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Sicherer unterwegs im Sommer
Egal wie schwierig die Tour ist und wie gut du sie kennst, halte dich an folgende Regeln:
• Überlass nichts dem Zufall! Eine gute Tour oder die Variante davon muss geplant werden. Ein guter Plan B gehört immer dazu. • Bleib bei Kräften! Am Berg bist du besser mit Reserven unterwegs. Nur so kannst du auf unangenehme Überraschungen reagieren. • Fall nicht rein! Gletscher mit Schneebedeckung angeseilt begehen. Kein
Alleingang! • Achtung rutschig! Schnee, Eis und nasses Gras erfordern Erfahrung und
Können. Überleg dir, ob ihr den Schwierigkeiten gewachsen seid. • Sag es weiter! Zweifel, Wünsche, Entscheide gehören in den Bergen auf den Tisch! Ein Mitdenken aller fördert die Stimmung und gute Entscheide. • Schau dich an! Beobachte dich selbst. Wann bist du offen, wann schaltest du auf stur, wo fühlst du dich sicher, wo nicht? Lerne dich schätzen und einschätzen.
Alpine Gefahren
Ein Bergunfall lässt sich am ehesten verhindern, indem eine Tour umsichtig geplant, die Planung unterwegs ständig überprüft, kein Gruppenmitglied überfordert wird und Risiken mit wachen Sinnen aufgespürt werden. Nachstehend werden mögliche Risiken aufgeführt und Strategien im Umgang damit erklärt.
Absturz. Auf exponierten Wegstücken und Geländeabschnitten langsam und konzentriert gehen. Schwächeren Gruppenmitgliedern Hilfestellung (evtl. Seil) leisten. Häufen sich im potenziellen Absturzgelände ungünstige Faktoren, wie schlechter Weg, Nässe, harter Schnee, Zeitdruck und Müdigkeit, ist äusserste Vorsicht und eventuell Verzicht angebracht!
Abrutschen. Passagen mit Schnee, Eis und nassem Gras können heikel sein. Konsequenzen bei einem Ausrutscher einschätzen und falls man sich nicht absolut sicher fühlt, entsprechende Sicherungsmassnahmen (z. B. Seil) ergreifen. Keine Flucht nach vorne!
Gefahren: Nebel…

Sicherer unterwegs im Sommer
Lawinen. Auch im Sommer eine ernst zu nehmende Gefahr! Mit Neuschneefall und/oder starker Erwärmung steigt die Lawinengefahr an. Auch eine kleine Menge Schnee, die abrutscht, kann zum Absturz führen.
Spalteneinbruch. Eingeschneite Gletscher immer angeseilt begehen, ausser man kann das Vorkommen von Spalten gänzlich ausschliessen. Dazu reicht die Karte oder eine Alpinwanderweg Markierung nicht aus. Den eingeschneiten Gletscher früh wieder verlassen, bevor die Spaltenbrücken aufweichen.
Steinschlag. Im steilen Gelände, insbesondere wenn Schnee und Fels sich abwechseln, besteht Steinschlaggefahr. Bei warmen Verhältnissen nimmt diese zu. Helm anziehen, früh zurück sein, Rinnen und Flanken meiden und sich stattdessen an Rücken und Grate halten. Weitere Gründe für Steinschlag sind andere Bergsteiger, Tiere oder einsetzender Regen.
Eisschlag. Instabile Bereiche eines Gletscherabbruchs, z. B. Eistürme (Séracs) können jederzeit abstürzen (keine Häufung im Laufe des Tages). Auslaufbereich (oft sehr gross) vermeiden oder schnell passieren. Sérac beobachten und sich Gedanken zum Fluchtweg machen.
Schlechtes Wetter. Bei schlechtem Wetter vervielfachen sich Schwierigkeit und Risiko einer Tour. Will man dennoch etwas unternehmen, äusserst defensiv vorgehen. Auch eine ganz kurze und einfache Tour garantiert dann ein intensives Erlebnis. Besondere Vorsicht bei Kaltfronten und Gewittern. Bei Blitzschlag exponiertes Gelände verlassen, sich selbstsichern und auf den Rucksack sitzen!
Wechtenabbruch. Einen drohenden Wechtenabbruch zu erkennen ist auch für Fachleute praktisch unmöglich. Grösse der Wechte abklären und von der Geländekante in gebührendem Abstand gehen. Spuren sehr kritisch beurteilen.
Risikofaktoren
Ob dich eine konkrete Gefahr betrifft, ist von drei Risikofaktoren abhängig. Den Verhältnissen, dem Gelände und dem Menschen. Sie werden jeweils bei der Planung vor der Tour, beim Antritt der Tour (im Gebiet), unmittelbar vor einer konkreten Stelle und rückblickend zu Hause beurteilt. Laufend stellst du dir die Frage, ob die drei Faktoren zusammenpassen oder nicht.
Verhältnisse
Welche Anforderungen stellt dir die Natur momentan und ist dein Vorhaben bei den herrschenden Verhältnissen vernünftig? In welchem Zustand befindet sich die Route, wie wird das Wetter? Ist der Weg verschneit oder trocken?
Gelände
Wie ist das Gelände der Tour physisch beschaffen (Steilheit – Sanftheit, im Geröll, Fels oder Eis…). Wie sind die Hauptschwierigkeiten und Hauptgefahren charakterisiert? Steiler Grashang, enge Rinne, Felspassage?

Mensch
Wie beeinflussen wir selbst unser Risiko durch unsere Denk- und Handlungsmuster? Kommt es zu Selbstüberschätzung, Draufgängertum oder ungünstiger Gruppendynamik? Fehlen Vorbereitung, Ausbildung oder Ausrüstung?
Die Verhaltensweise eines Menschen in einer Entscheidungssituation ist geprägt von vielen verschiedenen Verhaltensmustern. Um in Risikosituationen optimal zu entscheiden, zählen nicht vorab Mut, Abgeklärtheit, Zielstrebigkeit, Ehrgeiz und Durchsetzungswille. Eine gute Portion Emotionen, Intuition, Bedürfnis nach Sicherheit und sozialem Austausch sind ein grosser Vorteil. Andernfalls neigt man dazu erhöhte Risiken einzugehen. Empfehlungen:
Sicherer unterwegs im Sommer
• Lerne deine Verhaltensmuster kennen und kritisch hinterfragen! Bespreche deine Beobachtungen auch mit deinen Tourenpartnern. Das führt zu einer offenen, kritischen Stimmung und damit einer optimalen
Voraussetzung für gute Entscheide.
• Probier an einem Entscheidungspunkt einen ganz andern Blickwinkel als gewohnt einzunehmen. • Was sagt mein Bauch (Gefühle), wenn ich diese Schlüsselstelle anschaue? Falls du ein diffuses negatives Gefühl entdeckst, ergründe, woher es kommt. Was genau stört dich an der Stelle? • Was ist das Allerschlimmste, das uns an dieser Stelle geschehen könnte, also der Worst Case? Überlege dir, wie du das verhindern kannst oder was dagegen spricht, dass er eintritt. • Was denkt sich das Gruppenmitglied mit der kleinsten Erfahrung von dieser Stelle (bevor andere ihre Gedanken offenbart haben)? • Wie wichtig ist es für mich, dass wir die Schlüsselstelle passieren? Lautet die Antwort: «Es ist sehr wichtig, ein Verzicht wäre sehr unangenehm», so sind die Sicherheitsanforderungen an die weitere Tour sehr hoch, denn du bist eher bereit erhöhte Risiken einzugehen.
Tourenvorbereitung
Die Tourenplanung zu Hause ist der Schlüssel zum erfolgreichen und sicheren Bergsteigen. Sie erspart uns viele gefährliche Situationen und Schindereien. Es lohnt sich, dafür genügend Zeit zu investieren. Ziel ist es, eine Tour zu finden, die den herrschenden Verhältnissen und dem Können der Gruppe optimal entspricht. Gehe dabei folgendermassen vor:
Informationen sammeln. Zeichne die Tour inkl. möglicher Varianten in die Karte ein, lies den Gebietsführer, frage Fachleute nach speziellen Informationen. Informiere dich über das Wetter und die Verhältnisse in der Tour. Frage dich, ob alle Teilnehmer den Schwierigkeiten gewachsen sein werden und ob euer Material zur Tour passt.
Schlüsselstellen. Folge dem Verlauf der Tour auf der Karte und überlege dir, wo es schwierige Stellen geben wird. Wie könnten sie entschärft werden, wie geht ihr vor und wann wird ein Verzicht angebracht sein? Welche Varianten hast du, wenn eine Stelle für euch nicht passierbar ist?
Touren und Zeitplan. Wie lange dauert die Tour gemäss Gebietsführer und deiner Einschätzung? Plane so, dass du über Zeitreserven verfügst. Sind alle Teilnehmer dieser Tour gewachsen?
Kontrolle. Gehe die Tour im Kopf nochmals durch und überlege dir, was alles schief gehen kann. Was kannst du dagegen unternehmen? Hast du ein gutes Gefühl, wenn du an die Tour denkst? Warum nicht? Was kannst du am Plan ändern, damit dein Gefühl besser wird?
Nach Abschluss der Tourenplanung solltest du folgenden Aussagen zustimmen können: • Der Routenverlauf ist mir klar. Ich habe ihn auf der Karte eingezeichnet und mir eingeprägt. • Ich habe die Schlüsselstellen gesucht und eine gute Taktik für diese zurechtgelegt. • Die aktuellen Verhältnisse erlauben diese Tour, und ich habe ein gutes
Gefühl. • Mein Tourenplan ist realistisch (Zeitplan, persönliches Können, Ausrüstung usw.). • Ich habe Alternativen überlegt und kommuniziert, falls die Tour nicht passen sollte. • Die Leitung der Gruppe ist klar geregelt. Alle Gruppenmitglieder sind informiert und motiviert.
Konsequenzen bei Nichterfüllen: • Womöglich hast du die Tour nicht fertig geplant. Nimm dir diese Zeit, es ist wichtig. • Allenfalls gibt es einen Widerspruch im Gefüge Verhältnisse-Gelände-
Mensch. Geh diesem auf den Grund, sonst fehlt dir eine solide Basis für die Tour. Lässt sich der Zweifel nicht ausräumen, suche eine andere Tour. • Allenfalls hast du Zweifel, weil die Verhältnisse oder das Gelände nicht klar sind. Plane Entscheidungspunkte und lege Entscheidungskriterien für einen Verzicht fest. Kommuniziere Alternativen (auch Verzicht).
Sicherer unterwegs im Sommer
Beurteilung vor Ort
Bei der Planung hast du Annahmen getroffen. Sobald du im Gebiet bist, überprüfst du diese mit den angetroffenen Gegebenheiten und ziehst die nötigen Konsequenzen.
Vor Ort solltest du folgenden Aussagen zustimmen können: • Die aktuellen Verhältnisse stimmen mit den Annahmen der Tourenplanung überein. • Ich habe noch keine Faktoren entdeckt, die gegen die Tour sprechen, und habe ein gutes Gefühl. • Mein Zeitplan scheint realistisch zu sein, und wir sind nicht in Verzug. • Von den verschiedenen Varianten, die ich eingeplant habe, sind wir auf derjenigen, die am besten zum heutigen Tag passt. • Die Teilnehmer sind so erfahren und fit, wie ich in der Tourenplanung angenommen habe. Dem heutigen Vorhaben sind sie gewachsen. • Die Ausrüstung ist komplett, für das Vorhaben geeignet und funktioniert. Ich habe alles, was ich gerne dabei hätte.

Konsequenzen bei Nichterfüllen: • Vorsicht, du hast einen gewichtigen Faktor gefunden, der die Tour in
Frage stellt. Kommuniziere deine Zweifel. Weiche auf eine einfachere
Variante aus oder setze jetzt einen verbindlichen Entscheidungspunkt.
Hat sich bis dort das Blatt nicht zum besseren gewendet, weiche aus oder verzichte. • Wo liegt der Zweifel? Überlege dir Entscheidungskriterien und suche
Informationen, die den Entscheid abstützen. Kommuniziere deine
Bedenken.
Beurteilung einer Schlüsselstelle
Bei jeder Stelle, die unmittelbar vor dir liegt, spürst du nochmals mögliche Risiken auf und überprüfst, ob Verhältnisse, Gelände und Mensch an dieser Stelle zusammenpassen oder nicht.
Unmittelbar vor einer Schlüsselstelle solltest du folgenden Aussagen zustimmen können: • Das Gelände, insbesondere die Steilheit entspricht dem, was ich erwartet habe. Alle Teilnehmer sind den Anforderungen gewachsen. • Die Verhältnisse (Schnee, Eis, Nässe, Wetter) in dieser Passage entsprechen meinen Annahmen bei der Planung. Sie erlauben uns allen eine
Begehung. • Die Teilnehmer sind zuversichtlich und motiviert diese Passage zu meistern. Die Gruppenführung kann Hilfestellung bieten, sodass alle Teilnehmer mit gutem Gefühl die Stelle passieren können. • Meine Taktik für diese Stelle ist optimal an die Verhältnisse und die
Gruppe angepasst. Alle sind über das Vorgehen informiert.
Konsequenzen bei Nichterfüllen: • Vorsicht! Vor dir liegt eine Schlüsselstelle und du hast Zweifel! Warum?
Besprich dies mit der Gruppe. Kannst du durch Erhöhung der Sicherheitsmassnahmen oder einer Änderung in der Taktik die Zweifel ausräumen? Wenn nicht, Variante oder Verzicht. • Vorsicht, die Schlüsselstelle ist momentan für euch nicht passierbar.
Kannst du noch etwas tun, das die Lage komplett verändert? Wenn nicht, Variante oder Verzicht.