TH E O LO GI E
Imperialer Gott Mitten auf der Flucht durch die Wüste empfängt das Volk Israel am Berg Sinai Gottes Gebote. So steht es in der Bibel. Nicht weniger dramatisch sind die historischen Hintergründe dieser Erzählung. Bibelforscher Konrad Schmid ist ihnen auf der Spur.
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m Grunde war es immer wieder dasselbe Schau spiel: Blühte ein Königreich auf, stieg auch das Ansehen seiner Götter, sank es darnieder, star ben mit ihm früher oder später auch die dazuge hörigen Unsterblichen. So war es am Euphrat und am Tigris, in der Levante und am Nil. Nicht weni ger als 3000 Gottheiten bevölkerten zum Beispiel einst das Pantheon der Babylonier, keine davon überdauerte den Wechsel der Zeiten. Staaten und Götter bildeten im antiken Vorderen Orient eine feste Allianz, weshalb sie in der Regel ein gemein sames Schicksal teilten. Ein Gott des Vorderen Orients aber, Jhwh genannt, erwies sich inmitten dieses Wechselspiels von Glanz und Gloria, Gewalt und Verfall als Überlebenskünstler. «Was diesen Gott auf Dauer so erfolgreich machte, war nicht seine Macht, sondern seine Resilienz», sagt der Bibelforscher Konrad Schmid. Früheste Hinweise zeigen Jhwh als einen Berg- und Wettergott der Halbwüste. Später figu rierte er als Staats- und Tempelgott im Reich der legendären Könige David und Salomon – einem gemäss neueren archäologischen Erkenntnissen rauen und kargen, nur dürftig entwickelten und von Kriegern angeführten Provinzfürstentum, das wenig Ähnlichkeiten mit dem Bild des prosperie renden Friedensreichs hatte, das die biblischen Autoren in verklärendem Rückblick malten. Das Gebilde zerbrach denn auch rasch. Die beiden kleinen Nachfolgestaaten Israel und Juda traten alsbald in einen epischen Wettkampf ums Prestige ihrer Jhwh-Kultstätten, bei dem das un bedeutendere und ärmere Bergland Juda mit seiner
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Hauptstadt Jerusalem gegenüber Israel erstaunlicherweise am Ende die Nase vorn hatte. Über die Jahrhunderte hinweg, in denen das Judentum Schritt für Schritt Gestalt annahm, gab es immer wieder Katastrophen, die den Jhwh-Glau ben beinahe ausgelöscht hätten. 722 v. Chr. marschierten die Truppen des assyrischen Gross königs in Israel ein und unterjochten das Land brutal. 150 Jahre später folgte die babylonische Besatzung. Beide Ereignisse wirkten traumatisie rend, stärkten die Widerstandskraft der Jhwh-Re ligion längerfristig aber derart, dass ihr schliesslich auch die vernichtenden Niederlagen jüdischer Aufständischer im Kampf gegen die Römer und die Zerstreuung der Juden in alle Welt nichts mehr anhaben konnten. Heute berufen sich etwa zwei Drittel der Erdbevölkerung – Juden, Christen und Muslime – auf den Gott, von dem es heisst, er habe das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten geführt.
Fremdartig und neu Welche Eigenschaften waren es, die Jhwh so kri senresistent machten? «Es war seine Distanz zur Macht», sagt Konrad Schmid. In einem wider spruchsvollen und alles andere als zielgerichteten Prozess wuchs über die Jahrhunderte die Kluft zwischen den Trägern der politischen Macht und der Jhwh-Religion. Eine Kluft, die es in den Sak ralkönigtümern des alten Orients, wo Könige als Gottessöhne galten, nicht gab. Die Weichen für diese folgenreiche Entwick lung wurden wahrscheinlich während der Zeit der assyrischen Okkupation im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. gestellt. In dieser Zeit kamen in Juda schrift lich fixierte Gesetze in Gebrauch, die als göttlich Bild : Keyston e
Text: David Werner