VISIER 03/2012 Leseprobe

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MEN-Power| Metallwerk Elisenhütte Nassau

MEN-Power

Eine neue Geschäftsführung der Metallwerke Elisenhütte Nassau bricht mit Traditionen und will die Munitionsherstellung modernisieren. VISIER besuchte das Werk im Umbruch. Zur „Elisenhütte“ fährt man aus dem Nassauer Ortskern die Lahn entlang, vorbei an Weinbergen und vielen Fachwerkhäusern. Im Rückspiegel wird die gut 100 Meter über dem Fluss liegende Burg Nassau immer kleiner. So romantisch sieht es bei MEN nicht aus. Das Werksgelände versprüht den Charme der 1950er und 1960er Jahre — die Metallwerk Elisenhütte Nassau wurde 1957 gegründet. Natürlich wäre damals ebensowenig wie heute jemand auf die Idee gekommen, eine gläserne Fabrik an die Lahn zu bauen, wie es vor zehn Jahren Volkswagen in Dresden machte. Wenn der Besucher auf den Hof einbiegt, fährt er auf ein außen schlichtes Verwaltungsgebäude zu. Die Maschinen für die Hülsen-, Geschoss- und Patronenfertigung rattern in ebenso schmucklosen Flachbauten. Doch für Innovationen braucht man keine Protzbauten. Das 1990 privatisierte, von MAN gekaufte Unternehmen punktete immer wieder mit erfolgreichen Entwicklungen wie der Polizeipatrone Quick Defence (QD). Über Jahrzehnte rollten hier Millionen Patronen für die Polizei und die Bundeswehr aus den Hallen. Die Auftragsbücher waren voll, wohl niemand in dem ehemaligen Staatsbetrieb machte sich Sorgen um die Zukunft. Doch 2009 gab es für die Mitarbeiter einen Schock: Die Nassauer Firma schrammte nur knapp an der Insolvenz vorbei, für MEN ging es plötzlich ums wirtschaftliche Überleben. Die alte Führung nahm ihren Hut, zwei neue Männer rückten als Geschäftsführer an die Spitze: Hermann Mayer kümmert sich um technische Angelegenheiten, Martin Dettmer um den kaufVISIER | 3-2012

männischen Bereich. Anfang 2010 einigte sich das Unternehmen mit der IG Metall dann auf einen neuen Tarifvertrag. Die Mitarbeiter stimmten Mehrarbeit und Lohnverzicht zu, die Firma versprach eine vierjährige Jobgarantie und Investitionen in Millionenhöhe. Offenbar die richtige Strategie. Jedenfalls schrieben die Nassauer im vorvergangenen Jahr wieder schwarze Zahlen und verbuchten im vergangenen einen Umsatz von etwa 66 Millionen Euro. Heute beschäftigt MEN 280 Mitarbeiter — mehr als vor der Krise, doppelt so viele wie noch vor vier Jahren. Die Zukunft hatte für das Metallwerk Elisenhütte allerdings schon 2007 begonnen, als die brasilianische CBC- Gruppe den Betrieb übernahm. Seitdem gehört MEN zu „Magtech Europe GmbH“ — einer Finanzholding. In der Branche orakelte so mancher, dass die brasilianische Muttergesellschaft Schuld an der BeinaheInsolvenz gewesen sei. Zu weit weg, kein ehrliches Interesse an der Firma, sondern nur an derem Know-how, meinten die Schwarzseher. „Stimmt nicht“, sagt Geschäftsführer Martin Dettmer. „MEN hatte leider auch vor 2009 schon fünf Jahre Verluste gemacht, und CBC brauchte nach der Übernahme einfach eine Weile, um sich in Deutschland zu orientieren. Die Probleme lagen woanders.“ Der gelernte Diplomwirtschaftsingenieur kommt aus einer anderen Branche, hat zwölf Jahre in Großbritannien, Polen und der Ukraine gearbeitet und seine eigene Sicht auf Dinge: „Die meisten unserer Produkte sind austauschbar, deshalb können Hersteller sie aus fast jedem Land liefern — sie müssen nur den NATO-Standard erreichen und deutschen Qualitätsan-

MEN-Kurzporträt Das Metallwerk Elisenhütte Nassau (MEN) produziert ausschließlich Munition für staatliche Stellen. Etwa 90 Prozent der Militärpatronen gehen an die Bundeswehr. Den Marktanteil deutsche Polizeien und Behörden schätzte MEN gegenüber VISIER auf zirka 50 Prozent. Zu den Kunden gehören unten anderem die Ordnungshüter in Skandinavien und die französische Armee. Seit einigen Jahren unterhält die Firma auch Geschäftsbeziehungen zu Japan. MEN stellt unter anderem im Kaliber 9 mm Para die für die deutsche Polizei zertifizierte Polizeieinsatzpatrone (PEP) sowie die Polizeitrainingspatronen PTP, PFP (rückprallfrei) und MSR (Vollmantelweichkern) her. Im Langwaffenbereich konzentrieren sich die Nassauer auf die Kaliber .223 Rem., .308 Win., .50 BMG, .300 WinMag und .338 Lapua Magnum. Die „Sniperline“ richtet sich an Präzisionsschützen. Neu im Programm: PDW-Munition 4,6 x 30 mm. Info: www.men-defencetec.de

forderungen entsprechen. Wir konkurrieren mit weltweit agierenden Firmen aus den USA, Israel, der Türkei, Südkorea, Italien und der Schweiz — MEN ist im Vergleich ein eher kleiner Betrieb. Wir brauchen also nicht nur gleichbleibende Qualität, wir müssen auch preislich mit allen anderen mithalten. Gehälter wie in Südkorea will hier niemand. Wir müssen deshalb mit Innovationen die Produk- tionskosten senken. Auch aus dem Grund, weil die Rohstoffpreise stark schwanken und sich in den vergangenen Jahren teilweise vervierfacht haben. Für jeden Munitionsproduzenten bedeutet schon das ein hohes wirtschaftliches Risiko.“ 139


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