

(siehe Kreditkarte)
INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT
Wenn die Kreditkarten-Abrechnung eintri ff t, und das Bankkonto dementsprechend belastet wird, mag manch einer betrübt sein. Ich nicht! Denn mit der Ortsangabe der Geldausgabe steigen jeweils Erinnerungen in mir auf, die unbezahlbar sind. Einige davon habe ich hier niedergeschrieben. Der Kontrast zwischen den kalten, unpersönlichen Abrechnungen und den höchst abwechslungsreichen Ursachen könnte nicht grösser sein und hat mich zu manch einem Denkanstoss verleitet.
Die Kreditkarten-Belastungen in diesem Buch erstrecken sich über einen Zeitraum von 15 Jahren, über den Daumen gepeilt von meinem 60. bis zu meinem 75. Geburtstag. Im Nachhinein erkenne ich in den Geschichten eine persönliche Entwicklung, die man je nach Sichtweise als Reife oder Alterungsprozess bezeichnen kann. Dominiert zu Beginn noch das Abenteuerliche, erlebt in allen fünf Kontinenten, kommt mit der Zeit eher das Grundsätzliche und Traditionelle zum Zug. Gegen den Schluss hin geht es dann oft auch um die Gesundheit und das Alter. Doch keine Angst: Ich bin ein Optimist und es geht mir in erster Linie um einen interessanten Erfahrungsaustausch und unbeschwerte gute Unterhaltung.
Bernard Thurnheer, im März 2025
STRASSENTHEATER
04.06.09
MILLENIUM HILTON, BANGKOK, THAI
BAHT 5000.00
Als wir, kaum im Hotel angekommen, etwas Geld wechselten (siehe Kreditkarte), ahnten wir noch nicht, dass in den Strassen von Thailands Hauptstadt Bangkok die begnadetsten Schauspieler agieren. Wir trafen schon bald auf einen von ihnen, nennen wir ihn Thaksin Taxi. Er war stolzer Besitzer eines dreirädrigen Motorrollers mit Ladefläche, auf der auch zwei Personen mitgeführt werden konnten, eines sogenannten Tuk-Tuks. Thaksin Taxi hatte mich und meinen Reisegefährten beim Goldenen Tempel entdeckt und uns eine individuelle Stadtrundfahrt zu einem Spottpreis angeboten. Er brachte uns zum Tempel des liegenden Buddha und würde nun draussen auf uns warten, bis unser Besuch dort abgeschlossen sein würde. Bezahlen sollten wir erst am Schluss.
Als wir zurückkehrten, erspähten wir unser Gefährt fein säuberlich zwischen zwei Autos parkiert. In einem der beiden sass Mime Thaksin Ami. Ich nenne ihn so, weil er sich sofort als amerikanischer Tourist zu erkennen gab, der auf seine Frau wartete. Mit seinen Gesichtszügen hätte er glatt als Thailänder durchgehen können … Als er erfuhr, dass wir Schweizer sind, leitete er das Gespräch virtuos von einem Thema zum nächsten: Schweiz – Finanzkrise – teure Ferien – teure Geschenke für die Daheimgebliebenen. Er selbst hatte eben in einer der wenigen staatlich kontrollierten Juwelenfabriken für wenige tausend Dollar drei Smaragde gekauft, die er in seiner Heimat leicht für das Zehnfache würde veräussern können. Er habe lediglich angeben müssen, dass die Ringe für den Eigengebrauch bestimmt seien. Das Ganze funktioniere jedoch nur zeitlich sehr beschränkt, im Ausverkauf, und der finde eben gerade jetzt statt, genau gesagt nur noch bis heute Abend! Unterdessen war Thaksin Taxi wieder aufgetaucht und fuhr uns nun zufälligerweise genau zu der zuvor erwähnten Fabrik.
Dort, wo sie stand, gab es weit und breit nichts anderes, also traten wir ein und wurden von einem gepflegten Herrn empfangen, Mime Thaksin Alibi. Dieser freute sich sehr über die Besucher aus der Schweiz und führte uns viele erlesene (und teure) Stücke vor. «Sie möchten natürlich bei solchen Beträgen sicher sein, dass die Ware echt ist? Begreiflich!» Schon lagen die Echtheitszertifikate vor uns. «Wir sind ja eigentlich ein Grosshandel, deshalb darf ich Ihnen nur je drei Stück anbieten. Wie wärs mit je einem roten, grünen und blauen Diamanten für total 9000 US-Dollar?»
Haben wir gekauft? Nein! Unsere Intelligenz und unsere Geldgier kla ff ten zu wenig weit auseinander. Trotz tadelloser Schauspielkunst aller Beteiligten rochen wir den Braten schon ziemlich früh. Wie hochwertig waren die Juwelen wirklich? Und wie echt die Echtheitszertifikate? Mit leeren Händen kehrten wir also zu Thaksin Taxi zurück. Dessen zuvor so gute Laune war nun plötzlich wie weggeblasen. Er hätte bei Abschluss eines Geschäftes nämlich als Provision einen Benzingutschein erhalten. Den brauche er dringend, da er zu Hause vier Kindermäuler zu stopfen habe, wie er uns nun schilderte. Die Rolle des treusorgenden Familienvaters spielte er nicht mehr so überzeugend. Dennoch bezahlten wir ihm das Doppelte des vereinbarten Preises. Um seine Stimmung zu heben war das aber offensichtlich nicht genug. Unsere Gefühlslage änderte sich ebenfalls nochmals, als uns am Abend ein Reiseleiter erzählte, dass viele dieser Motorrollertaxis statt mit Benzin mit einem halb so teuren Gasgemisch unterwegs seien, was hie und da eine Explosion zur Folge habe. Da hatte es das Schicksal ja nochmals gut mit uns gemeint.
MICHAEL JACKSON
25.06.09
MGM GRAND, LAS VEGAS, USA
USD 101.25
Mit einem Mietwagen fuhren mein bester Freund und ich auf unserer USA-Sightseeing-Tour vom Grand Canyon in Richtung Las Vegas. Irgendwann stellten wir das Autoradio an, wo gerade ein Lied von Michael Jackson zu hören war. Nicht weiter aufregend. Etwas ungewöhnlich war dann allerdings, dass im Anschluss daran gleich ein nächster Hit desselben Sängers folgte. Wahrscheinlich so ein Musikformat, bei dem einem 5 oder 6 oder sogar 10 Hits ohne Werbeunterbrechung in Folge versprochen wurden, vermuteten wir. Aber auch ohne Zwischenmoderation? Als dann sogar noch eine dritte JacksonNummer ohne weitere Ansage aus der Lautsprecherbox ertönte, war unsere Neugierde endgültig geweckt. «Wahrscheinlich hat der Moderator gerade ein gröberes Verdauungsproblem und hockt auf dem Klo, und jetzt läuft halt auf dem Sender die ganze CD runter», mutmasste ich. Zwei Stücke später dann endlich eine Ansage: «Das war ‹Smooth Criminal› von Michael Jackson, der uns heute im Alter von 50 Jahren verlassen hat». Michael Jackson war gestorben! Das war für mich eine unglaubliche Nachricht, verstärkt durch die Tatsache, dass wir uns zum Zeitpunkt des Todes dieses grossen Showmans ausgerechnet auf der Anfahrt zur Showmetropole Las Vegas befanden. «So viele Leute wird das auch wieder nicht interessieren», glaubte mein Freund und sollte sich dabei schwer täuschen. In allen Zeitungen, auf allen Fernsehkanälen, in allen Diskussionen in und um Las Vegas war fortan Jacksons Tod das dominierende, um nicht zu sagen das einzige Thema. Natürlich galt in der Spielerstadt «The show must go on», und auch wir gönnten uns am selben Abend noch ein Bühnenspektakel (siehe Kreditkarte).
Michael Jackson war zweifellos einer der grössten Popstars der Geschichte, viele kürten ihn sogar noch vor Elvis Presley und den Beatles

zur Nummer Eins aller Zeiten. Ich gehöre nicht zu ihnen. Immerhin kaufte ich eine Zeit lang jede neue CD von ihm. Ich fand seine Musik gut, aber mir gefielen andere Interpreten noch besser. Natürlich blieb mir die sagenhafte Karriere des jungen Michael vom Mitglied der Familienband «Jackson Five» bis zu seinem Solo-Überalbum «Thriller» nicht verborgen, leider aber auch nicht die Klatschgeschichten und Gerüchte um seine Vorliebe für ganz junge Knaben und weitere sonderbare Eskapaden. Ich konnte es nicht fassen, dass er sich immer wieder Schönheitsoperationen unterzog, um seine Haut zu bleichen, und vor allem seine Nase zu verkleinern. Er sah nach jedem Eingri ff schrecklicher, entstellter, einfach hässlicher aus, immer androgyner bis weiblicher. «Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten», hiess es in einem der vielen tausend Nachrufe, «das einzige Land, wo ein armer schwarzer Junge eine reiche weisse Frau werden kann wie Michael Jackson». Das war böse, das war gemein, das war geschmacklos, aber auch ein bisschen wahr.
VORSICHT: HOHE KRIMINALITÄT!
29.06.10 MAPONYA MALL, SOWETO, SAF
ZAR 340.00
Ich bin kein Abenteurer und kein risikofreudiger Mensch. Unsichere Regionen mit prekären politischen Verhältnissen und hoher Kriminalität meide ich. Ohne meinen Beruf als Sportreporter hätte ich bestimmt viele Orte nie besucht. Zu unsicher, zu gefährlich! Bei weltweiten sportlichen Grossanlässen wurde ich aber beruflich sanft gezwungen, in solche Länder zu fliegen. Gleichzeitig garantierten diese weltweit beachteten Veranstaltungen meistens einen Ausnahmezustand im positiven Sinne, eine Art Olympischen Frieden während der Dauer des Anlasses.
Trotzdem: Wer mir noch wenige Jahr zuvor prophezeit hätte, ich würde in Südafrika, in der Nähe von Johannesburg, in Soweto gar, einen Bummel durch ein Einkaufszentrum machen, den hätte ich glatt für verrückt erklärt. So war es dann aber tatsächlich (siehe Kreditkarte). Grund war die Fussball-Weltmeisterschaft 2010. Das leicht beklemmende Gefühl, das mich jeweils im Vorfeld solcher Expeditionen packte, war diesmal noch etwas stärker als sonst.
Wie meistens war dann die Situation vor Ort ganz anders als man es sich zuvor vorgestellt hatte. Südafrika ist gross, und nicht hinter jeder Ecke lauert ein bewa ff neter Krimineller. Medienberichte stellen logischerweise «Hotspots» ins Zentrum, und genau das waren sie: Kleine heisse Punkte auf einer grossen Fläche. Ganz so harmlos war das Leben aber hier nicht. Wir wohnten in Ormonde, einer Vorstadt von Johannesburg, in einem geschützen Quartier. Dies bedeutete, dass eine dicke Mauer mit einem Elektrozaun um die Siedlung gezogen worden war und der Zugang einheitlich durch ein bewachtes Tor erfolgte, an dem man sich ausweisen musste. Beim Versuch, Fussball spielende Kinder gleich ausserhalb der Abgrenzung zu fotografieren,
streifte ich den elektrischen Draht und wurde gleich zu Boden geworfen. Er war also wirklich geladen! Meine Kollegen meinten sogar, ich hätte Glück gehabt, dass ich nicht an ihm kleben geblieben und verschmort sei. Na ja … Und dann fragten sie mich, ob ich nicht zusammen mit ihnen nach Soweto zum Einkaufen käme. Ausgerechnet Soweto! Das war doch irgendwie einer der unsichersten Orte auf dem ganzen Planeten! Hier hatte es Rassenunruhen gegeben, hier herrschte doch das Faustrecht, respektive das Feurwa ffenrecht. Hier hatte Nelson Mandela gelebt. Im Apartheid-Museum hatte ich mir doch eben noch ein Bild von den Zuständen machen können. «Das war vor über 30 Jahren», beschwichtigten mich meine Freunde. Ausserdem kannte ich sie auch nicht als besonders wagemutig. Also fuhr ich mit.
Die Gefahr lauert in Südafrika vor allem auf den Strassen, also wenn man von einem sicheren Ort zum anderen fährt. In der Einkaufsmeile war die Stimmung dann nicht anders als in der Schweiz.
Ich erstand mir das Bild eines schwarzen Künstlers (siehe Kreditkarte), gefertigt nicht bloss aus leuchtenden Farben, sondern auch aus allerhand Abfällen wie Silberpapier, Glassplittern, Gummidichtungen, Steinen und Colaflaschendeckeln. Es strahlte eine gewisse Ästhetik und gleichzeitig eine gewisse Armut aus. Armut ist zweifellos eine der Hauptquellen der Kriminalität. Wie die im Einzelfall aussieht, können wir verwöhnten Schweizer uns kaum vorstellen. Auch ich kann das bis zum heutigen Tag nur erahnen. Zum Glück!