Die austern des wattenmeeres

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DIE GROSSE SPEISEKAMMER

DIE AUSTERN DES WATTENMEERES EINE UMSTRITTENE DELIKATESSE?

Unter den Austern ist die Pazifische Felsenauster (Crassostrea gigas) ein Riese, die eine Länge von bis zu 40 cm erreichen. Pazifikaustern sind eine neue Art im dänischen Wattenmeer, die das Ökosystem in gewisser Weise herausfordert, aber gleichzeitig vielen gastronomisch interessierten Touristen Freude bereitet. 1996 hat man erstmals belegt, dass sich die Pazifik­ austern im dänischen Wattenmeer eingenistet ha­ ben. Innerhalb weniger Jahre stieg ihre Zahl kräf­ tig an, was zur Bildung etlicher Austernbänke im Watten­meer führte. Die in Größe und Zugänglichkeit unterschiedlichen Bänke sind heute für viele Tou­ risten ein beliebtes Ausflugsziel. Mithilfe kundiger Führer an der Wattenmeerküste gelangen Touristen auf die Austernbänke, auf denen man Pazifikaustern für den Eigenbedarf sammeln darf.

Pazifikaustern – Biologie und Lebensweise

Die Pazifikauster (Crassostrea gigas) ist, wie ihr lateinischer Name andeutet, ein Gigant unter den Austern, da die Schale der größten Exemplare bis zu 40 cm lang werden kann. Die Art erreicht ein Alter von bis zu 30 Jahren und ist extrem widerstands­ fähig, da sie Wassertemperaturen von –5 bis +40 C verträgt. Gerade diese Toleranz gegenüber Temperaturunterschieden hat zu ihrer weltweiten Verbreitung geführt. Pazifikaustern treten in Japan, Korea, Sibirien, Australien, den USA, Kanada und nun auch in Europa auf.

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HERBST

WINTER

Algengiftstoffe in Austern In warmen Perioden kommt es in den Meeren zu einem starken Wachstum von Algen, die für Menschen giftig sind. Da die Austern von den Algen im Wasser leben, werden Algengifte bei ihnen schnell eingela­ gert, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass man durch den Verzehr krank werden kann. Eine solche Vergiftung kann von wenigen Tagen bis zu mehreren Wochen oder sogar Monaten und Jahren dauern und bleibende Schäden verursachen. Deshalb empfiehlt es sich für Privatpersonen, nur in den kalten Monaten von September bis April (die Monate mit ’R’) Austern einzusammeln und zu essen. Das Gift ist unsichtbar, geschmacksneutral und wird durch Erwärmen nicht zerstört.

Produktion weltweit Weltweit werden jährlich mehr als vier Millionen Ton­ nen Pazifikaustern in Aquakulturen produziert.

Sten Munk Svendsen, Vadehavscentret & Lasse Fast Jensen, Fiskeri- og Søfartsmuseet Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET

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Die vielen Austernbänke können die ursprüngliche Nahrungskette im Wattenmeer wesentlich verändern. Die Pazifikaustern ernähren sich, indem sie mikro­ skopisch kleine Planktonalgen aus dem Meerwas­ ser filtern. Studien haben dabei gezeigt, dass eine Pazifikauster bis zu 12 Liter Meerwasser pro Stunde filtern kann. Am Anfang ihres Lebens sind die Austern männlich, werden aber später weiblich – ein Phänomen, das als ’protandrischer Hermaphroditismus’ bezeichnet wird. Die Weibchen laichen im Juli bzw. im August und können jeweils zwischen 20 und 100 Millionen Eier legen. Das Laichen geschieht allerdings nicht jedes Jahr im Wattenmeer, da es hierfür über einen längeren zusammenhängenden Zeitraum hinweg ­einer Wassertemperatur von mehr als 20 0C bedarf.

Vom Pazifik zum Wattenmeer

1922 kam es zu einem umfassenden Ausbruch der Krebspest im Bestand der europäischen Austern (Ostrea edulis) in Europa. Die Krankheit hatte eine hohe Sterblichkeit zur Folge und rottete innerhalb weniger Jahre den gesamten Bestand der europäi­ schen Austern aus. Dies führte ab Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem Import von Pazifikaustern aus Japan nach Europa. Die Pazifikaustern hatten sich nämlich als widerstandsfähig gegenüber je­ nen Krankheiten erwiesen, denen die europäischen Austern zum Opfer fielen. Die ersten Aussetzungen fanden 1964–1969 in

Franzosen lieben Austern! Frankreich ist in Europa jenes Land, das die meisten Austern züchtet. 2004 lag die Produktion bei mehr als 115.000 Tonnen Austern. Der größte Teil der französi­ schen Austernproduktion wird im eigenen Land konsu­ miert, der Export betrug 2004 somit nur 7.000 Tonnen.

Frankreich und Holland statt. Wenige Jahrzehnte später – 1986 – wurden Pazifikaustern auch auf Sylt ausgesetzt, und weitere zehn Jahre danach hatte sich die Austernbrut mit der Meeresströmung bis ans dänische Wattenmeer verbreitet. Damit war eine neue Art in die dänische Umwelt eingeführt. Man bezeichnet sie als invasive Art, da sie ursprünglich nicht zur dänischen Natur gehörte.

Wattenmeeraustern früher

Es war nicht immer jedem erlaubt, dem Wattenmeer Austern zu entnehmen. 1587 verschickte König Fre­ derik II. einen offenen Brief, worin er den alleinigen Anspruch auf diese Delikatesse aus dem Watten­ meer erhob. Das Austernessen war in den höheren Kreisen in Europa modern geworden, womit es im Interesse des Königs lag, dass die Wattenmeerau­ stern dem Thron zufielen. Damit der König auch genug davon hatte, endete der Brief mit der Fest­

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Heute gelten die Austernbänke als beliebtes Ausflugsziel im Wattenmeer. stellung, dass die Todesstrafe über jeden verhängt werde, der sich erdreisten sollte, des Königs Austern zu sammeln. Das Alleinrecht Frederiks des II. und seiner Nach­ kommen für die Austern bestand bis 1676, als das Recht auf Hans Schack vom Gut Schackenborg in Südjütland überging. In der Folge wurde das Austernrecht an verschiedene Kaufleute verpachtet.

Pazifikaustern heute

Heute hat der Staat über die Fischereibehörde das Recht, Lizenzen für die gewerbliche Austernfische­ rei zu erteilen, während die Nahrungsmittelverwal­ tung die Produktionsgebiete kontrolliert und bei zu hohen Vorkommen an giftigen Algen die gewerbli­ che Fischerei unterbinden kann. Es gibt riesige Mengen von Pazifikaustern im däni­ schen Wattenmeer: Letzte Berechnungen aus dem Jahre 2008 ergaben, dass etwa 12.000 Tonnen davon existieren. Darüber hinaus hat sich die Art über den größten Teil der jütländischen Westküste sowie in Limfjorden, Horsens Fjord, Isefjorden bei Kalundborg und auf die Insel Langeland verbreitet. Die großen Mengen an Austern haben zudem eine

neue Form des Tourismus ermöglicht – Austernfahr­ ten. Die beliebten Ausflüge finden bei Ebbe statt, und das Wattenmeer ist somit die einzige Stelle in Dänemark, an der man auf festem Grund stehend so viele Austern sammeln darf, wie man tragen kann.

Pazifikaustern Einwirkungen auf das Ökosystem des Wattenmeeres

Die vielen Austernbänke im Wattenmeer wirken wie ein großes Riff, das unzähligen kleineren Tierarten auf dem Meeresboden, wie etwa Krabben und See­ sternen, als Versteck dient. En solcher Schutz führt zu einer Vermehrung dieser Bodentiere, wodurch der Beutedruck auf deren jeweilige Beutetiere er­ höht wird. Somit können die Pazifikaustern indirekt bewirken, dass das Gleichgewicht in der Nahrungs­ kette des Wattenmeeres verschoben wird. Außerdem kann man feststellen, dass sich die Pa­ zifikaustern auf bereits existierenden Miesmuschel­ bänken einnisten, wodurch die Zahl der Mies­ muscheln im Wattenmeer reduziert wird. Dies kann für jene Tiere Folgen haben, die sich hauptsächlich davon ernähren, z. B. Eiderente, Austernfischer und Silbermöwe.

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Erlebnisse

Mehr zu entdecken ...

Wer die riesigen Pazifikausternbänke im Wattenmeer erleben möchte, sollte sich bei einer der vielen öffent­ lichen Austernfahrten anmelden und sich von einem ortskundigen Führer auf den Meeresboden begleiten lassen.

Das Fischerei- und Seefahrtsmuseum Tarphagevej 2-6 DK-6710 Esbjerg V. T: +45 76 12 20 00 E: fimus@fimus.dk W: www.fimus.dk

Die Touren werden von September bis April veran­ staltet, wenn das Meerwasser am kältesten und die Gefahr einer Schalentiervergiftung am geringsten ist.

Vadehavscentret Okholmvej 5 Vester Vedsted DK-6760 Ribe T: +45 75 44 61 61 E: info@vadehavscentret.dk W: www.vadehavscentret.dk Naturcentret Tønnisgård Havnebyvej 30 DK-6792 Rømø T: +45 74 75 52 57 E: info@tonnisgaard.dk W: www.tonnisgaard.dk

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Über Vadehavets Formidlerforum VFF ist ein Zusammenschluss von Institutionen, ­welche die Natur und die Kulturgeschichte des Watten­ meeres vermitteln. Die Hauptaktivität des Forums ­besteht ­darin, Projekte zu initiieren und zu koordinie­ ren, welche die Natur wie auch die Kulturgeschichte des Wattenmeeres in den Mittelpunkt stellen. Erfahren Sie mehr unter www.vadehav.dk

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