Die Briefmarke 07-08/2018

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THEMATISCHE PHILATELIE

Der Maler Richard Gerstl und Gmunden

© Belvedere, Wien

Unter dem neuen Namen „phila“-Toscana (Wortspiel zum Veranstaltungsort Villa Toscana) findet Ende August wieder eine der bedeutendsten Philatelieveranstaltungen Österreichs in Gmunden statt. Der österreichische Landschafts- und Porträtmaler Richard Gerstl (18831908) – oft als Österreichs erster Expressionist bezeichnet (vgl. Werner Hofmann:“Richard Gerstl“ in Experiment Weltuntergang. Wien um 1900, München 1981/S. 212-213) – schuf hier während der Sommerfrische 1907 mit 15 Landschaftsbildern die größte Serie seines gesamten Schaffens, durch seine Affäre mit der Frau des Komponisten Arnold Schönberg aber auch die Grundlage für sein kurzes Erdendasein. Wer aber war nun dieser Richard Gerstl wirklich?

Selbstbildnis Richard Gerstl (1908), Detail

1883 in Wien geboren, besuchte er bereits im Alter von 15 Jahren die Akademie der bildenden Künste in Wien, verstand sich aber künstlerisch so gar nicht mit seinem Professor, was zu seinem vorzeitigen Ausscheiden führte. Aufgrund seines wohlhabenden Elternhauses war er finanziell unabhängig und verbrachte zwei Sommer in der freien Malschule des ungarischen Malers Simon Hollósy in Nagybánya, welche im klaren Widerspruch zur Lehre seines Professors Griepenkerl an der Akademie stand und zum Zentrum moderner Kunst und Treffpunkt junger internationaler Malerinnen und Maler wurde. 1905 kehrte er auf Einladung von Heinrich Lefler in dessen „Systemisierte Spezialschule für Landschaftsmalerei“ in die Akademie zurück, wandte sich aber immer mehr vom Jugendstil ab und der französischen Avantgarde zu. Ziemlich sicher erfolgte in dieser Zeit auch seine künstlerische Beeinflussung durch die Bilder von Vincent van Gogh. Richard Gerstl stellte sich in rund 20 Selbstporträts (ein Viertel seines Gesamtwerkes) dar; in diesen Werken benutz8

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te er Maltechniken, die wenig später auch Oskar Kokoschka und zum Teil Egon Schiele einsetzten. Er gilt deshalb gemeinhin als der malerischste Maler des Wiener Expressionismus. Ohne vorzuzeichnen oder gar das Bild auf klassische Weise aufzubauen, ging Gerstl seine Kompositionen direkt auf der Leinwand an. Gerstls Beziehung zu Gmunden begann 1906: Hier lernte er Arnold Schönberg und dessen Ehefrau Mathilde kennen, porträtierte diese und deren Freundeskreis. Die Sommermonate 1907 verbrachte Gerstl bei den Schönbergs in Gmunden. Die Werke „Bauerngarten mit Zaun“ oder „Baum mit Häusern im Hintergrund“ weisen in seiner Pinselschrift auf den Einfluss von van Gogh hin (posthume Bezeichnung des „österreichischen van Goghs“). Dabei verwendete er statt Komplementärfarben die Farben der Natur: Grün-, Blauund Grautöne. In diese Zeit fällt wohl auch der Beginn der Liebesaffäre zwischen Richard Gerstl und Mathilde Schönberg, welche im August 1908 von Arnold Schönberg quasi selbst „entdeckt“


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