders wichtig; später sollen die bedeutendsten Getreidesorten miteinbezogen werden. Zweimal pro Woche sind Termine angesetzt, um über einen elektronischen Warenaustauschmarkt Transparenz zu schaffen und so eine faire Preisgestaltung zu erreichen. Die Bauern aller Regionen können demnächst per SMS die relevanten Preise zugeschickt bekommen. Damit ist für sie die Basis gegeben, um die großen Zwischenhändler auszubremsen.

wir zum Beispiel elektronische Infotafeln, aber auch von jetzt stärkerem Ölsamenhandel und Blumenfardie gesamte Softwarestruktur, um die Vernetzung men. Was fehlt, ist eine weitere Entwicklung der Primit Banken besser zu organisieren. vatwirtschaft. Aber in den letzten zwei Jahren gab es große Investitionen in die Landwirtschaft. Und In anderen Ländern scheiterten solche Projekte ... das agrarwissenschaftliche Forschungs- und BeraHier sind wir dennoch sehr optimistisch. Der poli- tungswesen ist eines der besten Afrikas. tische Wille ist enorm groß, diese Agrarbörse zu unterstützen und ihr zum Erfolg zu verhelfen. Unter Ist der Tourismus ein guter Weg, um das Land aus den Verantwortlichen sind auch viele Äthiopier, die seiner Armut zu reißen? in den USA studiert haben und mit diesem binati- Ja, unbedingt. So fließt nicht nur mehr Geld ins onalen Hintergrund die Arbeit ungeheuer erleich- Land, sondern es findet auch ein gewaltiger Wissenstern. Zudem setzt man größtes Vertrauen in das transfer statt. Der führt zu einem besseren AusSystem zur elektronischen Marktinformation. tausch mit hoch entwickelten Ländern. Damit proÄthiopien gibt zudem viel Grund zur Hoffnung, fitiert auch die Bevölkerung vom Tourismus, wenn Von wem stammt die Initiative für die Agrarbörse? Die Idee und das gesamte Know-how haben die weil hier die Agrarwirtschaft auf Diversifizierung dieser auf Nachhaltigkeit setzt. Äthiopier selbst entwickelt. Von der Weltbank wird baut. Kaffee machte früher etwa 80 Prozent des Exdieses Projekt teilweise finanziert; so finanzieren ports aus, heute nur noch die Hälfte – zugunsten Das Interview führte Gabriela Greess.


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PA R T N E R & P R O J E K T E

WELTERNÄHRUNG

3. Quartal 2010

Von den Wassermassen überrascht Die Katastrophe wird die Pakistaner noch viele Jahre belasten – es droht eine massive Verarmung der Flutopfer Abend des 12. August brach sich das Wasser dann Bahn. »Wir haben die Kinder gerettet, das Vieh und unser Leben. Sonst ist uns nichts geblieben.« Die meisten Bewohner seien auf den Damm geflüchtet und auf das Dach der Moschee. »Dort haben wir fast zwei Wochen gesessen. Bislang hat uns noch keine Hilfe direkt erreicht.« Zweimal seien Hubschrauber der Armee über Jhandewali hinweggeflogen, um Hilfsgüter abzuwerfen.

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Punjab b

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Schwer betroffen Moderat betroffen

Arabis ches Meer

Tote: Verletzte: Beschädigte Häuser: Betroffene Dörfer: Betroffene Bevölkerung:

1838 2785 1 849 474 15 847 20 553 176

WELTHUNGER-INDEX

Rang 52/122 Ländern

19,1 (ernst) 0 wenig Hunger www.welthunger-index.de

gravierend 40

Quelle: OCHA, Stand: 6. September 2010

Ch

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AFGHANISTAN

sie sich im Katastrophengebiet gut auskennt. Das ist für uns wichtig, vor allem, wenn es darum geht, Verteilungslisten anzulegen.

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© Welthungerhilfe

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Maximale Flutausweitung

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JA M M U A N D K

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INDIEN

Das Interview führte Gunnar Rechenburg.

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Was haben sie gesagt? Am meisten werden Planen benötigt. Sie haben uns erzählt, dass ungefähr vor zwölf Tagen die Armee hier war, seitdem aber niemand mehr. Wir haben hier in der Region eine lokale Organisation gefunden, die sehr zuverlässig ist und bewiesen hat, dass

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Islamabad

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Was sind die größten Herausforderungen? Die Dörfer sind schlecht zu erreichen und kaum zentral organisiert. Das erschwert uns die Sache. Es bedeutet nämlich, dass man von Dorf zu Dorf gehen muss, um herauszufinden, wer wie stark betroffen ist. Die Regierung vermittelt uns hingegen immer wieder das Gefühl, dass sie mit der Armee alles abgedeckt hat. Das kann aber nicht sein, denn diese Region kann man nicht so ohne Weiteres abdecken.

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Mike Bratzke ist als Projektleiter in Pakistan für die Verteilungen der Welthungerhilfe im Punjab zuständig. Die logistische Herausforderung, 20 000 Familien mit Nahrungsmitteln zu versorgen, ist immens. Die Lebensmittel werden, soweit möglich, in der Region eingekauft.

Seit Anfang September ist Mike Bratzke in Pakistan, er organisiert vor allem die Verteilungen für die Welthungerhilfe. Gerade kommt er aus einem der Dörfer gut zwei Stunden nördlich von Muzaffargarh. »Dort ist der Indus in einer Flutwelle in die Dörfer geströmt.« Bratzke hat sich dort mit den Dorfältesten getroffen und besprochen, wie es weitergehen kann. Schon drei Wochen nach der Flut war zu sehen, wie die Menschen mit den Aufräumarbeiten be-

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INTERVIEW

WELTERNÄHRUNG: Wie ist die Lage? Mike Bratzke: Ich komme gerade aus einem der sehr stark zerstörten Dörfer im Distrikt Muzaffargarh. Wir hatten große Mühe, dorthin zu gelangen, und mussten ein gutes Stück durch Schlamm waten. Dort haben wir mit den Dorfältesten gesprochen und sie gefragt, was die Menschen jetzt am nötigsten brauchen.

Die Ernte fällt dieses Jahr aus

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»Waten durch den Schlamm«

Die Islamische Republik Pakistan liegt strategisch bedeutsam zwischen Vorder- und Zentralasien. Die Gebirgszüge von Hindukusch, Karakorum und Himalaja treffen im Norden des Landes zusammen. Der größte Fluss Pakistans, der Indus, entspringt im Hindukusch und windet sich südwärts durch das ganz Land, das zu mehr als einem Drittel von der Flussebene bedeckt wird. Die pakistanische Bevölkerung, rund 167 Millionen, setzt sich aus unterschiedlichen Volks- und Glaubensgruppen zusammen, was zu innenpolitischen Spannungen führt. Geringe Bildung, hohe Arbeitslosigkeit und eine Armutsrate von fast 30 Prozent sind weitere Probleme. Hinzu kommt eine große Zahl an Flüchtlingen aus Afghanistan. Die bereits mangelhafte Infrastruktur wurde durch das Erdbeben im Jahr 2005 weitgehend zerstört und behindert auch jetzt Rettung und Versorgung von Flutopfern. Die politische Situation stabilisiert sich zwar allmählich unter der aktuellen zivilen Regierung, dennoch hat sich die Sicherheitslage vor allem durch Terroranschläge der Taliban, Grenzstreitigkeiten mit Afghanistan und den Konflikt mit Indien weiter verschlechtert.

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M

ohammad Ayass’ Welt ist zusammengebrochen. Von seinem Haus stehen nur noch Trümmer, von seinem Dorf Jhandewali nichts mehr. Außer der Moschee. Mohammad Ayass sitzt auf einem Damm, das Wasser reicht bis zum Horizont. »Diejenigen, deren Häuser nur beschädigt sind, wollen bleiben«, sagt er. Alle anderen sind weg. Von 600 Familien sind jetzt keine zehn mehr dort, wo einst Jhandewali war. Das Dorf liegt im Bundesstaat Punjab, mitten in Pakistan. Die Region ist geprägt von den Flüssen Indus und Chenab, die hier wie in einem Trichter zusammenfließen. Das wurde den Menschen in der Region zum Verhängnis: Die Fluten überraschten sie von allen Seiten. Jhandewali ist eine Insel in einem Meer der Zerstörung. »Es hat mehrere Tage vor der eigentlichen Flut sehr stark geregnet«, sagt Mohammad Ayass, »trotzdem haben wir nicht mit so etwas gerechnet.« Am

Von der Indus-Ebene geprägt

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Von Gunnar Rechenburg

LÄNDERINFORMATION

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Pakistan wurde im Sommer von der verheerendsten Flut der vergangenen 80 Jahre heimgesucht. Ein Drittel des Landes stand unter Wasser, und den Vereinten Nationen (UN) zufolge sind 20 Millionen Menschen von den Auswirkungen betroffen. Die Regierung in Islamabad kooperiert, und auf der Ebene der Bundesstaaten soll der Eindruck vermittelt werden, man habe die Sache im Griff. Daran allerdings zweifeln die Hilfsorganisationen und die UN.

Gunnar Rechenburg arbeitet als freier Journalist in Bonn.

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AUF DER FLUCHT: Das Wasser kam so schnell, dass viele kaum ihr Hab und Gut retten konnten.

Die Familien versuchen, sich notdürftig selbst zu helfen. Immer wieder machen sich die Männer auf in Richtung Hauptstraße, in der Hoffnung, dort etwas Brauchbares zu bekommen. Brauchbar ist mittlerweile fast alles, Nahrung, Zelte, Kleidung und medizinische Versorgung ohnehin. Nach einiger Zeit konnten die Männer mit Motorrädern die knietief überflutete Straße in ihr Dorf befahren. Jhandewali ist abgeschnitten von allem. Und Jhandewali ist nur eines von Tausenden von Dörfern in Punjab, die derart betroffen sind. Gut zwei Autostunden von Jhandewali entfernt liegt der Ort Muzaffargarh. Dort, im Zentrum der Kleinstadt, hat der District Coordination Officer Asif Khan sein Büro. Sein Distrikt gehört zu den am schlimmsten betroffenen im gesamten Land – auch für das Dorf Jhandewali ist er zuständig. Rund 3,5 Millionen Einwohner habe sein Distrikt, »davon sind 1 553 464 Menschen betroffen«, trägt er vor. 48 Menschen seien gestorben, 2516 Kilometer Straße beschädigt, 1 642 817,5 Hektar landwirtschaftliche Fläche zerstört. »Insgesamt ist ein Schaden von 3139 Millionen Pakistanischen Rupien entstanden«, referiert Khan. Das entspricht rund 31,4 Millionen Euro. Die Armee und die Regierung seien aktiv und erfolgreich. Was der District Coordination Officer sagen will ist: Pakistan hat die Lage im Griff. Jürgen Mika ist Mitglied des Nothilfeteams der Welthungerhilfe. Er hat unmittelbar nach der Flutwelle erste Strukturen im Katastrophengebiet aufgebaut. Mika hat die Zahlen aus Muzaffargarh vor sich auf dem Schreibtisch liegen. »Unwahrscheinlich, dass so kurz nach einer Katastrophe schon so konkrete Zahlen vorliegen«, sagt er. Auch die Vereinten Nationen kommen zu anderen Ergebnissen: Nach deren Einschätzung und nach Beobachtungen der Welthungerhilfe im Distrikt Muzaffargarh schneidet die Regierungshilfe bei Weitem nicht so gut ab. Es mangelt an fast allem.

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© Grossmann

Tausende Dörfer sind abgeschnitten

ginnen, wenn die Pegel sinken. Aber: Die Welthungerhilfe geht davon aus, dass bis November erst 80 Prozent aller überschwemmten Flächen wieder trockenliegen. Im Oktober ist eigentlich Haupterntezeit. Auf einer Fläche von der Hälfte Deutschlands bleibt jetzt die Ernte aus, die Felder sind verschlammt. »Vielleicht«, sagt Mika, »haben wir ja Glück, und es handelt sich um fruchtbaren Schwemmboden.« Eine vage Hoffnung, denn nicht nur die Ernte ist zerstört, sondern auch das Saatgut für die kommende Saison. Die Bewältigung der Katastrophe wird noch Jahre dauern. Schon jetzt ziehen die Preise für Lebensmittel an. Und die Leidtragenden werden in erster Linie die Menschen sein, die sich dann nichts mehr zu essen leisten können. Das muss verhindert werden.


3. Quartal 2010

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FOTOREPORTAGE

WELTERNÄHRUNG

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Als die Flut kam Fotos: Jens Grossmann, Text: Gunnar Rechenburg

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asser, so weit das Auge reicht. Am 12. August, kurz vor Mitternacht, kamen die Wassermassen nach ihrem langen Weg durch den pakistanischen Norden auch in der Provinz Punjab an. Sajjad Hussain blieb nicht einmal eine halbe Stunde Zeit zu fliehen. »Wir konnten nichts mitnehmen«, sagt der Tierarzt. Die Menschen in den tiefer liegenden Dörfern der Punjab-Region waren den Wassermassen schutzlos ausgeliefert: Indus und Chenab fließen dort wie in einem Trichter zusammen. Die Flüsse traten über die Ufer und zerstörten riesige Ackerflächen und Tausende Dörfer. Die Welthungerhilfe hat in der 1,3-MillionenStadt Multan im Süden der Provinz Punjab ein Büro eröffnet. »Von hier aus organisieren wir die Logistik«, berichtet Nothilfekoordinator Jürgen Mika. In Muzaffargarh, einer Kleinstadt direkt im Flutgebiet, ist bereits ein Lager angemietet. Lokale Partner helfen bei der Verteilung in den Dörfern.

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Tierarzt Hussain ist einer von rund 20 Millionen Betroffenen landesweit. Er kampierte mit seiner Familie in einem Flüchtlingslager auf dem Gelände einer Moschee. Die rund 50 Zelte vor dem Gotteshaus hatte ein Geschäftsmann aus der Region gespendet. »Unser Dorf zählte 600 Menschen. Die sind jetzt hier oder an der Straße«, sagt Hussain. Die Obdachlosen leben am Straßenrand, die meisten haben nicht mehr als ein Bettgestell. »Manchmal fährt ein Lkw vorbei, aus dem Lebensmittel abgeworfen werden«, sagt Sajjad Hussain. Der 14-jährige Younas hatte Glück. Er fing eine Tüte Brot aus einem vorbeifahrenden Transporter. Younas und seine Familie leben im Innenhof eines höher gelegenen Gehöftes gegenüber der Moschee. »Am Abend werden wir das Brot mit der ganzen Familie teilen«, sagt er.

1 Die Wucht der Wassermassen zerstörte zahlreiche Häuser. Viele Menschen sind jetzt obdachlos. Das Wasser kam so schnell, dass sie oft nur noch die Kleidung am Leib besitzen – alles andere Hab und Gut ist verloren. 2 Fischfang in den Fluten: Die Menschen in Pakistan versuchen, das Beste aus der Not zu machen, denn die Versorgung mit Nahrungsmitteln läuft erst schleppend an. 3 Der 14-jährige Younas hat ein Stück Brot von einem Hilfstransport ergattert. Er lebt jetzt mit seiner Familie im Innenhof eines Gehöfts. 4 Auch der Tierarzt Sajjad Hussain und seine Familie sind auf Hilfsgüter angewiesen. Sie gehören zu

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Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/pakistan-flut.html

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den rund 20 Millionen Betroffenen landesweit.


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PA r t n E r & P r o J E K t E

WEltErnäHrung

3. Quartal 2010

© Schoeninger/Welthungerhilfe

Nord a t l a n t i s c h e r O z e a n

FRuChtbaReR boDen: Gemeinsam verwandeln die Menschen in Ruanda einstige Sümpfe in Ackerland.

Sümpfe zu Reisfeldern Mehr Erträge zu erwirtschaften, ist in Ruanda die eine Herausforderung, traumatisierte Menschen zusammenzuführen, die andere Das Base-Kiryango-Tal, rund zwei Fahr- gelten Bewässerungssystems ein fruchtbares Tal, in dem Reis, Maniok und Süßkartoffeln wachsen. Die stunden von Ruandas Hauptstadt Kigali steilen Hügel sind kunstvoll terrassiert, neue Schulentfernt, war bis vor Kurzem landwirtgebäude gebaut, der ehemalige Sumpf in eine Vielschaftlich kaum nutzbar. Bis die WeltMALI zahl von Reisfeldern unterteilt. Ein Feld kann im hungerhilfe es zu einem Millenniumsdorf Jahr 14 Tonnen Reis abwerfen. NIGER Seit 2005 ist das Base-Kiryango-Tal eines der gemacht hat – eine Art Mustergemeinde für den Kontinent. Aus eigener Kraft und Millenniumsdörfer, in denen die Welthungerhilfe inBURKINA nerhalb von fünf Jahren exemplarisch die Millenmit Unterstützung der Welthungerhilfe niumsziele der UN zu verwirklichen sucht. Dazu geFASO haben GUINEA es die Bewohner geschafft, ihre hören die weltweite Beseitigung von »extremem Hunger und Armut« bis 2015, die Gewährleistung Situation entscheidend zu verbessern. BENIN

Sierra Leone

TOGO ELFENBEINKÜSTE LIBERIA nochentrockene Luft, ein hoher, weißer Him-GHANA mel. Es riecht nach Staub und Hitze und Porto dem Holz ferner Feuer. Hier, zwischen sanfNovo ten, lichtgrünen Hügeln – einigen wenigen, die RuVon Petra Pluwatsch

K

anda den Namen »Land der 1000 Hügel« gegeben haben – betreut die Welthungerhilfe ein ehrgeiziges Projekt in Afrikas drittkleinstem Staat: Aus einem landwirtschaftlich kaum nutzbaren, 350 Hektar umfassenden Sumpfgebiet wurde dank eines ausgeklü-

NIGERIA

einer »Grundschulbildung für alle Kinder« und die Sicherung der »ökonomischen Nachhaltigkeit«. Kein einfaches Unterfangen in einem Land wie Ruanda, sagt Fred Göricke. Der 62-jährige Agrarökonom hat rund 40 Jahre Afrikaerfahrung. Seit sechs Jahren ist er in Ruanda stationiert – Ende des Jahres soll seine Dienstzeit dort zu Ende gehen, und das bedauert er schon heute. Dabei könnte der Ruf Ruandas kaum schlechter sein. Selbst Entwicklungshilfeorganisationen haben bisweilen Probleme, frei werdende Stellen neu zu besetzen – und das, obwohl Ruandas Präsident Paul Kagame durchaus hinter den Zielen der ausländischen Helfer steht. »Schickt eure Kinder zur Schule«, fordert er auf riesigen Werbetafeln in Kigali. Gerade wurde die Schulpflicht von sechs auf neun Jahre angehoben. »Keine häusliche Gewalt«, »Kampf der Prostitution« ist weiter zu lesen. Und: »Geht wählen!« Letzteres zumindest haben die Bürger von Ruanda beherzigt. Die Wahlbeteiligung an der Präsidentenwahl am 9. August betrug nach offiziellen Angaben 95 Prozent, 93 Prozent stimmten für eine weitere Amtszeit Kagames.

A tla ntisc he r Ozean

Sü d at l an t i s c her Ozean ZuFRieDen: Die Menschen im

Base­Kiryango­ Tal blicken optimistisch in die Zukunft.

© Pluwatsch

Die Folgen des Bürgerkriegs prägen Auch an ihrer Vergangenheit haben die zehn Millionen Einwohner Ruandas schwer zu tragen: Der Völkermord der Hutu an den Tutsi im Jahr 1994 forderte schätzungsweise eine Million Opfer. »Wir alle sind traumatisiert«, sagt André Ndejuru, 62. 1994 kämpfte er in Kagames Rebellenarmee »Ruandische Patriotische Front« gegen den Wahnsinn in seinem Land; heute gehört er zum Beraterstab der Welthungerhilfe. Eine tiefe Narbe kerbt seinen rechten Unterarm, Freundschaften schließt der studierte Soziologe nur unter Vorbehalt. Er habe gelernt, »dass jemand, mit dem ich abends ein Bier trinke, am nächsten Tag tot sein kann«, sagt er. An diesem Nachmittag hockt Ndejuru in der halb fertigen Reismühle des Örtchens Gafunzo auf einem Schemel und übersetzt, was Göricke mit den Dorfbewohnern zu besprechen hat.

In Ruanda wird Englisch, Französisch und Kinyarwanda gesprochen. Hier in der kahlen, an zwei Seiten offenen Halle verstehen die meisten nur die Landessprache Kinyarwanda. Dicht an dicht sitzen etwa 40 Vertreter der beiden Kooperativen des BaseKiryango-Tals auf schmalen Stühlen längs der Wände. Göricke erklärt ihnen, dass die nächste Ernte in Gefahr ist, wenn das kaputte Schleusentor nicht umgehend repariert wird. Die Coriki- und die etwas größere Coribaru-Kooperative, die das Land bewirtschaften, haben zusammen mehr als 3000 Mitglieder. Jedes Mitglied bestellt ein 0,1 Hektar großes Stück Land und ist mitverantwortlich dafür, dass das Gemeinschaftsprojekt funktioniert. Dass das nicht immer einfach ist, hat Göricke schon oft erfahren. »Die Menschen hier sind Individualisten«, sagt er. »Der Kern ist die Familie. Die Gemeinschaft stört eher, und die Menschen müssen lernen, dass sie zusammenarbeiten müssen, um etwas zu erreichen.« Es gibt zudem kaum gewachsene Dorfstrukturen in Ruanda: Die Mehrzahl der Landbevölkerung lebt in Streusiedlungen ohne Kontakt zueinander. »Unser soziales Leben fängt erst allmählich an«, sagt auch Josephine Kayifesi, 39 und Mutter zweier halb erwachsener Kindern. Sie trägt ein bunt bedrucktes grünes Kleid, das schulterlange Haar ist mühevoll geglättet. »Früher konnten wir niemanden einladen, weil wir selber nicht genug hatten. Wir hatten nichts zum Teilen, und das ist heute anders.« Sie und Ehemann Dominique Mugwiza, 47, gehören zu denen, die vom Aufschwung im Tal profitiert haben. Beide Eheleute haben sich am Cash-forWork-Programm der Welthungerhilfe beteiligt und am Bau der Kanäle, Deiche und Terrassen im BaseKiryango-Tal mitgearbeitet. Ein einfacher Arbeiter verdient pro Tag 800 Ruanda-Francs, etwa einen Euro für sechs Stunden Arbeit. Landesweit sind rund 18 000 Menschen in das Programm eingebunden. Viele Frauen tragen inzwischen zum Familieneinkommen bei. Stolz führt Josephine Kayifesi den Gast in den Gemeinschaftsraum der Familie. Eine Holzbank, ein Tisch, vier Schemel. Auf dem Boden türmt sich ein Berg Reis. Die Wände bestehen aus rotbraunem Lehm, der Boden ist zementiert, das einzige Fenster vergittert. Früher habe das Geld nur für eine Mahlzeit am Tag gereicht, »und manchmal haben wir auch gar nichts gegessen«. Diese Zeiten seien zum Glück vorbei. Petra Pluwatsch ist Chefreporterin des Kölner Stadt­Anzeigers.

Weitere informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ruandabasekiryagotal-millenniumsdorf.html

länDeRinFoRMation

leben nach dem trauma Mit knapp neun Millionen Einwohnern, auf einer Fläche vergleichbar mit Brandenburg, ist Ruanda das am dichtesten besiedelte Land Afrikas. Das schnelle Bevölkerungswachstum belastet die Ressourcen. Mehr als die Hälfte der ruandischen Bevölkerung lebt in absoluter Armut. Viele leiden zudem unter den Folgen des Bürgerkriegs zwischen den Hutu und Tutsi und des 1994 daraus resultierenden Genozids. Trotz der schwierigen Geschichte hat die ruandische Regierung Fortschritte in der Demokratisierung gemacht. Bei der Gleichstellung der Geschlechter ist Ruanda ein Vorbild: Mit 56 Prozent hat das ruandische Parlament den weltweit größten Frauenanteil.

KONGO (DEM.)

Kigali

UGANDA

RUANDA BURUNDI TANSANIA

WelthungeR-inDeX

Rang 64/122 ländern

23,1 (sehr ernst) 0 wenig hunger

gravierend 40

www.welthunger-index.de

FilMtiPP

eine erfolgsgeschichte MillenniuMSZiele | Seit 2005 wurde im BaseKiryango-Tal im Süden Ruandas vieles erreicht. Der Film zeigt die Lösungen der Welthungerhilfe gegen Armut; deutsch und englisch, 14 Minuten. DVD – kostenlos zu bestellen unter info@welthungerhilfe.de oder telefon 0228/22 88-134.


3. Quartal 2010

Kontrovers

WElternäHrung

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Der Fall Kosovo beleuchtet das Selbstbestimmungsrecht der Völker Die Gründung eines Staates ist nicht der einzige Weg zur Selbstbestimmung – Lösungen gegen eine Kaskade von Abspaltungen sind gefordert

Meinung

Reinold E. Thiel ist freier Journalist und Autor. Von 1971 bis 1989 arbeitete er für Organisationen der Entwicklungs­zusammenarbeit in Afrika und Nahost. Von 1992 bis 2003 war er Chefredakteur der Zeitschrift »Entwicklung und Zusammen­ arbeit«. In der »Welternährung« kommentiert er ­regelmäßig kontroverse Themen.

D

der Dekolonisierung. 1960 konstatierte die General- sip Broz Titos wurde allen Teilvölkern ein eigener versammlung der Vereinten Nationen: »Alle Völker Gliedstaat zugestanden, von Slowenien bis Makehaben das Recht auf Selbstbestimmung.« Jedoch donien – nur den Albanern nicht, Kosovo wurde eiblieb das Recht der Staaten auf territoriale Unver- ne Provinz Serbiens. Der Grund war die Befürchsehrtheit dem immer entgegengestellt, es wurde nie tung, der Kosovo würde sich Albanien anschließen widerrufen, und dieses Recht war es, das sich in den wollen, und natürlich traf das auch zu. Den Wunsch meisten Fällen durchsetzte. Die Loslösung Katangas gibt es noch heute, der Bau einer beide Länder vervom damaligen Kongo-Léopoldville, die Biafras von bindenden Autobahn wurde bereits begonnen. Nun könnte man zu dem Schluss kommen, mit Nigeria wurden verhindert. Bangladesch war lange dem Spruch des Haager Gerichts sei alles gut – aber Zeit der einzige Fall einer erfolgreichen Abspaltung – bis zur Auflösung der UdSSR und Jugoslawiens. durch ihn wird ein Präzedenzfall geschaffen, der Selbstbestimmung kann aber auch noch etwas Russland ebenso in Sorge versetzt wie China oder anderes bedeuten: das Recht auf die eigene Kultur, Georgien. Und auch Spanien fürchtet die Selbstständigkeitsgelüste des Baskenauf die eigene Sprache, auf landes und Kataloniens, und einen bestimmten Grad von das Vereinigte Königreich Autonomie innerhalb eines »Europa sollte das Großbritannien und Nordirgrößeren Staatsverbandes. land diejenigen Schottlands. Dieses Recht ist es, das die Vorbild für das ZusamSelbst die Einwohner der InDänen in Deutschland und menleben großer und sel Jersey könnten plötzlich die Deutschen in Belgien gekleiner Völker sein.« entdecken, dass sie sich nicht nießen, das den Kurden in nur nominell, sondern auch der Türkei und im Iran vervölkerrechtlich vom Vereiweigert wird. Die Diskriminierung von Minderheiten zu verhindern, ist ein Ziel, nigten Königreich trennen wollen, um dann in völdas sich die internationale Staatengemeinschaft und liger Freiheit allen deutschen Steuerflüchtlingen eiregionale Organisationen wie die OSZE mit größerer ne Geschäftsadresse in einer ihrer Kanzleien anzuEntschiedenheit gesetzt haben als die staatliche Sou- bieten. Nicht undenkbar – in England wurde 1949 veränität, und hier gibt es in der Tat Konventionen »Passport to Pimlico« gedreht, ein Film, in dem die und Verträge, deren Einhaltung von zuwiderhan- Einwohner eines Londoner Stadtteils ihre Unabhängigkeit erklären, um Transitzoll von den Reisenden delnden Staaten eingefordert werden kann. Im Kosovo aber geht es um die Gründung eines der durchfahrenden U-Bahn zu erheben. Was kann helfen gegen eine drohende Kaskade neuen Staates, mit einer langen Vorgeschichte. Die Albaner hatten, wie auch die anderen Balkanvölker, von Abspaltungen, wenn das Selbstbestimmungsseit Jahrhunderten gegen die ottomanische Herr- recht Schule macht? Die Lösung für Kosovo, Serbischaft aufbegehrt. Als dann nach dem Ersten Bal- en und Albanien jedenfalls kann nur sein, dass alkankrieg 1913 neue Grenzen gezogen wurden, le gemeinsam in die EU aufgenommen werden, nicht konnte Serbien erreichen, dass der Kosovo ihm zu- sofort, aber in absehbarer Zukunft. Und damit auch geschlagen wurde. Dabei blieb es auch nach dem anderswo in der Welt kleine Völker sicher sein könErsten und dem Zweiten Weltkrieg (nur unter deut- nen, dass sie nicht von den großen in einer Union scher Besatzung kam es 1943/44 kurz zu einem An- unterdrückt werden, sollte Europa dafür das gute schluss an Albanien). Im Jugoslawien Marschall Jo- Vorbild abgeben.

[

[

© laif

er Internationale Gerichtshof in Den Haag hat verkündet: Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo verstößt nicht gegen das Völkerrecht. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei damit der Streit mit Serbien beendet. Aber ist das wirklich so? Abgesehen davon, dass die UN-Vollversammlung das Gericht mit einem Gutachten und nicht mit einer Entscheidung beauftragt hat – was könnte dieses Gutachten in künftigen Streitfällen bedeuten, und was ist eigentlich das »Selbstbestimmungsrecht der Völker«, auf das der Gerichtshof sich in seinem Spruch beruft? Der Begriff scheint einfach zu verstehen zu sein. Jedes Volk hat das Recht, seine Staatlichkeit so zu organisieren, wie es das wünscht, auch einen eigenen Staat zu gründen. Aber was ist ein Volk? Jede Gruppe von Menschen, die dieselbe Sprache sprechen? Dann hätten allein in Nigeria (je nach Zählung) 250 bis 400 verschiedene »Völker« das Recht auf die eigene Staatlichkeit. Andererseits sind die Deutschen, die Deutschsprachigen, in fünf verschiedenen Staaten organisiert. Was wäre die Konsequenz?

Das Völkerrecht wird nicht von Wissenschaftlern auf den völkerrechtlichen Lehrstühlen geschrieben, auch nicht von Menschenrechtsgruppen, sondern von Politikern, die internationale Konventionen und Verträge beschließen. Deshalb sichert das Völkerrecht in erster Linie die Rechte der Staaten und nicht die Rechte der Völker. Die UN-Charta, geschaffen von den Politikern der Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg, verdeutlicht das gleich zu Anfang in Artikel 2: Geschützt werden soll »die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit« der Staaten. Das war ein Abwehrreflex gegen die deutschen und italienischen Annexionen von Nachbarstaaten zwischen 1937 und 1945. Auch in den weiteren Artikeln der UN-Charta ist nur von Streitigkeiten zwischen den Staaten die Rede. Die »Selbstbestimmung der Völker« wird zwar in Artikel 1 der UN-Charta auch erwähnt, aber in eher beiläufiger Form; Instrumente zu ihrem Schutz nennt die Charta nicht. Andererseits war die Forderung, »dass keine Regierung oder Gruppe von Regierungen berechtigt sein soll, über das Gebiet eines Volkes und dessen politische Zugehörigkeit zu entscheiden«, schon sehr früh erhoben worden: von US-Präsident Thomas Woodrow Wilson in seinen berühmten »14 Punkten« von 1918. Aber dieser Text, der so etwas wie die Magna Charta Libertatum des Völkerrechts hätte werden sollen, blieb das Credo eines politischen Idealisten, ohne praktische politische Auswirkung. Die Verwirklichung der Vorstellungen Wilsons hätte das sofortige Ende aller Kolonialreiche bedeutet, und welcher Politiker hätte dem 1918 (oder auch 1945) zugestimmt? Theodore Roosevelt, 25 Jahre später, hatte Ähnliches im Sinn, aber Josef Stalin und Winston Churchill, durch gleichläufige Interessen verbündet, sorgten dafür, dass dies nicht Völkerrecht wurde. Nur langsam hat sich in den Jahrzehnten danach die Idee vom Selbstbestimmungsrecht der Völker weiterentwickelt, vor allem im Zusammenhang mit

Wie viel unabhängigkeit soll es sein? Jugendliche vor einem Freiheitsslogan in der ethnisch gespaltenen Stadt Mitrovica, Kosovo.


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WelternäHrung

PA r t n e r & P r o J e K t e

3. Quartal 2010

feuerholz, verzweifelt gesucht Alte, löcherige Öfen verschlingen unnötig viel Brennstoff, und die Menschen frieren trotzdem. Dabei ist die Modernisierung so einfach Im Zerafshan-Tal in Tadschikistan müssen die Menschen immer weiter laufen, um Feuerholz zu finden. Gleichzeitig verbrauchen ihre traditionellen Öfen sehr viel Holz. Mit Unterstützung der Welthungerhilfe werden nun effizientere Kochherde eingeführt, um die schrumpfenden Baumbestände zu schonen. Von Achim Nuhr

A

© Nuhr, Porträt: Welthungerhilfe

uf den ersten Blick wirkt das Dorf Vashan pittoresk: Ein Bächlein fließt entlang der Dorfpiste. Gassen zweigen zu den traditionellen Lehmhütten ab. Die Sonne strahlt auf fast 2000 Metern Höhe mit enormer Kraft. Wer durch das Dorf läuft, merkt sogleich, wie erschöpfend die Kombination von Höhenluft, Hitze und trockenem Staub wirkt. »Zum Feuerholz geht es zwei Stunden talaufwärts«, erzählt die Bewohnerin Silva Bichalicha (Name geändert) und weist auf die teilweise schneebedeckten hohen Berge. »Für den Weg zurück müssen wir uns einen Esel leihen, der das schwere Holz schleppt.« Silva Bichalicha ist »um die 40 Jahre alt«, wie Umrinisso Karimova von der Welthungerhilfe übersetzt. Das Leben hat Frau Bichalicha anscheinend zugesetzt: Ihr Gesicht zeigt tiefe Falten, ihr linkes Auge ist vom Staub entzündet und nur halb geöffnet. Wir sitzen draußen auf einem Holzpodest im Innenhof des Familienhauses. Zwei große Wohnräume zweigen ab, in denen nachts die gesamte Familie schläft. Zurzeit sind das neun Personen, darunter Silva Bichalichas älteste Tochter mit ihren drei Kindern. In keinem der Wohnräume stehen Möbel. aus ferTigTeileN gebauT: Der neue Ofen ist dicht, effizient und sicher. Umrinisso Karimova von der Welthungerhilfe (rechts) wirbt weiter für dieses Modell. Kleidung hängt an Nägeln, in Plastiksäcken verpackt. Die Bewohner schlafen nebeneinander auf dünnen Matten, die in Deutschland allenfalls als volles Feuerholz zu sparen«, weiß Umrinisso Kari- angewiesen, um ineffiziente Infrastrukturen zu er- zu zwanzig Tonnen. Außerdem wird Tierdung als Auflage für Liegestühle verwendet würden. mova. Selbst wenn drinnen genügend Platz wäre, setzen. Die alten Öfen stammen aus einer Zeit, als Brennstoff verwendet. Was zunächst umweltfreundkönnte der traditionelle Ofen nicht einfach dorthin Feuerholz noch ausreichend und nah zur Verfü- licher klingt, hat aber auch seine Tücken: Das Zerafshan-Tal ist eine semiaride Zone, in der Regen Alte Öfen: gefährlich und ineffizient verlegt werden: »Ruß und Rauch würden die Wohn- gung stand. nur selten und dann meist sehr heftig fällt. Dung, räume vergiften, der auf Feldern und Wiesen verbleibt, konserviert Doch das größte Problem der Familie steht draußen weil eine Rauchdas Regenwasser und wirkt außerdem als Dünger. auf dem Innenhof: der Ofen, auf dem die Familie ableitung fehlt.« der lohn harter arbeit Darum bleibt Dung besser dort, wo er ist – statt im kocht. Selbst im Winter, wenn das Thermometer oft Von den 7,5 Beharrlich arbeiten die Menschen in Tadschikistan nach BürgerOfen verfeuert zu werden. Deshalb werben Umrinisauf minus 30 Grad fällt, wird draußen gekocht: Denn Millionen Tadkrieg und wirtschaftlichem Zerfall für eine bessere Zukunft. Die so Karimova und ihre Mitarbeiter für einen anderen die Rußspuren über dem traditionellen Lehmofen ra- schiken leben 75 DVD »Tadschikistan« (dt. und engl., circa 18 Minuten) erhalten Ofentyp, der viel weniger Energie verbraucht. gen bis zu drei Meter hoch. Das liegt daran, dass Prozent auf dem Sie kostenlos durch eine E-Mail an info@welthungerhilfe.de. Karimova führt weiter zum Haus von Negina durch Spalten und Löcher neben den Kochtöpfen Land. Dabei könSachnosa (Name geändert): Dort steht ein massiv Feuer hoch nach oben lodert – die meiste Energie nen nur fünf Progemauerter Lehmofen – mit einem kreisrunden Loch wird dabei sinnlos verschwendet. Unten weist der zent des Bodens Ofen eine riesige Spalte auf, durch die das Feuer- landwirtschaftlich genutzt werden. Der größte Teil Die Welthungerhilfe schickte zuerst Interviewer oben, durch das das Feuer austritt. Unten sichert ein holz nachgelegt wird. Vor der Spalte hängt als Ab- der Landesfläche entfällt auf gewaltige Gebirgszü- zu den Bewohnern des Zerafshan-Tals. Es stellte sich massiver Eisendeckel das Einfüllloch, hinten ist ein deckung eine brennbare Plastikplane. »Das ist sehr ge wie das Pamirmassiv. Die teils sehr isoliert le- heraus, dass jeder einzelne Haushalt jährlich meh- Rauchabzug angebracht. »Den Ofen haben wir selbst gefährlich, aber so versuchen die Menschen, wert- bende Landbevölkerung ist auf Impulse von außen rere Tonnen Feuerholz verbraucht, manche sogar bis gebaut«, erzählt Negina Sachnosa stolz, »mit Fertigteilen von der Welthungerhilfe«. Als sie den Deckel des Ofens abnimmt, ist innen ein Eisengerippe zu erkennen: der von der Welthungerhilfe gelieferte Ofenrahmen, um den die Familie von Frau Sachnosa den Lehm gespachtelt und so die exakten Formen erzielt hat. »Für den Ofenrahmen ses ist die Stromversorgung unzuverlässig und Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die regionen an nehmen wir eine kleine Schutzgebühr«, erläutert Umrinisso Karimova. »Wesentlich wichtiger ist uns schwach, in den Seitentälern gibt es oft überhaupt ein stromnetz anzuschließen? keinen Strom. Die Menschen müssen aber kochen Da hätten die Mittel höchstens für ein kleines Para- aber der Eigenanteil der Familien, ihren Ofen selbst und oft auch noch ihr eigenes Brot backen, weil es deprojekt gereicht. Wir gehen stattdessen in die zu bauen.« Sobald ein Ofen steht, erhalten die Bekeine andere Versorgung gibt. Deshalb würde auch Breite und erreichen, dass allein im Zerafshan-Tal sitzer für einen geringen Preis passgenaue EisentöpiNTerVieW der einfache Appell, doch bitte die Bäume stehen mehr als 1000 effizientere Öfen entstehen, bei Kos- fe – so können Flammen nicht mehr ungenutzt aus ten von etwa zwei Euro pro Stück. Außerdem rech- dem Ofen nach oben schlagen. Die meisten Dörfer zu lassen, allein nicht helfen. in Tadschikistan sind so arm wie Vashan. Umrinisnen wir mit Folgeeffekten. so Karimova: »Wenn die Menschen nicht in die Daniel Bronkal ist Regionalkoordinator Zentralasien die verbesserten Öfen verbrauchen allerdings weiterHauptstadt Duschanbe abwandern sollen, müssen Welche effekte könnten das sein? hin feuerholz. der Welthungerhilfe. Das stimmt, aber der Verbrauch wird dramatisch Beim Ofenbau helfen sich die Menschen und kom- sie hier wenigstens gut kochen können.« abnehmen: Allein am Zerafshan-Tal werden bis men ins Gespräch: Warum soll jede einzelne FamiMitte 2011 etwa 17 500 Menschen an unserem Pro- lie etwa zweimal pro Woche einen großen Brotofen Achim Nuhr arbeitet als freier WelTerNÄhruNg: in Tadschikistan sind strom und gas gramm »Energieeffizienz im Haushalt« teilnehmen. in Gang setzen, um dann nur ein paar Brote zu baJournalist für die ARD. nach umfragen der Welthungerhilfe die beliebtesten Nach unseren Berechnungen benötigen diese Men- cken? Wir regen Familien an, den Ofen gemeinsam energiequellen zum Kochen. Warum investiert die Welt- schen nach der Umstellung auf bessere Öfen höchs- zu nutzen. Mittlerweile bieten wir auch einfache tens noch halb so viel Feuerholz oder auch Kuh- Platten zur Isolierung von Wänden an: Wer sie selbst WelThuNger-iNdeX hungerhilfe trotzdem in lehmöfen? rang 42/122 ländern 15,8 (ernst) daNiel broNKal: Weil das realistisch, umwelt- dung, der so dringend für die natürliche Nährstoff- einbaut, friert im nächsten Winter nicht mehr. 0 wenig hunger gravierend 40 freundlich und effizient ist. Selbst entlang der gro- anreicherung des Bodens benötigt wird – und das ßen Straße durch das Haupttal des Zerafshan-Flus- ist eine sehr vorsichtige Schätzung. Das Interview führte Achim Nuhr. www.welthunger-index.de

»es gibt keine andere Versorgung«


Dossier

WElternäHrung

© Kropke/Welthungerhilfe

Weltweit leiden rund eine Milliarde Menschen Hunger. Weitere zwei Milliarden Menschen sind vom sogenannten »versteckten Hunger« betroffen. Sie haben zwar Zugang zu einer ausreichenden Menge an Kalorien, aber sie nehmen nicht genügend lebenswichtige Proteine, Vitamine und Mineralstoffe auf. Diese Form der Mangelernährung wird bislang viel zu wenig wahrgenommen. Doch auch sie hat gravierende Folgen, vor allem für die gesunde Entwicklung von Kleinkindern, die in den ersten 1000 Lebenstagen ganz besonders durch unzureichende Ernährung gefährdet sind.

Schnelle Nothilfe: Durch Wiegen und Messen stellen Helfer fest, ob Kinder unterernährt sind. Sind sie stark betroffen, müssen sie sofort ins Krankenhaus.

Nur 1000 Tage Zeit Warum im frühen Kindesalter eine ausreichende und ausgewogene Ernährung entscheidend ist Weltweit leiden 32 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren unter chronischer Mangelernährung. Das ist eine erschreckende Zahl. Vor ­allem während der ersten beiden Lebensjahre eines Kindes ist Unterernährung lebensbedrohlich. Sie kann die physische, motorische und geistige Entwicklung ein Leben lang stark beeinträchtigen. Blindheit, Wachstumsstörungen und ­organische Fehlentwicklungen sind die erschreckenden Folgen.

Von Constanze von Oppeln und Ute Latzke

P

rogramme zur Verbesserung der Ernährungssituation von Kindern haben bislang vor allem die Altersgruppe bis zu fünf Jahren im Blick. Aktuelle Studien zeigen jedoch deutlich: Das kritische Zeitfenster ist wesentlich enger. Es beginnt bei der Empfängnis eines Kindes und erstreckt sich bis zum Ende des zweiten Lebensjahres. In diesem Zeitraum besteht nicht nur der größte Bedarf an ausreichender und den Bedürfnissen angepasster, hochwertiger Kost. Diese Phase ist auch entscheidend, wenn es darum geht, irreversible Folgen einer Mangelernährung abzuwenden. Die Studien belegen weiter: Kinder, die in den ersten 1000 Tagen ihres Lebens über einen längeren Zeitraum unzureichend ernährt wurden, tragen bleibende Schäden davon. Ihre körperliche und geistige Entwicklung ist häufig eingeschränkt, ihr Immunsystem ist schwach entwickelt und durch zahlreiche Erkrankungen die Lebenserwartung verringert. Meist bleiben diese Kinder langfristig im Wachstum zurück und sind oft nur eingeschränkt leistungsfähig. Frauen, die als Kind selbst unter Mangelernährung litten, bringen später zumeist auch untergewichtige Kinder zur Welt – ein Teufelskreis. Allein durch Jodmangel der Mutter während der Schwangerschaft kommen jedes Jahr bis zu 20 Millionen Babys mit geistigen Behinderungen zur Welt. Das zieht nicht nur enormes individuelles menschliches Leid nach sich, sondern auch massive gesamtgesellschaftliche Einbußen. Die Gesundheits- und Bildungssysteme werden belastet, weil die Kinder häufiger krank und in der geistigen Entwicklung verzögert sind. Diese Benachteiligung zieht sich bis ins Erwachsenenalter und hat nicht nur negative Folgen für ein selbstständiges und erfülltes Leben, sondern auch für die Volkswirtschaf-

ten. In Ländern mit hohen Raten an unterernährten Kindern fällt das Wachstum teilweise um bis zu elf Prozent geringer aus. Das bedeutet, dass sich Investitionen in die frühkindlicher Ernährung doppelt auszahlen: Neben dem Nutzen für den Einzelnen leisten sie einen langfristigen Beitrag zur Armutsbekämpfung. Dabei wären direkte Maßnahmen einfach umzusetzen, wie etwa die Unterstützung der Nährstoffversorgung werdender Mütter durch Nahrungsergänzung. Auch sollten Mütter angehalten werden, ihre Kinder bis zum sechsten Lebensmonat ausschließlich zu stillen. Anschließend müssen Kinder ihrem Alter entsprechend mit gesunder und energiereicher Folgenahrung gefüttert werden. Dafür müssen die Mütter sensibilisiert werden und vor allem Schulungen erhalten, denn sie selbst müssen das Essen herstellen. Bereits einfache Verhaltensmaßregeln wie das Abkochen von Wasser haben große Auswirkungen. So können nämlich Erkrankungen, wie zum Beispiel Durchfall, vermieden werden, die gerade für Säuglinge und Kleinkinder schnell lebensbedrohlich werden.

Frauen müssen unterstützt werden Doch diese Maßnahmen müssen von Programmen begleitet werden, die an den indirekten Ursachen frühkindlicher Mangelernährung ansetzen. Insbesondere Schwangere und Kleinkinder brauchen eine abwechslungsreiche Nahrung und sauberes Trinkwasser. Auch die Gesundheitsfürsorge und die soziale Stellung von Frauen müssen verbessert werden, damit diese in der Lage sind, angemessen für sich und ihre Kinder zu sorgen. Bei dem Projekt »Kopenhagener Konsens von 2008«, das auf der Basis von ökonomischen KostenNutzen-Analysen Prioritäten für die wichtigsten Herausforderungen der Menschheit benennt, führen

Maßnahmen zur Verbesserung der frühkindlichen Mangelernährung die Rangliste an. Denn es ist wesentlich kostengünstiger, Kinder vor Mangelernährung zu schützen als ein krankes Kind zu behandeln: Es wird geschätzt, dass bereits die konsequente Umsetzung der Stillempfehlung zwischen zwölf und 20 Prozent aller Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren verhindern könnte. Und zwei VitaminA-Kapseln, die pro Stück nur zwei Cent kosten, würden ausreichen, um ein Kind ein Jahr lang vor Mangelerkrankungen zu schützen.

Thema braucht mehr Aufmerksamkeit Schnelle Erfolge sind möglich, wie die Beispiele verschiedener Länder zeigen. Letztlich ist jedoch entscheidend, welche politische Priorität dem Anliegen eingeräumt und wie es verankert wird. Angemessene Ernährung muss als Querschnittsaufgabe in verschiedenen Ministerien angesiedelt werden – etwa Landwirtschaft, Soziales, Gleichstellung, Gesundheit und Finanzen. Dabei haben auch internationale Politikstrategien den Aspekt der Mangelernährung in Ernährungssicherungsprogrammen zu lange vernachlässigt. Die internationale Gemeinschaft hat diesen Fehler erkannt und will das Thema stärker in internationalen und nationalen Politikstrategien verankern. Durch einfache Maßnahmen könnten jedes Jahr Millionen von Todesfällen verhindert werden. Es fehlte bislang vor allem am politischen Willen – das muss sich ändern. Constanze von Oppeln und Ute Latzke sind Mitarbeiterinnen der Welthungerhilfe in Bonn.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ whi2010.html

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Kinder brauchen gutes Essen

Dossier

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WELTERNÄHRUNG

DOSSIER

3. Quartal 2010

Oft mangelt es auch an Wissen Frauen in Mali lernen jetzt dank der Welthungerhilfe, dass eine falsche Ernährung der Grund sein kann, warum ihre Kinder erkranken Die Welthungerhilfe ist seit 1969 in Mali tätig und unterstützt momentan 100 Dörfer, die besonders von Nahrungsunsicherheit betroffen sind. Bis 2011 sollen etwa 125 000 Menschen von der Arbeit profitieren. Dabei stehen vor allem Kinder unter fünf Jahren, Schwangere und stillende Frauen im Fokus.

Damit kranken Säuglingen und Kleinkindern besser geholfen werden kann, hat die Welthungerhilfe die Einrichtung von gemeinschaftlichen Ernährungsfonds angeregt. Die Familien hinterlegen eine bestimmte Summe bei einer Bank vor Ort, das Projekt schießt zu, und ein Gemeindeausschuss verwaltet das Geld. »Wenn ein Kind krank ist und der Gesundheitsbeauftragte es ins Krankenhaus nach Nioro überweist, nehmen wir Geld aus der Kasse für den Transport des Kindes«, berichtet eine Mutter. Anfang dieses Jahres gab es in 48 der rund 100 am Projekt beteiligten Dörfer solche Gesundheitsfonds, insgesamt 1 583 075 CFA-Franc (etwa 2430 Euro) wurden hinterlegt. Die Beschäftigten in den öffentlichen Gesundheitszentren bestätigen, dass immer mehr Menschen sie aufsuchen.

Von Florian Kaiser

A

m schlimmsten ist der Hunger in Nioro du Sahel immer in der Regenzeit, wenn alles wächst und gedeiht. Sorghum und Hirse stehen an den Halmen, schießen übermannshoch in den Himmel. Erdnüsse und Augenbohnen schieben sattgrüne Ranken über den roten Boden. Doch die Schüsseln bleiben leer hier im äußersten Westen Malis, an der Grenze zum Wüstenstaat Mauretanien. Jetzt, in der zweiten Jahreshälfte, haben die Bauern ihre Vorräte aufgebraucht, und die neue Ernte ist noch lange nicht reif. »Wir produzieren so wenig«, sagen die Bauern, »das reicht nicht für das ganze Jahr.« Am meisten leiden darunter die kleinen Kinder, die nicht nur zu wenig, sondern oft auch falsche Nahrung bekommen. In den Dörfern rund um das Kreisstädtchen Nioro hat deshalb etwa die Hälfte der Eineinhalb- bis Dreijährigen Wachstumsstörungen. Und schon von den Kindern, die weniger als ein Jahr alt sind, weist etwa jedes vierte entsprechende Symptome auf. Symptome, die die Mütter nicht einmal erkennen: »Wir haben nicht gewusst, wie ein unterernährtes Kind aussieht«, sagen sie.

Auch Mütter müssen versorgt werden

Aufklärungsarbeit ist erfolgreich Regenzeit und Dürre lassen sich zwar nicht verschieben, aber zumindest Größe und Qualität der Ernten kann man beeinflussen. Und wie man ein unterernährtes Kind erkennt, und was für sein Wachstum notwendig ist, lässt sich lernen. Seit zwei Jahren klärt die Welthungerhilfe die Menschen in rund 100 Dörfern in den Kreisen Nioro du Sahel und Diéma auf, lokale Freiwillige lassen sich schulen und verbreiten das Wissen weiter. Vor allem die Ernährungssituation von Kindern unter fünf Jahren, von schwangeren und stillenden Frauen soll in dem ERNÄHRUNG: Die Frauen lernen, ausgewogen für sich und ihre Kinder zu kochen. auf vier Jahre angelegten »Best Practices«-Projekt deutlich verbessert, die Fälle von chronischer Unterernährung halbiert werden. Doch die dazu nötiWISSENSWERTES ge Aufklärungsarbeit stieß lange auf Vorbehalte in den Gemeinden. Heute sind auch die Helfer in der Lage, zu erkennen, wenn ein Kleinkind falsch ernährt wird. Und sie wissen sogar, woran das liegt: an den Ziegen. Schon seit Generationen ziehen die Frauen in NiAusmaß oro ihre Kinder mit Ziegenmilch auf. Ihre wertvolle Chronische Mangelernährung – tritt durch zu geringe Größe im Vergleich zum Alter in Muttermilch hielten sie für giftig, schütteten sie Erscheinung (Stunting): betrifft etwa 178 Millionen Kinder, das heißt weltweit 32 Proweg. »Ich sage zu den Müttern: Schau die Tiere an, zent aller Kinder unter fünf Jahren. die Ziegen, die Kühe, die Pferde«, erklärt der von der Akute Mangelernährung – tritt durch zu geringes Gewicht im Vergleich zum Alter in Welthungerhilfe ausgebildete Freiwillige. »Sie geben Erscheinung (Wasting): betrifft etwa 55 Millionen Kinder, das heißt weltweit zehn Proihre Milch ihren Kindern. Sie ist nicht giftig.« Zur zent aller Kinder unter fünf Jahren. Ziegenmilch gaben die Mütter ihren Säuglingen Untergewicht – das heißt eine Kombination aus zu geringer Größe und zu geringem Wasser zu trinken. Eine der Frauen erzählt: »Jetzt Gewicht im Vergleich zum Alter: betrifft etwa 112 Millionen Kinder, also weltweit geben wir ihnen nur Muttermilch in den ersten 20 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren. sechs Monaten. Wir haben gelernt, dass sie besser »Versteckter Hunger« – das heißt ein Mangel an lebenswichtigen Mikronährstoffen und ist als Wasser.« Wenn die Muttermilch nach einem Vitaminen: betrifft viele Millionen von Kindern weltweit. halben Jahr nicht mehr ausreicht, bereiten die Frauen nun eine auf das Kleinkind abgestimmte ZusatzFolgen kost aus lokalen Erzeugnissen zu. »Wir haben nicht 14,5 Prozent aller Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren gehen auf chronische gewusst, dass man so etwas machen muss«, sagt sie. Mangelernährung zurück. »Wenn wir gegessen haben, haben wir unserem Kind 14,6 Prozent aller Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren sind auf akute Mangelereinfach etwas davon gegeben.« Ihre Nachbarin benährung zurückzuführen. stätigt den positiven Effekt, den das Stillen auf die Elf Prozent aller Kinder weltweit kommen aufgrund von unzureichender NährstoffaufKinder hat. »Ich sehe einen Unterschied bei meiner nahme während der Schwangerschaft bereits zu klein zur Welt und haben ein erhöhzweiten Tochter«, sagt sie. »Sie hat in den ersten tes Sterberisiko. sechs Monaten nur Muttermilch bekommen und 6,5 Prozent aller Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren werden durch Vitamin-AKindernahrung danach. Seit ihrer Geburt ist sie nie Mangel verursacht. krank geworden. Das ist anders als bei meinem ersten Kind.« Auf den Dörfern setzt sich erst langsam © Quelle: R. Black u. a.: Maternal and Child Undernutrition: Global and Regional Exposures and Health Consequences, The Lancet, 371: 243–60. die Erkenntnis durch, dass mangelhafte Ernährung die Ursache für viele Krankheiten ist.

Unterschätzte frühkindliche Mangelernährung

© Kaufhold/Welthungerhilfe

KINDER BRAUCHEN GUTES ESSEN

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Doch die Frage der gesunden und ausreichenden Ernährung betrifft nicht nur die Kinder, sondern auch die Mütter. Vor Projektbeginn war jede fünfte Mutter untergewichtig, noch einmal so viele von Untergewicht bedroht. Die Gesundheit der schwangeren und stillenden Frauen aber hat Auswirkungen auf ihre Neugeborenen. Die Aufklärung über Essgewohnheiten und gesunde Ernährung kann aber nur dann etwas bewirken, wenn es auch genug Nahrungsmittel gibt. Deshalb werden im Projektgebiet Schulungen mit den Familienvorständen abgehalten. Hier lernen die Dorfbewohner, wie sie das Saatgut verbessern und gemeinsam die Erosion des wenigen fruchtbaren Bodens aufhalten, wie sie die Ernte vergrößern, diversifizieren und lagern können. Denn nur so lässt sich die Hungerzeit vor der Ernte vermeiden. Anfangs waren die Bauern den neuen Methoden gegenüber sehr skeptisch. »Im ersten Jahr haben wir von dem neuen Saatgut nur wenig gesät. Dann haben wir gesehen, dass es viel besser funktioniert«, sagt einer der Bauern. »Dieses Jahr wollen alle nur noch das neue Saatgut. Das ergibt ungefähr 500 Kilo für jedes Kilo Samen. Beim alten Saatgut waren es 300 Kilo.« Brunnen- und Gartenbauprojekte tragen ebenfalls zu höheren Ernten bei. Bei allem Nutzen, den die Dorfbewohner inzwischen in dem Projekt sehen, war es doch nicht frei von Anlaufschwierigkeiten. Die Welthungerhilfe versucht inzwischen, das Projekt so anzupassen, dass nachhaltige Fortschritte geschaffen werden können. So werden die freiwilligen Ernährungsberater, die gerade in der Hungerzeit vor der Ernte am meisten Kontroll- und Aufklärungsarbeit leisten müssen, genau dann auch am dringendsten auf ihren Feldern gebraucht. Eine Aufwandsentschädigung soll es ihnen nun ermöglichen, Feldarbeiter zu ihrer Unterstützung einzustellen. Auch ist fraglich, ob die Maßnahmen langfristig wirken können, wenn die finanzielle Hilfe von außen ausläuft. Doch bei allen Schwierigkeiten deuten die Aussagen der freiwilligen Helfer und anderer Gemeindemitglieder darauf hin, dass das Programm mit seiner umfassenden gesundheitlichen und ernährungsbezogenen Aufklärung, mit besserem Zugang zur medizinischen Versorgung und der Beseitigung der Nahrungsmittelknappheit den richtigen Ansatz verfolgt. Auch die Bauern aus den Nachbargemeinden um Nioro du Sahel und Diéma interessieren sich nun für das Projekt. Dass sich bei ihren Nachbarn etwas getan hat, merken sie schon daran, dass diese zum Wasserholen nicht mehr den weiten Weg bis zu ihnen machen müssen. Florian Kaiser arbeitet als freier Journalist in Nürnberg.

WELTHUNGER-INDEX

Rang 52/122 Ländern 19,1 (ernst)

0 wenig Hunger www.welthunger-index.de

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ mali-hilfsprojekt-bildung.html

gravierend 40


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WELTERNÄHRUNG

CHANCEN NUTZEN: Nach dem Abstillen müssen die Kinder altersgerechte Nahrung erhalten, sonst droht Untergewicht, das man durch Messen des Oberarmumfangs feststellen kann.

Gesunde Ernährung als politisches Ziel Es kommt nicht nur darauf an, Menschen satt zu machen, sondern sie müssen sich darüber hinaus vielseitig und gesund ernähren können WELTERNÄHRUNG: Die Bekämpfung von frühkindlicher Mangelernährung hat in den letzten Jahren auf politischer Ebene an Bedeutung gewonnen. Warum geht es hier immer noch nicht schneller voran? Michael Krawinkel: In manchen Ländern sehen wir INTERVIEW gute Fortschritte bei der Bekämpfung der Unterernährung von Säuglingen und Kleinkindern. In vielen anderen Ländern wird immer noch zu wenig daMichael Krawinkel ist ausgebildeter Kinder- rauf hingewirkt, dass Säuglinge sechs Monate voll arzt und arbeitet seit 1999 an der Justus- gestillt und dann mit bedarfsgerechter und hygienisch zubereiteter Beikost gefüttert werden. Hier ist Liebig-Universität in Gießen auf der Prodie Politik gefragt, die Vermarktung von künstlichen fessur für Ernährung des Menschen mit Säuglingsnahrungen einzuschränken und das StilSchwerpunkt Ernährung in Entwicklungsländern. Er beschäftigt sich mit Fragen der len durch Stillgruppen und -beratung zu fördern. Das ist auch eine Ausbildungsaufgabe, die bisher in Ernährungssicherheit, insbesondere der der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, PflegeNutzung der Biodiversität für Ernährung personal und Hebammen vernachlässigt wird. sowie mit dem Gesundheitsnutzen von Gemüse, mit Kinderernährung und klinischer Ernährungsmedizin.

Das maßgebliche Koordinierungsgremium der Vereinten Nationen zur Bekämpfung von Mangelernährung – der Ständige Ernährungsausschuss der Vereinten Nationen (SCN) – wird zurzeit reformiert. Welche Rolle sollte dieses Gremium in Zukunft spielen? Der SCN kann eine bedeutende Rolle in der Bekämpfung des Hungers auf der Welt spielen – sowohl als Koordinationsgremium zwischen den internationalen und nationalen Hilfs- und Entwicklungsorganisationen als auch zur Zusammenführung von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen sowie denjenigen, die sich um Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der Hungerbekämpfung kümmern. Wichtig erscheint mir, den SCN aus der Konkurrenz der anderen UN-Organisationen herauszulösen und ihn direkt dem Generalsekretär zu unterstellen. Nur er kann den Skandal des andauernden Welthungers vor die Vollversammlung und den Sicherheitsrat bringen und damit den notwendigen politischen Nachdruck erzeugen.

stützung für einkommensarme Haushalte, die Förderung der Selbstversorgung auf Haushaltsebene sowie den Ausbau von Gesundheits- und Sozialdiensten. Unsere Entwicklungspolitik kann hier einiges lernen: Es kommt nicht so sehr auf die Einzelmaßnahme, sondern auf den politischen Rahmen, die Initiative, die Beharrlichkeit und Konsequenz an. Der »Brasilianische Weg« ist kein leichter gewesen, sondern ist auch international sehr kritisch beäugt worden. Wie wichtig ist die Berücksichtigung kultureller oder klimatischer Umstände bei der Bekämpfung frühkindlicher Mangelernährung? Unter- und Mangelernährung hat immer mehrere Ursachen. Armut, Unwissenheit, Boden- und Erbrecht, aber auch wirtschaftliche, geografische, kulturelle und soziale Voraussetzungen bestimmen, ob an einem Ort der Erde Hunger oder Wohlstand herrscht. Diese Voraussetzungen fallen nicht vom Himmel, sondern sind Ergebnis historischer Prozesse, sie sind von Menschen gemacht.

Was kann dagegen getan werden? Zur erfolgreichen Bekämpfung von Hunger und Unterernährung gehört die Berücksichtigung der vorherrschenden Umstände in jeder Hinsicht. Daher ist mir wichtig, sich die Probleme mit den Betroffenen genau anzusehen, bevor man Konzepte und Strategien entwirft. Die Zeitschrift »Lancet« hat in den letzten Jahren in Artikeln beschrieben, wie sich die »Gabe von Vitamin A« oder die Anreicherung von Speisesalz mit Jod auswirken. Die Umstände wurden leider jedoch oft vernachlässigt. Das heißt, wir haben heute eine ganze Reihe von wirksamen Instrumenten zur Bekämpfung der sichtbaren und unsichtbaren Unterernährung in der Hand, aber es kommt darauf an, im Einzelfall richtig zu entscheiden, welches Mittel wo und wann am besten eingeEinigen Ländern, wie etwa Brasilien, ist es gelungen, setzt werden kann. die Mangelernährungsraten von Kleinkindern erfolgreich zu reduzieren. Welches waren die Erfolgsfak- Es gibt Entwicklungsländer, in denen die einen hungern und die anderen unter Fettleibigkeit leiden – toren; was können wir von diesen Ländern lernen? In Brasilien haben sich mehrere aufeinanderfol- manchmal sogar innerhalb einer Familie. Wie kann gende Regierungen dem politischen Ziel der Hun- das sein? ger- und Armutsbekämpfung verschrieben. Umge- Die Frage knüpft direkt an die vorige an, dabei gibt setzt wurde das durch direkte finanzielle Unter- es mehrere Aspekte zu bedenken:

a) Durch Unterernährung wird der menschliche Organismus darauf »programmiert«, aufgenommene Nährstoffe und Nahrungsenergie optimal auszunutzen; ein besseres Nahrungsangebot führt dazu, dass Fettdepots angelegt werden. Dem kann nur durch körperliche Aktivität vorgebeugt werden, denn dann bilden sich Muskeln. b) Der Konsum zuckerhaltiger Getränke und Limonaden steigt weltweit stetig an. Diese Getränke sind aber hinterhältig, denn wir nehmen durch sie Energie auf, aber wir werden nicht satt. Das bedeutet: Wir nehmen zwar immer mehr Kalorien auf, aber wir haben immer weniger Geld für eine vielfältige gesunde Ernährung, sodass wir möglichst billig satt machende Nahrungsmittel kaufen. Die machen dann satt und dick, aber Vitamine fehlen. c) Auch der Verzehr von Ölen und Fetten nimmt weltweit zu. Diejenigen, die es sich leisten können, essen Fleisch, Fleischprodukte, Fisch und Milchprodukte; das wird zur Prestigefrage. Wir müssen uns dringend hin zu einer gesunden Ernährung orientieren, denn die Probleme der Entwicklungsländer mit Zuckerkrankheit, Herzinfarkt, Krebs und Schlaganfall werden bei Weitem unterschätzt. Sie sind so häufig wie bei uns, aber eine Therapie ist für viele unerschwinglich. Muss es noch mehr Forschung zum Thema Hunger und Unterernährung geben? Forschung gegen Hunger muss sich heute als Systemforschung etablieren. Dazu gehören landwirtschaftliche, wirtschaftliche und juristische, ernährungsphysiologische und gesundheitliche Bedingungen und Konzepte. Dabei sollten wir nach dem Motto vorgehen: Welche Ressourcen stehen der Bevölkerung einer Hungerregion zur Verfügung, und wie kann ich helfen, diese Ressourcen optimal zu nutzen, um Hunger zu überwinden und dauerhaft zu vermeiden? Das Interview führte Constanze von Oppeln.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ hunger_spezial.html

KINDER BRAUCHEN GUTES ESSEN

DOSSIER

© Welthungerhilfe (2), Porträt: privat

3. Quartal 2010


kInDer BrAUchen GUtes essen

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dOSSier

WelternäHrung

3. Quartal 2010

schnelle hilfe gegen Unterernährung Das Unternehmen Nutriset stellt therapeutische Lebensmittel für stark unterernährte Kinder in Kooperation mit den Abnehmerländern her

W

elchen Beitrag kann ein Unternehmen leisten, um Unterernährung zu bekämpfen? Die Firma Nutriset entwickelt innovative Ernährungslösungen zur Behandlung und Vorbeugung von Unterernährung. Um den Zugang zu stAnDPUnkt diesen Produkten zu verbessern, unterstützt sie lokale Produktionsinitiativen und innovative Lieferstrategien. Indem wir bessere Instrumente zur Behandlung von Mangelernährung bereitstellen und gleichAdeline Lescanne ist stellvertretende zeitig die betroffenen Länder und ihre wirtschaftliche Geschäftsführerin bei Nutriset. Nach Entwicklung fördern, versuchen wir einen wesentliihrem Abschluss an einer Schule für chen und nachhaltigen Beitrag zur Ernährungsautolandwirtschaftliche Entwicklung in Frankreich hat sie ihren Master in Entwicklungs- nomie zu leisten und dadurch die Kluft zwischen Nothilfe und Entwicklung zu überbrücken. soziologie an der Wageningen University in den Niederlanden absolviert. Adeline Lescanne arbeitete in Entwicklungshilfeprojekten in Afrika, bevor sie 2005 zu Nutriset kam, um ein internationales Netzwerk zur Herstellung therapeutischer Fertignahrung aufzubauen.

Auf leichten Zugang kommt es an Früher wurden schwer unterernährte Kinder nur mit der sogenannten therapeutischen Milch F-100 behandelt, die mit Wasser angerührt werden musste. Nach der Zubereitung ist sie nicht lange haltbar, zudem ist sauberes Wasser in vielen Entwicklungsländern ein großes Problem. Deshalb wurden die Kinder über mehrere Wochen ins Krankenhaus eingewiesen und rund um die Uhr medizinisch betreut. Denn nur das Klinikpersonal konnte die therapeutische Milch ordnungsgemäß zubereiten und

verabreichen. Für die unzureichenden Infrastrukturen der Länder mit hohen Unterernährungsraten bedeutete dies eine große Belastung. Das schränkte die Anzahl der Kinder, die behandelt werden konnten, drastisch ein.

Hungerländer werden zu Produzenten 1996 entwickelte Nutriset die therapeutische Fertignahrung Plumpy’nut®. Dabei handelt es sich um eine mit Milch, Pflanzenfett, Zucker, Vitaminen und Mineralien angereicherte Erdnussbutterpaste, die über denselben Nährwert wie die therapeutische Milch F-100 verfügt. Im Vergleich dazu muss sie nicht erst zubereitet werden, sondern kann direkt aus der Packung verzehrt werden, auch von Kindern. Therapeutische Fertignahrung wie Plumpy’nut® hat dazu beigetragen, dass sich die Anzahl der behandelten Kinder verzehnfacht hat und die Krankenhäuser entlastet werden, sodass sie sich heute auf die schwersten Fälle konzentrieren können. Das Produkt Plumpy’nut® war von vornherein darauf ausgerichtet, dass die Länder, die es am meisten brauchen, selbst produzieren. Deshalb starteten wir mehrere kleine Initiativen, um es direkt in Mauretanien, Burkina Faso, im Senegal und einigen anderen Ländern herzustellen. Als die Nachfrage 2005 schließlich erheblich zu steigen begann, entschieden wir uns für die Gründung des Netzwerks Plumpy’nut® in the field, das später in PlumpyField umbenannt wurde. Die Idee war, ein Verfahren für den Technologietransfer zu schaffen, das die Aspekte Produktion, Installation und Wartung von Ausrüstung, den Einsatz von Qualitätsmanagementsystemen, Kontakte für den Verkauf an humanitäre Organisationen sowie finanzielle Hilfen einschließt. Das anfänglich aus dem Niger, der Demokratischen Republik Kongo und Malawi bestehende Netzwerk umfasst heute elf Teilnehmer, darunter einige besonders schwer von Unterernährung betroffene Länder wie Äthiopien, Madagaskar und Indien. 2009 stellten unsere Partner 4000 Tonnen her, beinahe ein Drittel der gesamten Plumpy’nut®-Produktion weltweit. Für 2010 erwarten wir über 8000 Tonnen. Das Netzwerk hat nicht nur seine Produktionskapazität erhöht, sondern genießt auch einen guten Ruf, was die Qualität betrifft: Alle Netzwerkpartner haben die Qualitätskontrollen von Großabnehmern wie UNICEF oder Ärzte ohne Grenzen erfolgreich bestanden. Der Einfluss des Netzwerks ist ausgesprochen positiv. Durch die

hohe Verfügbarkeit des Produkts und geringere Transportkosten haben unsere Partner dazu beigetragen, Ernährungsprogramme in Schwerpunktländern mit hohen Mangelernährungsraten zu erweitern. Zudem werden durch die Förderung nachhaltiger und verantwortungsvoller Unternehmensprojekte Arbeitsplätze und Marktchancen für Rohmateriallieferanten geschaffen. Nutriset hat neben Plumpy’nut® auch sofort verzehrbare Nahrungsergänzungsmittel zur Bekämpfung moderat akuter Unterernährung, für die Vorbeugung von Nährstoffmangel und die Verhinderung von Unterernährung entwickelt: Supplementary Plumpy®, Plumpy’doz®, Plumpy’soy® und Nutributter®. Im Bestreben, weitere Lücken in der Forschung zur Verhinderung von Mangelernährung zu schließen, beteiligt sich Nutriset an dem Projekt iLiNS (International Lipid-based Nutrient Supplements Project). Die Forschungsinitiative führt angesehene akademische Institutionen zusammen. Das Ziel ist es, die ergänzende Fertignahrung Nutributter® zu testen und weiterzuentwickeln, um sie bestmöglich auf die Zielgruppen – Kinder im Alter von sechs bis 24 Monaten, Schwangere und Stillende – abzustimmen.

Es gilt, Netzwerke zu schaffen Nutriset verfügt über die Kapazitäten, neue Produkte zu entwickeln und herzustellen, während diese von humanitären Organisationen zusammen mit Forschungsinstitutionen praktisch getestet werden. Sobald sich die Produkte in der Praxis bewährt haben und regelmäßige Bestellungen dafür eingehen, können Mitglieder des PlumpyField-Netzwerks mit der selbstständigen Produktion beginnen. Die betroffenen Staaten akzeptieren solche Produktneuheiten vor allem dann, wenn sie im Land selbst hergestellt werden. Plumpy’doz® wird bereits von der Firma JB/Tanjaka Food in Madagaskar produziert und Supplementary Plumpy® von Hilina Enriched Food Processing Center aus Äthiopien. Zudem werden andere PlumpyField-Mitgliedstaaten ihr Portfolio bald erweitern. Das PlumpyField-Netzwerk setzt sich neben der Erforschung neuer Methoden zur Behandlung von Unterernährung ebenso für die Ermittlung innovativer Lieferstrategien ein. Im Niger vertreibt das Mitglied STA speziell konzipierte Nahrungsergänzungsmittel direkt auf dem privaten Markt. Das Produkt ist in Preis, Produktbezeichnung, Verpackung und Vertriebsweg so zugeschnitten, dass es für die Bedürftigen einfach zugänglich ist. Vergleichbare Projekte laufen in Tansania, Madagaskar, Burkina Faso, Äthiopien und Ghana oder sind dort geplant. Das PlumpyField-Netzwerk ist nach unserer Auffassung ein interessantes Beispiel für den Beitrag, den die Privatwirtschaft durch sinnvolle Kooperationen im Kampf gegen Unterernährung leisten kann.

WIssensWertes

© Welthungerhilfe, Porträt: privat

Projektansatz der Welthungerhilfe

WIssenschAFtLIcher FOrtschrItt: Durch spezielle therapeutische Fertignahrung können in Notfällen mehr Kinder vor der Unterernährung gerettet werden.

Therapeutische Zusatznahrung wie Plumpy’nut® oder andere Fertigprodukte (RTUF – Ready to Use Food) kann zur Behandlung und Verhinderung von akuter Unterernährung bei Kindern in Notfällen oder Krisensituationen einen wertvollen Beitrag leisten. Speziell in Ländern mit mangelhafter Infrastruktur im Gesundheitsbereich können solche Fertigprodukte eine wichtige Rolle zur therapeutischen Behandlung von Kindern zu Hause spielen. Dauerhafte und chronische Unterernährung bei Kindern kann aber mittel- und langfristig nur verhindert oder bekämpft werden, wenn das Thema Ernährung in landwirtschaftlichen Projekten von Anfang an miteinbezogen wird. Der Fokus muss

dabei auf der Qualität der Nahrungsmittel liegen, nicht nur auf der Quantität. Die Welthungerhilfe versucht in ihren Projekten daher, die Menschen zu unterstützen, aus lokal verfügbaren Nahrungsmitteln qualitativ hochwertige Mahlzeiten selbst herzustellen. Dies gilt auch für die Zubereitung von energiereicher Zusatznahrung für Kleinkinder, zum Beispiel aus Erdnüssen, lokalen Hülsenfrüchten, Gemüse und Speiseöl. Dies ist die beste Möglichkeit, den Menschen langfristig Möglichkeiten für eine gesunde Ernährung in eigener Verantwortung zu belassen. In akuten Krisen dagegen ist der Einsatz von Fertigprodukten eine sinnvolle Methode, kurzfristig Menschenleben zu retten.


Hintergrund

WElternäHrung

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Ecuador lässt das Öl, wo es ist Ecuador hat mit der UNO einen Fonds eingerichtet, um den Regenwald zu schützen und entgangene Erdölprofite zu Geld zu machen

© Dematteis/Redux/laif

3. Quartal 2010

Besser Geschützt: Ein neuartiger Fonds, der sich aus privaten und öffentlichen Zuwendungen speist, soll den Yasuní-Nationalpark (im Bild: die Jatunchocha-Lagune) vor der Erdölausbeutung schützen.

D

Schweden und die Schweiz haben ihr Mitwirken, sprich Fondseinlagen, in Aussicht gestellt. Euphorisch geben sich auch Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Die Einrichtung des Fonds sei der »Durchbruch für eine revolutionäre Idee aus Ecuador«, kommentierte Ute Koczy, die entwicklungspolitische Sprecherin der Partei. Seit Jahren hat Deutschland die Initiative parteiübergreifend unterstützt und fungiert bislang als gutes Beispiel im Kreis der potenziellen Geberländer. Dennoch bleibt Skepsis angesagt. Denn in dem Gebiet um das Flusssystem ITT herum wird weiterhin massiv Erdöl gefördert, auch im Nationalpark Yasuní und in Indianerreservaten. Zudem leben die Waldindianer der Tagaeri und Taromenane, die von dem Projekt an erster Stelle profitieren sollen, nomadisch und befinden sich laut Beobachtern in Ecuador derzeit gar nicht im Schutzgebiet. Unübersehbar durchkreuzt der neue Weg Ecuadors die alte Erdölvorrangpolitik und die von ihr zugelassenen ökologischen Katastrophen. In der bisherigen politischen Praxis des Landes wurden die souveränen staatlichen Rechte an der Rohstoffausbeutung stets den indianischen Rechten und ökologischen Erfordernissen übergeordnet. Insbesondere

im ecuadorianischen Regenwald wurden über Jahrzehnte Konzessionen zur Erdölförderung vergeben, auch wenn über dem dünnen Humus des betroffenen Waldes andere Schutzbestimmungen galten. Auch für das ITT-Gebiet und die darunter lagernden Erdölvorkommen haben bereits Vorverhandlungen zur Ausbeutung stattgefunden. Der Fonds bedeutet für Ecuador, eines der ärmsten Länder Südamerikas, die große Chance auf einen Paradigmenwechsel. Er kann eine neue Ära im Umgang mit seinen fossilen Bodenschätzen und natürlichen Wäldern einläuten. Für die internationale Gemeinschaft könnte aus der ambitionierten und beispiellosen Initiative Ecuadors ein neues Modell erwachsen, wie Gebernationen und Entwicklungsländer des Tropengürtels Natur- und Klimaschutz künftig vereinen. Und zwar auf Augenhöhe. Peter Korneffel arbeitet als freier Journalist in Berlin und Lateinamerika.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ecuadorhilfsprojekt-mangrovenwaelder.html

neue Perspektiven: Bislang hat die Regierung Ecuadors die Interessen der indigenen Völker der Erdölförderung unter­ geordnet. Der ITT Trust Fund steht für eine Abkehr von dieser Politik und trägt dazu bei, dass der Artenreichtum des ecuadorianischen Nationalparks Yasuní (Bild unten) erhalten bleiben kann. © laif

wie als täglicher Produktionsausschuss sind schon mehrere Millionen Barrel Erdöl und hochtoxische Bohrabwässer in das Erdreich und die Flusssysteme Ecuadors gesickert. Das sind, über vier Jahrzehnte gerechnet – Schadensdimensionen, wie wir sie derzeit im Golf von Mexiko schmerzlich vor Augen geführt bekommen. Seit der Ölkonzern Texaco 1967 erstmals Öl in Ecuador entdeckte, sind Mensch und Umwelt in Ecuadors Osten ständig bedroht und regelmäßig Geschädigte der Erdölindustrie. Ärzte haben bei den Von Peter Korneffel Bewohnern der Gemeinden nahe den Bohrlöchern einen starken Anstieg von Krebserkrankungen festas Entwicklungsprogramm der Vereinten gestellt. »Ecuador muss entscheiden, was es bereit Nationen (UNDP) und die Regierung von ist, für das Erdöl zu opfern«, sagte Rodolfo Barniol, Ecuador unterzeichneten am 3. August 2010 damals Petroecuador-Präsident, schon 2001. einen Vertrag über die Einrichtung eines neuartigen Umwelt- und Klimaschutzfonds. Der am UNDP-Sitz Eine beispiellose Initiative in New York aufgelegte »Yasuní Ishpingo Tambococha Tiputini (ITT) Trust Fund« sammelt seitdem Der Weg bis hin zur Einrichtung des Fonds war lang private und öffentliche Zuwendungen, mit denen und steinig. Noch in diesem Januar drohte die seit ein 190 000 Hektar großes Regenwaldgebiet des drei Jahren diskutierte »ITT-Yasuní-Initiative« an eiecuadorianischen Nationalparks Yasuní langfristig nem plötzlichen Rückzieher der Regierung Ecuadors vor der Erdölausbeutung bewahrt werden soll. zu scheitern. Staatspräsident Rafael Correa sah in Gleichzeitig investiert dieser Kompensationsfonds dem Fonds den Versuch der internationalen Gemeinin Umwelt- und Sozialprojekte sowie in erneuerba- schaft, sich in innere Angelegenheiten Ecuadors einre Energien in 40 nationalen Schutzgebieten Ecua- zumischen, die »Souveränität des Landes« zu unterdors. »Diese historische Entscheidung wird die Emis- graben. Correa drohte sogar mit einem Abbruch der sion von 407 Millionen Tonnen CO2 vermeiden … Fondsverhandlungen und der umgehenden Vorbeund eine der Regionen von weltweit höchster Bio- reitung der Erdölförderung im ITT-Gebiet. Nach Anpassungen im Vertragswerk und einer diversität schützen«, prognostizierte das UN-Programm nach der Unterzeichnung. Erstmals wird un- ­Einigung mit der Regierung Correa beginnt der terlassene Erdölausbeutung in einem internationa- ­Treuhandfonds nun zu sammeln: laut Plan binnen len Fonds in Emissionsschutz und Geldwert 13 Jahren insgesamt 3,6 Milliarden US-Dollar aufgerechnet. Außergewöhnlich ist zudem, dass die ­(circa 2,6 Milliarden Euro). Das entspricht der Initiative von dem recht kleinen Entwicklungsland ­Hälfte des nicht realisierten Erlöses aus der mögEcuador ausging und nicht etwa von Regierungen lichen ­Förderung von 846 Millionen Barrel Erdöl oder Nichtregierungsorganisationen in den Indust- im ITT-Gebiet. Regenwaldschützer in Ecuador und Europa beriestaaten. grüßen den Fonds ausdrücklich und appellieren an die Regierungen und Politiker, die bereits EinzahGroßer Artenreichtum in Gefahr lungen in Aussicht gestellt hatten, nun auch die Das ITT-Gebiet ist eines der artenreichsten Regio- ausgegebenen »Yasuní Guarantee Certificates« (YGC) nen der Welt – das hat die Wissenschaft erwiesen. zu kaufen. Diese Zertifikate sind zunächst Belege Es umfasst den weitgehend noch unberührten Teil über Spenden, könnten aber dem UNDP zufolge in des Nationalparks Yasuní im Osten Ecuadors, wo Zukunft auch in den Handel mit Verschmutzungswichtige Quellflüsse des Amazonas wie der Rio Na- rechten an der Leipziger Strombörse aufgenommen po verlaufen. In dem UNESCO-Biosphärenreservat werden. In erster Linie ist das Geberland Deutschland geYasuní wurden beispielsweise auf einem einzigen Hektar Wald fast so viele Baumarten wie in ganz fragt, nun durch den Erwerb der Zertifikate in den Nordamerika gezählt. Waldindianer der Tagaeri und Fonds einzuzahlen. Die Bundesrepublik ist seit 2007 Taromenane leben noch ohne Kontakt zur restlichen der größte Befürworter und Förderer dieser neuen Zivilisation in den Regenwäldern von Yasuní. Al- Entwicklungs- und Klimaschutzidee. Erich Stather, lerdings wird ihr Lebensraum schon heute durch die 2009 der zuständige Staatssekretär im Bundesmisich ausbreitende Erdölförderung – auch im Natio- nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), bezeichnete Deutschland als nalpark Yasuní – existenziell gefährdet. Das staatliche Erdölunternehmen Petroecuador, »Lead Nation« beim Voranbringen des Projektes. das etwa die Hälfte des Erdöls im Land fördert, hat »Funktioniert das Konzept, verhindern wir in Ecuaeingeräumt, dass es entlang der im Land verlaufen- dor eine Katastrophe«, sagte Stather der ZEIT. Dabei den Pipelines bereits jetzt im Jahresdurchschnitt zu bezifferte er den Beitrag Deutschlands auf mögli75 Unfällen und Lecks kommt. Aus geplatzten, de- cherweise 50 Millionen Euro pro Jahr. Auch Spanifekten und bei Sabotageakten zerstörten Rohren so- en, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Norwegen,

© Heeb/laif

Es hat drei Jahre gedauert, das ambitionierte Konzept zum Schutz eines Regenwaldgebiets im ecuadorianischen Nationalpark Yasuní zur Unterschriftsreife zu bringen. Jetzt ist auch der Einsatz der Befürworter gefragt, zu denen Deutschland zählt.


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MEDIEN & INFORMATIONEN

WELTERNÄHRUNG

AKTION

Backen für eine Welt ohne Hunger

3. Quartal 2010

Engagiert gegen den Hunger In der Woche der Welthungerhilfe machen vielfältige Aktionen auf das Thema und Hilfsmöglichkeiten aufmerksam

© Weische/Welthungerhilfe

BONN | Allerorten gibt es Sonderangebote: »Bezahlen Sie eines – und nehmen Sie zwei«. Die Welthungerhilfe dreht das Motto pünktlich zur »Woche der Welthungerhilfe« vom 10. bis 17. Oktober um: »BUY 1 PAY 2«. Bundesweit haben Schüler von weiterführenden Schulen ein Aktionspaket mit Postern, Rezept und Muffinförmchen erhalten. Jetzt krempeln sie die Ärmel hoch, backen mit und verkaufen die Muffins im Schülercafé, im Pausenkiosk oder auf der Straße zugunsten der Welthungerhilfe. Für die Käufer heißt es dabei, nicht zu sparen, sondern im Gegenteil den doppelten Preis zu zahlen für den guten Zweck. Denn der Erlös trägt dazu bei, den Alltag von Menschen in Entwicklungsländern zu erleichtern, den Hunger zu reduzieren und für ein Stückchen mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Wie engagiert Schulen sind, zeigen ein paar Beispiele: Die Schülerinnen und Schüler des GutsMuths-Gymnasiums in Quedlinburg werden gemeinsam mit einer Lehrerin vier Wochen lang Muffins backen und in den Pausen verkaufen. Auch die Rainer-Werner-Fassbinder-Fachoberschule in München war von der Idee begeistert und bietet Muffins

HILFE FÜR DIE BETROFFENEN: Viele Kinder leiden an Hunger und Mangelernährung. Sie brauchen dringend Unterstützung.

BACKEN HILFT: In den kostenlosen Aktionspaketen stecken Rezepte und Werbemittel für den Muffinverkauf.

am Elternabend an. Am Gymnasium Odenthal wird der Tag der offenen Tür zum Anlass genommen, um sich an der Aktion »BUY 1 PAY 2« zu beteiligen. Nicht nur Schulen sind mit von der Partie. Einige Studenten der Universität Ilmenau werden sich in ihre Küchen stellen und Muffins backen, die sie dann zum Semesterbeginn verkaufen. Ein Partner der Aktion ist auch die zukünftige Mitgliedsorganisation Bund der Deutschen Landjugend. Die 18 Landesverbände verkaufen Muffins in ihren Versammlungen und bei Fachtagungen. Die Aktion »BUY 1 PAY 2« geht auch nach dem 17. Oktober weiter. Interessierte können weiterhin kostenlos Aktionspakete bestellen. Darin enthalten sind Muffinförmchen, Muffinrezepte, Poster und Postkarten zur Bewerbung der Aktion. Bestellungen bitte an Frank Jäger unter frank.jaeger@ welthungerhilfe.de oder Telefon: (0228) 22 88-258.

BERLIN | Hunger ist die größte Katastrophe unserer Zeit. Deshalb wird die Welthungerhilfe auch in diesem Jahr im Rahmen der »Woche der Welthungerhilfe« auf die Situation der Hungernden weltweit aufmerksam machen. Vom 10. bis 17. Oktober gibt es eine Vielzahl unterschiedlichster Veranstaltungen und Aktionen. Gleich zu Beginn hat Bundespräsident Christian Wulff das Wort ergriffen und als Schirmherr der Welthungerhilfe die »Woche« mit einer Fernsehansprache eröffnet. In seiner Rede am 10. Oktober in ARD und ZDF erinnerte er die Bürgerinnen und Bürger, dass wir alle in einem globalen Dorf leben und füreinander verantwortlich sind. Wie wichtig es ist, sich dies bewusst zu machen, zeigt der aktuelle Welthunger-Index (WHI). Jedes Jahr geben Welthungerhilfe, Concern Worldwide und IFPRI einen Bericht über die Hungersituation weltweit heraus. Im WHI wird deutlich, dass

die Situation vor allem südlich der Sahara katastrophal ist. Doch auch hier gibt es ermutigende Entwicklungen, wie ein Projekt der Welthungerhilfe in Mali zeigt. Bis 2011 sollen dort etwa 125 000 Menschen erreicht werden. Die ersten Erfolge sind bereits sichtbar: Es gibt weniger unterernährte Kinder, die Frauen stillen ihre Kinder länger und sowohl die Gesundheit der Mütter als auch die der Kinder hat sich verbessert. Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, ist extra nach Mali gereist, um sich über den Fortgang des Projektes zu informieren. In der Pressekonferenz zur Präsentation des WHI am 11. Oktober berichtete Bärbel Dieckmann von ihren bewegenden Eindrücken in Mali. Am Abend des gleichen Tages sprachen der Vizepräsident der Welthungerhilfe und ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer sowie Experten aus Wirtschaft, Medien und Forschung bei der Podiumsdiskussion

internationaler Musik aus Europa, Afrika und Lateinamerika. Sportlich geben sich die Frauen in Berlin. Anlässlich der 50-jährigen Unabhängigkeit Malis veranstaltete die Botschaft von Mali am 10. Oktober 2010 einen Zehnkilometerlauf in Berlin. Die Botschafterin der Republik Mali, SE Fatoumata Siré Diakité, gab den Startschuss zum »1. Berlin Diplomatic Ladies Run« und Bärbel Dieckmann ehrte als Schirmherrin die Siegerinnen. Ein Teil der Startgebühr geht als Spende an die Welthungerhilfe. Um das Thema Hunger breiter zu beleuchten, wird zudem ein neues Hunger-Portal auf der Welthungerhilfe-Homepage zu finden sein. Es beinhaltet eine interaktive Grafik in Form einer Weltkarte, die es ermöglicht, Geschichten von Menschen aus den Partnerländern nachzuvollziehen.

»Versagt die weltweite Hungerbekämpfung? Die Welthungerhilfe hakt nach!«. Die Experten waren sich einig darüber, dass endlich alle Regierungen das Problem Hunger verstärkt angehen müssen. Die »Woche« will nicht nur die politische Diskussion anregen. Eine weitere Leitidee ist die Mobilisierung der Menschen in Deutschland, damit sie sich für notleidende Menschen in anderen Teilen der Welt einsetzen. Die Welthungerhilfe freut sich deshalb über die Vielzahl der Veranstaltungen (siehe Veranstaltungskalender und den Artikel links). So hat sich die Berliner Aktionsgruppe Welthungerhilfe etwas Besonderes vorgenommen: Genau am Welternährungstag, dem 16. Oktober, lädt sie zu einer edlen Benefizveranstaltung in den Tower des Allianz-Gebäudes ein. Das Programm mit dem Duo Manfred Dierkes und Professor Sigi Busch sowie der Sängerin Viola Manigk verspricht eine Mischung von

Das Hunger-Portal finden Sie unter www.welthungerhilfe.de/aktiv-gegenhunger.

FERNSEHEN | THEMENWOCHE ARD

KINO | MUTIG GEGEN HIV/AIDS

Das größte Problem unserer Tage

Lügen sind ansteckend

»HUNGER. AUF DER SPUR DES GRÖSSTEN PROBLEMS DER MENSCHHEIT« Deutschland, Regie: Markus Vetter, Erstausstrahlung, ARD, 25. Oktober, 22.45 Uhr.

DRAMA | Die zwölfjährige Chanda wächst im Township Elandsdoorn in der südafrikanischen Provinz auf. Ihre Mutter ist krank. Ihre Welt verändert sich schlagartig, als ihre einjährige Schwester Sara stirbt und kurz darauf ihr Stiefvater Jonah verschwindet. Chanda ahnt, dass alles mit der Krankheit ihrer Mutter und dem Tod ihrer Schwester zu tun haben könnte, aber niemand spricht offen mit ihr.

© Verleih

© ARD

DOKU | Der Dokumentarfilm »Hunger – Auf der Spur des größten Problems der Menschheit« erzählt, wie Menschen, Gruppen und Organisationen darum ringen, eine der schlimmsten sozialen, politischen und ökonomischen Tragödien unserer Tage zu lösen: den Hunger in der Welt. Der Film wird in der ARD-Themenwoche »Essen ist Leben« gezeigt.

»GELIEBTES LEBEN« Kanada, Deutschland, Südafrika, Regie: Oliver Schmitz, Kinostart: 25. November.


MEDIEN & INFORMATIONEN

3. Quartal 2010

NEUERSCHEINUNGEN | INFORMATIONSMATERIALIEN

Helfen kann ganz einfach sein

MAI

WELTERNÄHRUNG

15

2010

Veranstaltungskalender OKTOBER 10.–17.10.

Woche der Welthungerhilfe

BUNDESWEIT | Menschen in Deutschland setzen sich für die notleidenden Menschen weltweit ein. Mehr Informationen über das Thema Hunger und unsere Veranstaltungen finden Sie unter: www.welthungerhilfe.de/aktiv-gegen-hunger.

15.10.

TRINKWASSER | Weltweit haben mehr als eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zahlreiche Entwicklungsländer können nicht die notwendige Trinkwassermenge für ihre Bevölkerung bereitstellen. Machen Sie darauf aufmerksam! Unser beliebtes Plakat »Wasser ist kostbar« war längere Zeit vergriffen. Ab sofort können Sie es wieder bestellen, ebenso die gleich gestaltete Postkarte.

FLUTKATASTROPHE | Ein Drittel Pakistans ist nach der verheerenden Flut zerstört. Die Welthungerhilfe hat jetzt eine digitale Broschüre für alle Schulstufen zum Thema Nothilfe und Wiederaufbau erstellt. Das Material hat nicht nur für Pakistan Gültigkeit, sondern ist auch leicht auf andere Katastrophenfälle übertragbar. Die Broschüre regt zum Wissenserwerb und Handeln an – als Download unter www.welthungerhilfe.de.

HAITI | Hunger und Armut sind in Haiti allgegenwärtig – nach dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 mehr als je zuvor. Bereits vor dem Beben wurde das Land regelmäßig von Naturkatastrophen heimgesucht. Die instabile politische Lage, die schwierige wirtschaftliche Situation und die Umweltzerstörung haben Haiti zu einem der stärksten Hungerländer weltweit werden lassen. Die Broschüre berichtet über die Arbeit der Welthungerhilfe.

Alle Materialien können Sie kostenlos bestellen unter info@welthungerhilfe.de oder Telefon: (0228) 22 88-134.

BUCHBESPRECHUNG | ERNÄHRUNGSGESCHICHTE PLASTISCH NAHEGEBRACHT

Essen verändert die Welt SACHBUCH | Das Wortspiel »Der Mensch ist, was er isst« wird in vielen Zusammenhängen benutzt. Was jedoch wirklich dahintersteht, begreift man nach der Lektüre dieses überaus anregenden Buches. Tom Standage beginnt seine Abhandlung mit einem Gang in die Frühgeschichte: Wie kam es eigentlich dazu, dass Sammler und Jäger mit dem Ackerbau begannen und damit eine der wichtigsten Veränderungen in der Lebensweise der Menschen begründeten? Welche Randbedingungen führten dazu, dass im Laufe der Zeit aus relativ gleichberechtigten Bauern einige zu »Big Men« und

andere zu abhängigen Gefolgsleuten wurden? Der veränderte Umgang mit Nahrungsmitteln spielte immer eine Schlüsselrolle. Mit einer Fülle von Fakten und Geschichten erläutert der Autor unterschiedliche Fragestellungen. Es geht um Essen als Waffe in Kriegen, um den Zusammenhang von Essen, Energie und Industrialisierung und um die Frage nach der Ernährung der Welt. rr Tom Standage, »Der Mensch ist, was er isst – Wie unser Essen die Welt veränderte«, Artemis & Winkler, Mannheim 2010, 19,90 Euro.

ASCHAFFENBURG, ILMENAU | »BUY 1 PAY 2«-Aktion am Friedrich-Dessauer-Gymnasium in Aschaffenburg und an der Technischen Universität Ilmenau zum Semesterbeginn.

16.10.

OBERHAUSEN | Die Aktionsgruppe Oberhausen feiert ihr 30-jähriges Jubiläum so typisch, wie es für sie nur sein kann: mit einem Basar. Neben Spielzeug gibt es diesmal auch leckere Waffeln. Seit ihrem Bestehen führt die Aktionsgruppe regelmäßig Basare durch und hat bereits mehr als 110 000 Euro für Projekte der Welthungerhilfe gesammelt.

23.10.

Ist Afrika wirklich unabhängig? DOKU | In diesem Jahr werden zahlreiche afrikanische Staaten 60 Jahre lang unabhängig von ihren einstigen Kolonialmächten sein. Der ARTE-Themenabend hat sich auf dem Kontinent umgesehen, der nach wie vor – trotz enormer weltweit begehrter Rohstoffe – zu den ärmsten Erdteilen der Welt zählt.

25.10.

»BUY 1 PAY 2«

FRITZLAR, MÜNSTER, HAMBURG, ITZEHOE, HAGEN | »BUY 1 PAY 2«-Aktion an der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Schule in Fritzlar, an der Marienschule Münster, am Gymnasium Lerchenfeld/Hamburg, am Regionalen Berufsbildungszentrum in Itzehoe und am Albrecht-Dürer-Gymnasium in Hagen.

25.–29.10.

Themenwoche im TV

BUNDESWEIT | 2010 möchte die ARD mit der Themenwoche »Essen ist Leben« erreichen, dass Deutschland über Ernährung und Hunger nachdenkt, spricht und diskutiert. Am 25. Oktober wird um 22.45 in der ARD der Dokumentarfilm »Hunger. Auf der Spur des größten Problems der Menschheit« gezeigt. Weitere Informationen: www.ard.de.

NOVEMBER 5. und 10.11.

»BUY 1 PAY 2«

BERLIN, MÖNCHENGLADBACH | »BUY 1 PAY 2«-Aktion beim Lette-Verein in Berlin und am Albertus-Magnus-Gymnasium in Viersen.

Promi-Quiz im ZDF mit Markus Lanz

MÜNCHEN | Moderator Markus Lanz präsentiert im ZDF das Quiz »Gut zu wissen«. Prominente Kandidaten beantworten Quizfragen und spenden den erspielten Betrag zugunsten der Welthungerhilfe. In der Sendung werden dem Publikum Projekte aus Haiti, Indien und Burkina Faso vorgestellt. Spendenhotline: (0180) 22 8 22 (pro Anruf 6 Cent aus dem deutschen Festnetz, maximal 42 Cent/Minute aus dem deutschen Mobilfunknetz), Spendenfax: (0180) 24 0 34, Spendenstichwort: Welthungerhilfe/Gut zu wissen; ZDF, 20.15 Uhr.

DEZEMBER 19.12.

Jazzmatinee

NEUKIRCHEN-VLUYN | Der Jazztrompeter Rod Mason wird sicher wieder viele Gäste in die Kulturhalle Vluyn locken. Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann wird das Konzert besuchen und sich vorher bei Bürgermeister Harald Lenßen ins Goldene Buch der Stadt eintragen. © ARTE

»AFRIKA – KÖNNEN SICH ALLE BEDIENEN?« Frankreich, Regie: Jean-Pierre Carlon und Benoît Bertrand Cadi, Dokumentation, Erstausstrahlung, ARTE, 19. Oktober, 22.10 Uhr.

Sport und Entwicklung

BONN | Tag der Vereinten Nationen: Auf dem Bonner Markt vor dem Alten Rathaus wird es ein buntes Programm mit Musik, Tanz und mehreren Informationsständen geben. Auch die Welthungerhilfe wird ihre Arbeit präsentieren, 11–18 Uhr.

24.11. FERNSEHEN | THEMENABEND

Basar

© Welthungerhilfe

Wasser ist kostbar Handeln in der Not Ein neuer Anfang

»BUY 1 PAY 2«


16

UNTERHALTUNG

WELTERNÄHRUNG

NEULICH IM ... MINISTERIUM

Die neuen Pfadfinder

3. Quartal 2010

RÄTSEL & VERLOSUNG

Silbenrätsel Lateinamerika Aus den nachstehenden Silben sind 22 Begriffe zu bilden, die im Zusammenhang mit der Region Lateinamerika stehen. Bei richtiger Lösung ergeben die Anfangsbuchstaben von oben nach unten gelesen ein Phänomen, das vielen Menschen Sorgen macht. A – AN – AZ – BA – BA – BAM – BE – BE – BEN – CA – CA – CA – CIA – CO – CON – CUA – DE – DOR – E – E – ERD – FA – GAS – GUA – GUA – GUA – GUA – I – KEN – KING – LE – LI – LI – LI – LING – LLA – LOUPE – MA – MA – MA – NA – NA – NA – NAZ – NO – NOS – O – RA – RI – RIO – RIO – RO – SA – STE – STON – TA – TE – TI – TO – TON – U – US – WEL – YA – ZE 1. EU-Territorium in der Karibik: __________ 2. Plattes Land zwischen Kolumbien und Venezuela: _ _ _ _ _ _ 3. Gewässer, das sich durch eben jene Gegend wälzt: _ _ _ _ _ _ _ 4. Ehemals britische Kolonie in Zentralamerika: _ _ _ _ _ _ 5. Stadt in Nordchile: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 6. Kolumbiens Zugang zum Amazonas (Stadt): _ _ _ _ _ _ _ 7. Land, dessen Name eine Linie ist: _______ 8. Rastakapitale: _ _ _ _ _ _ _ _ 9. Südamerikanische Hauptstadt: _ _ _ _ 10. Stadt im Süden eben dieses Landes: _ _ _ 11. Amazonaskapitale: _ _ _ _ _ _ 12. Höhepunkt Südamerikas: _ _ _ _ _ _ _ _ _

13. Erschütternde Pazifikküstenerscheinung: _ _ _ _ _ _ _ _ 14. Stadt im Andenhochland Ecuadors: ________ 15. Insel im chilenischen Patagonien: __________ 16. Gaben den Europäern Schokolade und Tomaten: _ _ _ _ _ _ _ 17. Stadt in Nicaragua: _ _ _ _ _ _ 18. Stadt in der Nähe von Buenos Aires: _______ 19. Zentralamerikanische Hauptstadt: _______ 20. Karibikgolf in Kolumbien: _ _ _ _ _ 21. Peruanischer Ort, bekannt für gigantische Landzeichnungen: _ _ _ _ _ 22. EU-Territorium in Südamerika: _______

Verlosung und Lösung

E

ntwicklungshelfer vom Deutschen Entwicklungsdienst (DED) und von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) trennt vieles. Doch sie lachen gemeinsam bei Witzen wie diesem: »Wie unterscheidet man einen DEDler von einem GTZler? – Der Mann vom DED hat den linken Arm gebräunt, denn der fährt noch selbst.«

Anderer Fahrtwind Wer dabei zuletzt lacht, ist noch gar nicht ausgemacht. Denn wer demnächst überhaupt noch fahren oder fahren lassen darf, entscheidet ein Minister, der einen Karren steuert, den er ursprünglich abwracken wollte. Zumindest hatte die FDP vor der großen Regierungsfahrt ja vorgeschlagen, das Entwicklungshilfeministerium abzuschaffen. Das hätten dann viele DEDler und GTZler nicht mehr lustig gefunden. Mittlerweile weht bekanntlich ein anderer Fahrtwind durch das Ministe-

rium. Der Minister verbietet sich derartige Witze künftig durch das Zusammenlegen der entwicklungspolitischen Fahrdienste. Damit dieser Schritt zielstrebig zu einer völlig neuen Verkehrssituation führt, hat der Minister das einstige Berliner Domizil der »roten Heidi« mit gelben Freunden und Vertrauten besetzt. Niebels Werkstatt erfährt eine liberale Runderneuerung. Das macht ja nichts, solange der Minister den Überblick behält. Im Zweifelsfall dirigiert Dirk Niebel eben die Truppe. Ohnehin stellt die Bundeswehr offenbar die besseren Entwicklungshelfer, glaubt man niebelscher Personalpolitik. Und seine im Ministerium eingestellten Kameraden haben zweifelsohne mehr »Schlagkraft« als die rote Leiterin des einstigen »Weltsozialamts«. Niebel schickt nun die Privatwirtschaft an die Front. Die Investitionen des deutschen Mittelstandes in Entwicklungsländern seien effektiver als das bisherige Weltsozialgesülze. Hier liegt auch der Schlüssel dazu, wie Niebel den Anteil der Entwicklungshilfe auf die international

zugesagten 0,7 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes steigern will. Denn daran wird keineswegs gerüttelt. Lassen sich »die entwicklungspolitische Arbeit und das Engagement der deutschen Wirtschaft besser verzahnen«, wie Niebel anstrebt, sind die entwicklungspolitisch gestützten Investitionen in Länder des Südens schnell auf beeindruckendem Niveau.

gilt das Datum des Poststempels): Deutsche Welthungerhilfe e. V. Patricia Summa Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn Oder schicken Sie ein Fax: (0228) 22 88-188 oder eine E-Mail: patricia.summa@welthungerhilfe.de. Die richtige Lösung finden Sie ab 19. November 2010 unter www.welthungerhilfe.de/ welternaehrung.html oder in der nächsten Ausgabe der »Welternährung«.

Ziviler Arm des Ministers Und was wird dabei aus den DEDlern und GTZlern? Die werden straff zusammengelegt und als ziviler Arm der BMZ-Strategen zu einer Art Pfadfindertruppe zwischen den Fronten umgeschult: »Durch die Entsendung von Entwicklungsscouts als Verbindungsreferenten in die großen Wirtschaftsverbände«, so Niebel, wird der deutsche Entwicklungshelfer von morgen ganz neue Dinge entwickeln. Das wäre doch gelacht.

REDEN SIE MIT!

Peter Korneffel arbeitet als freier Journalist in Berlin und Lateinamerika.

Mangelernährung stoppen

© Meissner/Welthungerhilfe

Von Peter Korneffel

Das Lösungswort aus der Welternährung 2/10 lautete: Venezuela. Gewonnen haben: Heinrich Möhle (Didderse), Gisela Paukner (Homberg) und Bettina Tovar-Luthin (Hameln). Unter den richtigen Einsendungen werden drei CDs »Kuukaru – Suppi Huhn und die Kinderkönige mit Jimas Sanwidi« verlost. Der Musiker Jimas Sanwidi studierte Kinderlieder aus Burkina Faso in seiner Muttersprache Mooré ein. Suppi Huhn vertonte die Lieder und fügte deutsche Kompositionen hinzu. Senden Sie die Lösung bis zum 18. November 2010 an folgende Adresse (es

Während in den Industrieländern jeden Tag Nahrung im Müll landet, leidet weltweit jedes dritte Kind unter fünf Jahren unter chronischer Mangelernährung. Dies kann die physische, motorische und geistige Entwicklung ein Leben lang negativ beeinflussen. Entscheidend sind die ersten 1000 Tage. Diskutieren Sie mit unseren Experten darüber, was man gegen Unterernährung bei Kindern tun kann.

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IMPRESSUM Herausgeber: Deutsche Welthungerhilfe e. V., Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn Redaktion: Patricia Summa (Leitung), Marco Weber, Elke Weidenstraß (muehlhausmoers kommunikation) V.i.S.d.P.: Marion Aberle Telefon: (0228) 22 88-454 Telefax: (0228) 22 88-510 Internet: www.welthungerhilfe.de E-Mail: info@welthungerhilfe.de Gestaltungskonzept: querformat editorial design, Hamburg/Aline Hoffbauer, Ingrid Nündel Layout: muehlhausmoers kommunikation, Köln/ Tobias Heinrich, Sabine Schiemann, Britta Siebert Druck: Joh. Heider Verlag GmbH, Bergisch Gladbach Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Recyclingpapier Bestellnummer: 460-9379 Die »Welternährung« erscheint vierteljährlich. Die Herausgabe der Zeitung wird aus Haushaltsmitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unterstützt. Namensbeiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Nachdruck erwünscht mit Quellenangaben und Belegexemplar. Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe ist der 28. September 2010.


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