Dossier
Stärker als die Furcht. Die Angst vor einem gefährlichen Tier oder einer riskanten Situation ist nachvollziehbar. Überkommt einen dieses Gefühl jedoch auch in offensichtlich ungefährlichen Momenten, wird es zur Belastung. Was dagegen hilft.
Text: Niklas Bienbeck
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erzrasen, Zittern und Erröten, in extremen Fällen gar Atemnot oder Ohnmacht. «Bei einer diffusen Angststörung oder Panikattacke können Betroffene ihre Gefühle meist nicht genau benennen und sind ihnen ausgeliefert», erklärt die Psychologin Anja Zimmer. Ähnliche Symptome zeigen sich auch bei einer spezifischen Phobie, diese bezieht sich jedoch auf ein klar definierbares Objekt oder eine spezielle Situation. Betroffenen ist meist bewusst, dass ihre Angst irrational ist. Dennoch vermeiden sie diese Situationen und ziehen sich zurück. Im Zentrum der Phobie steht die Angst vor einem Kontrollverlust. Der Ursprung der Phobie «Oftmals führen traumatische Erfahrungen oder Beobachtungen zur Ausbildung einer Phobie. Die frühe Jugend ist hierfür besonders anfällig – Kinder schauen sich von ihren Eltern oder engen Bezugspersonen ein ängstliches Verhaltensmuster ab», so Zimmer. Aber auch lang andauernder Stress kann die Manifestation einer Phobie begünstigen. Genetische Hintergründe kommen ebenfalls für eine Übertragung von Phobien infrage. Sie werden derzeit noch erforscht.
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Soziale und spezifische Phobien Ängste können sich auch explizit auf soziale Situationen beziehen. Bei der sozialen Phobie befürchten Betroffene, sich zu blamieren, wenn sie im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. So werden nicht nur Vorträge und Prüfungen, sondern auch private Feiern und Veranstaltungen zur Herausforderung. Verwandt mit der sozialen Phobie ist die Agoraphobie. Hier beziehen sich die
Anja Zimmer ist Psychologin und Doktorandin an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel. Sie forscht an der Abteilung für Kognitive Neurowissenschaften zur Nutzung von Virtual und Augmented Reality Apps bei Phobien.
UNI NOVA
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Ängste auf bestimmte Orte oder Situationen, wie weite Plätze oder Menschenansammlungen. «Betroffene befürchten, dass sie in einem Notfall nicht rechtzeitig flüchten können, Hilfe nicht schnell genug verfügbar ist», so Zimmer. Oft tritt die Agoraphobie auch gemeinsam mit Panikattacken auf, die in unterschiedlicher Intensität auftreten können. Als Folge kann sich eine «Angst vor der Angst» entwickeln, die dazu führt, dass Betroffene diese Situationen wenn immer möglich meiden. Die Angst vor der nächsten Panikattacke mündet in einen Teufelskreis. An konkrete Objekte oder Situationen gebunden sind die spezifischen Phobien. Darunter fällt die Angst vor Tieren, Naturgewalten oder Situationen, die gefährlich erscheinen, wie ein Blick in die Tiefe. Zu den bekanntesten Tierphobien zählen «Arachnophobie» (Angst vor Spinnen) und «Ophidiophobie» (Angst vor Schlangen). Angst vor der Höhe («Akrophobie») oder vor engen, geschlossenen Räumen («Klaustrophobie») sind ebenfalls verbreitet. Auch Zahn behand lungen («Dentophobie») und das Fliegen («Aviophobie») stehen häufig im Zentrum von Phobien. → S. 23