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Mein Apfelbaum

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Sabine Hurni über

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So können Sie bald in den eigenen Apfel beissen

In einen saftigen, roten Apfel aus dem eigenen Garten beissen – das ist ein Wunsch, der sich erfüllen lässt. Doch so einfach geht es dann doch nicht. Denn der Obstbaum braucht die richtige Pflege, damit er gedeiht. «natürlich» zeigt, wie es geht.

Text: Walter Bühler

Schon im Paradies verführte ein Apfel die Menschen (siehe «natürlich» 09/21). Heute ist es nicht viel anders: Äpfel sind des Schweizers liebstes Obst. Mit Abstand. Ein besonderer Genuss ist der Apfel frisch vom eigenen Baum gepflückt. Wer einen eigenen Garten oder ein Pachtgrundstück hat, kann sich diesen Wunsch erfüllen. Zumindest der Anfang ist ganz einfach: Obstsetzlinge werden überall angeboten. Also nichts wie los ins nächste Gartencenter, das Wunschobst kaufen und ab damit in den Boden!

Doch so einfach ist es dann leider doch nicht. Ohne etwas Fachwissen bleibt die Ernte auch nach fünf Jahren vermutlich mickrig, der Baum wuchert und der fachgerechte Schnitt wird zur Tortur. Damit die eigene kleine Obstplantage von Anfang an gelingt, gibt es einige Punkte, die unbedingt zu beachten sind.

Standort: Apfelbäume mögen einen sonnigen Standort. Der Wind darf gerne gut zirkulieren, so trocknen die Blätter schnell ab, das schützt ein wenig vor Pilzkrankheiten. Der Boden darf leicht feucht sein; der Wasserabzug sollte aber jederzeit gewährleistet sein. Lehmige oder gar verdichtete Böden sollten vor dem Pflanzen entsprechend verbessert oder leicht drainiert werden, z. B mit Splitt oder Betonkies. Ist der Boden in Ihrem Garten eher trocken und stark durchlässig, ist es empfehlenswert auf einen Birnenbaum auszuweichen.

Die Qual der Wahl: Wenn nun der richtige Platz im Garten gefunden ist, geht es weiter zum Einkaufen. Das schöne Bild des grossen und üppig blühenden Hoch- oder Halbstammapfelbaums, das wir aus malerischen Landschaften kennen, lässt sich nur in sehr grossen Gärten umsetzten. Darum seien hier zwei Baumformen vorgestellt, die sich für den Hausgarten eignen. 1. Der Spindelbusch: Bei der Spindel ist bereits nach fünf Jahren mit sehr guten Erträgen zu rechnen. Sie braucht wenig Platz und wird maximal drei Meter hoch. Pflege und Ernte sind vom Boden aus gut möglich. Die Schnittmassnahmen sind bescheiden. Diese Baumform ist auf einer schwachen Unterlage veredelt. Das heisst, dass sie ein Leben lang auf einen Pfahl als Stütze angewiesen ist. Ansonsten würde die Spindel kippen. 2. Das Säulenobst: Diese auch «Ballerina»-Apfelbäume genannte Form braucht ebenfalls sehr wenig Platz. Ihr schlanker bis zu vier Meter hohe Wuchs ist auch gut als Gestaltungselement im Garten einsetzbar. Zudem ist Säulenobst nach zwei bis drei Jahren ohne Pfahl standfest, da es über eine entsprechend starke Unterlage verfügt. Die Schnittarbeiten sind wie beim Spindelbusch minim. Durch ihre Grösse ist beim Pflegen und Ernten des Säulenobsts hingegen eine Leiter nötig. Sorten: Bei den Spindelbüschen steht meist das volle Sortenpotential zur Verfügung. Für den Hausgarten eignen sich robuste Züchtungen wie Florina, Topaz, Opal, Rewena oder Boskoop. Diese sind wenig anfällig für Krankheiten und führen deshalb auch zu guten Erträgen. Und dies ohne oder mit nur geringem Pflanzenschutz. Beim Säulenobst ist die Sortenwahl eingeschränkter. Da diese Baumform aus einer Spontanmutation hervorgegangen ist, konnte auch nur aus dieser weitergezüchtet werden. Die Sorten, die es hier im Handel gibt, sind zum Beispiel Rondo, Rumba oder Red Spring.

Unterlagen: Wichtig zu wissen ist, dass Obstbäume veredelt werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass die eigentlich gewünschte Apfelsorte auf eine andere Sorte aufgepfropft wird. Die Unterlage, und hier in erster Linie das Wurzelwerk, definiert die Wuchskraft des Baumes. Fragen Sie beim Kauf immer nach, ob es sich um eine schwache Unterlage (z. B. M9 oder M28) oder um eine starke (M25 oder Sämling) handelt. Die starke Unterlage ist wie gesagt für den Hausgarten suboptimal.

Für den Hausgarten eignen sich robuste Züchtungen wie Florina, Opal oder Boskoop. »

Bild 1: Veredelungsstelle Bild 2: Giessrand Bild 3: feste Bindestelle Bild 4 : Spitze anbinden

Bild 5: Konkurrenztriebe entfernen Bild 6: Trieb flach bis in die Waagrechte nach unten binden Bild 7: Triebe aus dem Vorjahr unter die Waagrechte binden

Bild 8: Stamm – und Stockausschläge entfernen Bild 9: Konkurrenztriebe zur Spitze hin entfernen

Apfelbaum pflanzen: Gewappnet mit Obstbaum, Pfahl und Kokosstrick kann es Zuhause ans Einpflanzen gehen. Am besten pflanzt man Obst in der Zeit von November bis April mit nackten Wurzeln. Die Wurzeln unbedingt bis zur Pflanzung feucht halten! Bis zu einem Tag reicht das Einstellen in einem Kessel Wasser. Dauert es länger, bis der Baum gepflanzt wird, ist ein leeres Gemüsebeet geeignet, wo die Wurzeln des Jungbaums mit Erde zugedeckt und angefeuchtet werden.

Nun können Sie in Ruhe das Pflanzloch ausheben. Zur Verbesserung des Bodens kann nebst den oben genannten Materialien auch Kompost beigemischt werden. Nach dem Ausheben des ausreichend grossen Loches wird der Pfahl eingeschlagen, bis dieser fest im Boden sitzt. Nun kann auch der Apfelbaum in den Boden. Idealerweise wird der Stamm auf der Westseite des Pfahls positioniert. So bietet er einen minimalen Schutz gegen die Sonne im Winterhalbjahr; das beugt Rindenschäden etwas vor. Die oft vertrockneten Wurzelspitzen werden an den Enden um etwa einen Zentimeter angeschnitten. Das fördert die Bildung von feinen Saugwurzeln. Falls sie in Ihrem Garten Probleme mit Mäusen haben, empfiehlt es sich, ein verzinktes Maschengitter (10–13 mm) um den Wurzelballen herum einzubauen ins Pflanzloch.

Wie schon erwähnt sind Obstbäume veredelt und gerade die Veredelungsstelle (Bild 1) muss zwingend mindestens 15 Zentimeter über dem Boden sein. Ansonsten kann die Unterlage Ihren Zweck nicht erfüllen. Ist der Baum eingepflanzt und an drei Stellen mit den Fersen angedrückt, können Sie noch einen Giessrand erstellen (Bild 2). Nun kann der Baum zünftig eingeschwemmt werden. Giessen Sie dazu so lange Wasser in den Giessrand bis es nur noch langsam versickert. Den Giessrand kann man gut während eines Jahres belassen. Denn gerade in Trockenperioden ist der Apfelbaum noch auf Wassergaben angewiesen. Zum Schluss binden wir den Baum mit Kokosstrick am Pfahl fest. Achten Sie dabei auf ein gutes Polster und eine feste Bindestelle (Bild 3), damit der Baum genügend Abstand hat und sich nicht am Pfahl verletzen kann.

Der Schnitt: In Fachkreisen wird oft gesagt, dass es so viele Schnitttechniken gebe, wie es Menschen gibt, die Bäume schneiden. Diese Aussage hat einen grossen Wahrheitsgehalt, zumal sich fast jede Technik begründen lässt. Alle Techniken haben jedoch die gleichen Ziele: die Baumform erhalten, die Fruchtansätze verjüngen und so den Ertrag steuern. Wir unterscheiden bei den hier genannten Baumformen zwischen dem Erziehungsschnitt in den ersten zwei Jahren und dem Erhaltungsschnitt ab dem dritten Jahr. Beim Säulenobst erübrigt sich ein Erziehungsschnitt.

Wichtig: Um die Gefahr von Infektionen und Verschleppung von Krankheiten zu reduzieren, achte ich auf sauberes und scharfes Schneidewerkzeug. Zudem desinfiziere ich es vor und nach jedem Einsatz mit Brennsprit und flamme es mit dem Gasbrenner ab. Dies ist zwar keine hundertprozentige Garantie gegen eine Erkrankung, aber ein vernünftiges Minimum an Hygiene bei Schnittarbeiten. 1. Erziehungsschnitt: Damit der Spindelbusch auch schön aufrecht wächst, binde ich die Spitze (Bild 4) falls nötig zusätzlich an den Pfahl. Konkurrenztriebe (Bild 5) werden entfernt. Ich binde steil stehende Triebe flach bis in die Waagrechte nach unten (Bild 6). Dabei achte ich schon jetzt darauf, dass mein Baum pyramidal ist, also oben schmaler als unten. Habe ich im oberen Bereich Äste, die bereits jetzt die unteren Äste in Länge und Grösse überragen, so entferne ich diese. 2. Erhaltungsschnitt: Beim Spindelbusch kann ich ab dem zweiten Jahr die Spitze weiterhin anbinden. Ist die Höhe von drei Metern erreicht wird die Spitze gekappt. Konkurrenztriebe werden auch abgeschnitten. Steile Triebe kann man flach binden. Die Triebe aus dem Vorjahr kann man jetzt unter die Waagrechte binden damit die Blütenbildung noch mehr angeregt wird (Bild 7). In den weiteren Jahren muss man vermehrt darauf achten, dass die schlanke Pyramidenform erhalten bleibt. Das erfordert es, nach innen und oben wachsende Triebe wegzuschneiden. Längere Fruchtäste, die älter als vierjährig sind, entferne ich. Dabei lasse ich einen kleinen Stummel stehen, um das Wachstum anzuregen. Stamm und Stockausschläge entferne ich ebenfalls, lasse dabei jedoch keine Stummel stehen (Bild 8).

Beim Säulenobst wende ich wie gesagt nur einen Erhaltungsschnitt an. Hierbei entferne ich Konkurrenztriebe zur Spitze hin und Seitentriebe, die aus der Säulenform ausbrechen (Bild 9). Lässt nach neun bis zehn Jahren der Ertrag stark nach, kann man den Säulenapfel verjüngen. Dazu kürzt man den Mitteltrieb bis zur Hälfte ein. Das Fruchtholz kürzt man auf jüngere Verzweigungen. Bilden sich mehrere Neuaustriebe wird nur der stärkste berücksichtigt und die übrigen entfernt.

So, und nun hoffe ich, dass ich Sie nicht abgeschreckt, sondern im Gegenteil ermutigt habe, einen Apfel- oder auch anderen Obstbaum für Ihren Garten zu wählen, pflanzen, hegen und pflegen. Schon allein das Einpflanzen eines Baumes ist eine der schönsten Tätigkeiten, die man sich vorstellen kann, gerade auch mit der Familie. Beim Schneiden sollen Sie keine Scheu haben. Denn auch wenn es nicht ganz so fachmännisch wie beschrieben geschieht: Die Triebe wachsen in fast allen Fällen wieder nach. Wer stark am Obstbau interessiert ist, für den bietet der Verband Jardin Suisse oder auch das Bildungszentrum Inforama an diversen Orten immer wieder Obst- und Schnittkurse für Quereinsteiger an. •

Walter Bühler ist gelernter Landschaftsgärtner und Landwirt. Er arbeitet als Berufsbildner an der Gartenbauschule Oeschberg in Koppigen (BE). In seiner Freizeit interessiert er sich für Pflanzen, Permakultur und produziert unter dem Namen «Pommebastisch» leidenschaftlich Cidre aus dem eigenen Obstgarten.

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