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Wacker Thun: Interview mit Trainer
from ThunMagazin 02/17
by WEBER VERLAG
«Ich bin nicht der Peitschenknaller»
Training: Martin Rubin (2.v.r.) und seine Handballer beim Fussball spielen.
Seit zehn Jahren trainiert Martin Rubin Wacker macht bekanntlich sexy. Seit dem Schweizermeistertitel konnten Thun. Diesen Februar wurde die Mannschaft wir Spieler nach Thun holen, die sich vorher nicht für uns intereszum fünften Mal Cupsieger. Im Interview sierten. spricht Rubin über Diven, Fans und seinen Auch diese Spieler wirken bescheiden. Keine Ronaldos und IbraSohn Lenny, der als grosses Handballtalent in himovics. Ist im Handball kein Platz für Diven? Das öffentliche seine Fussstapfen tritt. «Bei uns gibt Interesse und der Starkult sind im Handball viel we niger gross. Man kommt nicht im Fernsehen, höchs Martin Rubin, was fasziniert Sie am meisten am es keine tens mal im Radio oder in der Zeitung. Deshalb bringt es gar nichts, sich zu brüsten und in den Vordergrund Handball-Sport? Martin Rubin: Handball ist der Häuptlinge.» zu drängen. Bei uns zumindest gibt es keine HäuptZehnkampf der Ballsportarten. Man sollte schnell linge. sein, beweglich, hoch springen können, einen starken Schuss haben. Es braucht aber auch Spielintelligenz. Handball ist eine sehr Bei Wacker herrscht fast eine familiäre Stimmung? Ja, so ähnlich. komplexe Sportart. Und man muss auch den Körperkontakt mögen. Man trifft sich auch im Ausgang. Das ist anderswo anders. Das Familiäre hat mir schon als Spieler gefallen. Ich musste mich wohl Haben Sie sich deshalb für Handball statt für Leichtathletik ent- fühlen, damit ich meine Leistung abrufen konnte. Deshalb bin ich schieden? Im Einzelsport hätte mir der Wille gefehlt. Im Team kann so lange in Thun geblieben. ich mich bis an die Grenzen und darüber hinaus quälen. Auch dies ist eine Faszination des Sports, dass man einer unter vielen ist. Hätten Sie rückblickend etwas anders gemacht? Ja, ich hätte den Schritt in die Bundesliga früher wagen sollen, raus aus meiner Der Teamgeist und die Leidenschaft werden bei Wacker Thun im- Wohlfühloase. mer hervorgehoben. Zu Recht. Der Teamgeist ist nach wie vor unsere grösste Stärke, zusammen mit dem Kampfgeist. Geben Sie diesen Rat heute an Ihren Sohn Lenny weiter, um den die Vereine ja bereits buhlen? Spielerisch hat er schon heute das Seit einiger Zeit macht Wacker aber auch mit herausragenden Ein- Zeug dazu, in Deutschland zu bestehen. Wir haben viel darüber zelspielern wie Lukas von Deschwanden von sich reden. Ja, Erfolg gesprochen. Ich bin der Meinung, dass er sich körperlich noch et-


Links Vater und Sohn. «Lenny ist das grössere Talent, als ich es war», sagt Martin Rubin. Rechts 2017 gewann Wacker Thun zum fünften Mal den Cup. Martin Rubin mit der Trophäe.
was stählen muss. Es tut ihm gut, wenn er hier noch eine Saison macht und möglichst viel spielen kann.
Erkennen Sie sich manchmal in Ihrem Sohn wieder? Schwierige Frage. Ich glaube nicht einmal so sehr. Lenny ist das grössere Talent, als ich es war.
Sie sind für Lenny Vater und Trainer in einem. Ist das nicht schwie-
rig? Es ist nicht ganz einfach. In gewissen Situationen versuche ich, die beiden Rollen klar zu trennen. So führen wir Gespräche zwischen Trainer und Spieler nicht zuhause am Küchentisch, sondern offiziell an einem neutralen Ort. Ganz trennen kann man es aber nicht. Wir fahren zusammen ins Training, fahren zusammen nach Hause. Wir können aber beide gut damit umgehen. Und ich habe die Mannschaft gebeten, mir zu sagen, falls ich Lenny irgendwie anders behandeln sollte.
Keine Schweizer Handballmannschaft hat so viele und treue Fans wie Wacker. Das kann nicht nur am attraktiven und erfolgreichen
Spiel liegen. Unser Ehrgeiz, die Leidenschaft und unsere Portion Verrücktheit springen irgendwie auf das Publikum über. Das war schon so, als ich noch Spieler war. Unser Publikum will sehen, wie wir uns auf dem Feld zerreissen. Diven passen wie gesagt nicht zu Wacker, aber auch nicht zum Publikum. Zudem spielen viele eigene Junioren in der ersten Mannschaft. Die auswärtigen Spieler werden früher oder später auch zu Thunern. Dadurch können sich die Zuschauer mit der Mannschaft identifizieren.
Trotzdem, Handball fristet ein Randsportdasein. Ist das frustrie-
rend? Sehr selten. Mittlerweile verdienen auch unsere Spieler so viel, dass sie davon leben können. Im Vergleich zu Volleyball, Unihockey oder Rollhockey geht es uns sehr gut. Man darf sich einfach nicht mit Fussball oder Eishockey vergleichen.
Sie feiern in diesem Jahr das 10-Jahr-Jubiläum als Trainer von Wacker. Werden Sie «Ich bin kein Diktator, Sie haben mit Wacker schon einen Schweizermeistertitel geholt und drei von fünf Cupauch das 20-Jahr-Jubiläum hier feiern? der eine eiserne Diziplin siegen. Welches ist für Sie der wichtigste (lacht) Nein, das glaube ich nicht. Es ist schon sehr speziell, zehn Jahre bei einem ‹durchstieren› will.» Erfolg? Ganz klar der Meistertitel. Das ist für mich noch heute eine Sensation. Club zu sein. Das hat sicher mit meiner Art zu tun. Ich bin nicht der Peitschenknaller, kein Diktator, der eine Wie stehen die Chancen auf den Meistertitel 2017? Wenn wir komeiserne Disziplin «durchstieren» will. Für mich ist auch als Trainier plett sind, haben wir alle Chancen, Schweizermeister zu werden. wichtig, dass alle zufrieden sind. Viel Verantwortung trägt auch mein Assistenztrainer Remo Badertscher – und die Spieler. Ein Interview Simone Tanner Diktator-Typ stumpft viel schneller ab, und irgendwann stimmt die Bilder Erich Häsler Chemie zwischen Trainer und Mannschaft nicht mehr.
Haben Sie schon daran gedacht aufzuhören? In schwierigen Phasen wie vor zwei Jahren habe ich mir schon Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll. Ob es an der Zeit ist, dass die Mannschaft mal einen anderen Kopf an der Spitze hat oder ob ich doch mal noch eine andere Mannschaft trainieren soll, etwas aufbauen an einem anderen Ort. Doch als es Ende letzte Saison wieder super lief, sah es wieder anders aus. Die Spieler fänden es gut, wenn ich noch ein wenig bleiben würde. Darum werde ich den Vertrag um zwei Jahre verlängern.
Martin Rubin
Martin Rubin ist am 4. August 1964 geboren und in Spiez aufgewachsen. Mit 17 Jahren spielte er bei Steffisburg bereits in der 1. Liga. Später beim BSV Bern und bei Wacker Thun, bevor er in die Bundesliga Deutschland (TSV Bayer Dormagen) wechselte. Rubin war auch langjähriger Nationalspieler der Schweiz. Seit zehn Jahren ist er Trainier von Wacker Thun. Bei der ersten Mannschaft spielt auch sein Sohn Lenny, der als eines der grössten Handballtalente der Schweiz gilt. Rubin lebt in Thierachern.