Slowakei 2014

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Workcamp Bratislava Freizeitaktivitäten für Menschen mit Behinderung Das Workcamp in Bratislava war mein fünftes Workcamp, allerdings mein erstes mit einem Arbeitsprojekt im sozialen Bereich. Ich hatte mir es vor allem aufgrund des Projekts ausgesucht. Vor meiner Teilnahme an dem Workcamp hatte ich noch keine intensivere Erfahrung im Bereich der Arbeit mit Menschen mit Behinderung.

Camport Bratislava ist die Hauptstadt der Slowakei und mit etwa 417.000 Einwohnern auch die größte Stadt des Landes. Die Stadt wird von der Donau durchquert. Das Wahrzeichen der Stadt ist eine Burg mit vier Türmen. Diese ist auch eines der Bildmotive der slowakischen Euromünzen. In der Altstadt gibt es historische Gebäude, wie das alte Rathaus und Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung, jedoch prägt auch moderne Architektur das Stadtbild.

Gruppe Unsere Gruppe war relativ klein. Sie bestand aus sechs Teilnehmenden und ein bis zwei Campleitungen. Die Teilnehmer kamen aus der Türkei, aus Irland, aus England, aus Wales und aus Deutschland. Keiner der Teilnehmer kannte sich im Voraus, alle reisten alleine an. Die jüngste Teilnehmerin war 21 Jahre alt, der älteste Teilnehmer 67. Unsere Campleitung bestand ursprünglich aus einem Slowaken (18 Jahre alt) und einer Serbin (23 Jahre alt), die zum Zeitpunkt des Camps allerdings schon seit sieben Monaten in Bratislava lebte, um dort ihren Europäischen Freiwilligendienst zu absolvieren. Sie konnte auch ganz gut Slowakisch und kannte den lokalen Partner von Projekten im Rahmen ihres Freiwilligendienstes bereits vor dem Camp. Der slowakische Campleiter musste das Camp aus gesundheitlichen Gründen schon nach wenigen Tagen verlassen. Es wurde versucht, spontan für ihn einen Ersatz zu organisieren und zumindest für einige Tage konnte eine Italienerin (28 Jahre alt), die ebenso ihren Europäischen Freiwilligendienst bei der slowakischen Partnerorganisation leistete, zur Unterstützung anreisen. Wir hatten dann niemanden mehr im Camp, dessen Muttersprache Slowakisch war und wir hatten zeitweise auch nur eine Campleiterin, die viele Dinge alleine organisieren musste. Dennoch kamen wir gut zurecht. 1


Projektpartner Unser Projektpartner vor Ort war ein Heim für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen (DSS Integra), in dem 38 Klienten entweder nur tagsüber betreut werden oder ständig wohnen und auch gepflegt werden. Die meisten Klienten benutzen einen Rollstuhl und haben zusätzlich eine geistige Behinderung. Viele können kaum oder gar nicht sprechen, wobei ihr Sprachverständnis erhalten ist. Das Betreuungspersonal besteht aus Krankenpflegern, Physiotherapeuten, Sozialarbeiten, Psychologen, Pädagogen und einer Kunsttherapeutin. Seit 2005 ist DSS Integra ständiger Projektpartner der slowakischen Partnerorganisation und lädt jeden Sommer ein Workcamp ein.

Arbeitsprojekt Unsere Arbeit bestand darin, Freizeitaktivitäten für die Klienten vorzubereiten und mit der Unterstützung des Personals durchzuführen. Die Zeit morgens zwischen 8:00 Uhr und 11:30 Uhr verbrachten wir mit den Klienten, nachmittags fand die Planung und Vorbereitung des nächsten Tags statt. Gemeinsam überlegten wir uns Gruppenaktivitäten und bereiteten Materialien vor. Da wir mit den Planungen auch meist schnell vorankamen, blieb uns neben der Arbeit auch viel Freizeit. Bei den Aktivitäten am Morgen nahmen immer etwa 15 Klienten teil, jedoch war die Gruppenzusammensetzung jeden Tag eine andere. Wir spielten, bastelten, backten Kekse mit den Klienten und da sie Musik mochten, sangen und tanzten wir gemeinsam. Wir organisierten zum Beispiel Ratespiele (Tiergeräusche und Tierspuren erkennen, Gegenständen aus verschiedenen Ländern ihre Herkunft zuordnen), Spiele für die Sinne (Gerüche erkennen, Gegenstände ertasten) und Bewegungsspiele (blinde Kuh, kegeln, Fußball, Slalomrennen). An einem Tag standen alle Spiele unter dem Motto „Indianer“. Wir bastelten an dem Tag mit den Klienten auch ein Indianerkostüm und schminkten ihre Gesichter bunt.

Zu den besonderen Highlights zählten für die Klienten ein Grillfest sowie Ausflüge in ein Verkehrsmuseum und an einen See, an dem wir einen kleinen Spaziergang machten und ein Café besuchten. Das Personal des DSS Integra war im Allgemeinen aufgeschlossen. Einer der Angestellten konnte sehr gut Englisch und übersetzte häufig für uns. Einige andere beherrschten einige Grundlagen oder waren 2


ansonsten kreativ und bemüht, auch mit Händen und Füßen zu kommunizieren. Manche von uns haben sich auch einige Floskeln auf Slowakisch angeeignet. Zur Erklärung der Spiele und bei weiteren Vereinbarungen und Anliegen waren der Mitarbeiter mit guten Englischkenntnissen und unsere Campleiterin mit ihren Slowakischkenntnissen unverzichtbar. Die Angestellten des DSS Integra waren während der Arbeit sehr hilfsbereit und so waren sie immer da, wenn wir Verständigungsschwierigkeiten mit Klienten hatten, Probleme mit der Bedienung eines Rollstuhls oder wenn wir Materialien brauchten.

Unterkunft Unsere Unterkunft war, verglichen mit dem, was ich bereits aus anderen Camps kannte, recht luxuriös. Wir übernachteten und lebten in der gleichen Einrichtung, in der wir auch arbeiteten und in der die Klienten leben. Allerdings hatten wir für unsere Gruppe einen eigenen Flügel im Gebäude zur Verfügung, sodass wir niemanden störten. In diesem Gebäudeteil hatten wir unseren Schlafraum, der vom lokalen Partner mit Luftmatratzen und Bettwäsche ausgestattet wurde, unseren Aufenthaltsraum mit einer „Küche“, die dort für uns eingerichtet worden war, und ein Badezimmer mit einer Dusche, einer Toilette und einem Waschbecken. Der vom Schlafraum abgetrennte Aufenthaltsraum hatte den Vorteil, dass manche noch länger aufbleiben konnten, während andere ungestört schlafen konnten.

Verpflegung Frühstück und Mittagessen wurden für uns vom Küchenteam der Einrichtung vorbereitet. Sehr positiv war, dass eine vegetarische Versorgung möglich war. Für das Abendessen hat die Campgruppe selber eingekauft und gekocht. Aufgrund unserer sehr einfach eingerichteten Küche kochten wir auch einfache Gerichte, was aber für meinen Geschmack völlig ausreichte und auch wirklich sehr lecker war.

Freizeit Unsere Campleitung machte häufig Vorschläge für Ausflüge oder sonstige Aktivitäten. Wir als Gruppe hatten viele Optionen, aus denen wir wählen konnten, und auch wir konnten Vorschläge machen und Wünsche äußern. Es lag dann an jedem Einzelnen zu entscheiden, ob er teilnehmen wollte oder nicht, wobei unsere Campleitung sehr darauf bedacht war, dass das Angebot auch

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wirklich offen für alle, die mitkommen wollten, war, indem sie darauf achtete, dass Ausflüge vom Campbudget bezahlt werden konnten oder kein (nur ein sehr kleiner) finanzieller Aufwand entstand. Wir nahmen an einer Stadtführung teil, machten einen Ausflug zur Burg Bratislava, zur Residenz des Präsidenten, zu einem Kriegerdenkmal über der Stadt (Slavín), einem Folklore-Festival, einem Vegan-Festival, wir waren Slowakisch essen, besuchten eine Brauerei, nahmen an einem Treffen für Menschen aus anderen Ländern, die in Bratislava leben, teil, waren in einem See schwimmen, machten einen Ausflug ins Thermalbad, besuchten unsere Campleitung in ihrer Wohnung in Bratislava und aßen dort Pizza, machten Spaziergänge und schauten abends Filme. Man kann an der Aufzählung erkennen, dass unsere Freizeit sehr abwechslungsreich gestaltet war und dass wir viel von Bratislava gesehen und mitbekommen haben. In einer größeren Stadt wie Bratislava gibt es natürlich im Gegensatz zu dem in kleinen Orten ein bedeutend besser ausgebautes Verkehrsnetz (öffentlicher Nahverkehr), sodass die Organisation von Transportmitteln für Ausflüge keine Schwierigkeit darstellte. In meinen Augen ein Nachteil war aber, dass es dadurch auch für jeden Einzelnen von uns einfacher war, etwas für sich alleine zu organisieren, mobil und flexibel zu sein und dass sich dadurch und auch durch das große kulturelle Angebot, das Städte zu bieten haben, eher Leute von der Gruppe abspalteten und wir trotz der Anstrengungen der Campleitung, jedem die Teilnahme an Aktivitäten zu ermöglichen, nur selten mit der gesamten Gruppe und manchmal auch nur höchstens zu dritt unterwegs waren. Man kann natürlich auch niemanden zur Teilnahme zwingen. Auch wenn ich es etwas schade fand, dass wir nicht so viel in der gesamten Gruppe unternahmen, genoss ich die Aktivitäten und die Zeit mit denen, die dabei waren.

Feast of Cultures Für die Klienten, deren Familien und natürlich das Personal gestalteten wir am letzten Arbeitstag einen internationalen Nachmittag. Jeder von uns stellte sein Land anhand einer Bilderpräsentation, traditioneller Musik oder anhand mitgebrachter Gegenstände (Münzen und Scheine, Maskottchen, Landkarten, Flaggen) vor. Anschließend gab es ein kleines Buffet. Zur Organisation der Feier kam uns der Projektpartner sehr entgegen, indem wir morgens kein Programm für die Klienten bereitstellen mussten. Einige der Klienten wurden dennoch bei der Vorbereitung des Essens und der Dekoration einbezogen, 4


was ihnen sichtlich große Freude bereitete. Der internationale Nachmittag war eine tolle Gelegenheit, die Klienten mit ihren Angehörigen zu sehen und zu erleben und außerdem stellte er ein schönes Programm zum Abschied dar.

Fazit Insgesamt waren meine erste Arbeitserfahrung mit Menschen mit Behinderung und das internationale Workcamp in Bratislava sehr positive Erfahrungen für mich und ich hatte eine gute Zeit dort. Ich habe nette Menschen aus ganz Europa kennengelernt und nehme einige neue Ideen und Gedanken aus dem Camp mit. Das Personal bei DSS Integra hat mich sehr beeindruckt. Die Angestellten sind mit viel Herzblut bei der Arbeit und strengen sich wirklich an, damit sich die Klienten dort wohlfühlen. Das Workcamp konnte in diesem Rahmen zu etwas Abwechslung im Alltag der Klienten beitragen, die Klienten freuten sich über neue Ideen und internationale Bekanntschaften und auch Ausflüge sind mit mehr „Personal“ einfacher und mit mehr Teilnehmern als gewöhnlich durchzuführen. Bei der Arbeit habe ich gelernt, dass sehr viele Dinge (Spiele, kochen, basteln usw.) in Gruppen mit Menschen mit Behinderung umsetzbar sind, wenn man sie nur ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten anpasst und lernt, kreativ und spontan zu sein.

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