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JUBILÄUM 70 JAHRE VESPA
WWaswäreausderzartenRomanzezwischenAudreyHepburnundGregoryPeck1953in RomgewordenohnedieVespa,diesiedurchdieEwigeStadttrug?Wohlnichts.Undwer hättegedacht,dassdieVespanach70Jahrennochimmertopaktuellist.Wohlniemand. DIE VESPA-STORY: UND SIE ROLLT UND ROLLT UND ROLLT … DiebeidenMänner,dieimSommer1945überKonstruktionszeichnungenbrüteten,wärenbestimmtnichtimTraumaufdie Ideegekommen, dass sie geradeeinem Mythos Gestalt verliehen. Corradino d’Ascanio und sein Zeichner Mario d’Este hattenlediglich den Auftrag, ein motorisiertes Zweirad zu entwickeln, das leicht zu fahren, einfach aufgebaut und preisgünstig zu produzieren war. Von Lifestyle hatte ihr Auftraggeber Enrico Piaggionichts gesagt. Doch kam es anders. Die eigentliche Erfolgsgeschichte nahm bereits 1884 ihren Lauf, als Rinaldo Piaggiodie Firma Piaggioin Genua gründete. In den 20er-Jahren begann sich die Firma auf den Bau von Schiffseinrichtungen zu spezialisieren. Später dehntesie ihre Aktivitäten auf den Bau von Eisenbahnwagen, Motoren, Trams und Karosserien für LKWs aus. Zu Beginndes ersten Weltkriegs stieg Piaggioin den Luftfahrtsektor ein. 1917 kaufte die Firma eine Flugzeugfabrikin Pisa auf, vierJahre später eine kleine Anlage in Pontedera, die das luftfahrttechnische Produktionszentrum von Piaggio werden sollte. Kurz vordem zweiten Weltkrieg und auchwährend der Kriegsjahre war Piaggio einerder grössten Flugzeughersteller Italiens. Geradeaus diesem Grund gab die Firma ein strategisch wichtiges militärisches Zielab: die PiaggioFabriken in Genua, Finale Ligure und Pontedera wurden während des Weltkriegs komplett zerstört.
DIE GEBURT DER VESPA DieSöhne von Rinaldo Piaggio, Enrico und Armando, widmeten sich unmittelbar nachdem Krieg der industriellen Produktion.Die grösste Arbeit oblag Enrico, der das Fabrikgebäude von Pontedera wiederaufbauen und einen Teil der Anlagen, dienach BiellaimPiemont ver- legt worden war, retten sollte. Und Enrico Piaggiohatte einen Traum: Er wollte ein Fahrzeug bauen, das nur wenig kostete und einebreite Käuferschaft ansprach. ImHinblick auf das unmittelbar bevorstehende Endedes zweitenWeltkrieges prüfte Enrico jede Lösung, umdie ProduktioninseinenAnlagenzulancieren.InBiellawurdeein«Motorscooter» produziert, nachdem Vorbild der kleinen Motorräder, die es für Fallschirmspringer bereits gab. Der Prototyp, ein MP 5, derwegen seiner auffälligen Form «Paperino» – so heisst Donald Duck im Italienischen– genanntwurde,gefielEnricojedochnicht.SowurdeCorradino D’Ascanio, ein Flugzeugingenieurund genialer Erfinder, von Enrico beauftragt, das Projekt nochmalszuüberarbeiten. Ihm ist es zu verdanken, dass die Vespa so aussieht wie sie aussieht. D’Ascanio, der noch niezuvorein erdgebundenes Verkehrsmittel konstruiert hatte,hasste Motorräder und entwickelte ein Fahrzeug, das vor Schmutz schützt und schnelle Reifenwechsel sowie mit freiem Durchstieg eineeinfache Bedienung ermöglicht. Die legendäre Form beruht also nicht auf Design-Genie, sondern auf pragmatischen Überlegungen.
«DERSCHAUT JA AUS WIE EINE WESPE!» Das neue Modell von D’Ascaniohatte mit dem «Paperino» nichts mehr gemein. Mithilfevon Mario D’Este, seinem Vertrauenszeichner, kreierte ereinen Entwurf, der nichts mit existierenden Zweirädern gemeinsam hatte und einen revolutionären Konstruktionszugangverfolgte. Für die ersten Skizzen der Vespa, dieim April 1946 in Pontedera erstmals dasWerk verliess, brauchte der Ingenieur lediglich ein paar Tage. Beim Anblick des Prototyps MP 6 mit seinen Rundungen und der schmalen Taille rief Piaggio: «Der schaut ja aus wie eine Wespe!» Die Vespa war geboren.
Bereits am 23. April 1946 liess Piaggio beim Zentralpatentamt in FlorenzdieVespapatentieren.DieanschliessendePräsentationinderÖffentlichkeitrief gemischte Reaktionen hervor – dennoch liess Enrico Piaggio 2000 Stückderersten Vespa produzieren.Die Vespa fand so grossen Anklang, dass sich die Verkaufszahlen im zweiten Jahr bereits vervierfachten. EIN KULTURELLES PHÄNOMEN Auch wenn der Anfang schwerwar (Moto Guzzi lehnte es ab, den Vertrieb zuübernehmen), wurde die Geschichte der Vespa schnell eine Geschichte des Erfolgs, dieuntrennbar mit Stars, Italien und sogar Hollywood verbunden ist. Die Vespa wurde das Vorzeigeprodukt von Piaggio. Hartnäckig trieb Enrico PiaggiodenVertriebderVespaimAuslandweitervoran undförderte den Aufbaueines dichtenNetzes von Händlern in deneuropäischen Ländern und auf der ganzen Welt. Der Unternehmer sorgtedafür, dass das Interesse an seinem Produkt stetig stieg, unter anderem durch die Gründungvon Vespa-Clubs. Vespafahren wurde zum Symbol für Freiheit, Leichtigkeit und Offenheit. Die Vespa ist nicht nur ein kommerzielles Phänomen, sondern auch ein gesellschaftliches. In denJahren des «Dolce Vita» stand die Vespa für den Scooter schlechthin. Mehr als 18 Millionen Roller liefen bis heute bei Piaggio vom Band. Den einstigen Zweifler Moto Guzzi hat Piaggio sogar inzwischen geschluckt.
DIE VESPA ALS FILMSTAR HollywoodundVespawarenseitjeherfüreinanderbestimmt, egal, obauf derLeinwand oder im Alltag: Audrey Hepburn und Gregory Peck sind 1953 in «Roman Holiday»dieerstenineinerlangenReihevoninternationalen Schauspielerinnen und Schauspielern, diesich – nicht nur im Film – auf einen Vespasattel schwingen.
AROUND THE WORLD MIT DER VESPA Die Vespa blickt auf eine beispiellose Karriere zurück. In den fünfzigerJahren nahm sie, oft erfolgreich, anoffiziellen Rennen inganz Europa teil. Auch bei anderen zum Teil abenteuerlichen Gelegenheiten spielte sie eine wichtige Rolle.
1952 baute derFranzose Georges Monneret eine «Vespa Anfibia» für das Rennen Paris-London und überquerte erfolgreich den Ärmelkanal. Ein Jahr zuvor hatte die Firma Piaggio einen Prototyp der Vespa 125 ccm für Rennen gebaut und einen Weltrekordmit 171,102 km/h aufgestellt. Die Vespa war auch 1951 beim Sechstagerennen in Varesesehr erfolgreich. Sie gewann neun Goldmedaillen, mehr als jedes andere italienischeMotorrad. Mit einer ReiseindenKongostarteteimselbenJahreinenicht enden wollende Serie von Vespa-Expeditionen –eine unvorstellbare Reise für eineneigentlich für den Stadtverkehr konzipierten Roller.
EINEUNENDLICHE GESCHICHTE Nach wie vor ist die Vespa eines dererfolgreichsten MotorräderallerZeiten und erfreutsich grosserBeliebtheit. Vor allem die alten Stahlblech-Modelle sind heiss begehrt. Für seltene Exemplare, wie die Vespa U, Vespa SS90 oder Vespa SS50 werden fünfstellige Beträgegeboten.
Mit neuen Modellen, Versionen und technischen InnovationenistdieVespastetsaufdemneustenStand der Technik, wobei sieihren klassischen Linien stets treu geblieben ist. Genau das ist es, was die Vespa so attraktiv und zeitloserscheinen lässt, den Mythos Vespa unterstreicht und in hohem Masse zum Erfolg der Vespa beiträgt. Selbst mit 70 Jahren wirft das berühmte Blechkleid der Vespa noch keine Falten und bringtheutenochganzeGenerationenaufdieRäder! ks