Zeitung Vinschgerwind 25-12 Bezirk Vinschgau

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ordnung gibt es zwischen Gämsen und Steinwild einen interessanten Verhaltensunterschied: Die Gamsböcke definieren ihre Rangordnung auch noch während der winterlichen Brunft durch Hornkämpfe und anstrengende Laufduelle bis zur Erschöpfung und mit dem Aufgeben eines der Kontrahenten. Der Steinbock leistet sich einen solchen Energieaufwand und –verlust während der nahrungsknappen Winterzeit nicht mehr. Ihre Rangordnung legen die Steinböcke schon während des Sommers fest. Rangordnungskämpfe laufen bei den allermeisten Tierarten übrigens nach festen Ritualen ab. Dieses ritualisierte Verhalten vermeidet schwere oder tödliche Verletzungen unter den Rivalen. Bei den Steinböcken bestehen die Duelle aus Stirnstoßkämpfen. Die Kontrahenten richten sich auf die Hinterbeine auf und stürzen aufeinander zu. Dieses gleiche Verhalten ist auch bei den Hausziegen beobachtbar und aus diesem Verhalten lässt sich die zoologische Verwandtschaft von Haus- und Wildziegen-Art erkennen.

Winteraufenthalt und -ernährung

Der Kalender Ibex 2013 zeichnet das Steinbockverhalten im Jahreslauf nach. Daher seien im Wintermonat Dezember hier auch noch ein paar Hinweise zum Lebensraum und zur Ernährung des Steinwildes gegeben. Der begrenzende Faktor für das Überleben von Tier- und Pflanzenarten im Hochgebirge ist der Winter mit Kälte, Schnee, Windstürmen, langen Dunkelphasen, Nahrungsknappheit, Lawinenabgängen. Während die Gämse windapere Grate aufsucht, um dort die ausgeaperte karge Äsung zu erreichen, bezieht das Steinwild im Winter die sonnenexponierten und sehr steilen

Oben links: Steinböcke im Fellwechsel vom Winterhaar in die Sommerdecke. Foto: Caterina Ortalli oben: Diese Steingeiß beweist beim Felsabstieg, dass diese Tierart durch Form und Aufbau ihrer Paarhufe hervorragend an den Lebensraum Felswand angepasst ist. Foto: Alessia Eydalin links: Steinkitze. Foto: Franco Daprà

Südhänge. Dort rutscht der Schnee wegen der großen Hangneigung ab und die Sonneneinstrahlung beschleunigt zusätzlich sein Abschmelzen. Neben angenehmeren Temperaturen bieten die Südhänge wegen ihrer Exposition und Ausformung dem Steinwild leichteres Futter. Aber die Äsung bleibt auch hier kärglich in ihrem Nährwert. Der Standortwechsel von den Sommer- in die Wintereinstände allein sichert das Überleben des Alpen-Steinbocks noch nicht. Im Laufe der Evolution dieser Wildziegen sind noch weitere anatomische, morphologische und physiologische Anpassungen entstanden. Einige Anpassungen betreffen zum Beispiel den Verdauungstrakt. Im Winter besteht die Nahrung des Steinwildes vorwiegend aus dürren Resten von abgestorbenen, krautigen Pflanzen mit einem hohen Anteil an Rohfasern wie der schwer verdaulichen Zellulose. Zellulose ist für andere Pflanzenfresser-Arten kaum oder nicht verwertbar. Der Steinbock ist ein Wiederkäuer mit einem Magen, der aus mehreren Kammern gebildet wird. Der Abbau von schwer verdaulichen Rohfasern wird bei den Wiederkäuern von den Magen-DarmBakterien unterstützt.

Haarwechsel

Der Fellwechsel vieler Tiere der Gebirgsregion ist eine weitere Anpassung an den Jahreszeitenwechsel mit den großen Temperaturschwankungen in unserer Klimazone. Das Fell oder die „Decke“ ist im Sommer kurzhaarig und rötlichgrau bis braungrau. Im Herbst wird das Sommerfell vom leichteren Winterfell überwachsen. Dieses Winterhaar ist wesentlich dichter und wolliger (Wollhaar) und legt sich über das Sommerfell. Im ausklingenden Winter fällt das Winterhaar in Büscheln ab, die dem Steinwild zeitweise ein zottiges Aussehen geben. Wussten Sie übrigens, dass das Steinwild keine Schweißdrüsen besitzt und daher im Sommer die Körpertemperatur nicht über die Abgabe von Schweiß regulieren kann? Der Ersatz für die fehlenden Schweißdrüsen besteht daher, in größere und kühlere Höhen aufzusteigen. Und wie wird es bei der zunehmenden Erderwärmung für den Steinbock in Zukunft aussehen, wenn er nicht weiter nach oben ausweichen kann, weil er allmählich schon ganz oben in den Bergen angekommen ist?

13.12.12

Der Vinschger Wind 25-12

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