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MEINUNG 11

Neue Therapien, neue Kompetenzen Biomedizin vereint Biologie, Medizin und Technik. Damit aus ­Forschung Produkte werden, braucht es umfassende Fertigkeiten.

Fotos: S. 6 Collection Walter Anton; S. 7 privat

Ein Kommentar von Emanuele Gatti

ie Nachhaltigkeit des Ge­ sund­heitssystems steht vor großen Herausfor­der­un­­gen: Einerseits zeichnet sich ein klarer Trend hin zum Anstieg des Durchschnittsalters, der Begleiterkrankun­gen und der chronischen Krankheiten ab. Andererseits wirken sich Migration, neue Lebensund Ernährungsgewohnheiten, die Luft- und Wasserverschmutzung sowie ­ globale Mo­ bilität der Menschen auf die ­Gesundheit der Weltbevölkerung aus. Eine ­ Medizin im Sinne von „one-size-fits-all“ ist daher keine Lösung, weder für die Patienten noch für Ärzte und Pfleger und noch weniger aus ­finanzieller Sicht. Mit Blick auf die genannten Herausforderungen werden viele Themen bereits angegangen, so zum Beispiel alternative Finanzierungsarten und Ver­ sor­ gungs­­systeme sowie die Digitalisierung des Gesund­heitssystems. Aber was ist die Ziel­ setz­ung? Dem richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt die richtige Behandlung zu den richtigen persönlichen und sozialen Kosten zur Verfügung zu stellen. Dies erfordert Innovation und neue Therapien. Jüngste Fortschritte in der Medizin- und Pharma­ technik wurden hauptsächlich durch die Translation anderer Technologien wie Nano­ technologie, Bildgebung, Robotik, Data ­Mining und durch innovative Lösungen in der Biologie, wie Zelltherapie oder Gen­for­ schung, und in der Chemie, wie die Neuent­ deckung von Medikamenten, erzielt. Man spricht heute von „Biomedizin“: ein Wort,

das Biologie, Medizin und auch Technik vereint. Es handelt sich dabei nicht nur um eine neue Namensgebung, sondern um eine interdisziplinäre Wissenschaft, also um eine Verschmelzung von Kompetenzen verschiedener Fachgebiete. Der Erwerb neuer Kompetenzen ist in allen Phasen des Pharmaoder medizinischen Produktlebenszyklus erforderlich. Die Mehrzahl neuer medizinischer oder biotechnologischer Produkte wird in kleinen F&E-Gruppen oder Startups konzipiert. Der Entwicklungsprozess erfordert eine noch stärkere Kompetenz im Projektmanagement, aber auch die Fähigkeit, Finanzmittel oder Investoren anzuziehen. Für die Produktion werden Kompetenzen im Bereich Automatisierung oder Industrie 4.0 benötigt. Auch die klinische Entwicklung wird immer komplexer, die regulatorischen Hürden nehmen zu und ­ ­erfordern neue spezialisierte Kompetenzen. Ist ein Produkt fertig, wird die Preisgestaltung für die entsprechende Therapie wie nie zuvor eine sehr wichtige Frage für Hersteller und Kostenträger. Die Fähigkeit, die Vorteile der Neuentwicklung in einen Preis umzu­setzen, wird über den Erfolg der Anwendung der Therapie entscheiden. D. h., wenn die Entwicklung des Produkts abgeschlossen ist, steht noch harte Arbeit bevor, nämlich die Preisgestaltung, die klinische Anwendung und der Vertrieb. Einen Sonderfall bilden hier chirurgische Roboter, die eine besondere Nachverkaufs- und technische Unterstützung benötigen. ­

EMANUELE GATTI Univ.-Prof. dott. ing. Emanuele Gatti ist Gastprofessor an der Donau-­ Universität Krems. Er war Vorstandsmitglied bei ­Fresenius Medical Care und verantwortlich für mehrere Weltregionen ­sowie für weltweite ­Strategieentwicklung. ­Gatti ist spezialisiert auf die Translation von Forschung zu Nieren- und ­Leberkrankheiten in die unternehmerische ­Ver­wertung.

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