
8 minute read
JUNGFRAU REGION EINFACH MAL ABSCHALTEN
einfach mal abschalten
Termindruck, Meetings und Geschäftsreisen: Manchmal ist es Zeit zum Abschalten. Autor Christian Bauer sucht einen Ort zum Kraft tanken und entdeckt die «Jungfrau Region» im Berner Oberland.
Text: Christian Bauer
Für mein kleines Hideaway wähle ich die Jungfrau Region. Das Gebiet um Grindelwald und Wengen ist schnell zu erreichen und dennoch weit genug weg vom Alltag. Zudem haben viele Jahre High-End-Tourismus eine reibungslose Infrastruktur geschaffen. Hier gibt es genügend gute Hotels, Restaurants, Ausgehmöglichkeiten und eine Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten für ein paar unbeschwerte Tage. Im Internet finde ich das Viersternehaus «Eiger Selfness Hotel» in Grindelwald, das mit dem Slogan «selbst bewusst leben» wirbt. Klingt genau richtig für die kleine Alltagsflucht. Das Hotel mitten im Dorfzentrum ist ein typischer Zweckbau aus den 60er-Jahren, keine Schönheit. Doch die äusserliche Patina wird durch eine geschmackvolle Renovierung im Innern und super-freundliches Personal kompensiert. Letzteres ist das Ergebnis einer dialogischen Mitarbeiterführung. Die Inhaber Daniel und Gisela Heller haben sich dem Selfness-Konzept des Trendforschers Matthias Horx verschrieben - einer Weiterentwicklung des Wellness-Gedankens. «Geht es beim Wellness primär darum, sich passiv verwöhnen zu lassen, steht Selfness für eine nachhaltige Arbeit
Eiger, Mönch und Jungfrau tanzen auf den Wellen. Ich sitze am Bachalpsee oberhalb von Grindelwald BE und berausche mich an der zweifachen Ausfertigung des berühmten Dreigestirns. Das Original, das sich schwarz-weiss vom Himmel abhebt, und die Miniatur-Kopie auf der Wasseroberfläche. Die Selfie-Jäger aus Übersee sind wieder ins Tal verschwunden, ich habe das gewaltige Panorama für mich. Und die Stille. Und den erdigen Duft des Herbstes. Und das Gefühl, dass die Berge nur für mich da sind. Dieser Moment ist eine Ladestation für die Seele. Dass ich hier sitze, ist eine kleine Revolution. Abgabetermine, Geschäftsreisen, Meetings, Entscheidungen, die gefällt werden müssen: Die Arbeitswoche hat derzeit sieben Tage. Da bleibt keine Zeit zum Innehalten. Doch die Sehnsucht ist gross nach ein paar Tagen, an denen ich in einem Café sitzen, ein gutes Buch lesen, wandern oder einfach in den Tag träumen kann. Mal so richtig abschalten. Für ein langes Wochenende melde ich mich daher bei Freunden und Arbeitskollegen ab, tippe eine Abwesenheitsmeldung in den Email-Account und nehme mir vor, das Handy in den Flugmodus zu schicken.
«Geht es beim Wellness primär darum, sich passiv verwöhnen zu lassen, steht Selfness für eine nachhaltige Arbeit an sich selbst». Gisela Heller, Eiger Selfness Hotel
an sich selbst», erläutert Gisela Heller. «Wir verstehen das Leben als Prozess. Es geht darum, sein Potenzial auszuschöpfen, der Gestalter seiner Zukunft zu sein. Diese Grundgedanken wenden wir auch bei der Mitarbeiterführung an.» Für Interessierte, die in ihren Ferien zusätzlich etwas für sich tun wollen, gibt es im «Eiger Selfness Hotel» Coachings, diverse Workshops und Gesundheitsanwendungen im Sinne des Selfness-Gedankens. Mein Selfness-Package beinhaltet auch ein Gespräch mit einem Coach. Neugierig, was mich erwartet, treffe ich mich mit Birgit Fritz-Egger, die mir keine Standardlösungen anbietet, sondern mit Fragen mein Denken ankurbelt. Nach einer Stunde ist klar: Ich muss arbeitsfreie Zeiten konsequent in den Tagesablauf einplanen. Gar nicht so einfach im heutigen Arbeitsleben. «Mit diesem Wochenende haben Sie ja schon den perfekten Anfang gemacht», ermutigt sie mich. Ebenfalls zum Arrangement gehört – quasi als erster Boost – eine Kopf- und SchulterMassage nach der Methode des Masseurs Harald Kitz. Diese wurde speziell für kopflastige Menschen entwickelt. Mit gezielten Massagegriffen, einem Spiel von Druck und kreisenden Bewegungen, sollen das Muskel- und Nervensystem wieder in Harmonie gebracht werden. «Ich sehe Menschen als Musikinstrumente. Ich stimme das Instrument «Körper», so dass es nachher wieder in den schönsten Klängen spielen kann», lautet das Credo des österreichischen Wellness-Stars. Ob es am Konzept liegt oder an den sanften Händen von

DAS DÜRFEN SIE NICHT VERPASSEN
Übernachten
Im Eiger Selfness Hotel gibt es das Doppelzimmer ab 250 Franken inklusive Frühstück (saisonabhängig). Das Selfness-Aktiv-Package liegt bei 865 Franken pro Person. Dies beinhaltet: 3 Übernachtungen, Willkommensdrink mit Bestandsaufnahme und Fettmessung, Coaching, Massage, täglich 3-Gang Abendessen. www.eiger-grindelwald.ch
Essen
Aspen Alpin Lifestyle Hotel Am Berghang gegenüber von Grindelwald gelegen, vereinen Hotel und Restaurant einen coolen Mix aus Alphütte und Eleganz. Die Gerichte, die Küchenchef Sebastian Schuster und sein Team zaubern, sind vorzüglich. Weiterer Pluspunkt: das Personal ist sehr aufmerksam. www.hotel-aspen.ch
Auf eigenen Kufen
Gewusst? Die Rodelbahn vom Faulhorn über die Bussalp bis nach Grindelwald ist mit 15 Kilometern Länge die längste Schlittelbahn Europas. Das Vergnügen hat nur einen Haken: Den Startpunkt erreicht man nur zu Fuss.
In den Wanderschuhen
Mit insgesamt 130 Kilometern Winterwanderwegen hat die Jungfrau Region für jeden Wandertyp die richtige Strecke zu bieten. Ein Klassiker mit herrlicher Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau ist die Wanderung vom Männlichen zur Kleinen Scheidegg (5 Kilometer, einfach).
Schneeschuhlaufen
grindelwaldSPORTS bietet verschiedene Schneeschuherlebnisse an: Einsteiger können beim «Schnupperkurs Schneeschuhlaufen» innert zweier Tage die grundlegenden Techniken erlernen (Kartenlesen, Einschätzung der Lawinengefahr, Beachtung Wildschutzzonen). Preis: 420 Franken pro Person in der Kleingruppe, Übernachtung mit Halbpension inklusive. Beim dreitägigen «Grundkurs Schneeschuhlaufen» (Lauftechniken, in steilem Gelände Lawinenausbildung, Schneebeschaffenheit, Rettungstechniken u. v. m.) werden die ersten Erfahrungen in Theorie und Praxis vertieft. Preis: 645 Franken in der Kleingruppe, Übernachtung mit Halbpension inklusive. www.grindelwaldsports.ch
Masseurin Nami Kobayashi, kann ich nicht beurteilen: Die 50 Minuten sind jedenfalls eine wunderbare Entspannung. Um die Verspannungen am Computer auch zu Hause zu bekämpfen, gibt mir Nami Kobayashi noch drei Entspannungsübungen mit auf den Weg. Die Erholung geht auch im Hotelzimmer weiter. Das Beste: In den geräumigen Zimmern gibt es eine abgetrennte Sitzecke mit anschmiegsamen Sofas (und Blick auf den Eiger!) zum Lesen und Schmökern. Was wäre eine Auszeit ohne einen guten Roman, der die Fantasie beflügelt? Am nächsten Morgen stehe ich früh auf – obwohl ich Zeit hätte, mal richtig auszuschlafen. Aber ich möchte mir einen kleinen Traum erfüllen: Eine Tour auf Schneeschuhen am Jungfraujoch. Begleitet werde ich von Johann Kaufmann von grindelwaldSPORTS, der mich in die Kunst des Schneeschuhlaufens einweist – und mich im Notfall aus einer Gletscherspalte retten wird. An diesem Oktobertag ist das Wetter ein Gottesgeschenk: strahlender Sonnenschein und eine Fernsicht zum Jubilieren. Von 3466 Metern reicht der Blick gen Nordwesten bis zu den französischen Vogesen, im Süden piksen Drei- und Viertausender en masse ins makellose Blau. Der Panorama-Blick ist gewaltig. Wir wollen vom Jungfraujoch, vorbei am Fusse des Mönchs, bis hinüber zum Ewigschneefeld. Für ein Erholungs-Wochenende ohne viel Stress ist eine Schneeschuhwanderung ideal: Die riesigen Schuhe zwingen zur Entschleunigung. Ohne gründliche Vorbereitungen geht in alpiner Höhe natürlich nichts. Gefahren gibt es in den Bergen immer – auch in vermeintlich einfachem Terrain. Eine reale Gefahr auf unserer Tour sind die Spalten im Gletscherfirn. Hier oben, wo der Aletschgletscher beginnt, klaffen strassenbreite Risse wie Höllentore im ewigen Eis. Nach Neuschnee sind die Spalten mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt, die unter den Füssen wie Herbstlaub zerbröseln. Da möchte man nicht hineinstürzen. Deshalb schirrt mich Kaufmann an einem Bergseil an.



3
«Falls ich falle, musst du mich halten, ich komme dann von alleine wieder hoch», erläutert der drahtige Grindelwalder. «Wenn du in die Spalte stürzt, warte einfach, bis ich dich hochziehe.» Ob mich das beruhigen soll? Vom Jungfraujoch geht es zunächst hinüber zur Mönchsjochhütte, dann hinunter zum gänzlich unberührten Ewigschneefeld, einem Zufluss zum Aletschgletscher. «Ich freue mich wahnsinnig, heute hier zu sein und nicht am Computer», jauchzt Kaufmann. Stimmt: In dem Schneemeer, in das keiner der Tagestouristen kommt, fühlen wir uns ein bisschen wie bei einer Himalaya-Expedition – mit ähnlichen Erscheinungen. Mittlerweile auf 3600 Metern Höhe fordert der Sauerstoffmangel seinen Tribut und schwächt den ungeübten Körper. Unser Tempo ist dementsprechend gemächlich. So bleibt mehr Zeit, die Landschaft zu geniessen. Überhaupt geht es hierbei nicht um Geschwindigkeitsrekorde, sondern um den Genuss. Nach gut vier Stunden sind wir wieder zurück am Jungfraujoch und mein bürostuhlverweichlichter Körper ist völlig fertig, der Kopf dagegen herrlich freigepustet. Der Tag endet mit einer Yoga-Stunde im Hotel, gefolgt von einem köstlichen Rehragout und einem Besuch in der Sauna. Und natürlich mit einer Lesestunde in der Sofaecke meines Zimmers – in gedruckter Form. Auszeit ist Offline-Zeit. Noch eine Erkenntnis meiner kleinen Alltagsflucht.
www.jungfrauregion.ch
1 Hier ist Entschleunigen angesagt: im Eiger Selfness Hotel 2 Umgeben von solch einer atemberaubenden Bergkulisse fällt das Abschalten leicht. 3 Auf dem Dach Europas: Das Jungfraujoch – top of Europe
4 Geniessen heisst auch, sich Zeit zum Essen gönnen. 5 Ein wahres Wintermärchen; Grindelwald by night.


4
FÜR JEDEN DAS PASSENDE
Für Krimifans
Der grösste Detektiv aller Zeiten war zweifelsohne Sherlock Holmes. Die Kunstfigur des Schriftstellers Sir Arthur Canon Doyle lebte zwar in der Baker Street in London, zu Tode kam der Schnüffler allerdings am Reichenbachfall in Meiringen. Ein kleines Sherlock-Holmes-Museum in Meiringen erzählt die Geschichte der Schweizer Abenteuer des Krimi-Helden. www.sherlockholmes.ch
Für Traditionsbewusste
Seit 1670 wird in Lauterbrunnen geklöppelt. Jeden Freitag von 13.30 bis 16.30 Uhr kann man den Spitzenklöpplerinnen im alten Schulhaus über die Schulter schauen.
Für Wellness-Freunde
Wengen ist DER Wellness-Ort der Region. Sieben Hotels offerieren ein breites Angebot an Wellness- und Gesundheitsanwendungen – auch für Tagesgäste.
Schlemmen mit Aussicht
In der Jungfrau Region gibt es viele Orte mit einer herrlichen Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Den spektakulärsten Blick hat man vom Panorama-Restaurant Allmendhubel, das bequem per Bahn von Mürren erreichbar ist. www.schilthorn.ch
Für Schleckermäuler
Im Jahr 1600 kam in Meiringen ein Konditor namens Gasparini auf die Idee, Eiweiss und Zucker zu mischen. Das Ergebnis waren die «Meiring» in der Mehrzahl «Meringue». Somit gilt Meiringen im Haslital als Geburtsort der leckeren Süssigkeit. Eine Sünde wert sind die Meringues im Tea Room Frutal. www.frutal.ch

Für den Nervenkitzel
Einen Adrenalin-Kick kann man sich in der Jungfrau Region (fast) an jeder Ecke holen. Ob Paragliding, Canyon-Swing, Riverrafting oder Ziplining. Erst seit einem Jahr gibt es den «First Cliff Walk by Tissot», einen Skywalk am First-Gipfel.