















Feuerkraft: Waffen und Gerät
Vernetzung: Drohnen und Digitalisierung








Kampfkraft: Bekleidung und Ausrüstung

























Feuerkraft: Waffen und Gerät
Vernetzung: Drohnen und Digitalisierung
Kampfkraft: Bekleidung und Ausrüstung
… und keiner geht hin.“ So lautete ein berühmter Spruch der Friedensbewegung während des „Kalten Krieges“. Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland 2014 herrscht wieder Krieg in Europa. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hat das auch die politische Führung unseres Landes verstanden und rief die „Zeitenwende“ aus. Mit bisher überschaubarem Erfolg, was die gesamtgesellschaftliche Verteidigungsbereitschaft angeht. Gemäß einer Forsa-Umfrage aus dem August 2025 wäre nur jeder sechste bereit, Deutschland „auf jeden Fall“ mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. 22 Prozent könnten sich das zumindest vorstellen. Weit über die Hälfte würde jedoch zu Hause bleiben oder fliehen.
Keine Frage: Von der derzeit seitens des Verteidigungsministeriums geforderten „Kriegstüchtigkeit“ bleibt unser Land noch weit entfernt. Das hat sicherlich mit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 zu tun. Es hängt aber auch zusammen mit einem in den vergangenen Jahrzehnten stetig erstarkten obrigkeitsstaatlichen Misstrauen in den Bürger, welches sich unter anderem beim Thema Waffenbesitz zeigt. Man kann noch froh sein, dass hierzulande schießsportliche Aktivitäten zumindest als „nicht nachteilig“ für den Erhalt militärischer Schießfertigkeiten gelten. Demgegenüber fördert Finnland explizit mit Hinweis auf die Landesverteidigung den Schießsport durch den Bau von Schießständen. Litauen ermöglicht Soldaten und Reservisten den Besitz vollautomatischer Handwaffen.
Dr. Jan-Phillipp Weisswange
VISIER-Autor
Dr. Jan-Phillipp Weisswange
Um eine sicherheitspolitisch und militärisch sinnvoll ausgestaltete Wehrpflicht wird die Bundesrepublik nicht herumkommen, sollte sie die Landesverteidigung wieder zur Sache einer möglichst großen Zahl von Staatsbürgern machen wollen. Eine Wehrpflicht würde zudem dafür sorgen, dass breite gesellschaftliche Schichten über Grundkenntnisse des Systems Soldat verfügen, vertraut im Umgang mit Waffen sind und somit auch handwerklich verteidigungsbereit wären. Brächten Exekutive und Legislative dieses Vertrauen in den Souverän auf – das wäre eine veritable Zeitenwende!
Keine Zeitenwende gab es hinsichtlich meiner beruflichen Lage: Seit Ende 2015 bin ich hauptberuflich als Öffentlichkeitsarbeiter in der Rüstungsindustrie tätig. Dieses VISIER Special entstand jedoch im Rahmen meiner genehmigten Nebentätigkeit als freier Autor. Ich gebe hier ausdrücklich meine persönliche Meinung wieder. Unser Land braucht nach wie vor eine gesamtgesellschaftliche sicherheitspolitische Debatte als Basis für seine Wehrhaftigkeit. Dafür setze ich mich auch als Autor und nicht zuletzt als Staatsbürger ein.
Nassau an der Lahn, im September 2025
VISIER – DAS INTERNATIONALE WAFFEN-MAGAZIN
VERLAGS-/REDAKTIONSANSCHRIFT: BURGBERGWEG 1, 56377 NASSAU
E-MAIL-ADRESSE: VISIER@VISIER.DE
TELEFON: +49 (0) 2604 94 464-0 INTERNET: WWW.ALL4SHOOTERS.COM
AUFSICHTSRATSVORSITZENDER: Carlo Alberto Gussalli Beretta
GESCHÄFTSFÜHRER: Dirk Schönfeld
LEITER DES REDAKTIONELLEN BEIRATS: Matthias S. Recktenwald (MSR)
CHEFREDAKTEUR: Hamza Malalla (HM), verantwortlich gemäß rheinland-pfälzischem Pressegesetz
LAYOUT & PRODUKTION: Fernando Monasterio / Mongrafik, Wiesbaden; Markus Kimmel / Kimmel Creative, Lahnstein
FREIE AUTOREN DIESER AUSGABE: Dr. Jan-Phillipp Weisswange
ANZEIGENVERKAUF: Leitung Peter Hoffmann +49 (0) 221 94 19 88 92, E-Mail: peter.hoffmann@vsmedien.de
ANZEIGENABWICKLUNG: Rajaa Lamdarder-Sobotta +49 (0) 2604 94 464-15, E-Mail: rajaa.sobotta@vsmedien.de
ANZEIGENSATZ: Markus Kimmel / Kimmel Creative, Lahnstein
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VISIER erscheint monatlich jeweils am letzten Freitag des Vormonats. Preis des Einzelheftes: 6,90 Euro inkl. MwSt. VISIER SPECIAL erscheint unregelmäßig. Der Preis des Einzelheftes: 11,90 Euro inkl. MwSt. Im Festbezug: 11,90 Euro, bei kostenfreier Anlieferung. ISBN: 978-3-944196-59-6, ISSN: 0948-0528
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ERSCHEINUNGSTERMIN:
31. 10. 2025
FOTOS TITEL UND INTRO: Ralph Zwilling (Hauptbild), Hamza Malalla, MoD UK, US Army, USMC.
Das Sturmgewehr bleibt wesentliche Standardwaffe – beim österreichischen Bundesheer die Bullpup-Konstruktion Sturmgewehr 77.
Die Pistole – hier in Form der P30 beim deutschen KSK – dient inzwischen als querschnittliche Back-up-Waffe.
Drohnen konnten sich einen festen Platz im infanteristischen Werkzeugkasten erkämpfen.
Das Modell REAPR von Ohio Ordnance gehört in die neue mittelschwere Maschinengewehr-Kategorie.
Mit schultergeschossenen Munitionen kann der Einzelschütze ein weites Zielspektrum bekämpfen.
Neues Equipment wie das Modulare Bekleidungsund Ausrüstungssystem (MBAS) der Schweizer Armee verstärkt die Kampfkraft erheblich.
Mit der „gelben Schleife“ und mit dem Veteranen-Abzeichen möchte das Team die Verbundenheit zur aktiven Truppe unterstreichen! Wir stehen hinter Euch!
Der Mensch im Mittelpunkt 6
Grundsätzliches zur sicherheitspolitischen Lage, zur Rolle des Soldaten und zu den Subsystemen und Komponenten des Systems Soldat.
Waffen
In Reih und Glied 16
Das Sturmgewehr als Standardwerkzeug und wichtigstes Subsystem des Systems Soldat.
Faust auf Faust 28
Die veränderte Rolle der Pistole als Sekundärbewaffnung, dazu aktuelle Maschinenpistolen- und PDW-Entwicklungen.
Wanderer zwischen den Welten 40
Die ießenden Übergänge zwischen schwerem Sturmgewehr, Zielfernrohrgewehr und halbautomatischem Scharfschützengewehr.
Konstante und variable Kampfkraftkomponente 48
Im Bereich der Maschinengewehre gibt es derzeit umfangreiche Ergänzungen des Portfolios.
Komplette Palette 60
Von der Handgranate bis zur schultergeschossenen Munition.
Kampfkraftmultiplikatoren
Gadgets oder Gamechanger? 72
Wie sich Drohnen und andere Zukunftstechnologien auf die Kriegführung auswirken. Kernstücke für die Kampfkraft 82 Bekleidung und persönliche Ausrüstung erfüllen vielfältige Aufgaben und erhöhen die Kampfkraft.
Abholpunkte 94
Ansprechpartner und Adressen.
Ein herzliches Dankeschön!
Wie immer gilt mein herzlicher Dank dem VISIER-Team, meinem „alten Haufen“. Dieses Jahr waren insbesondere Fernando Monasterio, Markus Kimmel, Hamza Malalla, Matthias Recktenwald, Tanja Kleucker und Peter Hoffmann an der Publikation beteiligt. Ich danke allen Kolleginnen, Kollegen und Kameraden aus der Industrie, aus den Fachmedien sowie aus den Streitkräften sowie Behörden und
Weiterentwicklungen der Handwaffenmunition –NGSW und SAAT 13
Kurz und gut 34
MG-Munitionszufuhr 59
Kontroverse Kampfmittel 63
Besatzungslose Systeme 75 Drohnen und Loitering Munition 77
Künstliche Intelligenz 79
Schichtsystem 87
Dank des VISIER-Teams 98
Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, welche dieses Special durch Hintergrundgespräche, Informationen und Bildmaterial unterstützten. Ein riesengroßes Dankeschön gebührt einmal mehr meiner Familie, besonders Anke und „Woti“, für ihre Liebe und Geduld. Und ich danke allen, welche ich in meiner Aufzählung vergessen habe.
System Soldat – vom hybriden Krieg zum Hyperwar:
SMensch
treitkräfte bestehen aus besonders ausgerüsteten, ausgebildeten und bewaffneten Menschen. In ihnen spiegelt sich die Gesellschaft wider, der sie dienen. Dabei lassen sich unterschiedliche Menschenführungsphilosophien feststellen. Gemäß der einen ist der Mensch Mittelpunkt. Gemäß der anderen ist der Mensch Mittel. Punkt.
Dieses Zitat liefert denn auch die Stichpunktsammlung für das Thema dieses VISIER Specials, in dem der Einzelschütze im Mittelpunkt steht. Das System Soldat umfasst alle Komponenten, die der individuelle Kämpfer benötigt, um seinen militärischen Auftrag zu erfüllen. Aus diesen wählt der Soldat aus, um sich optimal für seine jeweilige Aufgabe zu kon gurieren.
Für den einzelnen Kämpfer gilt grundsätzlich das, was der preußische General und Kriegsphilosoph Carl von Clausewitz schon in den 1820er Jahren in seinem Werk „Vom Kriege“ schrieb: „Der Soldat wird ausgehoben, gekleidet, bewaffnet, geübt, er schläft, isst, trinkt und marschiert, alles nur, um an rechter Stelle und zu rechter Zeit zu fechten.“
Das aktuelle Kon iktbild: Bevor man Streitkräfte aufstellt, muss man wissen, wofür beziehungsweise wogegen. Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 begann in Deutschland die sicherheitspolitische „Zeitenwende“ – eigentlich mit gut acht Jahren Verspätung, denn die völkerrechtswidrige Krim-Annektion im Früh-
jahr 2014 markiert den Beginn des russisch-ukrainischen Krieges. Jedenfalls müssen sich die westlichen Gesellschaften derzeit auf vielfältige Bedrohungsspektren einstellen. „Wir be nden uns nicht im Krieg, aber wir be nden uns schon lange nicht mehr im Frieden“, so beschrieb Generalleutnant André Bodemann mehrfach die aktuelle Lage in Deutschland. Bodemann ist nicht nur der Stellvertreter des Befehlshabers Operatives Führungskommando der Bundeswehr und Kommandeur Territoriale Aufgaben, sondern auch einer der Väter des „Operationsplans Deutschland“. Das als geheim eingestufte Dokument „führt die zentralen militärischen Anteile der Landes- und Bündnisverteidigung mit den dafür erforderlichen zivilen Unterstützungsleistungen zu einem operativ ausführbaren Plan zusammen.“
Das Sturmgewehr bildet handwaffenseitig das entscheidende Element des Systems Soldat. Ungeachtet aller Zeitenwenden entfaltet der Soldat auf den Gefechtsfeldern von heute und morgen seine individuelle Feuerkraft in erster Linie mit jener leichten, magazingeladenen sowie wahlweise Einzel- oder Dauerfeuer schießenden Langwaffe. Er lernt sie mit Beginn seiner Grundausbildung drillmäßig zu bedienen, zu warten und einzusetzen. Das im Zweiten Weltkrieg entstandene Konzept dieses Waf-
fentyps – die Bezeichnung Sturmgewehr ist ursprünglich ein deutscher Propagandabegriff – überzeugt nach wie vor: Feuerstark und dabei ausreichend präzise, handlich, einfach zu bedienen und zudem materialsparend und in großen Mengen herzustellen. Die Kampfentfernung des Sturmgewehrs liegt abhängig von Rohrlänge und Kaliber idealerweise bei bis zu 500 Meter – dem infanteristischen Halbkilometer (US-Major Thomas P. Ehrhart). Sicher aber lässt sich auf bis zu 300 Meter wirken. Auf diese Distanz lässt sich in
Deutschland auf den meisten gängigen Standortschießanlagen trainieren, was im Rahmen einer ganzheitlichen Schießausbildung regelmäßig geschehen sollte.
Konstante Konstruktionen:
Die Funktions- und Konstruktionsprinzipien der Sturmgewehre haben sich in den letzten Jahrzehnten nur wenig gewandelt. Hinsichtlich der Funktion bilden die Gasdrucklader die größte Gruppe. Wirken die abgezapften Gase dabei direkt auf den Verschlussträger, spricht
man vom „ Direct Impingement “. Im Gegensatz dazu gibt es die Gaskolbensysteme, die sich wiederum in solche mit langem oder mit kurzem Hub unterteilen lassen. Alle Gasdrucklader verriegeln meist über einen Drehkopfverschluss.
Hinsichtlich der Architektur lassen sich klassische Form, Pufferrohr-Form, Hybridformen sowie Bullpup voneinander abgrenzen. Bei der „ klassischen Form “ bendet sich die Schließfeder auf einer Federführungsstange im Waffengehäuse, welches ein Bodenstück hinten abschließt. Bei dieser Architektur lassen sich nicht nur feste, sondern auch klappbare Schulterstützen montieren – ein großer Vorteil für mechanisierte Kräfte, die ihre Waffen in Fahrzeugen unterbringen müssen. Bei einer Konstruktion mit Pufferrohr ( „Buffer Tube“ ) sitzt die GaskolbensysBodenstück
Schließfeder in einem hinten an das Gehäuse angesetzten eigenen Rohr. Wesentlicher Vorteil der vom M16/M4 bekannten Buffer Tube-Architektur bildet das angenehmere Rückstoßverhalten, da der Rückstoß geradlinig in die Schulter läuft und das Puffersystem einen Großteil davon auffängt. Nachteil: Das Pufferrohr erlaubt keine Klapp-Schulterstützen. Bei Bullpup-Waffen be nden sich Verschluss und Magazin hinter dem Pistolengriff in der Schulterstütze. Sie bieten den entscheidenden Vorteil, dass sie bei deutlich kompakteren Ausmaßen als ein klassisches oder Pufferrohr-Sturmgewehr einen mindestens gleichlangen Lauf aufnehmen und damit auf gleichwertige oder effektivere Reichweiten kommen.
Nicht mehr ganz neu und daher auch langsam konstant: Wie die anderen Ele-
mente des infanteristischen Werkzeugkastens gilt das Sturmgewehr als System. Optische Visierungen, Laser-/ Licht- Module und zunehmend auch Schalldämpfer ergänzen dieses System. Dazu kommen natürlich die Munition ebenso wie weitere Anbauteile und Schnittstellen zu Soldatensystemen. Die Bundeswehr griff diesen Ansatz in ihrer Funktionalen Fähigkeitsforderung (FFF, oder auch Triple-F genannt) für das Vorhaben „ System Sturmgewehr Bundeswehr “ (Sys StG Bw) ebenfalls auf: „ Es besteht aus der Basiswaffe mit Zubehör und verschiedenen Anbauteilen und Zielhilfsmitteln, die je nach Auftrag kombiniert werden. Im Verbund mit der Munition befähigt das Sys StG Bw den Soldaten zum Kampf, stellt seine Einsatzbereitschaft sicher und soll ihm eine Wirkungsüberlegenheit gewährleisten.“
Fotos: Bundesheer/BMLV, Bundeswehr, Colt-CZ-Group, FN Herstal, Heckler & Koch, Howa, IWI, Konzern Kalaschnikow, KSK, MoD Estland, MoD Niederlande, MoD Schweden, MoD UK, NATO Battle Group, Schweizer Armee, SIG Sauer, US Army, Jan-P. Weisswange, Archiv
Häufig, wenn es hart auf hart kommt, schlägt die Stunde der Faustfeuerwaffe. Kein Wunder, dass die moderne Pistole als in der Regel halbautomatische und mit Wechselmagazinen arbeitende Kurzwaffe schnell seit ihrer Entwicklung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zum infanteristischen Werkzeugkasten moderner Streitkräfte weltweit gehört. Sobald es die Taktik erfordert, wechselt der Schütze von der Lang- auf die Kurzwaffe. Das geschieht beim heutigen individuellen Kämpfer in verschiedenen Gefechtssituationen, beispielsweise wenn die Hauptwaffe klemmt. Es passiert aber im übertragenen Sinne ebenso bei größeren Truppenkörpern, sobald das Kriegs -
bild es erfordert. So erlebte die Pistole im Ersten Weltkrieg insbesondere in den Grabenkriegen auf allen Seiten eine steigende Bedeutung als Kampfmittel, beispielsweise für Stoß- und Spähtruppunternehmen. In den beengten Verhältnissen der Gräben ließ sie sich viel schneller einsetzen und die relativ geringe effektive Reichweite spielte bei kurzen Kampfentfernungen eine untergeordnete Rolle.
In den Dekaden nach dem Ersten Weltkrieg verlor die Kurzwaffe als Kampfmittel dann wieder an Bedeutung, insbesondere beim Militär. Meist diente sie in erster Linie als Selbstverteidigungswaffe für Offiziere, Gerätebediener oder
Fotos: Arex Defense, Bundeswehr/KSK, Carl Walther GmbH, Colt CZ Group, Glock, Kalaschnikow-Konzern, Vitaly Kuzmin, Dieter Licht, MoD Australien, MoD China, MoD Estland, MoD Finnland, MoD Russland, MoD UK, NATO Battlegroup Lithuania, SIG Sauer, US Army, Jan-P. Weisswange, X/Twitter, Archiv
Gezielter Schuss auf große Entfernungen:
In kaum einem anderen Bereich des infanteristischen Werkzeugkastens wandert der Schütze zwischen so vielen Welten wie bei den Instrumenten für den gezielten Einzelschuss. Zwar lassen sich die Welten durch die unterschiedliche Ausbildungshöhe des Anwenders abgrenzen. Diese umfasst grob drei Stufen: Sturmgewehr-, Zielfernrohr (ZF)und Scharfschütze. Die zugehörige Bewaffnung hingegen zeigt sich bereits vierstufig und unterteilt sich in die Kategorien Sturm-, ZF-, halbautomatisches Scharfschützen- und Repetier-Scharfschützengewehr. Bei den Selbstladern verschwimmen die Grenzen zunehmend.
Halber Kilometer als Standard:
– Der Sturmgewehrschütze sollte nach seiner Grundausbildung in der Lage sein, mit seiner optikbewehrten Standard-Handwaffe manngroße Ziele auf den infanteristischen Halbkilometer sicher treffen können.
– Der Zielfernrohrschütze oder kurz ZFSchütze firmiert im angelsächsischen Raum als „ Designated Marksman“ oder „Sharpshooter“. Er erlernt in relativ kurzer Zeit von ein paar Tagen bis wenigen Wochen sein Handwerk für den gezielten Schuss auf größere Entfernungen. Er agiert auf Ebene seiner Teileinheit – meist Gruppe oder Zug – und bekämpft Ziele außerhalb der Reichweite der Standard-Handwaffen. Der ZF-Schütze kam insbesondere im Global War on Terror in Afghanistan Ende der 2000er Jahre wieder zu neuen Ehren. Die NATOTruppen fühlten sich gegenüber den Taliban „outgunned“. Insbesondere deren Dragunow-ZF-Gewehre und PKM-MGs waren gefürchtet, beide im Kaliber 7,62 x 54 mm R. Um dem allem zu begegnen, versprach der „Waffenmix“ kurzfristig bessere Erfolge als neu entwickelte Standard-Munitionssorten. Und so kehrten neben den Universal-MGs die schweren Sturmgewehre und ZF-Gewehre in die Truppe zurück. Andere Begriffe dafür lauten etwa „(Squad) Designated Marksman Rifle (DMR, SDMR)“, „SharpshooterRifle“ oder „Enhanced Battle Rifle (EBR, verbessertes Kampfgewehr)“. Idealerwei-
se entstammen diese Gewehre der Standard-Handwaffenfamilie. Das erleichtert Ausbildung, Bedienung und Ersatzteilversorgung. Weiterhin erschwert es dem Gegner, den sich mit seiner Gruppe bewegenden Zielfernrohrschützen sofort zu erkennen. ZF-Gewehre weisen meist ein stärkeres Kaliber – derzeit in der westlichen Hemisphäre meist 7,62 x 51 mm – auf und nutzen eine relativ geringe, zwischen vier- und achtfach vergrößernde Optik. Dies ermöglicht eine Präzision von ein bis zwei Winkelminuten (1 MoA/ Minute of Angle = 29,08 mm auf 100 Meter). Damit zeigt sich der ZF-Schütze in der Lage, auf bis zu 600 Meter treffgenau wirken und auf bis zu 800 Meter niederhalten zu können.
– Der Scharfschütze ist im Englischen als „Sniper“ bekannt und verfügt über die umfangreichste Ausbildung. Er agiert meist auf Ebene seiner Einheit oder seines Verbandes und erfüllt auch Aufklärungs- oder Feuerleitungsaufträge. Er bekämpft feindliche Hochwertziele und kann auf Entfernungen von 1500 Metern und mehr wirken. Eine Scharfschützenwaffe weist mindestens eine Präzision von einer Winkelminute auf. Der Scharfschütze operiert zudem meist im Trupp. Ihm steht ein ebenfalls als Scharfschütze ausgebildeter Zielbeobachter („Spotter“ ) zur Seite. Der Scharfschützentrupp führt zudem komplexere Waffen, Optiken und weiteres Gerät mit sich. Selbstladewaffen erfüllen im Scharfschützentrupp meist die Funktion des Semi Automatic Sniper System (SASS) beziehungsweise der Sniper Support Weapon. So bilden Selbstlader das Mittel der Wahl, wenn es in erster Linie auf schnelle Folgeschüsse ankommt. Dies kann beispielsweise bei Mehrfach- oder beweglichen Zielen der Fall sein. Aber auch in Szenarien, bei denen die Kampfentfernungen kürzer ausfallen, Stellungswechsel in kürzeren Intervallen erfolgen und generell eine hohe Dynamik herrscht, können Selbstladegewehre ihre Vorteile hinsichtlich schneller Folgeschüsse und meist höherer Magazinkapazität voll ausspielen. Gleiches gilt für den Fall, dass sich der Scharfschützentrupp schnell absetzen
Fotos: Accuracy International, Armee Fran ç aise , Barrett, Bundesheer, Bundeswehr, D.G. Haenel, Colt Canada, Geissele, Heckler & Koch, LMT Defense, Konzern Kalaschnikow, Vitaly Kuzmin, Sako, Steyr Arms, US Army, USMC, USSOCOM, Han-P. Weisswange, Archiv
Das MG als vielseitige Feuerwaffe:
Konstanten und Variablen kennzeichnen die Militär- und Waffengeschichte. Das gilt auch für das Maschinengewehr. Unverändert konstant dient es als Inbegriff der schnell beweglichen Feuerkraft und damit als eine Schwerpunktwaffe im System Soldat: In der Regel lässt sich die Langwaffe von einem Schützen tragen und von ein bis zwei Schützen bedienen. Sie speist sich aus Gurten oder, inzwischen seltener, Magazinen und schießt meist vollautomatisch Gewehrmunition in hoher Schussfolge. Variabel, also veränderbar, zeigt sich ihre Gestalt. So kennt der heutige infanteristische Werkzeugkasten das Maschinengewehr – kurz „ MG “ – in vielfachen Ausführungen. In den letzten Jahrzehnten gab es wohl bei keiner anderen Handwaffe so zahlreiche Weiterund Neuentwicklungen. Dabei standen gleich mehrere K-Fragen im Fokus: Konzeptionen, Kaliber, Kadenz, Konstruktionen und Kategorisierung. von es zahlreiche
Konzeptionen:
Taktik und Technik stehen stets in Wechselwirkung. Erfahrungen aus Truppe und Alltag einerseits und technische Neuerungen bis hin zu disruptiven Technologiesprüngen andererseits ießen in die Weiterentwicklung von Waffensystemen ein. Als eine Folge dieser Wechselwirkung hat sich heute natürlich auch beim Maschinengewehr der mehrfach angesprochene Waffensystemgedanke durchgesetzt. Daher bildet die Modularität einen Standard. Optiken, NachtsichtVorsatzgeräte, Laser- und Laser-Lichtmodule und zudem Schalldämpfer gehören heute zu diesem System. Ebenso geht es seit einigen Jahren darum, die Maschinengewehre ähnlich wie die übrigen Handwaffen in Soldatensysteme einzubinden und sie so mit anderen Akteuren und Geräten auf dem digitalen Gefechtsfeld zu vernetzen. Die sich verändernden Einsatzspektren und Streitkräftekonzeptionen führten in den letzten Jahrzehn-
ten weiterhin dazu, dass viele Armeen ihre Maschinengewehr-Palette ergänzten und dabei weiter auffächerten: Zu den spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg verbreiteten Einheits- oder Universalmaschinengewehren traten zunächst leichtere Konstruktionen. Diese kamen zuerst in kleineren und dann – wiederum etliche Jahre später – in größeren Kalibern. Geradezu beispielhaft steht hierfür auf westlicher Seite die FN Minimi-Familie, die es seit Mai 2024 in der Iteration Mk3 gibt. Auf der anderen Seite zog der Konzern Kalaschnikow in diesem Jahrzehnt nach. 2020 brachte er das RPL-20, kurz für „ Rutschnoi Pulemjot Lenta “, also „leichtes Handmaschinengewehr mit Gurt“ in 5,45 x 39 mm heraus. Dem folgte dieses Jahr das RPL-7 in 7,62 x 39 mm. Derzeit stehen vor allem zwei Aspekte im Mittelpunkt der MG-Weiterentwicklungen: leichteres Gewicht und leistungsstärkere Kaliber. Als herausragendes Beispiel kann die US Army dienen. Ebenfalls Foto: Bundeswehr, Estonian Defence Forces, FK Brno, FN Herstal, Heckler&Koch, Konzern Kalaschnikow, MoD Australia, MoD China, MoD Denmark, MoD UK, Ohio Ordnance, Rosoboronexport, SIG Sauer, U.S. Army, Jan-P. Weisswange, Archiv
Geht es darum, gepanzerte, weiter entfernte oder in Deckung liegende Gegner zu bekämpfen, braucht es im System Soldat entweder größere Kaliber, Steilfeuerwaffen oder eine Kombination aus beidem. Bis heute bildet die Granate hierzu ein Kampfmittel der Wahl. Und wie bei anderen Handwaffen des Systems Soldat auch gab es in den letzten Jahrzehnten erhebliche Weiterentwicklungen. Der in Deutschland spätestens seit dem DreißigjähriWahl.
gen Krieg (1618-1648) gebräuchliche Begriff der Granate stammt tatsächlich vom Granatapfel ab. Die kernreiche Frucht des Granatbaumes trägt den lateinischen Namen „ malum granatum wobei sich das zweite Wort von granum für Kern ableitet. Die Eigenschaft „granatus“, wörtlich „ voll von Körnern “, traf auch auf die bereits um 1400 von dem deutschen Schriftsteller Konrad Kyeser in seinem Kriegsbuch „Bellifortis“ beschriebenen Hohlkörper mit Spreng“, ladung zu. Die damaligen Krieger beförderten sie meist von Hand, aber auch mit Schleudern oder aus Katapulten in Richtung Gegner. Dazu brauchte es Kraft und Geschick, weshalb die Spezialisten hierfür einen eigenen Namen erhielten: Grenadiere. Die Schweiz kannte beispielsweise bis in die 1990er Jahre unterschiedliche Funktionsbezeichnungen für ihre Infanteristen, darunter neben dem Füsilier und dem Mitrailleur auch den Grenadier als Elitesoldaten.
Foto: Barrett, Bundesheer, Bundeswehr, DND, Ingra.ru, Vitaly Kuzmin, MBDA, MoD UK, MoD Ukraine, Carl Schulze, Twitter/X, US Army, War Noir, Wikipedia, Jan-Phillipp Weisswange, Zonawar.ru, Archiv
Die DefendTex D40 lässt sich sowohl aus 40mm-Granatwerfern verschießen als auch wie auf Seite 73 erkennbar von Hand starten. Sie kann auf klären und kämpfen. Flugzeit 30 bis 60 Minuten, Reichweite maximal 20 Kilometer.
Karfreitag, 2. April 2010, etwa 12 Uhr, Provinz Kunduz, Nordafghanistan, im Verantwortungsbereich des deutschen Kontingentes der Schutztruppe International Security Assistance Force (ISAF). Bei Isa Khel be ndet sich der Golf-Zug der 1. Infanteriekompanie Kunduz auf einer Patrouille. Zur Aufklärung einer Häusergruppe starten die deutschen Fallschirmjäger eine „ Mikro-Aufklärungsdrohne im Ortsbereich “. Doch der kurz „ MIKADO “ genannte Quadrocopter stürzt aufgrund der schwierigen Windund Temperaturverhältnisse ab. Der
Ein Bundeswehr-Spähtrupp startet eine Aufklärungsdrohne MIKADO. Der 1300 Gramm schwere Quadrocopter hat eine Flugzeit von 30 Minuten, eine Flughöhe von 100 Metern und eine Reichweit von 1000 Metern.
Golf-Zug sendet daraufhin einen Spähtrupp aus, um die Drohne zu nden und zu bergen. Dabei bewegt sich der Trupp direkt auf eine Hochburg der aufständischen Taliban zu. Was danach folgt, ist die blutigste Schlacht der Bundeswehr seit ihrer Aufstellung. Im Zuge des stundenlangen Feuergefechts fallen drei Soldaten: Hauptfeldwebel Nils Bruns, Stabsgefreiter Robert Hartert und Hauptgefreiter Martin Augustyniak. Fünf weitere deutsche Soldaten werden zum Teil schwer verwundet und sind teils schwer versehrt. Auf der Gegenseite werden nach heutigen Erkenntnissen
20 bis 40 Taliban-Kämpfer getötet oder verwundet. Das Ereignis wird als „ Karfreitagsgefecht “ in die deutsche Militärgeschichte eingehen.
15 Jahre später hat sich der „ K3Gedenkmarsch “ für die drei Gefallenen zu einem festen Bestandteil der deutschen Veteranenbewegung entwickelt. An ihm nehmen inzwischen bundesweit mehrere zehntausend Menschen teil. Der Verlust einer MIKADO oder einer vergleichbaren Kleinstdrohne der Klasse I hingegen würde angesichts der weiterentwickelten Drohnenkriegführung vermutlich kaum ins Gewicht fallen. Vielmehr würden heute wohl beide Seiten Drohnen einsetzen, um sich gegenseitig auszuspähen oder zu bekämpfen. Denn nicht nur die Drohnenkriegführung hat sich in der letzten Dekade rasant weiterentwickelt.
Die Nano-Drohne Black Hornet kann Tag und Nacht aufklären und fliegt bis zu zwei Kilometer. Die Flugzeit beträgt rund 25 Minuten. unter
Gleiches gilt für die zugehörigen unbemannten beziehungsweise besatzungslosen Plattformen. Ob in der Luft, ob am Boden oder ob über und unter Wasser: Fast alle Kriegführungskonzepte beziehen in ihre Überlegungen die kurz unter dem Sammelbegriff „ UxS “ gefassten Syste-
Bekleidung und persönliche Ausrüstung gehören neben der Bewaffnung zu den Kernstücken des „ System Soldat “. Je besser die Komponenten Waffe, Munition, Optik/Optronik, Peripheriegerät und persönliche Ausrüstung miteinander harmonieren, umso mehr wirkt sich das auf die individuelle Kampfkraft des einzelnen Soldaten aus. Daher erfüllen militärische Bekleidungs- und Ausrüstungssysteme vielfältige Aufgaben. Sie schützen vor Witterungsein üssen, Bedrohungen auf dem Gefechtsfeld und Aufklärung durch den Gegner. Sie
bieten Tragekomfort und möglichst schnellen Zugriff auf die mitgeführten Kampf-, Aufklärungs- und Führungsmittel. Sie sollen dabei möglichst leicht und stabil sein. Sie sollen auch zu einem positiven und professionellen Erscheinungsbild beitragen – nicht zuletzt im Hinblick auf die strategisch wichtige Nachwuchsgewinnung. Zudem ist die größtmögliche querschnittliche Nutzung durch einen höchst diversen Personenkreis zu erfüllen. Die Bekleidung und Ausrüstung spiegelt nicht zuletzt die Wertschätzung des Dienstherrn für die