
4 minute read
Fütterung
from VÖS-Magazin 4/2021
by VÖS Online
Reinhard Puntigam Uni-Rostock
© Puntigam
Advertisement
Julia Slama Hochschule f. Agrar- u. Umweltpädagogik

© Slama
Analysieren lohnt sich – „ x Daumen“ war gestern
Das Ziel der Tierernährung besteht in der effizienten Umwandlung von Futtermittel bzw. deren beinhalteten Nährstoffe in hochwertige tierische Lebensmittel unter Aufrechterhaltung der Tiergesundheit sowie Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Aspekte (vorrangig N- und P-Ausscheidung). Somit gilt es über die Kombination von Einzelfutter- wie auch Ergänzungs- und Mineralfuttermittel im Zuge der Rationskalkulation ein Alleinfuttermittel zu errechnen, zu mischen und schlussendlich zu verfüttern welches den Nährstoffbedarf der Tiere zum jeweiligen Lebens- und Leistungsabschnitt optimal deckt. Ein „zu wenig“ schlägt sich in einer reduzierten tierischen Leistungsfähigkeit nieder, wohingegen ein „zu viel“ ausgeschieden werden muss und sich nachteilig auf die Tiergesundheit, Ökologie und Ökonomie auswirkt.
Der Bedarf an Nährstoffen
Die Erforschung und Dokumentation des Bedarfs an Nährstoffen eines Schweins stellt über die letzten Jahrzehnte einen sehr wichtigen Aspekt innerhalb der Agrarwissenschaft dar. Eine Vielzahl an Fütterungsversuchen wurde in Bedarfsempfehlungen z.B. Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Schweinen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE, 2006), wie auch in der Veröffentlichung „Nutrient Requirements of Swine“ des National Research Council (NRC, 2012) zusammengeführt und stellt das „SOLL“ an Nährstoffen im Zuge der Rationskalkulation dar.
Das Liefervermögen an Nährstoffen
Um dieses „SOLL“ bestmöglich abzudecken gilt es Futtermittel optimal zu kombinieren. Dazu ist es erforderlich den Nährstoff- und Energiegehalt, sowie deren Verfügbarkeit = Verdaulichkeit der jeweiligen Einzelfuttermittel bestmöglich einzuschätzen. Auch hierzu gibt es eine Fülle an Veröffentlichungen und auch Rationsberechnungsprogramme (z.B. von Sauvant und Kollegen, 2004; NRC, 2012; https://www.feedipedia.org/; Zifo2 etc.) in denen eine Vielzahl an Daten zusammengefasst wurde. Ganz bedeutend hierzu ist jedoch die Frage: Wie gut stimmt der angegebene Tabellenwert mit jenem meines Einzelfuttermittels, z.B. mit hofeigenem Körnermais etc. überein? Folglich wird in der Tabelle 1 beispielhaft ein ausgewählter Überblick zum Nährstoffgehalt bei Körnermais unterschiedlicher Quellen veranschaulicht. Wie ersichtlich, unterscheiden sich die Literaturangaben zum Gehalt der angeführten Nährstoffe geringfügig voneinander, was auf einem sehr großen Probenumfang (hunderte bis tausende) zurückzuführen ist. Demgegenüber konnte mit einer Arbeit von Rodehutscord und Kollegen (2016) im Zuge des Projektes „GrainUP“ die deutliche Variabilität im Nährstoffgehalt zwischen verschiedenen Sorten einer Getreideart nachgewiesen werden. Hierzu wurden von einigen Getreidearten eine Vielzahl an Genotypen / Sorten nährstofflich charakterisiert. Über alle Maisgenotypen hinweg (27) konnte eine durchschnittliche Trockenmasse von 903 g/kg, ein durchschnittlicher Rohproteingehalt von 93,5 g/kg (Minimum: 78,1; Maximum: 112) sowie ein durchschnittlicher Lysingehalt von 2,98 g/kg (Minimum: 2,51; Maximum: 3,53) nachgewiesen werden. Es herrschte somit eine deutliche Variabilität obwohl die ackerbaulichen Einflüsse (Düngung etc.) jeweils ident waren. Dieser Umstand verdeutlich, dass Literaturangaben als Orientierungswerte für die Einschätzung des Gehalts an Nährstoffen von Einzelfuttermittel sehr gut geeignet sind, jedoch kann man, wie an den Minimum- und Maximum-Gehalten an Rohprotein sowie des Lysins zu erkennen ist, eine „Über- bzw. Unterschätzen“ des Nährstoffliefervermögens nur bedingt ausschließen.
Der Proteingehalt von Sojafutter
Dass auch Sojafuttermittel gewissen Schwankungen unterliegen, wird mit Abb. 1 veranschaulicht. Dargestellt sind der Gehalt an Rohprotein und Lysin der am LVFZ Schwarzenau (Quelle: Dr. Preißinger, LfL) in den Jahren 2017 bis 2019 angelieferten Sojaextraktionsschrote. Auch hier ist eine deutliche Streuung zu erkennen, die sich bei einer Fehleinschätzung im Zuge der Rationsberechnung deutlich auf die tierische Leistungsfähigkeit auswirken kann.
Der rechtliche Rahmen
Die rechtliche Regelung für gewisse Schwankungen bzw. Toleranzen analytischer Bestandteile und Futtermittelzusatzstoffe in Einzel- und in Mischfuttermitteln sind in der EU-Verordnung 2017/2279 festgehalten. Werden demnach im Sojaschrot 41,2 %
Rohprotein analysiert und 44 % wurden dafür angegeben (deklariert), ist die Lieferung nicht zu beanstanden, da die in diesem Fall die zulässige Toleranz von 3 % (absolut = 30 g) für den Gehalt an Rohprotein nicht unterschritten wurde (44 % Rohprotein - 3 % = 41,0 %). Darüber hinaus gilt es zusätzlich einen klar definierten Analysenspielraum einzuhalten, z.B. für einen Gehalt an Rohprotein zwischen 25,0 und 52,0 %: Analysenspielraum ± 4 % relativ; (Quelle: VDLUFA). Wie deutlich sich Streuungen im Rohprotein- gehalt von Einzelfuttermittel auf die Rationsgestaltung in der Ferkelaufzucht auswirken können, soll mit folgendem Beispiel veranschaulicht werden. Kalkuliert wurde eine Ferkelaufzuchtration (Tabelle 2) unter Einsatz von optimal aufbereitetem Sojakuchen. Dabei wurde ein Gehalt an Rohprotein in der Ration von 163,2 g/kg auf Basis der Analyse mittels NIRS errechnet (roter Punkt, Abb. 2). Aus einem vorangegangenen Projekt wurden eine Vielzahl an Sojakuchen beprobt, mittels NIRS analysiert und diese Ergebnisse wurden ebenfalls für die in Abb. 2 dargestellte Modellkalkulation genutzt. Jeder grüne Punkt stellt die idente Zusammenstellung der angeführten Ration dar (Tabelle 2), wobei ausschließlich die unterschiedlichen Sojakuchenvarianten eingesetzt wurden. Wie ersichtlich herrschen deutliche Schwankungen, welche von ca. 144 bis knapp 170 g/kg an Protein in der Ferkelaufzuchtration reichen. Mit den dargestellten Beispiel lässt sich sehr deutlich die Wichtigkeit der Rationskalkulation auf Basis analysierter Werte (nasschemisch oder mittels NIRS) unterstreichen, um eine bedarfsgerechte Nährstoffversorgung sicher zu stellen. Die richtige Beurteilung des Nährstoffliefervermögens stellt somit die Grundlage für ein erfolgreiches Fütterungskonzept sowohl hinsichtlich ökonomischer wie auch ökologischer Aspekte dar und leistet einen wertvollen Beitrag zur Tiergesundheit.

Tabelle 1: Gehalt an Nährstoffen von Körnermais aus Literaturquellen (in 880 g TM).

© LfI Bayern Zifo2; NRC 2012; Sauvant et al. 2004 Tabelle 2: Beispieltabelle für Ferkel-
aufzucht. © Puntigam/Slama

Abb. 1: Gehalt an Rohprotein und Lysin in angelieferten Sojaextraktionsschroten aus den Jahren 2017 bis 2019. © Puntigam/Slama Abb. 2: Variierender Gehalt an Rohprotein in Ferkelaufzuchtrationen in Abhängigkeit der eingesetzten Sojakuchenvariante.

