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Warum gehen Sie so jung in den Ruhe stand, Herr Jung?
Frage an Daniel C. Jung (59), bis Ende 2020 Vizedirektor bei Gastrosuisse:
Warum gehen Sie so jung in den Ruhestand, Herr Jung?
verband Gastrosuisse. Zudem ist er heute Vizedirektor des Verbandes, der über 20 000 Mitglieder
betreut. Ende Dezember 2020 tritt der 59-jährige Verbandsprofi von seinen Funktionen bei
Gastrosuisse zurück – er geht vorzeitig in Pension. Warum so früh? Ist Jung nicht zu jung, um in den «Ruhestand» zu wechseln?
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Sie sind 59 und treten Ende Jahr als stellvertretender Direktor von Gastrosuisse zurück. Warum so früh und nicht erst in vier oder fünf Jahren?
Zugegeben, auch in fünf Jahren heisse ich noch Jung. Nur, auch ich werde trotz meinem Namen nicht jünger. Heute bin ich fit, um etwas komplett Neues in Angriff zu nehmen.
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Was kommt denn nach 25 Jahren Gastrosuisse? Werden Sie sich möglicherweise in die Karibik zurückziehen und dort an der Sonne am Strand liegen und Bücher lesen?
Ich liebe den Strand, das Meer und lese sehr, sehr gerne Bücher! Bücher lesen wird mein künftiger Fokus sein. Ich werde ab nächstem Jahr wieder Student und beginne mit einem Geschichtsstudium an der Uni Zürich.
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Wenn Sie auf Ihre persönlichen 25 Jahre «Wirteverband» zurückblicken, was waren die wichtigsten Ereignisse oder Vorkommnisse?
Wichtig war mir stets, einen direkten und konkreten Beitrag zur Entwicklung der Branche leisten zu können. Im Rhythmus von fünf Jahren konnte ich grössere Projekte entwickeln und realisieren: Aufbau der innovativen, dreistufigen und modularen GastroUnternehmerausbildung G1, G2, G3 mit gegen 2000 Absolventen jährlich; die neuartige, online-basierte Know-how-Plattform «Gastro Professional»; die «Strategie Orange» mit Trends, Szenarien und Strategieoptionen für eine erfolgreiche GastronomieZukunft, die in TV, Radio und Presse grosses Aufsehen erregte.
Schliesslich lancierte ich verschiedene Formate, Impulstagungen und einen Award, zuerst zur Innovationsförderung der Hotellerie und danach für die Gastronomie. Ich denke da beispielsweise an die Sommelier-Seminarreihe, an den «Hochgenuss», an den «Hotel Innovations-Award» und viele andere Dinge.
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Hätten Sie vor 25 Jahren gedacht, dass Sie ein Vierteljahrhundert bei einem Verband verbringen werden?
Nein. Ich habe gerne Veränderung. Das ist ja ein Widerspruch. Aber nur auf den ersten Blick. Ich hatte bei Gastrosuisse die Möglichkeit, so viele unterschiedliche Projekte zu lancieren. Die Tätigkeit in einem Verband ist enorm vielfältig. Es geht um die Branche, um Politik und Gesellschaft.
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Sie waren stets die «Nummer zwei», also Vizedirektor. Warum nicht Direktor?
Als Verbandsdirektor ist man schon stark eingebunden in die Politik des Verbands. Ich bevorzuge Projekte, die ich direkt umsetzen und hoffentlich der Branche einen Nutzen stiften kann.
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Leben und Arbeit in einem Verband ist nicht immer einfach. Gab es in den 25 Jahren nie Momente, als Sie dachten: So, und jetzt ist es genug. Ich gehe …
Die schwierigste Phase war sicher diejenige, in der GastrosuisseDirektoren sich im Eineinhalbjahres-Rhythmus die Klinke in die Hand gegeben haben. Allerdings: In einer solchen Zeit einfach das Handtuch zu schmeissen, wäre verantwortungslos gewesen, gerade gegenüber all den Mitarbeitenden, Kolleginnen und Kollegen. Jetzt haben wir einen guten Direktor und ich kann gehen.
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Das Gastgewerbe steckt seit Frühjahr 2020 in der grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Was sollten die Branchenexponenten jetzt dringend tun, sodass es zu keiner Tragödie mit Konkurswelle und Massenentlassungen kommt?
Ich denke, da hat Gastrosuisse klare politische Forderungen gestellt. Mit dem Corona-Erwerbsersatz einerseits und der so genannten Härtefallklausel andererseits sind Instrumente unterwegs, die schnell in Kraft gesetzt werden können und helfen werden.
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Was werden nach Corona die wichtigsten Trends in Hotellerie und Gastronomie sein?
Wenn ich es etwas vereinfacht und pauschal sagen darf: Die Fokussierung auf Produkte- und Servicequalität sowie der Mut, dafür einen entsprechenden Preis zu verlangen. Fokussieren bedeutet auch, die Zahl der Angebote zu reduzieren. Damit schärft man sein Betriebsprofil und kann gleichzeitig den Aufwand verringern.
Wer ist Daniel C. Jung?
Der gelernte Betriebsökonom begann seine Laufbahn als junger Unternehmensberater bei einer grossen Treuhand- und Beratungsgesellschaft in Zürich. Vor seinem Wechsel zu Gastrosuisse war er Mandatsleiter von Nonprofit-Organisationen (Schweizerischer Konditor-Confiseur-Meisterverband, Schweizer Verband für Umwelttechnik), Leiter des Schweizerischen Instituts für Unternehmerschulung in Zürich sowie Dozent in den beiden Fachgebieten Personalmanagement und Investitionen. Er hat ferner ein Nachdiplomstudium in Verbands- und Nonprofit-Management an der Universität Freiburg (CH) absolviert.
Daniel C. Jung ist seit 1995 Gesamtleiter Berufsbildung und Dienstleistungen (die Branche beschäftigt über 250 000 Mitarbeitende) und später stellvertretender Direktor von Gastrosuisse. Gastrosuisse ist der Verband für Hotellerie und Restauration in der Schweiz. Mit 20 000 Mitgliedern (gegen 80 % aller Restaurants, Hotels, Cafés, Bars und Clubs in der Schweiz) zählt Gastrosuisse zu den grössten Branchen- und Arbeitgeberorganisationen der Schweiz.
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Zurück zu Ihrer Person: Sie leben in Zürich, sind Familienvater, gelernter Betriebsökonom. Was tun Sie in Ihrer Freizeit?
Ich bin ein Stadtmensch, der in den letzten Jahren die Bergwelt als Gegenpol entdeckt hat. So reise ich gerne in Städte, steige dort in tollen Hotels ab und besuche angesagte Restaurants und Kunstgalerien. In den Bergen haben wir ein Haus, wo ich mich gerne mit Frau und Hund zurückziehe. Auch im Sport kenne ich einen Gegenpol: Jogging und Yoga.
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Welche vier oder fünf Dinge sind Ihnen im Leben besonders wichtig?
Meine Familie, bestehend aus Frau, erwachsener Tochter und Sohn sowie einem temperamentvollen Hund – all das ist mir sehr wichtig. Dann interessieren mich seit Jahrzehnten die zeitgenössische Kunst und gutes Design. Und manchmal brauche ich einfach Zeit für mich, schlendere durch ausgewählte Stadtteile von Zürich und beobachte die Strassenszenen. Auf diese Weise kann ich mich erholen. Schon oft sind mir dabei Ideen gekommen. Je nachdem verfolge ich dann diese Idee weiter und es gibt daraus wieder ein neues Projekt.