Hotelier 02/24 - Sommelierverband Schweiz

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Neue Korrespondentin der Sommeliers – Shirley Amberg hat «Wein im Blut»

Als Kind wollte sie Bankdirektorin werden. Geworden ist Shirley Amberg «eine der prickelndsten jüngeren Weinkolumnistinnen des Landes», wie es in der NZZ einmal hiess. Jetzt schreibt Sie als neue Korrespondentin des Sommelierverbandes Deutschschweiz SVS für das Fachmagazin Hotelière. Zum Start verrät sie im Interview, warum «quasi Wein durch ihre Adern fiesst».

«Shirley Amberg eine der prickelndsten jüngeren Weinkolumnistinnen des Landes» NZZ

SVS: War es schon immer dein Wunsch, in der Welt der Weine zu arbeiten?

Shirley Amberg: Nun, es wäre wohl etwas merkwürdig gewesen, wenn ich schon in der Primarschule den Wunsch geäussert hätte, etwas mit Wein machen zu wollen. Jedes Kind kennt die Frage: Was möchtest du denn mal werden, wenn du gross bist? Gemäss meinen Eltern antwortete ich ab meinem zehnten Lebensjahr darauf jeweils mit: Bankdirektorin. Das war damals vom Ansehen her an der Spitze der Berufshitliste. Wie Arzt oder Dorfpfarrer.

Du hast dann tatsächlich lange bei einer Bank gearbeitet, nicht wahr?

Ja, bereits in meiner Schulzeit scannte ich während den Sommerferien Unterschriften von Kunden ein und alles in allem dauerte meine Zeit bei der Credit Suisse fast ein Jahrzehnt. Zur Bankdirektorin hat es allerdings nicht gereicht.

Banker sind oft sehr grosse Weinliebhaber, stimmt das?

Zumindest geben einige davon sehr viel Geld für Wein aus. Einige meiner engsten Arbeitskollegen besassen

riesige Weinsammlungen. Unfassbar. Ich glaube, alle waren mehr wert als mein gesamtes Hab und Gut zu der Zeit. Ich merkte, dass ich mit den Kollegen sehr viel lieber über Wein diskutierte als über Business. Das war auch einer der Gründe, weswegen ich berufsbegleitend die Ausbildung zur Sommelière in Angrif nahm.

Was waren die anderen Gründe?

Einer war ganz sicher, dass ich wusste, nicht für immer auf der Bank arbeiten zu wollen. Ein anderer, sehr wichtiger Faktor war, dass ich Kinder haben wollte. So überlegte ich mir, wie ich Zukunft selbstständig sein kann.

Wie kamst Du auf die Idee, über Wein zu schreiben?

Wein hat mich schon lange interessiert. Wein fiesst quasi durch meine Adern: Meine Eltern kommen beide aus Weinnationen. Mein Vater ist halb Österreicher und halb Schweizer, meiner Mutter stammt aus Südafrika. Ich bin sozusagen eine Cuvée. Von der Schreiberei angetan war ich schon immer – doch eher durch Zufall ergatterte ich mir einen ersten Job als Kolumnistin. Zur Abwechslung arbeitete ich neben meiner

Arbeit bei der Bank ein bisschen als Model und war für einen Job für die Zeitschrift Annabelle gebucht. Während des Shootings nahm ich meinen gesamten Mut zusammen und sagte zur anwesenden Redakteurin, dass im Magazin eine Weinkolumne fehle. Sie blickte mich verwundert an. Doch konnte ich sie überzeugen, diese Lücke zu beheben. So kam es, dass ich für rund zwei Jahre für die Annabelle schreiben durfte. Dies öfnete mir viele Türen und es folgten Beiträge in anderen Medien.

Du hast auch «richtig» in der Gastronomie gearbeitet. Wie kam es dazu?

Nachdem mein Mann mit seinem Studium fertig war, habe ich meinen Job bei der Bank gekündigt und mich mit meiner Firma «Wein & Worte» selbstständig gemacht. Doch nur zu Hause zu sitzen und zu schreiben, war mir dann doch zu langweilig. Meinen allerersten richtigen Job in der Weinwelt hatte ich bei Buonvini, einem kleinen, feinen Weinladen in Zürich. Nicola Mattana, der Geschäftsführer, hat mir viel beigebracht und wir sind bis heute befreundet. Seine Leidenschaft und sein Wissen für Wein sind sehr beeindruckend. Er war so etwas wie ein Mentor für mich.

Wie lange hast Du in diesem Weinladen gearbeitet?

Ungefähr ein Jahr lang. Dann wurde ich schwanger und blieb für eine Weile mit meinem Baby zu Hause. Aber auch da wurde mir nach einer Weile wieder ein bisschen langweilig. Erneut habe ich meine Fühler nach einem neuen Job ausgestreckt. Zu meinem grossen Glück durfte ich dann für das Restaurant Hiltl in Zürich arbeiten, wo mich die Persönlichkeit von Rolf Hiltl sehr beeindruckte. Sowieso hatte ich bisher fast immer Glück, was meine Arbeitgeber angeht.

Was heisst «fast»? Oh, das vertiefen wir hier nicht (lacht).

Konkret, was hast Du im Hiltl gemacht? Ich habe die gesamte Weinkarte erneuert und wir waren die ersten in der Schweiz, die eine rein vegetarische und vegane Weinkarte hatten. Zudem schulte ich das Weinwissen der Mitarbeitenden. Das Allerbeste aber war, dass ich unsere eigenen Hausweine auswählen und sogar zusammen mit Dieter Meier einen Wein exklusiv für das Hiltl cuvetieren durfte.

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Nach etwa fünf Jahren wurde ich mit meinem zweiten Kind schwanger und habe das Hiltl schweren Herzens verlassen.

Bereust Du, dass Du viele Jahre auf der Bank warst, sozusagen ein Jahrzehnt vergeudet hast? Nein, wirklich nicht. Ich denke sehr gerne an meine Zeit in der Bank zurück. Mein damaliger Job erforderte nicht nur ein Interesse an Aktien und Anleihen, sondern auch soziale Kompetenzen, die Liebe zu anderen Ländern und Sprachen, eine solide Allgemeinbildung und einwandfreie Manieren. All das ist für mich in meiner heutigen Tätigkeit äusserst hilfreich, gepaart mit einem gewissen Grad an Extrovertiertheit und der Fähigkeit, mich in einer Vielzahl von sozialen Kreisen bewegen zu können.

Extrovertiertheit?

Ich mache auch viele Events, beispielsweise CrashKurs-Tastings an Firmenanlässen oder Wine & Dines oder Masterclasses wie an der Expovina. Da wäre Introvertiertheit nicht so von Vorteil.

Du hast zwei Kinder, wie bringst Du das alles unter einen Hut?

Ja, meinen Sohn Max (14) und meine Tochter Mathilda (6); ihren Vater habe ich übrigens während des Sommerferienjobs auf der Bank kennengelernt. So hatte die Zeit dort also etwas Gutes – lacht. Zugegeben, es ist nicht einfach, alles unter einen Hut zu bekommen. Organisation ist das Wichtigste. Und ich habe gelernt, um Hilfe zu bitten.

Was ist dein Lieblingswein?

Also bitte. Bei allem Respekt, das ist eine absolut unmögliche Frage. Aber wenn es sein muss – ich liebe Champagner, am liebsten Zero Dosage. Wenn ich an meinen Weinkeller denke, muss ich sagen, dass ich wohl einen kleinen Franzosen-Fetisch pfege. Aber auch Schweizer Wein liebe ich, besonders Petite Arvine aus dem Wallis sowie Pinot und Chardonnay aus der Bündner Herrschaft. Es ist für mich einfacher

zu sagen, was für Wein ich weniger mag, nämlich süssen Wein. Bei mir spielen Emotionen eine grosse Rolle beim Weintrinken und ebenso die Gesellschaft in der man trinkt. Am liebsten trinke ich Wein von einem Weingut, das ich besucht habe.

Mit all den Projekten die Du am Laufen hast, den Events, dem Schreiben, den Kindern, war es da eine schwierige Entscheidung, die Nachfolge von Bruno-Tomas Eltschinger anzutreten? Er war ja während vielen Jahren als sehr geschätzter SVS-Korrespondent und Autor für das Fachmagazin Hotelière tätig. Zudem war er ein erfolgreicher ehemaliger SVS-Präsident. Ich habe Hochachtung vor Bruno-Tomas Eltschinger und allem, was er für den Sommelierverband der Deutschschweiz geleistet hat. Der Fussabdruck, den er hinterlässt, ist gross. Ich hofe, dass ich diesen Platz auszufüllen vermag. Zur Frage, nein, die Entscheidung fel mir gar nicht schwer. Als ich vom SVS-Vorstand angefragt wurde, habe ich ungefähr dreissig Sekunden lang überlegt. Ich fühle mich wirklich sehr geehrt und geschmeichelt. Und ich werde mein Bestes geben. Ich bin überzeugt, dass ich auch in der neuen Aufgabe tolle, spannende und inspirierende Kolleginnen und Kollegen kennenlernen werde und vielen Weininteressierten lustvolle Momente vermitteln kann.

Life is Sparkling –neue Umsatzchancen

Spricht man dieser Tage mit Akteuren der Weinbranche, ist das Gespräch meistens ziemlich ernüchternd. Umsatzeinbrüche, Preissteigerungen und vor allem der Konsumrückgang, befeuert durch neuste Kampagnen der WHO, sind die wohl am häufgsten genannten Sorgen. Für Gastronomie und Weinhandlungen bieten sich dennoch neue Umsatzchancen.

Doch bei all dem Schatten gibt es auch etwas Licht. Trends, die sich manifestieren, Entwicklungen, die Hoffnung machen, und Chancen, trotz allem den Umsatz im eigenen Hotel, Restaurant oder Weinhandlung zu steigern. Einen solchen Trend entdeckt man zum Beispiel beim Blick auf die Schweizer Importstatistik für Wein vom Vorjahr. Nach 2022 wurde auch in 2023 mehr Schaumwein als Weisswein in Flaschen importiert (23,6 vs. 22,3 Millionen Liter). Beide Mengen sind im Vergleich zu 2022 mehr oder weniger stabil, anders als Rotwein, der um 6 Prozent zurückging (auf 68,3 Millionen Liter).

Spannender als die Menge ist jedoch die Wertentwicklung: Weisswein stagniert, Rotwein sinkt leicht – doch Schaumwein steigert sich um 9 Prozent auf 8.26 Franken pro Flasche. Woran liegt es? Gab es bis vor kurzem gefühlt als «Cüpli» nur Prosecco oder Champagner, diversifziert sich die Nachfrage und entsprechend das Angebot nachhaltig; Franciacorta, Deutscher und Österreichischer Sekt, Crémant, Cava, Trento DOC, Corpinnat, ja sogar English Sparkling Wine und selbst baskische Schaumweine sind inzwischen zu fnden.

Die meisten davon preislich zwischen Prosecco und Champagner. Hinzu kommt eine Nachfrage nach Champagner, die das Vor-Covid-Niveau bei weitem übertrif t.

Der Grund für die gestiegene Nachfrage?

Im Schaumwein manifestieren sich gleich mehrere Trends, die den Zeitgeist trefen. Man trinkt allgemein weniger Alkohol, jedoch hochwertiger. Man trinkt seltener Alkohol, somit eher bei besonderen Momenten des bewussten Genusses und bei Feierlichkeiten. Und wenn man trinkt, dann oft eher etwas mit 12 bzw. 12,5 Prozent als manche der schweren Rotweine mit um die 15 Prozent Volumen. Auch in puncto Bio wissen die Schaumweine zu punkten. Zunehmend mehr Weingüter lassen sich zertifzieren und grosse Champagnermarken lancieren zunehmend «Organic» Cuvées.

Es lohnt sich – unterstützt durch die Lieferanten – in Teamschulungen zu investieren. Nutzen wir das richtige Glas? Stimmt die Service-Temperatur? Ist unsere Champagnerbowle im Restaurant sichtbar genug platziert oder zu versteckt? Wie spreche ich den Namen des Weinguts richtig aus? Erst wenn sich das Team sicher fühlt, wird es auch mit Freude verkaufen. Ein Tipp zum Schluss: In Betrieben, bei denen der Warenumschlag auf Champagner zu gering ist, um diesen ofen anzubieten, kann oft das Angebot einer halben Flasche Wunder wirken. Santé!

* ASI Best Sommelier of the World 2019, Stellvertretender Geschäftsführer Baur au Lac Vins, Chef Sommelier Baur au Lac, Zürich

Für die Gastronomie tut sich somit eine Chance auf, die es zu nutzen gilt. Wer Schaumwein weiterhin nur als Aperitif platziert, an dem wird der Trend defnitiv vorbeiziehen. Das fängt bei der Kartengestaltung an. Steht bei Ihnen «Aperitif» oder «Schaumwein» als Überschrift in der Getränkekarte? Das Erste schränkt den Gast ein, das zweite öfnet viele Möglichkeiten. Dass hochwertige Schaumweine viele Speisen vorzüglich begleiten können, kann man dem Gast verdeutlichen, indem man entsprechende Empfehlungen direkt in der Menükarte mit auf ührt. Auch als Dessertbegleitung oder gar -alternative eignen sich viele fruchtige Schaumweine hervorragend, vor allen die Rosés.

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Marc Almert * Ruhige Momente im Weinberg schätzt Model Shirley Amberg. Marc Almert
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