Campbericht Belgien 2015

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Meine Erfahrungen im Workcamp 12.09. – 28.09.2015 Ich habe 2 Wochen mit 6 anderen Freiwilligen und 2 Teamleitern in einem Asylbewerberheim vom Roten Kreuz mit ca. 250 Flüchtlingen in Belgien verbracht. Es war eine fantastische Zeit! Wir waren ein internationales Team, bei dem Frankreich, Italien, Spanien, Mexiko, Vietnam und Deutschland vertreten war. Wir haben uns alle sehr gut verstanden und hatten viel Spaß, bei allem, was wir unternommen haben.

Unsere Aufgaben während des Workcamps haben sich mehr auf die Renovierung des Gebäudes konzentriert. Wir haben den Bereich für die Minderjährigen neu gestrichen und etwas Farbe reingebracht, wir haben einen Raum entrümpelt, geputzt und gestrichen, in dem nun ein weiterer Waschraum eingerichtet wird, Kleiderspenden sortiert und eine Schulung über Mülltrennung gegeben.


Zusätzlich hatten wir die Möglichkeit jeweils in die Arbeitsbereiche der Roten Kreuz Mitarbeiter reinzuschnuppern, beispielsweise in der Rezeption, bei der Ausgabe von Drogerieartikeln oder der Essensausgabe in der Kantine. Da wir uns aber alle mehr Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen wünschten, organisierten wir eigenständig in unserer Freizeit Workshops für die Flüchtlinge wie z.B. Fußball- oder Volleyballturniere, Musik-Workshop mit den Kindern, eine Wanderung oder ein Treffen nur für Frauen.

Neben den Renovierungsarbeiten war meine Zeit während der zwei Wochen vor allem durch das Zusammenleben mit den Flüchtlingen geprägt. Diese wertvollen Erfahrungen und was ich erlebt habe hat mir geholfen, diese Menschen und ihre Lage besser zu verstehen. Es ist schwer, meine Eindrücke wirklich in Worte zu fassen, aber vielleicht sagen einige Situationen sogar weitaus mehr aus. Ich habe die Leute nie direkt danach gefragt, was in ihrer Heimat passiert ist oder wie sie nach Belgien gekommen sind. Manche haben es mir aber einfach erzählt und das ist jedes Mal schockierend und geht mir sehr nahe. Ein 13-jähriger Junge, der im Asylbewerberheim alleine ohne Angehörige ist, erzählte mir, dass er zu Fuß aus Afghanistan kam. Was soll man darauf antworten? Eine Frau, die immer richtig freundlich ist und mir zulächelt, ist trotzdem immer ganz ruhig und in sich gekehrt. Ihr Mann ist in Syrien ein sehr berühmter und guter Arzt. Nach einer Morddrohung musste die Frau in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit ihren fünf Kindern fliehen. Ein 15-jähriger Junge aus Somalia wurde auf seiner Reise mit dem Boot und Bussen von seinem Bruder getrennt und ist nun alleine in Belgien ohne zu wissen wo sein Bruder ist und wie es ihm geht. Als ein Flüchtling aus dem Irak sehr bedrückt war und mit niemandem reden wollte, stellte sich später raus, dass an diesem Tag wieder Bomben in seiner Region fielen. Er hat schon seine Eltern verloren und sein Bruder ist noch im Irak. Er konnte ihn aber nicht erreichen. Diese Geschichten gehen mir sehr nahe. Mehr als die Berichte aus den Nachrichten, denn ich kenne diese Leute, ich lebe in dem Asylbewerberheim mit ihnen zusammen und sie sind Freunde für mich geworden.


Aber man bekommt nicht nur die schweren und traurigen Momente mit, mit denen die Leute immernoch kämpfen und versuchen zu vergessen. Ein besonders schöner Moment war, als ein Flüchtling aus dem Irak einen positiven Bescheid bekommen hat und nun sein neues Leben in Belgien aufbauen kann. Wir haben uns riesig mit ihm gefreut! Doch nicht alle Flüchtlinge haben sich so mit ihm freuen können. Es gab auch einige traurige Gesichter und für manche war es interessanter, den Brief in den Händen zu halten als zu gratulieren und Freude zu zeigen. Zunächst fand ich das sehr schade, doch ich kann es auch verstehen. Manche haben schon viel länger auf diesen Bescheid gewartet, und jeder sehnt sich danach, diesen Bescheid auch für sich und seine Familie in den Händen zu halten. Sie waren einfach neidisch.

Abends waren wir dann zu einem somalischen Abendessen eingeladen, um auch einen positiven Bescheid eines somalischen Freundes zu feiern. Auf dem Gelände des Asylbewerberheims beim Fußball und auf den Balkonen waren fast nur Männer und Kinder zu sehen. Die wenigen Frauen kennen sich kaum untereinander. Also machten wir es uns zur Aufgabe, ein Treffen nur für Frauen zu organisieren und somit die Frauen vielleicht ein wenig zusammenzubringen. Es stellte sich heraus, dass das eine große Herausforderung war. Wir klopften an jede Tür und es war schwierig, die schüchternen Frauen zu dem Treffen zu motivieren. Manche konnten ein bisschen Französisch oder Englisch sprechen, andere konnten nur Arabisch oder ihre afrikanische Sprache. Nach anfänglichen Verständigungsschwierigkeiten hatten wir aber Erfolg mit einem Spiel, bei dem jeder auf einen Zettel etwas schreibt oder malt, das einem am anderen gefällt. Alle haben sich über ihre Zettel und die Botschaften sehr gefreut und am Ende haben sich sogar alle zum Abschied umarmt. Noch am selben Abend haben wir einen Brief von einem somalischen Mädchen bekommen haben, die auch beim Frauentreffen teilgenommen hatte. Sie hat den Brief für uns mit Hilfe eines Jungen auf Englisch verfasst. Darin stand, dass seit sie ihr Land verlassen hat sie noch nie jemand so respektvoll und offenherzig behandelt hat. Ich habe jetzt noch Gänsehaut, wenn ich davon erzähle. Wir waren so glücklich und haben gemerkt, dass wir vielleicht doch ein kleines bisschen was bewirken können. Von diesem Tag an hat mich dieses Mädchen ihre Schwester genannt. Die erste Woche war vergangen und ich hatte schon so viele tolle Eindrücke sammeln dürfen. Als wir nach einem 2-Tages-Ausflug nach dem Wochenende wieder zurückgekommen sind, wurden wir mit freudigen Gesichtern empfangen und alle haben gefragt, wo wir denn waren. Es war ein Gefühl wie wenn man nach Hause kommt.


Ein ganz besonderer Abend war auch das „Dinner of the World“. Um ein gutes Klima zwischen dem belgischen Dorf und den Flüchtlingen zu schaffen, organisierte das Rote Kreuz diesen Tag der offenen Tür. Flüchtlinge aus 5 verschiedene Nationen haben Essen vorbereitet und alle waren super aufgeregt. Das ganze Dorf war zu einem gemeinsamen Abendessen mit den Flüchtlingen eingeladen. Alle haben sich schick gemacht und auch wir haben an diesem Abend viel Spaß gehabt und traditionelles Essen von verschiedenen Kontinenten probiert und gelernt, wie man richtig mit den Fingern isst.

So fiel uns der Abschied nach den 2 Wochen sehr schwer. Jetzt bin ich wieder zurück in Deutschland und habe das Gefühl, ich habe so viel erlebt, so viel dazugelernt, Freundschaften geschlossen und doch bin ich traurig und wütend. Wütend, weil ich sehe, wie einfach es für mich ist, in einem anderen europäischen Land zu reisen, zu arbeiten, was für Rechte ich habe und alles nur, weil ich einen deutschen Pass habe. Das ist unfair. In meinen normalen Alltag in Deutschland zurückzukehren ist seltsam. Mit manchen Flüchtlingen aus Belgien habe ich noch Kontakt und ich mache mir Gedanken, wie ich auch in Zukunft helfen kann. Ein Flüchtling aus Syrien hat mir am Tag der Abreise gesagt, die Flüchtlinge herzlich zu empfangen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie willkommen sind, ist das Beste, was wir tun können. Ich werde versuchen, auch hier in meiner Stadt bei der Flüchtlingshilfe mitzuarbeiten.


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