Aufbruch in die Moderne? Paul Schad-Rossa und die Kunst in Graz

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7 Tafel der Ausstellung „Pflege der heimischen Bauweise in Deutschland“, veranstaltet vom Verein für Heimatschutz in Steiermark in den Grazer Redoutensälen, 1910, Stmk. Landesarchiv Graz 8 Erste Flugschrift des Vereins für Heimatschutz in Steiermark, 1911, Stmk. Landesarchiv Graz

22 Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam es nicht zur Ausführung des Projektes. Vgl. Burckhardt Rukschcio, Adolf Loos, Ein Zinshaus-Projekt in Graz für Fritz Reininghaus, in: alte und moderne kunst 186/187 (1983), S. 35–37. 23 Ákos Moravánszky, Die Sprache der Fassaden. Das Problem des Ausdrucks in der Architektur der Donaumonarchie 1900–1914, in: Annette Becker, Dietmar Steiner, Wilfried Wang (Hg.): Architektur im 20. Jahrhundert. Österreich, München/New York 1995, S. 13–21, hier S. 14. 24 Tatsächlich hat der in Graz geborene Architekt Johann Bernhard Fischer von Erlach in Graz so gut wie keine baulichen Spuren hinterlassen.

Von Anfang an stand für den Verein für Heimatschutz in Steiermark die Förderung der Architektur an erster Stelle. Auffallend ist, dass an der Vereinsgründung drei ehemalige Schüler Otto Wagners, der ja für eine großstädtische und kosmopolitische Architektur plädiert und der modernen Architekturbewegung den Boden geebnet hatte, beteiligt waren, darunter Adolf von Inffeld, der später die Leitung der Bauberatungsstelle des Heimatschutzvereins übernehmen sollte. Die Hinwendung zum Traditionellen und die freiwillige Anpassung an die Bedürfnisse der Provinz durch einen zurückhaltenden Umgang mit modernen Formen kann in Graz auch bei anderen Architekten festgestellt werden. So entschied sich beispielsweise auch Adolf Loos, der im Auftrag des Industriellen und aufgeschlossenen Mäzens Fritz Reininghaus für die sogenannten Mischan-Gründe hinter dem Grazer Hauptbahnhof mehrgeschossige Zinshäuser plante, für eine konventionelle Formensprache mit üblichen Fensterproportionen, Säulenvorlagen und Fensterbalken, die im Vergleich zu Loos’ etwa gleichzeitig entstandenen Entwürfen für Villen in Wien wesentlich traditionellere Seh­gewohnheiten bediente.22 Im Anschluss an die Überlegungen zu den kollektiven Leitbildern der Architektur soll nun an einigen Grazer Beispielen, die mit einer jeweils anderen „Sprache“ unterschiedliche Aussagen machen, die von vielen Zeitgenossen als unübersichtlich empfundene kulturelle Situation der Architektur um 1900 ausgelotet werden. Sprachen der Architektur Städtische Modernisierung im neobarocken Gewand

In Graz hielt sich der Historismus, den Ákos Moravánszky als „Sprache der Kontinuität“23 deutet, bei öffentlichen Bauaufgaben und Bildungsbauten bis lange nach der Jahrhundertwende, ja sogar bis in die Zwischenkriegszeit. Unter dessen verschiedenen Stilvarianten trat in Österreich knapp vor der Jahrhundertwende der Neobarock an die erste Stelle, was die Beliebtheit und Akzeptanz in breiten Kreisen der Öffentlichkeit betraf. Ein Grazer Beispiel dafür ist der Neubau des Landesmuseums Joanneum in der Neutorgasse (1890–1894, Abb. S. 35), für den in lokalpatriotischer Überhöhung der Stil „Fischer von Erlachs, des großen Grazer Baukünstlers“24 als angemessen erachtet wurde. Der Wiener Kunstkritiker Ludwig Hevesi kritisierte zwar diese historistische


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