Wertvolle Väter

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Wertvolle Väter

Herausgeber: hessenstiftung – familie hat zukunft


Ulrich Kuther

Editorial Die Rolle von Vätern in der Kindererziehung verändert sich zunehmend. Verändern sich damit auch die Werte in der Kindererziehung? Richten sich Männer nach den Maßstäben der Mütter? Kommen andere, männliche Werte ins Spiel? Aufgrund solcher Fragestellungen hat die hessenstiftung- familie hat zukunft bei der IGS Organisationsberatung eine Studie in Auftrag gegeben, um Väter zu ihren Werten und Zielen in der Kindererziehung zu befragen. Dieser Band dokumentiert die Ergebnisse sowohl in den Hauptaussagen wie in den Einzelfragen. Dass Väter einen hohen Anspruch an die eigene Erziehungsleistung stellen, dabei aber an eigene und fremde Grenzen stoßen, war auch das Leitmotiv einer Expertenrunde, die von der Stiftung zur Diskussion der Ergebnisse eingeladen wurde. Erfreulicherweise konnten wir viele aus der Runde als Autorinnen und Autoren gewinnen, die einen weiterführenden Artikel zu dieser Publikation beitragen wollten. Der Bogen spannt sich nun von ergänzenden Überlegungen und Studien zum Thema „Väter und Werte“ über die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hin zur Alltagspraxis von Vätern. Zwei Beispiele aus Unternehmen versuchen eine Antwort auf die Frage nach einer väterfreundlichen Personalpolitik. Die hessenstiftung- familie hat zukunft hat sich seit langen des Väterthemas angenommen und möchte mit diesem Band den gesellschaftlichen Diskurs weiter fördern, auch wenn sie nicht jede der hier dargelegten Einzelmeinungen teilt. Am Schluss mag die Erkenntnis stehen, dass für Kinder, Familie, Gesellschaft und Unternehmen Väter schlichtweg wertvoll sind.

Dr. Ulrich Kuther Dr. phil., Theologe und Stiftungsmanager, ist verheiratet und seit 2004 Vater. Seit 2004 führt er im Auftrag der Karl Kübel Stiftung die Geschäfte der hessenstiftung – familie hat zukunft.

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Inhalt Ulrich Kuther

Editorial

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Kristina Schröder

Grußwort

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Die Studie „Wertvolle Väter“ in der Diskussion

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Anna Lena Thomas

Die Studie „Wertvolle Väter“ in ihren Hauptaussagen

Anna Lena Thomas

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Experten diskutieren die Ergebnisse der Befragung „Wertvolle Väter“

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Werte von Vätern in der Entwicklung

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Andreas Eickhorst / Maike Christ

Zwischen Biologie und Gesellschaft

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Christine Henry-Huthmacher

Väterdämmerung

Harald Seehausen

Aktive Vaterschaft

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in Kinder- und Familienzentren

18

Johannes Thönneßen

Welchen Wert hat „Erziehungsarbeit“?

24

Hans Prömper

Ist Väterlichkeit selbst schon religiös?

28

Vom Wert gelebter Vaterschaft

38

Marcus Schmitz

„Vater sein“ live

38

Hans Georg Nelles

Papa was machst du den ganzen Tag?

42

André Stern

Männer von morgen

47

Gesellschaftspolitische Wertschätzung von Vätern

52

Angela Icken

Männer und Väter

52

Stefan Reuyß

Elternzeit

59

Hannes Hausbichler

Darf ich wollen, was ich will?

64

Vom Wert der Väter für Unternehmen

70

Volker Baisch / Anna Lena Garde

70

Wie wird Deutschland Väterland?

Barbara David / Harald Seehausen Wege aus dem Papa-Dilemma

77

Claudia Münch-Gliewe

82

Väter im internationalen Konzern Vattenfall

Anhang: Die Studie „Wertvolle Väter in Einzelergebnissen

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I. Demografische Daten II. Erwerbsbezogene Informationen III. Auswertung der Fragen

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Impressum

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Grußwort

Männer stehen heute vielfach vor einem Dilemma: Von der Gesellschaft wird ihnen nach wie vor die tradierte Rolle des Familienernährers zugeschrieben, und im beruflichen Umfeld erwartet man ihre uneingeschränkte Verfügbarkeit am Arbeitsplatz. Gleichzeitig möchten Männer als Väter Zeit für ihre Familie haben, und auch Frauen wünschen sich einen Partner, der gleichberechtigt Verantwortung in der Familie übernimmt. Weil heute längst nicht mehr nur weibliche, sondern auch männliche Rollenbilder im Wandel sind, nimmt eine zeitgemäße Familien- und Gleichstellungspolitik Frauen und Männer gleichermaßen in den Blick. Neben Frauenpolitik brauchen wir auch eine Männerpolitik, die es Vätern ermöglicht, ihre Rolle abseits von Rollenklischees selbst neu zu definieren. Denn nur wenn auch Männer die Chance haben, anders zu leben als die Generationen vor ihnen, ist der Weg frei für Gleichberechtigung in Familien und Partnerschaften. Aktive, engagierte Väter sind deshalb im doppelten Sinne „wertvoll“: Zum einen stärkt es die Eltern-KindBindung und die Partnerschaft, wenn Väter sich Zeit für Verantwortung in der Familie nehmen. Zum anderen eröffnen die persönlichen Werte und Prioritäten der „neuen Väter“ auch neue Wege des familiären und gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wir wollen Väter politisch dabei unterstützen, familiären Fürsorgeaufgaben und beruflichen Anforderungen gleichermaßen gerecht zu werden. Partnerschaftliche Lebenskonzepte zwischen Männern und Frauen fördert das Bundesfamilienministerium beispielsweise mit den Partnermonaten beim Elterngeld. Darüber hinaus unterstützen wir Unternehmen bei der Entwicklung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen: Väter, die mehr von ihrer Familie haben wollen als ein Bild auf dem Schreibtisch, sollen keine beruflichen Nachteile befürchten müssen, wenn sie sich Zeit für ihre Kinder und ihre Partnerin nehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Die Studie „Wertvolle Väter“ in der Diskussion

Anna Lena Thomas

Die Studie „Wertvolle Väter“ in ihren Hauptaussagen Die Befragung „Wertvolle Väter“ wurde von März bis Mai 2011 von der IGS Organisationsberatung im Auftrag der hessenstiftung – familie hat zukunft durchgeführt. Der Auswertung liegen die Daten von 794 Teilnehmern zugrunde, die über verschiedene Internetforen, Newsletter und Firmennetzwerke angesprochen wurden und die Möglichkeit hatten, den Fragebogen anonym auf einem Internet-Link auszufüllen. Die Umfrage richtete sich bewusst an die Väter der „gesellschaftlichen Mitte“, von denen andere Studien aussagen, sie stünden in Familie und Beruf „unter Druck“. Mit der Form der Online-Befragung wurde die Zielgruppe gut erreicht, wie u.a. aus dem Akademikeranteil von 60% sowie den Einkommensangaben ersichtlich ist. 80% der Väter liegen dabei über dem sogenannten Medianeinkommen. Mehr als 60% verfügen über ein NettoHaushaltseinkommen von über 3.000,- €. Dass fast 30% der befragten Väter Elternzeit in Anspruch genommen haben, ist insofern von Bedeutung, als ein erkenntnisleitendes Interesse die Frage war, ob sich erziehende Väter in ihren Erziehungszielen den Müttern angleichen oder sich unterscheiden.

Väter haben einen hohen Anspruch an die Erziehung ihrer Kinder. Die befragten Väter machen deutlich, dass sie ihren Kindern durch ihre Erziehung sehr viele Eigenschaften vermitteln wollen, die möglichst alle ähnlich hoch ausgeprägt sind. Dabei ist den Vätern sowohl bei Söhnen als auch bei Töchtern als Eigenschaft das Selbstbewusstsein am wichtigsten und den Gehorsam am wenigsten wichtig. Die Reihenfolge anderer Eigenschaften, wie emotionaler Stabilität, Neugier und Hilfsbereitschaft, variiert gering bei Töchtern und Söhnen. Auffällig ist, dass die Eigenschaften generell im Durchschnitt bei Töchtern geringer ausgeprägt sein sollen. Vergleicht man die Eigenschaften, die Väter den Kindern vermitteln wollen, mit den Eigenschaften, von denen die Väter glauben, dass sie die Mütter den Kindern vermitteln möchten, zeigt sich folgendes Bild: Die Väter nehmen an, dass auch die Mütter das Selbstbewusstsein am wichtigsten und den Gehorsam am wenigsten wichtig ansehen. Hilfsbereitschaft, Einfühlungsvermögen und Partnerschaftlichkeit stehen auf der Liste der Mütter unter den ersten zehn wichtigsten Eigenschaften bei Söhnen und Töchtern, auf der Liste der Väter aber nicht. Zudem beachten fast 75% der befragten Väter die Arbeitsmarktfähigkeit des Kindes in der Erziehung.

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Väter möchten mit Ihrer Erziehung vor allem die Werte Selbstvertrauen, Liebe, Selbstständigkeit, Menschlichkeit, Toleranz und Respekt vermitteln. Im Vergleich mit den erfahrenen Werten aus ihren Herkunftsfamilien, wird eine Veränderung deutlich. Väter erfuhren bei Ihren Eltern vor allem die Werte Verantwortung, Anstand, Selbstständigkeit, Ordnung und Gerechtigkeit. Väter, die angeben, Religion habe großen Einfluss auf Ihre Wertvorstellung in der Erziehung, geben folgende Werte an, die sie vermitteln möchten: Menschlichkeit, Selbstständigkeit, Liebe, Vertrauen, Gerechtigkeit und Anstand. Väter, die angeben, dass Religion keinen Einfluss auf Ihre Wertvorstellung in der Erziehung, geben folgende Werte an, die sie vermitteln möchten: Verantwortung, Ordnung, Leistung, Selbstständigkeit, Anstand und Liebe.

Väter sind mit der Erziehung und ihrer Rolle in der Erziehung zufrieden. Knapp 50% der Väter geben an, gleichwertig mit der Mutter an der Erziehung beteiligt zu sein. Dabei werden bei 60% die Richtlinien der Erziehung zu gleichen Teilen von Mutter und Vater gesetzt. Unter den Vätern, die Elternzeit in Anspruch genommen haben oder nehmen, sind fast 80% zu gleichen Teilen an der Erziehung beteiligt. Knapp 75% der Väter gaben an, einen autoritär-kooperativen Erziehungsstil zu verfolgen. Dreiviertel der Väter zeigen sich mit ihrer Erziehungsleistung zufrieden. Lediglich etwa 25% geben an, nicht „zufrieden“ oder „eher zufrieden“ zu sein. Bei indirekter Betrachtung zeigt sich allerdings, dass sogar 36% verdeckt Unzufriedenheit äußern. Insgesamt wünschen sich aber nur 20% der Väter eine Änderung ihrer eigenen Erziehungsleistung. Hier wird vor allem eine stärkere Beteiligung in der Erziehung gewünscht.

Anna Lena Thomas

Experten diskutieren die Ergebnisse der Befragung „Wertvolle Väter“ Dokumentation der Expertenrunde Die hessenstiftung – familie hat zukunft hatte am 21. Juni 2011 Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis nach Bensheim eingeladen, um sie über die Ergebnisse der Onlinebefragung zu informieren und im Fachgespräch ausgehend von den Ergebnissen weitere Erkenntnisse zu erhalten. Die Teilnehmer der Expertenrunde sind weitgehend mit den Autoren dieses Bandes identisch. Zunächst wurden die Ergebnisse der Befragung „Wertvolle Väter“ präsentiert und erste Reaktionen festgehalten. Diese sollten anschließend in zwei Diskussionsrunden betrachtet 5


werden. Die erste Runde thematisierte die Fragestellungen „Was sind die Ziele der Erziehung?“ und „Welchen Wertvorstellungen unterliegt die Erziehung der Väter?“. In der zweiten Runde wurden den Fragen „Wie sieht das Erziehungsverhalten der Väter aus?“ und „Wie sieht die Zufriedenheit der Väter mit der aktuellen Erziehungslage aus?“ nachgegangen. Im vorliegenden Bericht werden die Themenschwerpunkte der jeweiligen Diskussionsrunden ausgeführt. Erste Reaktionen auf die Ergebnisse Die Experten bestätigten die Hauptergebnisse, dass Väter einen sehr hohen Anspruch an die Erziehung der Kinder haben und die Väter mit der Erziehung ihrer Kinder im Großen und Ganzen zufrieden sind, so erwartet zu haben. Aus der Runde wurde ergänzt, dass die Zufriedenheit mit der Erziehungsleistung nicht im Gegensatz zu der Einschätzung stehe, dass die Väter ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden. Die Frage liege darin, mit wem sich die Väter eigentlich vergleichen. Sie vergleichen sich mit den Müttern der Kinder, die meist beruflich in einer anderen Situation sind, oder sie vergleichen sich mit ihren eigenen Vätern, die meist in einer anderen beruflichen Situation waren. Deutlich wird, dass ein Vergleich mit diesen Personen und ein Ableiten der eigenen Ansprüche an die Erziehung durch einen solchen Vergleich schwierig sind. Als ratsamer wurde der Vergleich mit anderen Vätern empfunden. Hilfreich ist es zudem, nicht mehr von einem Gegensatz, von Vater und Mutter in der Erziehung zu sprechen, da mittlerweile auch viele Mütter berufstätig sind. Auf die Mütter wirken ebenso Erwartungen der Gesellschaft, wie auf berufstätige Väter – nur aus anderen Blickwinkeln.

Erste Diskussionsrunde: Ziele und Werte der Väter in der Erziehung Hier wurden vor allem die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Aushandlungsprozesse mit der Partnerin angesprochen.

sowie

die

Ziele und Werte in der Erziehung sind immer in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veränderungen zu sehen. So spielen auch soziale Erwünschtheit, Erfahrungen aus der eigenen Kindheit oder Erlebnisse im Berufsalltag in der Gestaltung der Ansprüche an die eigene Erziehung eine wichtige Rolle. Die soziale Erwünschtheit wurde vor allem in Bezug auf das persönliche Anspruchsdenken betont, weniger im Abgleich mit dem der Umwelt. Die Erfahrungen aus der eigenen Kindheit könnten beispielsweise damit begründet sein, nicht wie der eigene Vater „nur“ Familienernährer sondern auch Familienvater als Bezugsperson sein zu wollen. Der Berufsalltag kann weiterhin beispielsweise Schwierigkeiten in der „Vaterschaft“ bei Besetzung einer Führungsposition mit sich ziehen. Unsere Ausgangsthese war, dass der Druck bei der Zielgruppe der Befragung, der bürgerlichen Mitte, besonders stark ist. Dies konnte bestätigt werden: Der zunehmende Druck spiegelt sich in dem hohen Anteil der Väter wider, die angeben die Arbeitsmarktfähigkeit des Kindes in der Erziehung zu beachten. Die insgesamt hohen Ansprüche der Väter an die Erziehung ihrer Kinder, nämlich den Anspruch möglichst viele Eigenschaften den Kindern übermitteln zu wollen, bei gleichzeitig hohen Ansprüchen an ihren Beruf (über 45% arbeiten mehr als 40 Stunden pro Woche), veranlassten in der Expertenrunde die Vermutung hier eine mögliche zukünftige 6


Risikogruppe von Burnout vorliegen zu haben. Das Problem liege aber nicht an dem „neuen Trend“ oder der „neuen Väterlichkeit“, sondern darin, dass die Väter noch nicht das richtige Handwerkszeug besäßen. Die Auseinandersetzung mit der Erziehung, die Kommunikation über die Aufgabenaufteilung und darüber „wie es geht“ erfordern Aushandlungsprozesse mit der Partnerin. Diese Aushandlungsprozesse wurden von verschiedenen Seiten beleuchtet. Die evolutorische Betrachtung zeigt zum einen, dass Unterschiede zwischen Müttern und Vätern vorhanden sind und als solche genutzt werden können und sollen: der Versuch Väter und Mütter anzugleichen macht wenig Sinn. Väter haben von Natur aus gegebene Fähigkeiten, die als Stärken in Bezug auf Vaterschaft durch die Auseinandersetzung der Väter mit ihrer Rolle als Vater nur herausgearbeitet werden müssen. Ein weiterer Punkt, der den Gedanken „Ergänzung, nicht Konkurrenz in der Erziehung“ stützt ist, dass Väter und Mütter sehr ähnliche Werte in der Erziehung verfolgen (zumindest mutmaßen das die Väter über die Mütter in der Befragung). Mütter und Väter zeigen dies lediglich auf unterschiedliche Weise. Diese Erkenntnis ist für Väter und Mütter wichtig. Die gesellschaftliche Betrachtung wirft die Frage auf, ob ein „neuer Vater“ als Mann attraktiv für die Frau bleibt, wenn sich diese sowohl den fürsorglichen Vater aber auch den starken Mann an ihrer Seite wünscht. Auf individueller Ebene hat das für die Väter auch immer eine Aushandlung mit der Partnerin selbst zur Folge: Wie wird der Aushandlungsprozess mit der Partnerin über Erziehung empfunden? Welche Kultur hat dieser? Wie handelt man etwas aus, wenn man das als Mann bei so persönlichen Themen nicht „gelernt“ hat? Auf welcher Ebene findet der Prozess statt? Aushandlungsprozesse finden bei Frauen tendenziell auf einer emotionaleren Ebene als bei Männern statt. Daher wird in der Runde vermutet, dass die Männer sich nicht vor dem Prozess selbst scheuen, sondern vielmehr vor der emotionalen Betroffenheit der Partnerin. Die Aushandlungsprozesse wurden auch als Indiz dafür gesehen, dass sich nur 20% der Väter eine Änderung in ihrem Erziehungsverhalten wünschen. Ein weiterer Grund für diese relativ geringe Prozentzahl ist, dass jegliche berufliche Konsequenzen meist finanzielle Einbußen bedeuten. Die Frage, die sich nun für Unternehmen ableitet ist: Wozu führt diese Diskussion in Unternehmen? Experten aus Unternehmen berichteten bereits von einer Abkehr von der Anwesenheitskultur hin zu einer Ergebniskultur. Dennoch ist überwiegend in den Unternehmen noch ein Weg zu dem Punkt zu gehen, wo Männer in der Unternehmenskultur gleichberechtigt ihre Vaterrolle leben können wir Frauen ihre Mutterrolle. Hilfreich gilt hier der Blick auf die positiven Veränderungen, die eine verstärkte Wahrnehmung der Vaterrolle auf den Beruf (auch bei Führungskräften) haben kann: Fürsorge, verstärkte Verantwortung, Weitblick. Zweite Diskussionsrunde: Erziehungsverhalten der Väter und ihre Zufriedenheit damit In der Expertenrunde wurde mit Blick auf die hohen Arbeitszeiten der Väter insbesondere auf die Qualität der Kontakte mit den Kindern und die Erwartungen an einen guten Vater eingegangen. Dabei stellten sich folgende Fragen: Was wird unter Erziehung verstanden? Ist die Betreuung der Kleinstkinder nach der Geburt (was sich durch die angestiegene Zahl der in Anspruch genommenen Elternzeit zeige) auch schon als Erziehung zu werten? Kann man schon in der Kleinstkindphase erziehen und Werte vermitteln? 7


Die Beantwortung dieser und ähnlich gearteter Fragen ist eine sehr persönliche Angelegenheit, die jeder Vater individuell für sich treffen muss. Als wichtig wurde hier das umfassende Interesse an dem Kind und dem Kindsein allgemein betont. Dieses umfassende Interesse kann spezifisches Interesse beinhalten, wie zum Beispiel das Erfragen der Schulnote oder Name der jeweiligen Klassenlehrer, geht im Ganzen aber darüber hinaus. Außerdem wurde das explizite Fordern und Fördern von Gemeinsamkeiten und gemeinsamen Aktivitäten mit dem Kind herausgearbeitet. Ein weiterer Punkt in dem Prozess der persönlichen Entscheidung, wie man erziehen möchte, und der nicht ungeachtet bleiben sollte, ist das Empfinden der Kinder bei Abwesenheit eines Elternteils: so empfinden Kinder oft die Verbindung zu dem Elternteil, der seltener zu Hause ist, als besonders. Zum einen liegt dies daran, dass über die abwesende Person gesprochen wird und so zum anderen daran, dass das Kind die gemeinsame Zeit mehr schätzt, weil das die außergewöhnliche Zeit ist, als die Zeit mit dem Elternteil, der normal immer da ist. Die Zufriedenheit mit der Erziehung der Kinder wurde vor allem vor dem Hintergrund beleuchtet, welche Erwartungen Mann als Vater an sich hat und wie sich dementsprechend die Zufriedenheit daraus ableitet. Die Gestaltung der Erwartungen zeigt sich als Generationenthema: das Erziehungsverhalten ist stark von der Drucksituation im Berufsalltag geprägt. Dadurch geht ein Teil der Gelassenheit verloren, die eventuell vorangegangene Generationen in Bezug auf Vaterschaft nicht hatten. Im Beruf ist Gelassenheit und „Laufen lassen“ nicht passend. Dadurch hat sich dieses hohe Anspruchsdenken auch in der Erziehung etabliert, weil die Umstellung im privaten Bereich Denkweisen, die im Beruf täglich präsent sind, abzulegen, als besonders schwierig gilt. Dies zeigt sich schon in der Herausforderung für viele Väter im Urlaub auch wirklich auf den „Familienmodus“ umschalten zu können. Diese Punkte, als Auszug aus der Gesamtheit der besprochenen Gesichtspunkte, zeigen die Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit des Themas „Erwartungen eines Vaters an sich selbst“.

Anna Lena Thomas Wirtschaftspsychologin (B.A.), Beraterin und Projektleiterin der IGS Organisationsberatung GmbH, dabei insbesondere Befragungsprojekte unter diversen Themenstellungen wie z.B. Familienfreundlichkeit, Väter und Weiterbildung.

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Werte von Vätern in der Entwicklung

Andreas Eickhorst / Maike Christ

Zwischen Biologie und Gesellschaft Unterschiedliche Anforderungen an väterliches Engagement Dieser Beitrag möchte ein Spannungsfeld näher aufzeigen, in dem sich Väter befinden. Es ist jenes zwischen Biologie und Kultur oder in anderen Worten: zwischen dem genetisch wirksamen evolutionären Erbe und den Anforderungen einer modernen westlichen Gesellschaft. Dazu werden im Folgenden zunächst einige evolutionäre Grundlagen zum Vatersein vorgestellt, bevor dann auf die Rolle der aktuellen Gesellschaft eingegangen wird. Anschließend werden die – durchaus zahlreichen – Kompetenzen der Väter vorgestellt und es wird erläutert, wie die Väter diese Kompetenzen im beschriebenen Spannungsfeld einsetzen bzw. möglichst gewinnbringend nutzen können. Die Biologie der Väter Da die Evolution den zentralen Wirkmechanismus für die Natur und damit auch für den Menschen bedeutet, gilt dies natürlich auch für das Thema der Elternschaft. Der zentrale Mechanismus evolutionärer Verhaltenssteuerung wiederum ist die Selektion (Auslese). Das bedeutet, dass die einzelnen Individuen dadurch ausgelesen werden, wie erfolgreich sie überleben und sich fortpflanzen können. Hierbei ist der Fortpflanzungserfolg des Individuums ausschlaggebend, nicht etwa jener der gesamten Art. Dabei dominiert der Wettstreit um den Zugang zu Fortpflanzungspartnern, also den Möglichkeiten zur Fortpflanzung. Dieser Zugang wiederum hängt beim Mann von seinen Fähigkeiten ab, sich in Konkurrenz zu anderen Männern zu behaupten, geeignete Partnerinnen zu finden und diese dann erfolgreich zu umwerben und für sich zu gewinnen (Näheres bei Miller, 2000). Wenn die Beteiligung des Vaters an der Betreuung des Nachwuchses lohnenswerte Vorteile mit sich bringt, ist es für alle Beteiligten (Mütter und Väter) am besten, wenn der Vater nach der Fortpflanzung bzw. Geburt eine - möglichst längerfristige – Mithilfe bei der Betreuung übernimmt. Die erwähnten Vorteile für die Kinder können bessere Überlebens- und Gesundheitschancen oder auch eine bessere psychosoziale Entwicklung beziehungsweise ein Leben „in besseren Verhältnissen“ sein. Dieser Faktor der Kinderbetreuung scheint für das Verhalten und den Fortpflanzungserfolg entscheidend zu sein. Die Anwesenheit von Vater und Mutter im familiären Verband stellt einen von vielen Faktoren des elterlichen Engagements dar, welches sich zwischen den Geschlechtern klar unterscheidet. Aus einer sehr einfachen Sicht wäre allerdings zunächst einmal eine einzige Bezugsperson (egal ob Mutter oder Vater), die sich in angemessener Weise um die Kinder kümmert, zum erfolgreichen Aufwachsen durchaus ausreichend; die Anwesenheit des zweiten Elternteils ist dabei zunächst zweitrangig. Da diese Hauptperson bei der überwiegenden Anzahl der Arten die Mutter ist, muss man sich fragen, inwieweit daneben ein Vater für diesen Bereich überhaupt notwendig ist. Die evolutionstheoretische Antwort ist die oben bereits angedeutete, nämlich dass die väterliche Anwesenheit - abhängig von der Qualität und Quantität seines Engagements – bedeutende positive, also das Überleben und die 9


erfolgreiche Reproduktion fördernde, Einflüsse für die Kinder haben kann (Lamb, 1997). Ebenso kann andersherum die Abwesenheit des Vaters die Chance ungünstiger Entwicklungen für die Kinder deutlich erhöhen (Hurtado/Hill, 1991). Da Menschen sich wie alle Säugetiere durch innere Befruchtung vermehren, kann sich der Mann allerdings nie hundertprozentig sicher sein, ob er wirklich der Vater ist (es sei denn, er lässt einen Vaterschaftstest durchführen); das heißt, er muss eine Abschätzung treffen, inwieweit er seiner Partnerin vertrauen kann. Je unsicherer ein Mann bezüglich seiner Vaterschaft ist, desto unwahrscheinlicher ist in der Konsequenz auch sein väterliches Engagement (Keller/Chasiotis, 2008). Dies ist nun quasi der Beitrag der Biologie zum Vatersein. Dabei sollte man sich vor Augen führen, dass es sich bei den genannten um Mechanismen um unser evolutionäres Erbe handelt und die genetischen Grundlagen der angeführten Prozesse ca. 35.000 Jahre alt sind (Scheunenpflug, 2001). Man muss sich also darüber im Klaren sein, dass dies eine allgemeine Ausstattung darstellt, welche nicht spezifisch auf die heutige oder jüngst vergangene Umwelt ausgerichtet ist. An die jeweils aktuell vorherrschende Umwelt muss also eine Anpassungsleistung stattfinden, um die Anforderungen des „Außen“ mit denen der eigenen Natur in Einklang zu bringen. Väter in der Gesellschaft Bevor wir uns der heute aktuell vorherrschenden Umwelt, also unserer Gesellschaft, zuwenden, eine kurze Betrachtung, wie sich die kulturellen Rollenvorstellungen über Väter im Laufe der Zeit gewandelt haben. Kulturell- psychologische Faktoren haben zu allen Zeiten einen wesentlichen Einfluss auf das väterliche Verhalten. So dienen Ideale, Werte und Ziele einer Kultur als Hintergrund für die Vaterrolle, für eigene und fremde Erwartungen an die Vaterschaft sowie für die Veränderung von Vaterbildern. Familiäre Veränderungen in Bezug auf die Vaterschaft gehen mit den gesellschaftlichen Veränderungen einher. Jedoch eilen die Ideale dem tatsächlichen Verhalten immer etwas voraus und bieten dennoch Orientierung für die Ausgestaltung der eigenen Vaterrolle. Schauen wir ein wenig in der Zeit zurück, so stellen wir fest, dass sich Im Laufe der letzten Jahrhunderte die Rolle des Vaters vom patriarchalischen Familienoberhaupt (18. Jhd.) über die Aufgabe des Ernährers (Anfang 19. Jhd.) zum Erzieher und Rollenvorbild (Anfang 20. Jhd.) hin entwickelt hat. Die anschließende Zeit des 2. Weltkrieges war geprägt von einer allgemeinen (physischen) Vaterabwesenheit, weshalb man diesbezüglich auch von einer „vaterlosen Gesellschaft“ spricht (vgl. Pleck/Pleck, 1997). Seit Ende der 1970er Jahre kamen die sogenannten „Neuen Väter“ ins Spiel, welche sich durch ein erhöhtes Engagement und ein „lockereres“ Rollenverständnis auszeichnen, wobei es mitunter auch zu einer Vermischung von Forderungen und tatsächlichem väterlichen Auftreten kam. Als typische Merkmale „Neuer Väter“ gelten (aus Eickhorst, 2005): •

Die Abgrenzung von traditionellen Rollenvorstellungen.

Eine gleichberechtigte Partnerschaft und die Mitwirkung bei Haushaltsangelegenheiten und Kindererziehung sowie bei der Versorgung der Kinder.

Der Umgang mit den Kindern ist warm, zärtlich und körperbetont. 10


Freude am Vatersein und Kundtun dieses Empfindens nach außen.

Vaterschaft und väterliches Engagement haben eine eigene Wertigkeit, der Vater wird nicht mehr nur als „Unterstützer“ der Frau gesehen.

Die heutige Gesellschaft in Deutschland Die gesellschaftliche Situation heutiger Väter in Deutschland ist gekennzeichnet durch gestiegene Anforderungen zur Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Zugleich sollen die Väter aber nicht nur als reine „Ernährer“ fungieren, sondern sich aktiv am Erziehungsprozess mit allem „drum und dran“ beteiligen. Schon hier befinden sich die Väter in einer nicht ganz einfachen Lage, da von beruflicher wie auch privater Seite Forderungen bezüglich ihrer zeitlichen Ressourcen gestellt werden. Immer häufiger wollen die Mütter wieder recht früh nach der Geburt erwerbstätig werden, wodurch es in einigen Familien zu einer veränderten Rollenaufteilung kommt- der Vater bleibt bei dem Kind, die Mutter geht arbeiten. Zugleich bestehen derzeit jedoch schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, welche es oftmals unabdingbar machen, dass ein oder beide Elternteile recht früh nach der Geburt des Kindes wieder ihrem Beruf nachgehen. Berücksichtigt man an dieser Stelle, dass Männer nach wie vor im Durchschnitt ein höheres Einkommen als Frauen erhalten, so ergibt sich, dass Väter häufig schon aus finanziellen Gründen weiter ihrem Beruf nachgehen und ihrer Partnerin die Inanspruchnahme der Elternzeit überlassen. Die Forderungen nach Partizipation der Väter in Haushalt, Kindererziehung usw. sind für berufstätige Väter nicht immer einfach zu erfüllen. Durch die Vaterschaft kommt es zudem häufig zu einer Veränderung der Interessen des Mannes. Der „Wunsch nach Männlichkeit“ scheint bei vielen Frauen und Männern zunehmend weniger präsent zu sein (vertiefend z.B. in Abel/Abel, 2009). All die genannten Faktoren und sich teilweise widersprechenden Anforderungen können zu einer erschwerten Positionierung des Vaters in der Familie wie in der Berufswelt führen sowie zu Identitätskonflikten. Verfügbarkeit der Väter Im Rahmen verschiedener Untersuchungen wurden Häufigkeit und Dauer von Vater- Kindund Mutter- Kind- Kontakten verglichen. Hier zeigte sich, dass Mütter durchschnittlich länger mit dem Kind interagieren als dies Väter tun. Innerhalb der gesamten Mutter- KindInteraktion ist der Anteil pflegerischer Tätigkeiten größer, währenddessen die Vater- KindInteraktionen einen größeren Anteil an spielerischen Aktivitäten beinhalten. Diese Unterschiede lassen sich auf die (meist) geringere Anwesenheit des Vaters aufgrund der Berufstätigkeit zurückführen, seine Interaktionsmöglichkeiten mit dem Kind sind dadurch stark eingeengt (vgl. Schmidt- Denter, 2005). Schon Pedersen et al. stellten 1979 die folgenden Konsequenzen zusammen, welche sich aus der quantitativen und zeitlichen Aufteilung der Vater- Kind- Interaktionen ergeben: •

Häufig entwickeln Väter Vorlieben für das Spiel, da sie dann nicht zu pflegen brauchen.

Da der Vater seltener anwesend ist, kommt es zu einem Neuigkeitseffekt. Das Kind befasst sich während seiner Abwesenheit gedanklich mit ihm und spricht häufig mit der Mutter über ihn, so ist der Vater besser kognitiv repräsentiert als die Mutter. 11


Die Interaktionen des Vaters mit dem Kind ergeben sich häufiger in einer Triade, die Mutter- Kind- Interaktion eher in einer Dyade. Die Vater- Kind- Kontakte finden also überwiegend bei Anwesenheit der Mutter statt, während die Mutter vorwiegend bei Abwesenheit des Vaters mit dem Kind interagiert.

Welche Kompetenzen haben Väter? Was die Fähigkeiten von Vätern angeht, zeigt sich, dass diese weitgehend mit denen von Müttern übereinstimmen; und dies auf kognitiver, emotionaler sowie verhaltenspraktischer (z.B. Versorgung der Kind) Ebene. Väter sind aktiv an der Versorgung, Pflege, Interaktion und Erziehung ihrer Kinder beteiligt. Auch im intuitiven elterlichen Verhalten zeigen sich keine Unterschiede. Ebenfalls entwickeln Kinder ebenso wie zur Mutter eine Bindung bzw. Beziehung zum Vater. Wer die primäre Bindungsperson eines Kindes ist oder wird, ist demnach nicht abhängig vom Geschlecht der Person, sondern vielmehr von ihrer Präsenz oder ihren Bemühungen um das Kind. Mehr Erfahrung und darüber mehr (Selbst)Sicherheit im Umgang mit einem Kind führen letztlich zu einer stärkeren Involvierung in dessen Leben und Fürsorge (McHale/Huston, 1984). Diese Gemeinsamkeiten von Müttern und Väter sagen jedoch keineswegs etwas über die Präferenzen, Motivation und das tatsächliches Verhalten der Väter aus. Unterschiede im Verhalten von Müttern und Vätern zeigen sich vor allem in der Interaktion mit dem Kind. Väter legen ein eher wildes, ausgelassenes Spielverhalten mit motorischer Stimulation zutage, sie legen viel Wert auf die Förderung der Eigenständigkeit ihres Kindes sowie auf die Förderung der Entwicklung der Geschlechtsidentität. Diesbezüglich zeigen sie ein unterschiedliches Verhalten gegenüber Jungen und Mädchen, vor allem auch gegenüber älteren Kindern. Väter kommunizieren eher physisch oder über Objekte statt verbal. Im Gegensatz dazu achten Mütter sehr auf eine angemessene Sprache und kommunizieren auch mehr über diese. Sie sind insgesamt eher vorsichtiger im Umgang mit ihrem Kind und zeigen viel körperliche Nähe (Seiffge-Krenke, 2001). An diesen Untersuchungen lässt sich jedoch auch Kritik ausüben. Die Ergebnisse sind sehr stark kulturabhängig und lassen sich nicht universell übertragen. Beispielsweise bestehen Unterschiede väterlichen Verhaltens zwischen den USA und Schweden einerseits, aber natürlich auch zwischen westlichen Ländern auf der einen Seite und etwa vielen Volksgruppen in Afrika auf der anderen Seite. Überdies fanden sich alle oben aufgeführten Unterschiede in Familien mit traditioneller Rollenaufteilung und dürften daher im Bezug auf die gesamte Bevölkerung nicht repräsentativ sein.

Zusammenführung: Anforderungen an moderne Väter, die beiden Ebenen Biologie und Gesellschaft zu vereinbaren Wir haben gesehen, dass Väter biologisch gesehen eine andere Rolle haben als Mütter und als zusätzliche Betreuungsperson nicht zwingend benötigt werden (ebenso wie andersherum die Mütter, wenn die Männer primär betreuend sein sollten). Allerdings bestehen große Vorteile, wenn der Einfluss des Vaters positiv hinzukommt. Dabei haben wir auch gesehen, dass Väter (bis auf das Stillen) das gleichen Fähigkeiten und angeborenen elterlichen Kompetenzen haben wie Mütter. Aber sie verhalten sich trotzdem nicht immer gleich; es gibt, zumindest in Familien mit traditioneller Rollenaufteilung, sichtbare Unterschiede im 12


Umgangsverhalten der Väter und Mütter. Ebenso gibt es biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf Partnerwahl, Konkurrenzverhalten, Fortpflanzungsstrategien und eben das Engagement gegenüber den Kindern (siehe oben). Da liegt es natürlich nahe, den Ursprung der Unterschiede in der Motivation und in der konkreten Ausprägung im Umgang mit den Kindern mit diesen biologisch-evolutionären Unterschieden zu verknüpfen. Gerade weil Männer von Anfang der Stammesgeschichte an andere Aufgaben und Voraussetzungen im Prozess der Fortpflanzung und damit Weitergabe der eigenen Gene hatten, haben sich auch bis heute Unterschiede im Verhalten erhalten. Ohne dies an dieser Stelle alles im Detail erläutern zu können (siehe dafür z.B. Chasiotis, 2008), soll beispielsweise darauf hingewiesen sein, dass etwa das Ausmaß an Vaterschaftssicherheit eine große Rolle für das Ausmaß an Bemühungen um das Kind spielt. Eine Mutter, die ja immer genau weiß, dass sie die Mutter ihres Kindes ist, baut hier möglicherweise andere Formen von Nähe und Bindung auf und ist damit auch mehr auf ein Kind (oder wenige Kinder) konzentriert, während Männer biologisch gesehen auch Möglichkeiten zu einer weitaus größeren Kinderanzahl haben (Eickhorst, 2009). Da nun, wie erwähnt, die Gene die Väter zwar für allgemeine Prinzipien vorbereiten, nicht aber für konkrete (etwa moderne) Gesellschaften, haben sich die heutigen Väter nun der Aufgabe zu stellen, die Anforderungen dieser Gesellschaft mit ihrem Erbe in Einklang zu bringen. Das Ergebnis (einerseits viel Engagement und „neue Väter“ aber andererseits auch viel Ambivalenz, Verunsicherung sowie immer noch stark abweichende quantitative Unterschiede in der Betreuung) wurde oben weiter dargestellt. Dies ist aber nicht etwa ein Defizit der Väter, sondern es stellt eine große Anpassungsleistung dar, die genannten Prinzipien und Anforderungen miteinander zu verbinden. Dieses Zusammenführen der biologischen und kulturellen Notwendigkeiten ist die originäre Funktionsweise von Evolution und damit auch von Väterlichkeit. Erfreulicherweise gibt es viele praktische Angebote für Väter (Beratung, Vätergruppen, Väterzentren…), in denen Männer ihre jeweilige Situation untereinander oder auch mit Fachkräften aus dem psychologischen oder pädagogischen Bereich erörtern und diskutieren können (vertiefend zu pädagogischen Angeboten: z.B. Borter/Popp/Schäfer, 2008; zu psychologischen Angeboten: Nakhla/Eickhorst/Schwinn, 2009). Somit wollen wir hoffen und sind zuversichtlich, dass auch weiterhin die modernen Väter sich den geschilderten Herausforderungen stellen und gute Lösungen entwickeln werden.

Dr. Andreas Eickhorst promovierter Psychologe, Schwerpunkt Entwicklungs- und Familienpsychologie. Besondere Interessen sind der Zusammenhang von Entwicklung und Kultur im System Familie, frühe Eltern-Kind-Interaktionen sowie die Vaterforschung, dort insbesondere subjektive Konzepte. Zurzeit koordiniert er u.a. für die hessenstiftung – familie hat zukunft ein Präventionsprojekt für belastete Familien ("Keiner fällt durchs Netz") am Institut für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie, Universitätsklinikum Heidelberg.

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Maike Christ Mitarbeiterin bei "Keiner fällt durchs Netz" am Institut für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie, Universitätsklinikum Heidelberg; BA Kindheitspädagogik; studierte an der PH Heidelberg Frühkindliche und Elementarbildung; seit 2011 an der Uni Gießen im MasterStudiengang Elementar- und Integrationspädagogik

Literatur Abel, F. & Abel, J. (2009): Zwischen neuem Vaterbild und Wirklichkeit. Die Ausgestaltung der Vaterschaft bei jungen Vätern. Ergebnisse einer qualitativen Studie. In: Jurczyk, K. & Lange, A. (Hrsg.): Vaterwerden und Vatersein heute. Neue Wege - neue Chancen (S. 231-249). Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, 2009. Borter, A., Popp, C. & Schäfer, E. (2008): Wo und wie kann man Väter erreichen? Zurufe aus drei Werkstätten der Väterarbeit. In: Walter, H. (Hrsg.): Vater, wer bist Du? Auf der Suche nach dem „hinreichend guten“ Vater (S. 268-290). Stuttgart: Klett-Cotta, 2008. Chasiotis, A. (2008): Zur Evolutionspsychologie der ersten drei Lebensjahre: Theoretische Grundlagen, empirische Befunde und praktische Konsequenzen. In: Borke, J. & Eickhorst, A. (Hrsg.): Systemische Entwicklungsberatung in der frühen Kindheit (S. 60–83). Wien: Facultas/UTB, 2008. Eickhorst, A. (2005): Vater-Erleben, integrative Kompetenzen und Wohlbefinden. Dissertation, Universität Osnabrück. Veröffentlicht unter http://elib.ub.uni-osnabrueck.de/publications/diss/E-Diss427_thesis.pdf. Eickhorst, A. (2009): Väter aus evolutionspsychologischer Sichtweise. In: Jurczyk, K. & Lange, A. (Hrsg.): Vaterwerden und Vatersein heute: Neue Wege neue Chancen. (S. 60-78). Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, 2009. Hurtado, A. & Hill, K. (1991): Paternal effect on offspring survivorship among Ache and Hiwi hunter-gatherers: Implications for modeling pair-bond stability. In: Hewlett, B. (Hrsg.): Father-child relations: Cultural and biosocial contexts (S. 31-55). New York: Aldine de Gruyter, 1991. Keller, H. & Chasiotis, A. (2008): Maternal investment. In: Salmon, C. & Shackelford, T. (Hrsg.): Family relationships: An evolutionary perspective (S. 91-114). New York: Oxford University Press, 2008. Lamb, M. (1997): Fathers and child development: an introductionary overview and guide. In: Lamb, M. (Hrsg.): The role of the father in child development, 3. Aufl. (S. 1-18). New York: Wiley, 1997. McHale, S.M. & Huston T.L. (1984): Men and women as parents: Sex role orientations, employment, and parental roles with infants. Child Development, 55(4), 1349-1361. Nakhla, D., Eickhorst, A. & Schwinn, L. (2010): Catch them, when you can?! – Angebote zur psychosozialen Unterstützung von Vätern mit Säuglingen und Kleinkindern unter besonderer Berücksichtigung der Teilnahmemotivation. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 59, 629-639. Pedersen, F.A., Yarrow, L.J., Anderson, B.J. & Cain, R.L. (1979): Conceptualization of father influences in the infancy period. In: Lewis, M. & Rosenblurn, L. (Hrsg.): The child and its family (pp.45-66). New York: Plenum, 1979. Pleck, E. & Pleck, J. (1997): Fatherhood ideals in the United States: Historical dimensions. In: Lamb, M. (Hrsg.): The role of the father in child development, 3. Aufl. (S. 33–48). New York: Wiley, 1997. Seiffge-Krenke, I. (2001): Väter und Söhne, Väter und Töchter. Forum der Psychoanalyse, 17, Scheunenpflug, A. (2001): Biologische Grundlagen des Lernens. Berlin: Cornelsen. Schmidt- Denter, U. (2005): Soziale Beziehungen im Lebenslauf (4. Aufl.). Weinheim: Beltz.

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Christine Henry-Huthmacher

Väterdämmerung Mit der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2006 rücken Väter wieder stärker in die öffentliche Wahrnehmung. Innerhalb der ersten Jahre nach ihrer Einführung schnellt die Akzeptanz der Vätermonate auf über 10% und liegt heute, nach 5 Jahren, bei 25%. Damit wandelt sich auch die Vorstellung vom Vater als Alleinverdiener zum sog. „aktiven Vater’’. Der Vater als Ernährer der Familie hat zwar noch immer nicht ausgedient, doch ist mittlerweile eine breite Vielfalt von Vatertypen entstanden, die sich mit den gesellschaftlichen Erwartungen an einen neuen Vatertypus auf sehr unterschiedliche Weise auseinandersetzt. Diese Erwartungen sind sehr hoch und reichen vom partnerschaftlichen Selbstverständnis über eine größere emotionale Bindung in der Kindererziehung bis hin zur finanziellen Verantwortung für die Familie. Dieser neue Vatertypus ist partnerschaftlich, zeigt ein höheres Engagement in der Kindererziehung und eine partnerschaftliche Einstellung zur Mutter der Kinder. Das stärkere Engagement der Väter wird nicht nur in der wachsenden Zahl derer, die Elternzeit nehmen sichtbar, der Stimmungswandel wird nach dem AllensbachFamilienmonitor 2008 auch von der gesamten Gesellschaft wahrgenommen. So haben 65% der Bevölkerung aus den Beobachtungen in ihrem Umfeld den Eindruck, dass sich Väter heute mehr um die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder kümmern als noch vor fünf bis zehn Jahren. Fast alle, die diese Entwicklung beobachten, bewerten diese positiv. Vor allem die jungen Väter selbst wollen sich gerne stärker einbringen. So wünschen sich 73% der Männer zwischen 15 und 41 Jahren eine Ausweitung der Vätermonate. Junge Väter orientieren sich heute anders als ihre Vätergeneration. In der Generation der eigenen Väter sehen sie keine als geeignet empfundenen Identifikationen. Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, die elterliche Rolle nach bestimmten gesellschaftlichen Normen und Wertevorstellungen zu gestalten. Vielmehr sind sie gezwungen, neue Rollenerwartungen an die Elternschaft zu entwickeln. Das ist insofern spannungsreich, als neben den neuen Rollenerwartungen oftmals traditionelle Aufgabenteilungen in den Familien und Partnerschaften bestehen bleiben. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass fast die Hälfte der Männer eine klassische Arbeitsteilung bevorzugt. In der Abwägung von Erziehung und Versorgung wird die Versorgerrolle als wichtiger eingestuft. In dem alltäglichen Familienalltag ist die Erziehung und Betreuung von Kindern nach wie vor Frauensache. 81% der Mütter übernehmen den größten Teil der Betreuungs- und Erziehungsaufgaben. Wie auch zur Verwirklichung ihrer Idealvorstellungen von Erziehung und Partnerschaft in der Familie wünschen sich über 42% der Mütter eine stärkere Beteiligung ihrer Partner an der Erziehungsarbeit. 92% der Väter sind mit der Erziehungsund Betreuungsarbeit der Mütter zufrieden. Zwar wollen immer mehr Männer engagierte Väter sein, doch bleibt es eine Wunschvorstellung, wenn die Emanzipation von traditioneller männlicher Vaterrolle nicht wirklich gelingt. Gesellschaftliche Leitbilder verändern sich schneller als Geschlechteridentitäten. Viele Männer hinken den Entwicklungen hinterher. Dennoch ist die Zufriedenheit der Väter in Paarfamilien in vielen Lebensbereichen höher als die der Mütter, das betrifft ihre Gesundheit, ihren Schlaf, das Haushaltseinkommen, die zur Verfügung stehende Freizeit, die Partnerschaft im Allgemeinen. Die größte Lücke zwischen 15


den Geschlechtern klafft in der Zufriedenheit hinsichtlich der partnerschaftlichen Unterstützung in der Kinderbetreuung, der Arbeitsteilung im Haushalt. Väter machen sich insgesamt weniger Sorgen um ihre Kinder als Mütter und sind sogar mit der Ausstattung des Wohnumfeldes mit Spielplätzen zufriedener als der Durchschnitt der Frauen. Auch wenn neueste Studien von einem Ende des Vollernährers in naher Zukunft ausgehen, so bleibt die Vollerwerbstätigkeit des Vaters in jede Lebensalter des Kindes das Ideal. Teilzeitarbeitende Väter als Ideal ist immer noch eine Randerscheinung. Und damit zeigt sich auch die Schwierigkeit der Vaterrolle heute. Die Vaterrolle wird derzeit neu definiert. Väter befinden sich in einer unsicheren Situationsdefinition zwischen traditioneller Ernährer- und moderner Erzieher- und Freundschaftsrolle. Oder wie es die Schriftstellerin Jana Hensel ausdrückte, sie haben sich vom abwesenden Vater zum symbolischen Vater entwickelt, gewünscht wird allerdings von vielen Frauen der reale Vater. Was verbirgt sich hinter dem symbolischen Vater? Symbolische Väter wissen, wie man ein Baby wickelt, wie man Brei kocht und auch auf Elternabenden die Familie vertritt. Sie schreiben auch Bücher über den Einsatz an der Wickelfront. Dort haben sie erfahren, dass der Alltag mit Kind ebenso stressig sein kann wie der im Büro. Symbolische Väter sind tolerant und einfühlsam, sie wissen wo das Waschmittel steht und packen an. Was ist daran zu kritisieren? Es ist der nicht wirklich ausbalancierte Kompromiss und der nach wie vor einseitige Verzicht den viele junge Mütter beklagen. Während für die aktiven Väter weiterhin gilt: nach der Elternzeit ist vor der Elternzeit, fast 90% aller Väter nehmen die alte Arbeit uneingeschränkt wieder auf, kehren nur 14% der Mütter in die Vollbeschäftigung zurück, nach zwei Kindern sind es nur noch 6%. Die Elternzeit – Utopie – so Jana Hensel- ist abgestürzt wie eine Aktie, die an der Börse zu hoch gehandelt wurde. Kann man zu dieser Erkenntnis kommen, wenn man sich die aktuellen Väterstudien näher anschaut? In der Tat erinnert der symbolische Vater dem in der Väterstudie von 2006 entwickelten Fassadenhaften-Vater, der für sein Kind da sein will, das traditionelle Rollenmodell verurteilt, in der Praxis jedoch den Nachwuchs meist der Mutter überlässt. Gumbinger und Bambey ermittelten 25% der Väter, die zu diesem Vatertypus zählen, der sich in Erziehungsfragen häufig überfordert fühlt, hilflos reagiert, wenn es um das Lösen von Aufgaben im Haushalt geht: Hinter der Fassade des fürsorglichen, überlegenen und gewissenhaften Vaters zeigt er sich eher hilflos. Das Vaterbild vieler Männer ist kognitiv geprägt. Sie haben keine eigenständige Haltung sondern suchen eine Position zwischen den Erwartungen ihrer Partnerin und dem gesellschaftlichen Leitbild von Vaterschaft. Mitverantwortlich für das Scheitern am eigenen Ideal scheint auch die Partnerin zu sein. Jeder zehnte Vater gab an von seiner Partnerin nicht akzeptiert zu sein, wenn es um Erziehungsfragen geht. Immerhin konnten Gumbinger und Bambey 28% der Väter ermitteln, die der Rolle des aktiven Vaters entsprechen, auch wenn sie in der Praxis nicht immer konsequent durchhalten. Den meisten jungen Vätern fehlt es an Vorbildern in der eigenen Familie, wie sich Vaterschaft ganzheitlich leben lässt. Gleichzeitig sehen sich Väter im Erwerbsalltag zunehmend unter dem Druck zu (noch) mehr Flexibilität und Mobilität, also mehr Zeit auch außerhalb der Familie zu verbringen. Die Anforderungen, die heute von Seiten des Berufes und der Partnerin an Väter gestellt werden, lösen Väter auch je nach sozialem Milieu höchst unterschiedlich. Während in den unteren sozialen Milieus die Väter noch Autorität demonstrieren, versuchen Väter in der bürgerlichen Mitte als sog. „Feierabendpapa’’ den Familienalltag nach Feierabend aktiv zu 16


unterstützen. Vatersein als eine Frage der Organisation und des Einsatzes im Sinne eines Part-Time-Event-Papas zeigen junge gut gebildete Männer mit hohen beruflichen Ambitionen, denen postmaterielle Väter jenseits der klassischen Rollenverteilung als partizipierende Väter gerecht werden wollen.( vgl. Henry-Huthmacher, Christine/ Borchard, Michael (Hrsg) (2008): Eltern unter Druck) Die neuen und aktiven Väter existieren nicht nur auf medialer Ebene. Allerdings scheint es zurzeit kein normativ verbindliches, einheitliches Vaterbild zu geben, an dem sich Väter orientieren können. Die Spannbreite wird individuell ausgestaltet, je nach Partnerbeziehung, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, beruflicher Situation und individueller Vorstellung. Und das macht das heutige Vatersein nicht leichter.

Christine Henry-Huthmacher Christine Henry-Huthmacher wurde 1955 in Saarbrücken geboren. Sie studierte Arbeits- Sozialrecht, Sozialpsychologie und Soziologie in Saarbrücken und Mannheim. Von 1986 an war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Konrad Adenauer Stiftung, von 1992 bis 2002 Abteilungsleiterin für Frauen- und Familienpolitik, seit 2003 ist sie Koordinatorin für Frauen- und Familienpolitik. Zudem war sie Mitglied der Familienkommission der CDU und der Bundesfachausschüsse Frauen und Familie in der 13. Legislaturperiode.

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Harald Seehausen

Aktive Vaterschaft in Kinder- und Familienzentren Verändertes Vaterbild als Herausforderung für die Jugendhilfe „Orte für Kinder und Familien“ – eine neue Idee von Kinder- und Familienzentren Die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Kinder- und Familienzentren (KiFaz) steht gegenwärtig im Zentrum der regionalen und bundesweiten Fachdiskussion. Die Anpassung der sozialen Struktur an veränderte familiale Bedarfe stellt für Kommunen und Träger eine aktuelle Herausforderung dar. Die Qualität frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote, die Gestaltung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Familienorientierung und Elternbeteiligung sowie die Kooperation im Gemeinwesen bilden den Schnittpunkt dieser qualitativen Weiterentwicklung. In diesem Zusammenhang nimmt die aktive Beteiligung und Einbindung von Familien unterschiedlicher Milieus und Herkunftsländer einen hohen Stellenwert ein. Dies erfordert einen partnerschaftlichen Ansatz, in dem das Erfahrungswissen der Eltern und das Fachwissen der Fachkräfte sich gegenseitig ergänzen. In besonderer Weise gilt dies für die Aktivierung von Vätern im frühkindlichen Bereich. Das öffentliche Interesse wächst, auch Väter in intensive und dialogische Erziehungs- und Bildungspartnerschaften einzubeziehen. Denn: das veränderte Erwerbsverhalten von Frauen verändert die traditionellen Muster von Männlichkeit. (Seehausen 2007; Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen u.a. 2009). Väter, Erzieher, Senioren und männliche Jugendliche sind keine Zaungäste mehr Kinder- und Familienzentren verfolgen das Ziel, die weibliche Orientierung durch eine männliche sichtbar zu ergänzen. Kinder erhalten somit die Chance, ihre Identifikation mit männlichen Bezugspersonen und ihren Aktivitäten zu erleichtern. Die aktive Mitarbeit von Erziehern im KiTa-Team, neue Zugänge zum aktiven Vaterengagement und soziales Engagement von männlichen Jugendlichen, Singles und Senioren in KiFaz, Mehrgenerationenhäusern, Eltern-Kind-Zentren und Sportvereinen spiegeln veränderte Wünsche und Erwartungen wider. Die Zunahme von Vätertreffs, Vater-Kind-Gruppen, unterstützt von Familienbildungsstätten, spielen dabei eine besondere Rolle. Das zunehmende persönliche Interesse nach „aktiver Vaterschaft“ wird mit einer stärkeren Einbindung in die Erziehung der Kinder verbunden. Das Bedürfnis, sich über Tageseinrichtungen für Kinder in der Nachbarschaft mit anderen Vätern auszutauschen und zu engagieren, ist in den letzten Jahren gewachsen. Das gilt auch für Väter mit Migrationshintergrund, insbesondere in Großstädten (Mankau/Seehausen/Wüstenberg 2010, S. 9). Neuer Schwung von Männern mit verstärkter Familienorientierung „Ein Kind zu trösten, sich in das kleine Leben hineinzudenken, das war ein wichtiger Unterschied zu früher…Die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, und zwar jeden Tag, bedeutete eine Zäsur in meinem Leben“. „Ich war nicht mehr für mich selber da. Das Kind hat mein Leben sehr verändert. Der Sinn des Lebens bekam eine neue Priorität. Das, was ich bisher unter Glück verstanden habe, verschob sich total.“ (Seehausen/Sass 2007). 18


Diese Aussagen aus den modernen Mittelschichtmilieus, aber auch neuere Forschungsergebnisse zu Vätern aus sozial benachteiligten Gruppen zeigen einen Wandel von Vaterschaft (Wippermann/Calmbach/Wippermann 2009; Volz/Zulehner 2009). Familie und Kinder erhalten aus der Sicht von erwerbstätigen Vätern eine höhere Anerkennung. Das traditionelle Männerbild hat Risse bekommen und ist brüchig geworden. Männer leben heute in einem Spannungsfeld von wirtschaftlichen Zwängen und familiärem Strukturwandel sowie widersprüchlichen beruflichen und gesellschaftlichen Erwartungen. Auch das Selbstbild und die individuellen Lebensentwürfe haben sich verändert. Viele Männer erleben das „Vater sein“ heute als Bereicherung ihres Lebens. Gleichzeitig geht die identitätsstiftende Bedeutung der Erwerbstätigkeit zurück. 70 Prozent aller werdenden Väter bewerten heute ihre Erzieher-Funktion für ihre Kinder höher als ihre Brotverdiener-Funktion für ihre Familie (Fthenakis/Minsel 2002). Es existieren bereits neue, vielfältige, männliche Selbstbilder, bei deren Umsetzung Männer aber noch mit zahlreichen Hindernissen zu kämpfen haben. Diese können sowohl in eigener Unsicherheit liegen als auch im Verhalten und Selbstverständnis der Partnerin, sowie im privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld und den darin gesetzten Rahmenbedingen. Das neue Männerleitbild zeigt sich ebenfalls in der steigenden Inanspruchnahme der Elternzeit. Das im Januar 2007 eingeführte Elterngeld, das im ersten Lebensjahr des Kindes eine Einkommensersatzleistung von 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens gewährleistet, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Seit der Einführung von Elterngeld und Partnermonaten ist der Anteil der Väter von 3,5 auf über 20 Prozent gestiegen. Das Elterngeld hat in der öffentlichen Wahrnehmung und in den Unternehmen zahlreiche Veränderungen bewirkt (BMFSFJ 2009, S. 1). Kinder- und Familienzentren –ein wichtiger Ort für Väter Kinder- und Familienzentren nehmen den Wandel von Vaterschaft zunehmend in den Blick. Dieses pädagogische Handlungsfeld der Jugendhilfe bietet für Väter aus unterschiedlichen Herkunftsländern gute Voraussetzungen, um sich für Kinder zu engagieren. Die einseitige Ausrichtung der Elternarbeit auf Mütter wurde im Feld der Kindergärten bereits seit Mitte 2005 kritisch unter die Lupe genommen. Martin Verlinden und Anke Külbel kritisieren die schwerwiegende „Unterväterung“ bei gleichzeitiger „Übermütterung“ (Verlinden/Külbel 2005, S. 20). Innovative Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Vätern in verschiedenen hessischen Kinder-und Familienzentren, gefördert von der hessenstiftung – familie hat zukunft, setzen sich u.a. mit folgenden Fragekreise auseinander: • • • •

• •

Über welche Wege ist es gelungen, mehr Informationen zur Lebenswirklichkeit der Väter zu erhalten? Welche Schlüsselsituationen und Themen werden aus der Sicht der Väter für ein persönliches Engagement in der Einrichtung benannt? Über welche Methoden und Zugänge sind Väter für eine stärkere Beteiligung motiviert und aktiviert worden? Welche personellen und fachlichen Voraussetzungen der Unterstützung in Fortbildung und Beratung sind für das Gelingen der Beteiligung von Vätern notwendig? Welche Haltung ist auf Seiten der Erzieherinnen und Erzieher für interkulturelle Elternarbeit und besonders mit Vätern mit unterschiedlicher Herkunft wichtig? Welchen Beitrag kann die Familienbildung in der Vernetzung und Kooperation mit Kinder- und Familienzentren leisten? 19


Diese Fragekreise führen in der Praxis zu hohen Anforderungen an pädagogische Fachkräfte und Träger. Alltagserfahrungen aus dem Projekt „Interkulturelle Väterbeteiligung“ Es sollen einige zukunftsweisende Erfahrungen aus der Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Vätern aus Migrantenfamilien in dem Kinder- und Familienzentrum Frankfurt-Fechenheim skizziert werden. Hier wird die väterliche Beteiligung an Familienarbeit gezielt angesprochen, um neue Wege der Integration und Gleichstellung zu entwickeln. Insbesondere werden Väter aus einem Sozialraum einbezogen, in dem zahlreiche Familien mit Zuwanderungsgeschichte in prekären Arbeitsverhältnissen und Einkommensarmut leben. Im Kinder- und Familienzentrum arbeiten gegenwärtig vier männliche Erzieher, die den Aufbau einer interkulturellen Väterbeteiligung mit einer externen Begleitung weiterentwickeln. Die Fachkräfte setzen an dem vorhandenen Bedarf der Väter an, fördern die vorhandenen Kompetenzen und stellen Verbindungen zwischen dem Engagement der Väter, den Bildungs- und Lernprozessen der Kinder und Familienbildung her (Mankau/Seehausen/Wüstenberg 2010, S. 40-41). Die Ausgangsthese lautet: Kinder aktiver Väter entwickeln sich besser. Sie erhalten höhere Startchancen auf der emotionalen und kognitiven Ebene, verhalten sich selbstständiger und verfügen über ein größeres Selbstvertrauen. Für den Erfolg interkultureller Väterarbeit nehmen die Grundhaltung und Ressourcenorientierung von zentraler Bedeutung (Tunç 2010, S.161). Vor diesem Hintergrund suchen die Erzieher und Erzieherinnen in dem Fechenheimer KiFaz neue Zugänge zum aktiven Vaterengagement. Die Zusammenarbeit mit Vätern kultureller Milieus verfolgt folgende Ziele: •

• •

Der Austausch der Väter über Alltagserfahrungen wird gefördert. Aus der gemeinsamen Kommunikation werden Schlüsselsituationen und Themen zur väterlichen Beteiligung an Erziehungsverantwortung näher bestimmt. Die Förderung der Vater-Kind-Beziehung erfolgt über erste „kleine“ Projekte. Väter erhalten über gemeinsame Aktivitäten mit ihren Kindern die Chance, eine neue Vaterrolle für sich zu finden. Väter werden motiviert, sich mit ihren persönlichen Kompetenzen und Fähigkeiten in die Lebenswelt der Kinder einzubringen. Der Aufbau eines Vätertreffpunkts schafft Voraussetzungen, die Erwartungen und Wünsche der Männer stärker im Kinder- und Familienzentrum zu thematisieren.

Erzieher und Erzieherinnen haben in Tür- und Angelgesprächen die aus der Sicht der Väter bedeutsamen Alltagsthemen recherchiert. Das Interesse der Männer wird u.a.an den folgenden Wünschen und Erwartungen deutlich: Eingewöhnung des Kindes, Sprachförderung, Schulvorbereitung, Bewegung und Sport, Zufriedenheit mit der pädagogischen Arbeit der Kita, Alltagsrituale wie Essen und Betreuung, familiäre Belastungen wie Krankheit des Kindes und der Angehörigen, flexible Betreuungszeiten im KiFaZ und Familienalltag, Arbeitssituation des Vaters und wenig Zeit für das Kind. Aus den bisherigen Praxiserfahrungen lassen sich erste Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung des Projekts ziehen: Väter unterschiedlicher Nationalitäten nehmen mit ihren Kindern an den Treffen am Sonntagvormittag teil und möchten ihre Wünsche an das Kinder- und Familienzentrum mit den Fachkräften diskutieren. Väter zeigen ein großes 20


Interesse, sich untereinander über Alltagsfragen auszutauschen. Sie wünschen sich unterschiedliche Aktivitäten mit ihren Kindern (z.B. Kennenlernen der Gruppenräume, Wandern, Fußballspielen mit Kindern bis zum Zoo-Besuch). Väter verfügen über persönliche Talente für kindliche Bildungsprozesse, die Chancen für ehrenamtliche Tätigkeiten eröffnen; das Bedürfnis nach Aufbau eines sozialen Netzwerkes mit anderen Vätern ist gewachsen. Die Ausgestaltung partnerschaftlicher Modelle von Beziehung zur Partnerin, die Entwicklung von Lösungen für die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie stehen noch am Anfang. Die Mehrzahl der Väter mit Zuwanderungsgeschichte sieht sich im Spannungsfeld zwischen traditionellen und modernen Orientierungen; hier fehlt es noch an Angeboten der Familienbildung, insbesondere der Männer- und Väterarbeit. Die Erzieher und Erzieherinnen stehen vor der Herausforderung, die heterogene Gruppe von Männern mit Migrationshintergrund für die pädagogische Praxis zu bestimmen: z.B. Flüchtlinge, Arbeitsmigranten, Spätaussiedler, Binationale. Sie beobachten teilweise gravierende Unterschiede hinsichtlich des Geschlechterverhältnisses von Migrationsfamilien, in Abhängigkeit vom Schicht- und Bildungsniveau sowie vom Grad der Verstädterung. Dazu kommen Diskriminierungserfahrungen, abhängig von kulturellen wie religiösen Traditionen. Die Vaterschaftskonzepte von Männern mit Zuwanderungsgeschichte zeigen eine große Pluralität. Die Studie „Eltern unter Druck“ weist auf eine Vielfalt von Modellen des Vaterseins in den unterschiedlichen Migrantenmilieus hin (Merkle/Wippermann 2008, S. 55-75). Die Bildungsarbeit mit Vätern: Kooperation mit Familienbildungseinrichtungen Die Stärkung eines partnerschaftlichen Leitbildes erfordert neue Wege der Bildungsarbeit mit Vätern. Familienbildung wird hier zu einem zentralen Partner für Kinder- und Familienzentren. Die aktuelle Diskussion fragt nach einer besseren Verknüpfung der Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Familienzentren und Familienbildung. In diesem Kontext spielen der Zugang zu Eltern aller sozialen Schichten und damit das bedarfsorientierte Angebot der Familienbildung eine bedeutende Rolle (Kunz 2007). Biografische Übergänge zwischen Lebensabschnitten gelten als lernsensible Phasen. Kinder- und Familienzentren greifen Übergänge des Kindes von der Familie in Krippe, Krabbelstube und Kindergarten als Bildungsanlässe für Väter und Mütter auf, nicht selten in Kooperation mit Einrichtungen der Familienbildung. Kommunikation und Hilfen zur Bewältigung von Umbruchsituationen für Väter werden angenommen, um sich mit den vielfältigen neuen und widersprüchlichen Rollenerwartungen auseinandersetzen (Richter/Verlinden 2000, S.11-23). Angebote der Familienbildung ist an vielen Orten nach wie vor „Frauensache“. Aufgabe der künftigen Eltern- und Familienbildung ist es, Angebote zu entwickeln, die den Blick stärker auf Väter richten, um ihre Erziehungskompetenzen auszubilden und sie im Umgang mit ihren Kindern zu stärken. Ausblick: Neue Chancen für aktive Vaterschaft zu entwickeln. Das herkömmliche Ernährermodell ist überholt. Die Zahl interessierter und mitwirkungsbereiter Väter wächst. Väter wollen nicht länger „Zaungäste“ des Geschehens in den modernen Kindertageseinrichtungen sein. Kinder- und Familienzentren können einen wichtigen Beitrag „auf dem Weg zu neuen Geschlechterarrangements“ (Barbara Riedmüller 2009, S. 121) leisten. Diese begreifen sich als Orte öffentlicher Kommunikation, wo Männer 21


über die Hindernisse, Familie und Beruf zu vereinbaren, sich miteinander austauschen können. Kinder- und Familienzentren bieten Chancen, einen Einstellungswandel von Männern und Frauen im Hinblick auf eine faire Arbeitsteilung zu fördern. In diesem Zusammenhang eröffnen lokale Bündnisse für Familie innovative Möglichkeiten, die Familie bei der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu unterstützen und einen bewusstseinsbildenden Beitrag zum Wandel des Vaterbildes beizutragen.

Dr. phil. Harald Seehausen Sozialforscher beim Deutschen Jugendinstitut (1974-1998). Seit 1999 Gründer und Inhaber der Frankfurter Agentur für Innovation und Forschung. Initiator von zahlreichen Bürgerinitiativen: u.a. Aktionsforum „Männer & Leben – Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Innovationsberater von Reformprojekten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Kommunen, Unternehmen und Sportvereinen: u.a. „Netzwerke „Focus Väter“ der Commerzbank AG und „Väter in Unternehmen“ in Darmstadt. Politik- und Stiftungsberatung zur Entwicklung familienfreundlicher Kommunen z.B. in Kooperation der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, der Bertelsmann-Stiftung, der BHF-BANK-Stiftung und der hessenstiftung - familie hat zukunft. Wissenschaftliche Begleitung von Forschungsprojekten u.a.im Auftrage von Bundesfamilienministerium, Unternehmen und Kommunen in den Handlungsfeldern Chancengleichheit von Frauen und Männern, Flexibilisierung von Arbeits- und Öffnungszeiten sowie Kinder- und Familienzentren. Herausgeber der Zeitschrift KiTa-aktuell Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland.

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Mankau, Gabriele/Seehausen, Harald/Wüstenberg, Wiebke (2010): Kinder- und Familienzentren als neue Orte frühkindlicher Bildung. Kronach: Carl Link Verlag Merkle, Tanja/Wippermann, Carsten (2008): Eltern unter Druck. Die Studie. In: Henry-Huthmacher, Christine/Borchard, Michael (Hrsg.):Eltern unter Druck. Selbstverständnisse, Befindlichkeiten und Bedürfnisse von Eltern in verschiedenen Lebenswelten. Stuttgart: Lucius & Lucius. Riedmüller, Barbara (2009): Ein neues Geschlechterverhältnis? Familienpolitik muss sich veränderten Realitäten anpassen. In: Biedenkopf, Kurt/Bertram, Hans/Niejahr, Elisabeth (im Auftrag der Robert Bosch Stiftung): Starke Familie – Solidarität, Subsidarität und kleine Lebenskreise. S. 120-128. Richter, Robert/Verlinden, Martin (2000): Vom Mann zum Vater. Praxismaterialien für die Bildungsarbeit mit Vätern. Köln: Sozialpädagogisches Institut NRW. Seehausen, Harald/ Sass, Jürgen (2007): Die Väterthematik im Unternehmen: Salonfähig aber nicht „betriebsfähig“? Explorative Studie bei der Commerzbank. Imagebroschüre. Frankfurt am Main: Frankfurter Agentur für Innovation und Forschung. Seehausen, Harald (2007): Orte für Kinder. Familienpolitische und sozialpädagogische Perspektiven. KiTa spezial, Heft 2: Kronach: Carl Link Verlag Tunç, Michael (2010): Väter in der interkulturellen Elternarbeit. Migration, soziales Milieu, Männlichkeit. Versuch der Klärung einer verschlungenen Problemkonstellation, S. 153-171. In: Prömper u.a. (Hrsg.): Was macht Migration mit Männlichkeit? Opladen & Famington Hills: Verlag Barbara Budrich Verlinden,Martin/Külbel, Anke (2005):Väter im Kindergarten. Weinheim und Basel: Beltz Verlag. Wippermann, Carsten/Calmbach, Marc/Wippermann, Katja (2009):Männer: Rolle vorwärts, Rolle rückwärts? Identitäten und Verhalten von traditionellen, modernen und postmodernen Männern. Opladen & Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich. Volz, Rainer/Zulehner, Paul.M. (2009): Männer in Bewegung. Zehn Jahre Männerentwicklung in Deutschland. Forschungsreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Band 6. BadenBaden: Nomos Verlag.

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Johannes Thönneßen

Welchen Wert hat „Erziehungsarbeit“? Über die Rolle der Väter und ihren Wert in der Gesellschaft Ich saß im Café und hörte folgendes Gespräch – unfreiwillig – mit: „Ich verstehe nicht, warum sie arbeiten geht. Sie hat zwei Kinder, die Tochter ist gerade mal 10 Jahre alt. Der Mann verdient gut, sie können sich alles leisten. Statt sich um die Kinder zu kümmern, hat sie diese Stelle angenommen. Und was für einen Stress das bedeutet. Die Kinder kommen ja nicht jeden Tag erst um vier Uhr aus der Schule, das heißt, sie muss sich jeden Tag abhetzen, um rechtzeitig zu Hause zu sein.“ Und sich dann um die Erziehung kümmern, dachte ich für mich. Auch selbst erlebt: Ich betrete morgens, in der Zeit, in der meine Kinder in der Schule sind, einen Frisörsalon. Beim Plaudern werde ich gefragt, ob ich auch schon pensioniert sei. Was einmal viel über mein äußeres Erscheinungsbild verrät, andererseits aber zeigt, dass die Vorstellung, ein erziehender Vater könnte am Vormittag Zeit haben, zum Frisör zu gehen, doch recht abwegig ist. Oder welche Frau ist schon mal beim Frisör gefragt worden, ob sie sich schon im Ruhestand befindet? Man stelle sich folgendes Gespräch vor: „Mein Kollege ist ein merkwürdiger Mensch. Jeden Morgen kommt er abgehetzt ins Büro, und an drei Tagen in der Woche rennt er früher raus, um rechtzeitig zu Hause zu sein, wenn die Kinder aus der Schule kommen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum er überhaupt noch arbeitet. Seine Frau verdient gut, er könnte so ein schönes Leben haben.“ Oder sogar so: „Mein Kollege hat zwei kleine Kinder, aber statt für sie da zu sein, arbeitet er fast jeden Tag bis spät abends, und manchmal kommt er sogar am Wochenende in die Firma. Was soll da aus den Kindern werden?“ Ziemlich unrealistisch, oder? Wirklich viel hat sich noch nicht geändert, finde ich. Die Rollen sind klar verteilt. Familie bedeutet: Der Mann schafft das Geld heran, die Frau erzieht die Kinder. Was daran falsch ist? Im Einzelfall gar nichts. Wenn sich die Partner einig sind, dass es genau die Dinge sind, die jeder am besten kann. Und solange die „Erziehungsarbeit“ in der Gesellschaft den gleichen Wert zuerkannt bekommt wie die Erwerbstätigkeit. Ist das nicht das eigentliche Problem? Wer eine angesehene Position bekleidet, wer ein Unternehmen aufbaut, wer seiner Familie einen gewissen Lebensstandard ermöglicht, der genießt eine hohe Anerkennung: „Da hat es zu was gebracht.“ Solange es ein Mann ist. Beruflich erfolgreiche Frauen hingegen werden immer noch mit Misstrauen beobachtet. Welche Anerkennung bekommt jemand, dessen Kinder sich in Schule und Clique sozial verhalten? Die eine eigene Meinung entwickeln, klare Vorstellungen von der Welt und ihrem Dasein entwickeln? Mit Geld umgehen können, hilfsbereit sind, soziale Verantwortung übernehmen, zu ihrer Meinung stehen?

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Kann man als Vater Karriere machen? Wie erstrebenswert ist für junge Männer die Vorstellung, später einmal „Vater“ zu werden? In der Junior Management School, einer privaten Bildungsinitiative, in der Oberstufenschüler Grundlagen des Unternehmertums erfahren und dabei sich auch intensiv mit ihren Zukunftsvorstellungen auseinandersetzen, gibt es in dem Modul „Werte“ eine DilemmaÜbung. Wir konfrontieren Kleingruppen mit einer Entscheidungsdiskussion, bei der es weder ein Richtig noch ein Falsch gibt. Sie haben die Aufgabe, auf jeden Fall eine Entscheidung zu treffen. Eine Situation lautet: Sie stehen vor Ihrem entscheidenden Karriereschritt. Der Inhaber der Kanzlei hat Ihnen die Partnerschaft in Aussicht gestellt, womit Sie das geschafft hätten, wofür Sie viele Jahre hart gearbeitet haben. Sie kommen mit dem Inhaber sehr gut aus, fühlen sich in der Kanzlei wohl und würden gerne dort bleiben. Aber selbst wenn Sie sich einmal anders entscheiden sollten, wäre die Partnerschaft die ideale Voraussetzung, um im nächsten Unternehmen eine Top-Position zu bekleiden. Ein weiterer Vorteil ist nicht zu unterschätzen: Sie haben gerade gebaut, und der erhebliche Gehaltszuwachs würde Sie um einiges ruhiger schlafen lassen. Am heutigen Tag haben Sie Ihrem Partner fest versprochen, mit zur Schulfeier Ihres achtjährigen Sohnes zu kommen. Er tritt dort auf und hat in den letzten Tagen immer wieder gefragt, ob Sie auch wirklich da sein würden. Er ist total stolz darauf, Ihnen zu zeigen, was er einstudiert hat. Und da Sie in der Vergangenheit mehr als einmal zugesagt hatten und dann doch nicht kommen konnten, hat Ihr Partner Ihnen klar zu verstehen gegeben, dass Sie eine Verpflichtung nicht nur gegenüber der Firma, sondern auch gegenüber der Familie haben. Ihnen ist klar, dass Sie diesmal wirklich dabei sein sollten. Am Nachmittag findet eine Sitzung mit einem wichtigen Klienten aus der Wirtschaft statt. Die Anwälte des Unternehmens haben noch etliche Themen auf der Tagesordnung, und es ist abzusehen, dass – obwohl die Besprechung gegen 18.00 Uhr zu Ende sein sollte – es noch lange dauert. Es ist völlig klar, dass Ihr Chef ohne Sie nicht weiter verhandeln kann, da Sie alle Vorbereitungen getroffen haben und es Ihr Projekt ist. Es ist aber nicht irgendein Projekt, sondern ein ganz entscheidendes, denn wenn es gelingt, dieses Unternehmen als Kunden zu gewinnen, macht die Kanzlei den Sprung unter die Top 5 in Deutschland und wird enorm an Reputation gewinnen. Ihnen ist völlig klar, dass der erfolgreiche Abschluss das ITüpfelchen auf dem Weg zur Partnerschaft ist. Ihr Chef, so gut Sie auch mit ihm auskommen, hätte keinerlei Verständnis, wenn Sie in dieser Situation die Verhandlungen abbrechen, weil dann für den Kunden klar wäre, dass Ihre Kanzlei im Zweifelsfall die „falschen Prioritäten“ setzt. Wie entscheiden Sie sich? Nach der Entscheidung, auf die sich die Gruppen einigen müssen, wird diese im Plenum diskutiert. Interessant sind die Argumente. Ein Dialog aus der Praxis: Er: „Ich würde mich für die Firma entscheiden. Wer weiß, ob so eine Chance sich noch einmal bietet. Schließlich hat auch die Familie etwas davon, wenn ich Karriere mache. Mein Sohn wird das eines Tages verstehen.“ Sie: „Ach, und wie viele Chancen hast du im Leben, das Vertrauen deines Kindes wieder zu gewinnen?“ Er: „Ach, willst du vielleicht einen Mann, der zu Hause vor dem Fernseher sitzt und sich das Bier bringen lässt?“ – Sie: „Ach, ist das meine einzige Alternative?“

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Eine andere Beobachtung aus dem Junior Management Unterricht „Werte“: Wir lassen die Jugendlichen ihre wichtigsten Werte mit Hilfe des Paarvergleiches in eine Rangfolge bringen. Manch eine Teilnehmerin saß anschließend sehr nachdenklich da. Der Grund: Beim direkten Vergleich setzte sich der Wert „Familie“ durch. Das entsprach oft den eigenen Erwartungen, manchmal jedoch kam es auch überraschend: „Ich dachte, dass mir beruflicher Erfolg und Karriere wichtiger sind, aber das ist offenbar nicht so!“

Der Wert der „Erziehungsarbeit“ Natürlich ist all das nicht repräsentativ. Für mich zeigen diese Beispiele jedoch das Dilemma, in dem junge Frauen stecken: Sie erleben Familie und Beruf als Gegensatz, als unvereinbar. Es gibt etliche, die eine sehr klare Vorstellung haben: „Ich studiere, dann kommt Familie, und dann der Beruf. Karriere ist mir nicht wichtig!“ Sie lösen das Problem durch unterschiedliche Gestaltung der Lebensphasen. Diesen Ansatz habe ich bei jungen Männern eher selten gehört. Auch unter ihnen gibt es eine ganze Reihe, die den Wert „Familie“ hoch gewichten. Da fallen eher Sätze wie: „Ich möchte auf jeden Fall einmal eine Familie haben bzw. gründen!“ Interessante Formulierung. Nicht: „Ich möchte einmal Vater sein!“, sondern sie „haben etwas“ oder „gründen“ – wie man ein Unternehmen gründet. Womit auch wieder geklärt ist, welche Art von Rollenvorbild sie einmal abgeben werden. Ich lese immer häufiger, dass Männer zunehmend Wert darauf legen, für die Familie da zu sein, die Erziehung der Kinder mit zu gestalten, eine aktive Vaterrolle wahrzunehmen. Ich bin da skeptisch. Derartige Aussagen tätigen Vätern bei gleichzeitiger Klage darüber, dass ihnen ja leider die Zeit für die Familie fehlt. Sie würden gerne, wenn sie könnten. Tatsache ist, dass sie, wie in dem beschriebenen Dilemma, anderen Werten eine höhere Priorität einräumen – was wiederum mit der in unserer Gesellschaft nun mal dominierenden Rolle des Ernährers zu tun hat, der seiner Familie einen gewissen Lebensstandard ermöglicht. Und wenn ein Vater, der beruflich besonders erfolgreich ist und seiner Familie einen erheblichen Wohlstand ermöglicht, dieses Bedürfnis äußert, dann ist der Widerspruch noch größer. Anders ausgedrückt: Wer gerne mehr Aufgaben als Vater übernehmen möchte, aber sich damit begnügt, diese Rolle an wenige Wochen während eines entspannten Urlaubes oder maximal am Wochenende auszufüllen, für den sind andere Dinge wie Status, Absicherung im Alter, Wohlstand, Macht etc. wichtiger. Eine Änderung von Wertvorstellungen ist ein langwieriger Prozess. Ich glaube nicht, dass es damit getan ist, mehr Betreuungsangebote für Kinder zur Verfügung zu stellen. Das mag Frauen helfen, die auf diese Weise einen Ausweg aus ihrem Dilemma finden. Die Einstellung gegenüber Vätern bzw. ihrer Rolle in der Gesellschaft wird das kaum verändern. Schön wäre es, der „Erziehungsarbeit“ einen höheren Wert zu verschaffen, mir fehlt offenbar die Fantasie, wie das funktionieren könnte. Vielleicht, weil ich ein Mann bin? Sicher, man könnte das Kindergeld in Erziehungsgeld umbenennen. Es demjenigen als „Gehalt“ überweisen, der die Erziehung hauptsächlich verantwortet. Man müsste Beispiele für „erfolgreiche Väter“ finden und groß herausstellen. Was natürlich paradox wäre, denn welchen Eindruck würde das auf „erfolgreiche Mütter“ machen?

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Man müsste die Diskussion um den Wert der Erwerbstätigkeit, den Wert von Karriere und den Wert von Familie bzw. „Erziehungsarbeit“ forcieren – das wäre das mindeste, was notwendig ist. Ein Thema, das auf der gesellschaftlichen Ebene ebenso hochgehalten werden müsste wie es zwischen Menschen, die sich für eine Familie entscheiden, intensiv diskutiert werden sollte. Was letztlich darin mündet, junge Menschen darin zu bestärken, sich über ihre eigenen Werte klar zu werden und darauf aufbauend bewusste und eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Aber wo soll das geschehen? Eine wahrhaft große Herausforderung.

Johannes Thönneßen Diplom Psychologe, Geschäftsführer MWonline GmbH, Mitgründer und Gesellschafter der jMS GmbH. Verwitwet und daher alleinerziehender Vater zweier Kinder

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Hans Prömper

Ist Väterlichkeit selbst schon religiös? Ein essayistischer Blick auf Väter und Religion Ich bin Jahrgang 1950. Was erinnere ich an meinen Vater? Er war Kriegsheimkehrer. Spielen tat er mit mir nicht. Er nahm mich mit zum Fußball. Sonntags morgens bekam ich einen tollen Saft, wenn ich ihm beim Kartenspielen im Kolpingheim zuschaute. Wir gingen in den Wald, um Brennholz zu machen und Tannenzapfen zu sammeln. Ich half bei seiner Hausarbeit: Holz aufschichten, das er hackte; in den Gemüse- und Kartoffelbeeten im Garten Unkraut rausreißen; beim Teppichboden verlegen. Er sprach nicht viel mit mir. Ich war fast 35, als er mir zeigte, wie ein Mann sich nass rasiert. Ich habe ihn vor Verzweiflung und Kummer weinen sehen. Er hat mich verprügelt. Er war Arbeiter. Für mich war er ein guter Vater. Und: Er war religiös.

Wo wir herkommen: Väter ohne (religiöse) Bindung Karl Gebauer geht in seiner Studie „Väter gesucht“ (Gebauer 2003) der biografischen Entwicklung innerer Vaterbilder und der Entstehung väterlicher Bindung an ihre Kinder nach. In sechzehn exemplarischen Geschichten zwischen 1950 und 1970 geborener Männer wird einerseits die massive innere und äußere Abwesenheit der Väter der Kriegsgeneration deutlich. Deutlich wird mir aber auch: Religiosität spielt in diesen Vätergeschichten so gut wie keine Rolle. Lediglich in vier Geschichten kommt Religion vor, dabei sogar eher als Behinderung der Bindung der Väter. Da ist der Pastor bzw. der Kirchenmitarbeiter, deren Religion in keiner unterstützenden Beziehung zu ihrer Väterlichkeit steht: Die Väter entwickeln keine Bindung an ihre Kinder, sind in der Familie eher abwesende Fremdkörper, ihre Christlichkeit verbindet sich sogar mit Gewalt in der Erziehung. In der dritten Geschichte berichtet ein Vater, von seinem Sohn nach Gott gefragt, es sei ihm nur seine eigene Orientierungslosigkeit und Unzufriedenheit deutlich geworden. Lediglich in einer Geschichte wird eine die Person berührende, emotionale religiöse Bindung deutlich, allerdings aus der Sicht des Sohnes. Dieser Mann erzählt, als 5-jähriger Junge im Krankenhaus am Bett seines todkranken Vaters gekniet und um dessen Leben gebetet zu haben, dass sein Vater nicht stirbt. Dieser Mann versteht sich als „katholisch erzogen“ und „gläubig“, wenn auch aus der Kirche ausgetreten. Als einziger der vorgestellten Väter spricht er im Kontakt zu seinen Kindern explizit von Werten und Grundsätzen, die er vermitteln möchte bzw. die ihm bei seinen Kindern wichtig sind. Dieser Befund in Karl Gebauers Studie ist symptomatisch. Ähnlich zeigen die beiden repräsentativen Männerstudien von Paul M. Zulehner und Rainer Volz (Zulehner/Volz 1998, Volz/Zulehner 2008) als bleibende Konstante: Moderne Männer tun vieles mit ihren Kindern, aber nicht beten. Religion und religiöses Sprechen scheinen so sehr „Privatsache“ geworden zu sein, dass Väter heute hier weder Kompetenzen noch Sprachfähigkeiten aufweisen. Oder ist das doch anders? Sind Väter auf eine „verborgene“ Weise „religiöser“ als gedacht? Eben auf eine Art, die von klassischen Umfragen nicht erfasst wird. Qualitative, in ihrem Instrumentarium offenere Studien zur Religiosität lassen zumindest vermuten, dass Männer und Väter durchaus religiös sein könnten, wenn auch anders als klassisch kirchlich-religiös (Engelbrecht/Rosowski 2007). Wo wird eine religiöse Bindung von Vätern also spürbar? 28


Szenenwechsel: Vater-Kind-Gottesdienst an Christi Himmelfahrt Vielerorts ist der „Vatertag“ ein familienfernes Männerunternehmen. Der Vater-KindGottesdienst an Christi Himmelfahrt greift das Motiv des traditionellen „Vatertags“ auf und besetzt diesen neu und positiv als Tag der Väter mit ihren Kindern.1 Die Organisatoren haben Väter und Kinder eingeladen in den gotischen Frankfurter Kaiserdom, die ehemalige Wahl- und Krönungskirche der deutschen Könige und Kaiser. Als sichtbares Zeichen möchten sie Vätern und ihren Kindern einen Raum der Wertschätzung geben¸ und sie möchten Religion und Glaube als Sache der Väter öffentlich ansprechen. Der Bischof (Franz Kamphaus) hatte eingeladen, Kinder und Väter sollten vorab jeweils etwas schreiben. Väter: Was sie an ihren Kindern gut finden. Was sie ihnen an Werten und Erfahrungen mitgeben möchten. Und die Kinder sollten schreiben: Was sie von ihren Vätern brauchen. Was ihnen bei ihrem Papa fehlt. Was sie an Papa toll finden. Lohn der Schreibarbeit war später eine Spezialführung für die beteiligten Väter und ihre Kinder an sonst verschlossene Orte im Dom: Turmspitze und Dachboden. Der Gottesdienst greift die vorab zugeschickten Texte von Vätern und Kindern auf. Schnell kommen Gefühle ins Spiel und es wird deutlich, wie sehr Väter und Kinder sich mögen und benötigen. Es wird spürbar, was es bedeutet, wenn der Papa fehlt oder keine Zeit hat. Besonders beeindruckend der Brief eines Jungen, dessen Vater vor kurzem gestorben war. Versagen, Ängste, Sehnsüchte und Hoffnungen werden spürbar – und in die Vergebungsbitte und das Kyrie hineingenommen. In seiner Predigt fordert der Bischof eine spürbare väterliche Autorität, welche ihre Hand schützend über die Kinder hält und ihnen Geborgenheit gibt, ein Obdach für die Seele. „Ich spüre heute noch, nach 70 Jahren, die Hand meiner Mutter und meines Vaters auf meiner Stirn, die mir das Kreuzzeichen gaben", erinnert sich Kamphaus. „Das geht unter die Haut und prägt". Der Gottesdienst dauert 90 Minuten. Trotz dieser Länge ist die Stimmung hoch konzentriert. Keine Unruhe, kein Fragen "Wie lange dauert es noch?". Einfach nur gespannte Aufmerksamkeit und Beteiligtsein. Bei manchen Vätern werden Tränen in den Augen gesehen.

Religion in der Moderne: Etwas Theorie Wir leben historisch am Ende der sogenannten Volkskirche. Kirchlichkeit ist aus der Breite der Gesellschaft in die Nischen verschlossener Reservate mit einer hochgradigen Binnensprache abgetaucht. Eine Tradierung religiöser Kulturbestände findet kaum noch statt bzw. sie geschieht häufig um den Preis einer folkloristischen Sonderwelt, welche keinen Alltag mehr prägt. Unser Selbstverständnis als Gesellschaft erscheint vielfach säkular und profan. Religion ist vielen „peinlich“, von „gestern“ oder „vormodern“. Dennoch fällt auch auf: Religiöses findet nach wie vor statt, wenn auch in Form von Äquivalenten zur institutionalisierten Religion. In Liedern, Konzerten und Blockbuster-Filmen taucht auf, wovon die Profis der institutionalisierten Religion vielfach die Finger lassen: Sehnsucht nach Fortdauer und Unsterblichkeit, Umgang mit Leid und Versagen, Mission und Berufung als Lebensaufgabe, Kampf zwischen Gut und Böse, Opfer und Auferstehung, Eintreten für

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Ausführlich in Prömper 2007b.

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Gerechtigkeit und Werte, Einstehen für Überzeugungen, Glaube an Liebe und Treue, Heilszusage und Ganzwerden nach Verletzung und Erniedrigung, ... Religiöse Sehnsüchte bleiben - im Wunsch nach Bewältigung der „Zufälligkeit“ und „Kontingenz“ des eigenen Lebens, in der Suche nach einem Gefühl von Gemeinschaft und Verbundenheit, in der Sehnsucht nach Einordnung in einen sinnerfüllten Kosmos (und sei es im Empfinden als Teil der Natur), in der Suche nach tragenden Handlungsentwürfen und bleibenden Werten, in der Suche nach einem sinnerfüllten Leben. 70 % der in Deutschland lebenden Menschen bezeichnen sich als religiös, so der Bertelsmann Religionsmonitor von 2008 (Bertelsmann Stiftung 2007). Seine qualitativen Interviews erweisen die Beteiligten als religiös kompetent, sofern sie in der Lage sind, Religiöses zu identifizieren und auf ihr Leben zu beziehen (Nassehi 2007, S. 113). Jedoch erscheinen die religiösen Inhalte, das religiöse Erleben und die religiöse Praxis sehr individuell geprägt. Authentisch sein entzieht sich den klassischen religiösen Formen und Praxen: „Je intensiver unsere Interviewpartner ihr eigenes Glaubensleben erleben, desto mehr geraten sie in innere Distanz zur kirchlichen Praxis“ (Nassehi 2007, S. 120). Gerade bei Hochreligiösen ist der Orientierungspunkt der Kirchenferne die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben, die Suche nach Authentizität: „Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Verantwortung und Toleranz sind jene Begriffe, die immer wiederkehren – sie stehen gewissermaßen für das, was die meisten Interviewpartner als das Ergebnis gelungener Religiosität betrachten.“ (Nassehi 2007, S. 126) Dabei korrespondiert nun eine „hohe Religiosität mit einer intensiven religiösen Sozialisation im Kindesalter und in der Herkunftsfamilie – und auch wenn Personen erst im Erwachsenenalter zu einer intensiven religiösen Praxis finden, geht das stets mit Kindheitserfahrungen mit Religion einher“ (Nassehi 2007, S. 127). Ähnliche transgenerationelle Wirkungszusammenhänge stellt auch der Religionspädagoge Albert Biesinger fest: „Bedeutsam ist eine Übereinstimmung von religiösen Überzeugungen bzw. geäußerten Grundeinstellungen und dem tatsächlich praktizierten Verhalten von Eltern.“ (Biesinger 2008, S. 223) Es ist die Überzeugungskraft des Performativen, nicht des Kognitiven: Es wirkt, was ich tue und fühle, nicht, was ich denke und sage. Der Erwachsenenbildner Klaus Bergold fordert eine (am Konzept der Salutogenese orientierte) religiöse Elternbildung, welche sich am Aufbau eines (religiösen) „Kohärenzgefühls“ orientiert, das sich optimal auf alle Lebensbereiche erstreckt. Eltern sind dann „in der Lage, über Religion und Glaube Auskunft zu geben (religiöse Sprachfähigkeit), verantwortete Stellung zu beziehen und im Laufe ihres Lebens Religion und Glaube eine Bedeutung (einen Sinn) zu geben“ (Bergold 2008, S. 11).

Väter, Religion und Bindung Sind Väter anders religiös als andere Männer? Ist Väterlichkeit selbst schon religiös? Wie sind Väter religiös? Wofür brauchen Kinder die Religiosität ihrer Väter? Über den Zusammenhang von Vatersein und Religiosität wissen wir wenig. Eine kursorische Durchsicht mir zugänglicher wissenschaftlicher Arbeiten zeigt im Ergebnis: Religion von Männern bzw. die religiöse Dimension väterlichen Verhaltens ist in der Männer- und Väterforschung kein Thema (Walter 2002; Merkle/Wippermann 2008; Wippermann/Calmbach/Wippermann 2009; Bertelsmann Stiftung 2008a). Selbst die von der 30


kirchlichen Männerarbeit in Auftrag gegebenen Männerstudien 1998 und 2008 gehen zwar auf Religion und Kirchlichkeit von Männern ein; ihre Typologie der geschlechterbezogenen Orientierungen und Einstellungen von Männern erfasst aber nicht das Merkmal „Vater sein“ (Zulehner/Volz 1998; Volz/Zulehner 2008).2 Auch in der Religionspädagogik kommen Männer/Väter als herausragende Akteure religiöser Erziehung explizit nicht vor. Sie werden unter „Eltern“ und „Familie“ subsummiert bzw. der Zusammenhang zwischen vollzogener Väterlichkeit und religiöser Erziehung wird ausgeklammert, nicht gesehen, gegenüber der Rolle der Mütter gering geschätzt.3 In dieser Wolke des Nichtswissens nehme ich mir nun heraus, sozusagen als qualifizierter und sensibler Laie in Religionsdingen einige Fragen zu stellen bzw. zu explizieren,4 deren Weiterverfolgung für alle Seiten interessant sein könnte - für Väter, für Kinder, aber auch für „Religionsvermittler“. •

Fördert Religiosität Väterlichkeit? Korreliert eine religiöse Bindung mit einer stärkeren väterlichen Bindung? Macht gelebte Religiosität also einen spürbaren Unterschied in der Väterlichkeit?

Gibt es Entsprechungen zwischen Typen von Religion/Religiosität und Väterlichkeit? Korrelieren Religionstypen mit Vaterschaftskonzepten?

Vermitteln religiös gebundene Väter andere Werte und Einstellungen als nicht religiös gebundene Väter? Worin drückt sich Religiosität im Kontakt zu den Kindern aus?

Ist bewusste und aktive Vaterschaft selbst schon ein Modus des Religiösen in der Moderne? (Quasi eine Gegenreligion zum Kapitalismus als Religion? Ein lebenspraktischer „Aufstand“ gegen die Imperative des hegemonialen Männerbilds von immerwährender Verfügbarkeit für Aufstieg und Erfolg?)

Warum wissen wir so wenig über Väter und Religion? Signalisiert dies ein Desinteresse der institutionalisierten Religion an den Vätern? Und ein Abdrängen des Religiösen aus der „ernsten“ Wissenschaft ins Private und Schimärenhafte?

Oder zeigt sich darin auch ein Widerspruch zur Art der ausgeübten kirchlichen Religion? Konnotieren aktive Vaterschaft der leiblichen Väter (der „Väter auf Erden“) und die symbolische Vaterschaft der Kleriker (als Stellvertreter des „Vaters im Himmel“) mit unterschiedlichen religiösen Mustern?5

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Ob jemand Vater ist, wird nicht erfragt bzw. in der Auswertung berücksichtigt, auch nicht in der Grundauszählung des Tabellenbandes. Die durch eine gemeinsame Lebenskonstellation geprägte Kohorte der Väter verschwindet unsichtbar in den statistisch errechneten „Männertypen“. Schade, denn dadurch gibt die Studie wenig Konkretes her in Bezug auf unsere Fragen nach dem Zusammenhang von Vater sein und väterlicher Bindung mit religiöser Bindung und Wertevermittlung. 3 Vgl. symptomatisch Bertelsmann Stiftung 2008b; s.a. die Themenschwerpunkte „Familie“ und „Religiöse Bildung“ der Zeitschrift Erwachsenenbildung 1/2008 und 4/2008, wo Väter explizit kein Thema sind. 4 Meine Position habe ich prinzipiell dargelegt in Prömper 2007a. Ich schreibe „Laie“, um den heuristischen Charakter zu verdeutlichen. 5 Im Abdrängen der leiblichen Väter aus dem Feld des Religiösen erkennen einige Autoren eine historisch gewachsene Verknüpfung mütterlicher Interessen mit einem Klerikalpatriarchalismus, der eine weibliche

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Entwicklungsfaktor Spiritualität und Religion. Unvollständige Thesen. Kinder brauchen Rituale.6 Im Alltag (Beten, Vorlesen, Kreuzzeichen, ....), aber auch im Großen. Die Teilhabe an religiösen Ritualen und Liturgien (an den Lebenswenden wie Taufe, Kommunion, Konfirmation, Firmung, Beerdigungsfeier ...; aber auch im Kirchenjahr wie Advent, Weihnachten, Karfreitag, Ostern, ...) vermittelt eine Tiefendimension über die Banalität des Alltags hinaus, welche das Leben bereichert und Sinn stiftet. Religiöse Übergangsrituale verleihen Kindern eine Bedeutsamkeit und Würde, welche sonst nur schwer erreicht werden kann: Hier stehen die Kinder im Mittelpunkt. Sie erleben eine unteilbare Würde und Eigensinnigkeit, welche alle Zwecke übersteigt. Kinder brauchen Segen. Segnen verleiht dem Einzelnen eine Bedeutung und Würde, welche über die Zuschreibung einzelner Wünsche und Bestimmungen hinausgeht. Auch das Kleine, Unvollständige, Unvollkommene gewinnt hier seine Relevanz. Kinder brauchen Väter, an denen Demut, Ehrfurcht, Treue oder Berufung spürbar werden, die offen sind für letzte Fragen und die Geheimnisse des Lebens. Die sowohl den Fragen nach Tod, Sinnlosigkeit, Leiden als auch nach Lebensglück, Lebenssinn, Werten, Schuld und Verantwortung, Überzeugungen nicht ausweichen. Kinder brauchen keine „Theologen“, sondern sprachfähige Väter in Glaubensdingen. Zur Sprachfähigkeit gehört auch, etwas nicht zu wissen oder unsicher zu sein – aber dies auch kommunizieren zu können. Dabei sollten Väter von ihrem „Größenwahn“, auf alles eine Antwort zu haben, Abschied nehmen und zu ihrem Nichtwissen oder ihrer Ratlosigkeit stehen. Kinder brauchen die Emotionen ihrer Väter; auch deren Schmerz, Trauer, Verletztheit, Verlust- und Versagensängste ... Sie brauchen ganz normale Väter und keine Übermenschen, vor allem auch keine religiösen Heroen. Kinder brauchen erwachsene Wegbegleiter bei ihren Erfahrungen von Tod, Krankheit, Verlust oder körperlichen Gebrechen. Kinder brauchen Väter, an denen sie spüren, dass es im Leben noch anderes gibt als Erfolg, Beruf, Leistung, Aufstieg oder Durchsetzen. Sie brauchen Väter, an denen sie den Eigenwert von Leben und Menschen spüren können. An denen spürbar ist, dass ihnen etwas heilig ist. Kinder brauchen Väter, die ihnen Zugänge zum Heiligen eröffnen – als etwas, das nicht verfügbar ist, das mich unbedingt angeht, dem ich mein Leben unterstelle, vor dem ich Ehrfurcht habe. Kinder brauchen Väter mit der Erfahrung der Hingabe an eine Sache, die größer ist als sie. Sie brauchen das Gespür, wofür es sich zu leben lohnt, was den Einsatz es eigenen Lebens (im Sinne des Engagements) lohnt.

Formensprache bei männlicher Leitungsmacht bedient: Lenzen 1997, Zoja 2002; zum Klerikalpatriarchalimus Lehner 2001. 6 Ich meine Alltags- und Jahreszeitenrituale, wie sie der Tübinger Religionspädagoge Biesinger für Eltern beschreibt: Biesinger u.a. 2006, Biesinger/Gaus/Gaus 2009, Biesinger/Wohnhaas 2008.

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Zum religiösen Charakter von guter Väterlichkeit Selbst wenn die meisten Männer "Familie" als den wichtigsten Lebensbereich bewerten (vgl. Zulehner/Volz 1998, S. 82ff., Volz/Zulehner 2008, S. 49f.), so stellt "Väterlichkeit" doch eher eine untergeordnete Form von Männlichkeit dar. Das orientierende, normative Leitbild erfolgreicher Männlichkeit - mit Bob Connell die „hegemoniale Männlichkeit“ – in der globalisierten Marktgesellschaft ist der erfolgreiche Manager, der am deutlichsten am Bild des "Brokers" aufscheint (Connell 1999, Baur/Luedtke 2008). Soziale Bindungen und Loyalitäten, Verantwortung für andere (wie die Bindung an "Haus, Frau und Kind") sind kontraproduktiv, das moderne Marktsubjekt ist kinderlos (Sennett 1998). Gesellschaftlich sind folglich aktive, bei Haushalt und Kindern engagierte Väter als „randständige“, untergeordnete Gruppe von Männern anzusehen. „Das Kernproblem scheint dabei zu sein, dass – im Gegensatz zum Verhältnis von Mütterlichkeit und Weiblichkeit – Väterlichkeit (im Sinne von Fürsorge, Zugewandtheit, Emotionalität und Verbundenheit) kein Bestandteil von Männlichkeit (im Sinne von Größe, Stärke, Unabhängigkeit und Macht) ist, sondern im Widerspruch zu ihr steht.“ (Baur/Luedtke 2008 a, S. 15) Neurobiologie und frühkindliche Bindungsforschung geben nun Hinweise (Gebauer 2003, Hüther 2009, Roth 2011), dass gerade die Fähigkeit zur Herstellung einer guten Verbundenheit von Eltern und Kindern durchaus religiöse Züge annehmen kann bzw. religiös fundiert verstanden werden kann – so jedenfalls meine These! Dabei kommen den väterlichen Emotionen und der von Kindern erfahrene Resonanz eine enorme Bedeutung zu. Leistungsmotivation, Intelligenz, Erfolgsorientierung, aber auch Empathie, Altruismus und Liebesfähigkeit sind abhängig von der sicheren Ausbildung und der befriedigenden Erfahrung der Erfüllung und Balance der beiden Grundbedürfnisse nach Verbundenheit, Kontakt, Bindung und Bedeutung für andere einerseits sowie Neugierde, Autonomie, Freiheit und Potentialentfaltung andererseits. Gerald Hüther fordert für alle Kinder, gerade aber auch für Jungen: „Sie müssten jemand finden, am besten eine Mutter oder einen Vater, der sie vorbehaltlos annimmt. Idealerweise beide, und zwar so, wie sie sind. Ohne die Absicht, irgendetwas aus ihnen machen zu wollen. Ohne geheime Wünsche, was aus ihnen werden sollte. Ohne die Erwartung, etwas von ihnen zu bekommen, ohne das Gefühl, sie zu brauchen, ohne Vorurteile, ohne Zweck. Nicht als Objekte, nicht als Ressourcen, sondern als Suchende, von solchen Eltern, die selbst Suchende sind und Suchende bleiben wollen. Diese besondere zwischenmenschliche Beziehung, die nichts von ihnen will, die den kleinen Jungen das Gefühl tiefer Verbundenheit schenkt und die sie in jedem Moment immer wieder einlädt, ermutigt und inspiriert, sich als kleine Weltentdecker und Gestalter ihrer eigenen Lebenswelt und ihres eigenen Selbst auf den Weg zu machen und dabei doch gleichzeitig aufs tiefste verbunden zu bleiben, hat einen Namen: Sie heißt Liebe.“ (Hüther 2009, S. 84f.) Auch Männer können sich von ihren vorgegebenen Rollenzwängen befreien und zu dieser Verbundenheit in Liebe hin transformieren. „Solche Männer sind selten“, meint Gerald Hüther; aber sie haben etwas, was sich in ihnen entfaltet: „Authentizität, Souveränität und Spiritualität. (…) Ihr Geheimnis ist ihre besondere Haltung: Offenheit, Verlässlichkeit, Vertrauen, Dankbarkeit, Bescheidenheit, Achtsamkeit, Zugewandtheit und über allem: Liebe. Diesen Männern ist das Wohlergehen anderer Menschen wichtiger als ihr eigenes. Das ist der Unterschied.“ (Hüther 2009, S. 134)

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Solche Männlichkeit hat für mich auch religiöse Qualität. Sie erfordert die dauerhafte Bindung persönlicher Entscheidungen und der darin begründeten Lebenspraxis an einen tragfähigen Grund, der – über rationale Nutzenentscheidungen hinaus – das Leben in einen größeren Sinnzusammenhang stellt. So gebundene Väterlichkeit erfordert den Bruch mit der Auslieferung der eigenen Entwicklung an die Imperative des Kapitalismus und seiner Kultur. Väter sind dann Männer, die ihrer eigenen Endlichkeit und Sterblichkeit ins Auge sehen können, die sich nicht mehr länger vom hegemonialen Männerbild des Zwangs zu Dominanz, Größe, Aufstieg und Erfolg verblenden lassen, die ihr Leben in der Balance von Gelingen und Scheitern, von Leben und Sterben ausspannen können. Dies geht für mich nur in Rückbindung (religio) an etwas, das mich übersteigt, das mein Leben transzendiert, auf ein Sinnfundament stellt. Ich nenne das erfahrene Religion. Denn es erfordert die Hingabe an etwas, das mich trägt und zugleich übersteigt. Es erfordert die Zustimmung zum Fluss des Lebens in allen seinen Facetten. Und es erfordert das Eingeständnis, dass ich mein Leben nicht machen kann, sondern eben nur leben. Der Erfurter Religionssoziologe und Sozialphilosoph Hans Joas beschreibt dies als „Erfahrungen der Selbsttranszendenz“: „Erfahrungen, in denen eine Person sich selbst übersteigt, nicht aber, zunächst zumindest nicht, im Sinne einer moralischen Überwindung ihrer selbst, sondern im Sinne eines Hinausgerissenseins über die Grenzen des eigenen Selbst, eines Ergriffenseins von etwas, das jenseits meiner selbst liegt, einer Lockerung und Befreiung der Fixierung auf mich selbst“ (Joas 2004, S. 17).7 In solchen Erfahrungen hat für Joas das Gefühl, dass etwas einen Wert hat, seinen Ursprung (Joas 1999). Aktive, zugewandte Väterlichkeit als Selbst-Behauptung gegen die Zumutungen einer globalisierten Ökonomie erscheint damit als ein vollzogener Modus des Religiösen, der sich einer Selbst-Transzendierung auf die Belange des Kindes hin verdankt. Wem dies zu viel des „Religiösen“ im Sprachgebrauch ist (zumal ich durchaus mit verschiedenen Religionsbegriffen chargiere), dem sei dies nahegelegt: Zugewandte, bindungsfähige Väterlichkeit benötigt die Rückbindung in ein Lebenskonzept, welches Erwerbsarbeit und Vorstellungen von Kontrolle und Dominanz als Kern hegemonialer Männlichkeit relativiert (vgl. auch Buschmeyer 2008, S. 129). Es beinhaltet die Zustimmung bzw. Zustimmungsfähigkeit zur Nicht-Kontrollierbarkeit des Lebens. Die Religionsforschung weist bei einem Typus religiösen Verhaltens tatsächlich Auswirkungen auf das Verhalten nach: beim Typ der Quest-Religiösen, von Quest = Suche. Es sind Menschen, deren Religiosität sich durch ihren Bezug zu Konflikten ausprägt, welche den Kern der eigenen Existenz in Frage stellen (können); solche Religiöse sind tatsächlich toleranter, weniger autoritätshörig, aber auch in ihrer Glaubenspraxis individualisierter (Schnabel 143ff.).8 Sie ähneln Männern bzw. Vätern, die an Erfahrungen des Scheitern gereift sind (als Beispiel: Schlüter 2010). „Lass dich.“ (Meister Eckhart, ~ 1300) „Du bist nicht so wichtig.“ (Richard Rohr, 2005)9 Eine in der Lebenspraxis gereifte innere Gelassenheit den Zumutungen des Lebens gegenüber 7

Zum Religionsbegriff vgl. auch Knobloch 2006, der sich dabei u.a. auf Ulrich Oevermann bezieht: Religiosität als für Menschsein konstitutive, „nicht stillstellbare Bewährungsdynamik“ in einem prinzipiell offenen Entscheidungsfeld der Lebenspraxis, die nach einer tragfähigen Begründung verlangt (ebd. S. 124ff). 8 Sie bilden damit einen Gegenpol zu orthodoxen Glaubenshaltungen, welche häufig nicht mit einem in der Lebensgestaltung tatsächlich „moralischeren“ Leben einhergehen. 9 Weitere Sätze von Richard Rohr, Franziskaner und Leiter von Männer-Workshops: „Du hast nicht die Kontrolle“, „In deinem Leben geht es nicht immer um dich“, vgl. Rohr 2005.

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hat etwas mit der Fähigkeit zu tun, Dinge geschehen zu lassen, nicht alles selber bestimmen und gestalten zu wollen, sich selbst auch im Scheitern und im Nicht-Durchsetzen liebevoll begegnen zu können, mit der Fragmentarität und Kontingenz des Lebens zu Rande zu kommen, auch: sich mystisch versenken zu können, sei es im Gebet, in Meditation oder im Schweigen. Gute Väter haben etwas davon. Sie sind durch die Schule der Nicht-Kontrolle und es Einlassens auf den Fluss des Lebens gegangen. Diese Haltung bezeichne ich als religiös.

Dr. Hans Prömper Dipl. Päd. und Dr. phil., geboren 1950. Studium der Pädagogik und Theologie. Langjährige Erfahrungen in der praktischen Männerarbeit. Seit 1999 Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung Frankfurt/Main (KEB Frankfurt).

Literatur Baur, Nina/Luedtke, Jens (2008) (Hrsg.): Die soziale Konstruktion von Männlichkeit. Hegemoniale und marginalisierte Männlichkeiten in Deutschland. Opladen, Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich. Baur, Nina/Luedtke, Jens (2008a): Konstruktionsbereiche von Männlichkeit. Zum Stand der Männerforschung. In: Baur, Nina/Luedtke, Jens (2008a) (Hrsg.): Die soziale Konstruktion von Männlichkeit. Hegemoniale und marginalisierte Männlichkeiten in Deutschland. Opladen, Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich; S. 7-29. Bergold, Klaus (2008): Bildende Kraft. Religiöse Erwachsenenbildung heute. In: Erwachsenenbildung 1/2008, S. 6-11. Bertelsmann Stiftung (2007): Religionsmonitor 2008. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. Bertelsmann Stiftung (2008a) (Hrsg.): Null Bock auf Familie? Der schwierige Weg junger Männer in die Vaterschaft. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung. Bertelsmann Stiftung (2008b) (Hrsg.): Religion und Bildung. Orte, Medien und Experten religiöser Bildung. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung.

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Biesinger, Albert (2008): Wie wirkungsvoll ist religiöse Erziehung heute? Familien als Lernorte des Glaubens. In: Erwachsenenbildung 4/2008, S. 222-225. Biesinger, Albert/Berger, Barbara/Mittler-Holzem, Marlies (2006): Abend-Oasen. Geschichten, Rituale, Gebete, Spiele. Ein Gute-Nacht-Buch für junge Familien. München: Kösel. Biesinger, Albert/Gaus, Edeltraud/Gaus, Ralf (2009): Hört Gott uns, wenn wir beten? Freiburg/Basel/Wien: Herder. Biesinger, Albert/Wohnhaas, Andrea (2008) (Hrsg.): Das große Buch der Elternschule. Ostfildern: Schwabenverlag. Buschmeyer. Anna (2008): Männlichkeitskonstruktionen Teilzeit arbeitender Männer. In: Baur, Nina/Luedtke, Jens (2008) (Hrsg.): Die soziale Konstruktion von Männlichkeit. Hegemoniale und marginalisierte Männlichkeiten in Deutschland. Opladen, Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich, S. 123-140. Connell, Robert W. (1999): Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. Opladen: Leske und Budrich. Engelbrecht, Martin/Rosowski, Martin (2007): Was Männern Sinn gibt. Leben zwischen Welt und Gegenwelt. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer. Gebauer, Karl (2003): Väter gesucht. 16 exemplarische Geschichten. Düsseldorf, Zürich: Walter Verlag. Hüther, Gerald (2009): Männer. Das schwache Geschlecht und sein Gehirn. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht. Joas, Hans (2004): Braucht der Mensch Religion? Über Erfahrungen der Selbsttranszendenz. Freiburg, Basel, Wien: Verlag Herder. Joas, Hans (1999): Die Entstehung der Werte. Frankfurt: Suhrkamp Verlag. Knobloch, Stefan (2006): Mehr Religion als gedacht! Wie die Rede von der Säkularisierung in die Irre führt. Freiburg, Basel, Wien: Verlag Herder. Kugler, Tilman/Hochholzer, Martin (2007) (Hrsg.): Werkbuch Männerspiritualität. Impulse, Bausteine, Gottesdienste im Kirchjahr, Freiburg Basel Wien: Verlag Herder. Lehner, Erich (2001): Männer an der Wende. Grundlagen kirchlicher Männerarbeit. Innsbruck, Wien: TyroliaVerlag. Lenzen, Dieter (1997): Zur Kulturgeschichte der Vaterschaft. In: Erhart, Walter/Herrmann, Britta (1997) (Hrsg.): Wann ist der Mann ein Mann? Zur Geschichte der Männlichkeit. Stuttgart, Weimar: Verlag J. B. Metzler, S. 87-113. Merkle, Tanja/Wippermann, Carsten (2008): Eltern unter Druck. Selbstverständnisse, Befindlichkeiten und Bedürfnisse von Eltern in verschiedenen Lebenswelten. Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung von Sinus Sociovision GmbH im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.. Stuttgart: Lucius und Lucius. Nassehi, Armin (2007): Erstaunliche religiöse Kompetenz. Qualitative Ergebnisse des Religionsmonitors. In: Bertelsmann Stiftung (2007), S. 113-132. Prömper, Hans (2007a): Religiös unmusikalisch? Oder ein anderer Geschmack? Empirische Befunde zum Thema Männer und Spiritualität. In: Kugler, Tilman/Hochholzer, Martin (Hrsg.): Werkbuch Männerspiritualität. Impulse, Bausteine, Gottesdienste im Kirchjahr, Freiburg Basel Wien: Herder Verlag, S. 22-32. Prömper, Hans (2007b): Vater-Kind-Tag im Dom. Christi Himmelfahrt einmal anders. In: Kugler, Tilman/Hochholzer, Martin (Hrsg.): Werkbuch Männerspiritualität. Impulse, Bausteine, Gottesdienste im Kirchjahr, Freiburg Basel Wien: Herder Verlag, S. 238-245. Rohr, Richard (2005): Endlich Mann werden. Die Wiederentdeckung der Initiation. München: Claudius. Roth, Gerhard (2011): Bildung braucht Persönlichkeit. Wie Lernen gelingt. Stuttgart: Klett-Cotta. Schlüter, Bernd (2010): Scheitern – und neu anfangen. Interviews mit Männern, Erfahrungen und spirituelle Chancen. Leipzig: Engelsdorfer Verlag.

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Vom Wert gelebter Vaterschaft

Marcus Schmitz

„Vater sein“ live „Vater sein“ – was zeichnet diese Rolle des Lebens aus? Wodurch ist sie gekennzeichnet fernab aller Theorie? Als Vater einer siebenjährigen Tochter und eines neunjährigen Sohnes versuche ich im Folgenden diese Rolle mit vielen ihrer Facetten anzureißen.

„Vater sein“ macht einfach Spaß Manchmal kann man fragen, ob dieser Aspekt in vielen Betrachtungen nicht zu kurz kommt. Tatsächlich aber ist dies wohl das schönste am Vater sein. Es macht Freude mit den Kindern zu spielen. Das Spiel zwischen Vater und Kind ist sicher oftmals dadurch gekennzeichnet, dass – nach Aussagen vieler Mütter – der Vater selbst gerne spielt. Und genau das zeigt sich. Haben Sie einmal beobachtet was passiert, wenn ein Ball vorhanden ist? Richtig: Kinder finden sofort viele Spielmöglichkeiten – und Väter auch! Alleine dieses simple Spielgerät zeigt, wie sehr Kinder und Väter Spaß miteinander haben können. Kennen Sie Situationen, wenn Kinder etwas geschenkt bekommen, womit Väter gerne gespielt haben oder immer noch spielen? Kurzum: Gerade das Spielen mit dem Vater macht den Kindern Spaß, spielen mit den Kindern ist aber auch etwas, was den Vätern Spaß macht und Vater sein bereichert. Ein weiteres sind die gemeinsamen Erlebnisse mit den Kindern, die Freude am Vater sein machen. Vielfach finden diese Erlebnisse auch beim gemeinsamen Sport statt. Vater und Sohn auf dem Sportplatz, Vater und Tochter beim Sport sind Berührungspunkte, die Freude bereiten. Wenn man sich unser alljährliches Schulfußballturnier anschaut, welches vom örtlichen Verein für vier Grundschulen veranstaltet wird – und an dem viele Jungen und Mädchen teilnehmen -, dann sieht man leidenschaftliche Väter und Kinder, die sich darüber freuen, dass man sich gemeinsam das Erlebnis teilt. Viele gemeinsame Aktivitäten verbinden und erfreuen. Sei es die gemeinsame Fahrradtour, das Eis essen oder der gemeinsame Gang auf den Spielplatz. Die Lebensfreude, die Kinder bei diesen alltäglichen Dingen zeigen, ist ansteckend und tut gerade Vätern gut. Durch Kinder verändern sich auch soziale Kontakte. Man kommt mit anderen Eltern und Vätern ins Gespräch. Gedanken, Erfahrungen, Erlebnisse werden ausgetauscht. Viele nette Begegnungen und neue Freundschaften entstehen mit und über Kinder. Sicher – „Vater sein“ ist nicht nur eitle Freude, aber eben auch! Gerade dieser Aspekt kommt in vielen Diskussionen zu kurz und sollte somit auch an dieser Stelle nochmals herausgestellt werden.

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„Vater sein“ bedeutet auch einen permanenten Konflikt Was könnte man mit den Kindern alles tun? Was könnte man alles gemeinsam erleben, wie viel Spaß könnte man gemeinsam haben? Wären da nicht die anderen Anforderungen, die an Väter gerichtet sind. Vor allem leiden Väter – und dies belegen tatsächlich viele Untersuchungen – unter den immer weiter steigenden beruflichen Anforderungen. Zunehmende Arbeitszeiten und immer neue und mehr Aufgaben im Arbeitsleben führen dazu, dass der berufliche Teil im Leben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Viele Väter sind bemüht, die beruflichen Anforderungen zu erfüllen. Auch und gerade vor dem Hintergrund, dass ihr Einkommen in vielen Fällen den Hauptteil des Familieneinkommens darstellt. Neben dem Vereinbarkeitskonflikt, der zunehmend auch gerade von Männern und Vätern empfunden wird, gibt es aber auch durch Kinder Konflikte mit der Partnerin. Männer und Frauen erziehen anders, setzen andere Schwerpunkte, nehmen unterschiedliche Dinge unterschiedlich ernst oder eben nicht. Dies führt zu Konflikten, die innerhalb der Partnerschaft bearbeitet werden müssen. Sicherlich bieten diese Aushandlungsprozesse für die Partnerschaft viele Chancen und interessante Ansätze für die Entwicklung derselben. Zunächst aber sind sie in vielen Fällen auch kräftezehrend. Um ehrlich zu sein beobachte ich in vielen Beziehungen um mich herum, dass gerade diese Auseinandersetzungen über die Erziehung der Kinder als aufreibend empfunden werden. Immer wieder ist dies auch in Workshops und Veranstaltungen mit Vätern ein Thema. Nicht zuletzt bedeutet Vater sein auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Ansprüchen. Diese sind gerade bei Vätern, die sich intensiv mit ihrer Rolle auseinandersetzen, meistens sehr bis unrealistisch hoch. Das, was die Kinder von einem mitbekommen sollen, die Wege, die gemeinsam mit der Partnerin ausdiskutiert werden möchten, die Zeit, die man als Familie glücklich miteinander verbringt und das Engagement, welches man in Erziehung, Kindergarten, Schule und Freizeit einbringen möchte – dies alles deckt sich meistens bei realistischer Betrachtung nicht mit dem, was einem an Zeit zur Verfügung steht. Gerade Väter leiden häufig darunter, dass sie die eigenen Ansprüche an sich nicht erfüllen können. Insofern heißt „Vater sein“ permanente Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen Ansprüchen sowie der Realisierbarkeit. Es gibt keine Musterlösungen, da jedes Handeln bekanntlich seinen Preis fordert. Tatsächlich aber lässt sich über viele Diskussionen in unterschiedlichen Zusammenhängen beobachten, dass Väter die Dilemmata immer häufiger bewusst zur Kenntnis nehmen und individuell nach Lösungsmöglichkeiten suchen. Zum einen ist mir eine engagierte Führungskraft in Erinnerung. Dieser Vater sagte, dass er seine Arbeitszeiten viel bewusster gestaltet. Während er früher dem „Spätpförtner“ regelmäßig begegnet sei, verfolgt er nun sehr erfolgreich das Ziel, um 18:00 Uhr zu Hause bei der Familie zu sein. Ein anderer Vater berichtete, dass er Betreuungsfunktionen übernimmt und einmal in der Woche um 15:00 Uhr das Büro verlässt. Und schließlich kam gerade vor ein paar Tagen ein Vater in einer nachmittäglichen Veranstaltung auf mich zu und sagte, dass er früher gehen müsse, da er mit seiner Tochter noch zum Zahnarzt geht. Vergegenwärtigt man sich mit welchem Unverständnis solche Bemerkungen noch vor ein paar Jahren quittiert worden sind, haben wir schon eine Menge erreicht. Gleichzeitig zeigen aber gerade diese Beispiele, wie sehr sich Väter mit den Anforderungen auseinandersetzen und wie sehr sie um alltagstaugliche Lösungen kämpfen. Hierbei wird der Unterschied zu berufstätigen Müttern immer geringer. 39


„Vater sein“ benötigt zur Lösung einer eigenen Bewusstheit Wenn es keine Musterlösungen gibt und wenn sich Rollenbilder individualisieren – und gerade das passiert in ausgeprägter Weise bei Vater- und Mutterrollen, dann helfen nur individuelle Lösungen. Jeder Vater muss für sich und mit der Partnerin aushandeln, wie der eigene Lebensentwurf und die eigenen Ziele und Ansprüche umgesetzt werden sollen. Dabei können viele Entscheidungen eine Dilemmasituation bedeuten. Wie entscheiden Sie sich, wenn auf der einen Seite unbedingt eine wichtige Kundenpräsentation noch fertig werden muss, gleichzeitig aber Ihre Tochter oder Ihr Sohn zu Hause darauf wartet, dass Sie noch eine Gutenachtgeschichte vorlesen? Wie entscheiden Sie sich, wenn Sie Ihren Traumjob bekommen könnten, gleichzeitig sich aber nicht nur das Einkommen sondern auch die zu investierende Arbeitszeit drastisch erhöhen würde? Wie entscheiden Sie sich, wenn Sie einerseits der Meinung sind, dass das Erziehungsverhalten Ihrer Partnerin sich nicht mit Ihren Vorstellungen deckt, andererseits die Auseinandersetzung aber in einen Konflikt münden würde, der gegebenenfalls den gesamten Abend zur Klärung benötigen würde? Vater sein verkompliziert diese Fragestellungen, macht das eigene Leben komplexer. Die Lösung liegt immer im eigenen Verständnis, den eigenen Wertvorstellungen und den Prioritäten. Dazu muss man sich mit diesen immer wieder und immer neu auseinandersetzen, um zufrieden werden zu können und zu sein. Diese Aufgabe ist alles andere als trivial und ist umso umfangreicher, je stärker die Rollenkonflikte auftauchen. Stellen Sie sich vor, Sie möchten keine Kinder und legen den Schwerpunkt Ihres Lebens auf den beruflichen Erfolg. Stellen Sie sich darüber hinaus vor, bei Ihrer Partnerin ist das genauso. Gemeinsamkeit verbindet. Stellen Sie sich nun vor, dass Sie Ihre Vorstellungen über die Wichtigkeit von Beruf und Familie immer wieder neu gemeinsam mit Ihrer Partnerin ausdiskutieren müssen, weil es durch und wegen der Kinder immer wieder neu hinterfragt wird. Sie haben mehr Rollen, mehr Entscheidungsparameter, mehr Ansprüche in der Diskussion zu berücksichtigen. Das ist „Vater sein“ live – ungeschönt, herausfordernd, spannend.

„Vater sein“ eröffnet aber vor allem auch neue Perspektiven. „Jedes Kind ist ein Original und Sie beginnen mit dem Tag der Geburt sich immer mehr und immer wieder ein Stück von ihm zu trennen, damit es seinen eigenen Weg gehen kann. Das Loslassen ist Ihre schwierige Aufgabe.“ So beschrieb es ein sehr geschätzter Pfarrer bei der Taufe eines unserer Kinder. Dieser Satz hat sich mir sehr eingeprägt, zeigt er doch, was die Bereicherung im Leben eines Mannes mit Kindern ausmacht. Man wächst zusammen und muss doch bereit sein, sich immer mehr voneinander zu trennen. Insofern ist die Folge, dass sich mit dem Alter des Kindes auch die Rollen als Vater verändern. Mal konsequenter Erzieher, mal Ratgeber, mal Diskussionspartner und Reibungspunkt, mal Unterstützer und Lösungshelfer, mal Gesprächspartner und mal Lehrer. Sicher fallen Ihnen noch unzählige weitere Rollen ein, die man im Laufe des Vaterlebens einnimmt: Eine unendliche Bereicherung des Lebens. Neue Perspektiven kommen jeden Tag, neue Gedanken ebenfalls. Manchmal sind sie erfreulich, manchmal machen sie nachdenklich, manchmal auch traurig. Doch eines passiert immer: die Rolle und die Perspektive wechseln. Dies ist sicherlich eine der schönsten Herausforderungen, die das Leben für aktive Väter zu bieten hat. Ich bin froh, dass ich dies erleben darf. 40


Mit anderen Worten: „Ob ein Kind glücklich ist, hängt davon ab, wie zufrieden die Eltern mit der eigenen Lebenssituation sind.“ (Quelle: „Babies and Bosses: OECD Recommendations to help families balance work and familiy life“) Sich selbst, gemeinsam mit der Partnerin und für die Kinder diese Zufriedenheit zu gestalten, ist das, was Vater sein im positivsten Sinne ausmacht, „Vater sein“ live eben.

Marcus Schmitz Diplom-Kaufmann, geboren 1969, verheiratet, zwei Kinder (geb. 2001 und 2003), Gesellschafter und Geschäftsführer der IGS Organisationsberatung GmbH, Mitglied in Expertenrunden des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema „Familie und Arbeitswelt“ sowie Autor von Fachbüchern und Fachartikeln, zuvor Personalreferent bei Gerling.

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Hans Georg Nelles

Papa was machst du den ganzen Tag? Wie Väter die Bilder von Arbeit und Beruf ihrer Kinder prägen und die Berufswahlentscheidung begleiten können „Im Jahre 1900 wurde der erste Sohn geboren, Gerjet Hinderk, und im Jahre 1903 der zweite Sohn, Jan. Wie die Tradition es verlangte, erlernte der älteste Sohn das Handwerk des Vaters. Er ging mit 13 Jahren in die Lehre bei seinem Großvater in und bestand seine Meisterprüfung im Jahre 1927. Der zweite Sohn wurde in die Welt hinausgeschickt, um das Bootsbauerhandwerk zu erlernen.“ „1918 gründet Edmund Schneider die Glasbläserei und gibt somit den Startschuss für das erfolgreiche Familienunternehmen Wie der Vater so der Sohn. Horst Schneider, Sohn von Edmund, stieg selbstverständlich auch Ende der 20er Jahre in den väterlichen Betrieb ein und legte wenige Jahre später erfolgreich seine Meisterprüfung zum Glasbläser ab. Nach dem Tod seines Vaters 1948 übernahm er den Familienbetrieb. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Auch Sohn Frank entschied sich für das Glasbläser-Handwerk.“ Solche Geschichten über die Weitergabe des Berufs vom Großvater an den Vater und den Sohn sind heute selbst im Handwerk keine Selbstverständlichkeit mehr. Nicht nur, dass auch die Töchter bei einer Betriebsübergabe eine wichtige Rolle spielen. Individualisierung, die Zunahme an Möglichkeiten vor allem aber die rasanten Veränderungen in der Arbeitswelt verdrängen Traditionen und Selbstverständlichkeiten. Junge Frauen und Männerstehen heute über die neuen Medien jederzeit alle Informationen über jeden existierenden Ausbildungsberuf zur Verfügung. Dazu kommt eine Vielzahl von schulischen Ausbildungen sowie durch ein Hochschulstudium zu erlangende Abschlüsse. Neben diesen äußeren Rahmenbedingungen haben sich auch die Werte verändert. Es geht darum, seinen eigenen Weg zu finden und sich im Beruf zu verwirklichen. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung lösen sich zunehmend auch die alten Rollenmuster, nach denen der Mann als Ernährer in der beruflichen Sphäre tätig ist und die Frau als Mutter zuhause die Verantwortung für die Kinder trägt, auf. Angesichts dieser Unübersichtlichkeiten und Herausforderungen verwundert es nicht, dass in der aktuellen Auszubildenden Befragung 60 Prozent der teilnehmenden Auszubildenden angab, dass Vater und Mutter einen großen Einfluss bei der Berufswahlentscheidung hatten. (Kompetenzzentrum, 2011) Immerhin noch 30 Prozent ordneten Freunden und Freundinnen einen vergleichbaren Einfluss zu.

Es geht um mehr als die Entscheidung für einen Beruf Die Entscheidung für eine Berufsausbildung ist zwar längst keine Entscheidung für das ganze Leben mehr, sie ist aber eine Weichenstellung, die nachfolgende Möglichkeiten, zum Beispiel im Hinblick auf eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit in der späteren Familienphase zumindest präjudiziert. Die Entscheidung für einen Beruf steht am Ende eines Prozesses, der selbstverständlich von den bereits aufgezeigten gesellschaftlichen Einflüssen, der wirtschaftlichen Entwicklung, den 42


Erwartungen der Peer Group im Moment der Entscheidungsfindung und vielen anderen Faktoren mit beeinflusst wird. In dem vorliegenden Beitrag wird jedoch, ausgehend von der der Überzeugung, dass das lebendige Vorbild, die beruflichen und familiären Aktivitäten des Vaters, die Aufgabenteilung innerhalb der Partnerschaft, vor allem aber die Ermutigung und Bestätigung der kindlichen Fähigkeiten eine weitaus bedeutendere Rolle spielen, beispielhaft auf die Möglichkeiten von Vätern Einfluss zu nehmen, eingegangen. Die einzelnen Lebensabschnitte und damit verknüpften Beispiele sind durchaus willkürlich ausgewählt, in ihrer Dichte idealtypisch aneinandergereiht und nicht in allen Fällen vollständig empirisch belegt. Das ist auch nicht der Anspruch. Es geht vielmehr darum, Väter zu ermutigen sich nicht nur verantwortlich zu fühlen, sondern sich auch die Zeit für die Verantwortung zu nehmen und sich bewusst zu werden, welchen Einfluss sie auf ihre Töchter und Söhne haben, gerade auch vor dem Hintergrund der Prämisse, diesen einen selbstgestalteten Weg in die eigene Zukunft ermöglichen zu wollen. Die kindliche Ausgangsfrage ‚Papa was machst du eigentlich den ganzen Tag?’ ist demnach auch eine Frage, die zur Reflektion des eigenen Wollens und Vorstellungen und der daraus gewordenen Handlungen bzw. Lebensentscheidungen verleiten soll.

Vaterschaft verändert auch die Einstellung zur Arbeit Die Geburt eines Kindes verändert das Leben eines Mannes grundlegend. Die Vaterschaft ist mit einem gewachsenen Verantwortungsgefühl verbunden, insbesondere für die materielle Versorgung der gewachsenen Familie. Die Erwerbsarbeit wird von vielen als Fürsorgearbeit für Partnerin und Kind eingeschätzt. Vater zu werden ist auch ein schönes Gefühl, das Väter auskosten und genießen möchten. Sie möchten auch Zeit für ihren Nachwuchs haben und von Anfang an eine enge Bindung zu ihrem Kind aufbauen. Die Möglichkeit, eine Elternzeit nehmen zu können, stellt eine Schlüsselsituation für verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten dar. Die bewusste Entscheidung darüber, wer wann was im gewachsenen Haushalt übernimmt, wer in welchem Umfang der Erwerbsarbeit nachgeht und wer für welche Zeiträume die Fürsorgearbeiten übernimmt, bietet die Chance, die vielfach gewollte gleichberechtigte Aufgabenteilung nicht dem Autopiloten bzw. der – pilotin zu überlassen, die vielfach auf traditionelles Rollenmuster programmiert sind. Auch wenn es zunächst ‚nur’ die gesetzlich vorgesehenen zwei Partnermonate sind. Die 2 Monate sind ein Anfang. Wenn sie am Anfang der neuen Lebensphase, dem Übergang in die Elternschaft, gemeinsam genutzt werden, entfalten sie eine besondere Wirkung. Mann und Vater kann nämlich erleben, dass es die geborene Mutter nicht gibt und seine Partnerin genauso wie er anfängt etwas Neues zu lernen. Wenn Mann sich ebenfalls darauf einlässt, lernt er es in gleicher Weise und bekommt eine ganz andere Beziehung zu dem Kind. Von Anfang an, er ist nicht länger der hilflose ‚Assistent’ sondern ein verantwortlicher Akteur. Die sozialen Kompetenzen werden auch von Führungskräften in Unternehmen gesehen und wertgeschätzt. Auch schon bei den Männern die keine Elternzeit genommen haben. Sie werden in den Momenten gefordert und aktiviert, wenn sich Väter mit ihren Kindern beschäftigen. Die Lernimpulse gehen von den Kindern aus und Mann kann sich ihnen nicht entziehen. (Schmidt-Wenzel, 2008) Es geht dabei um Kompetenzen wie Empathie, 43


Verantwortung und geistige Beweglichkeit. Eine Führungskraft hat es in einem Interview so auf den Punkt gebracht: ‚Ich denke, eine Vaterschaft hat positive Folgen für den Beruf. Die Väter erwerben soziale Kompetenzen. Also das ist ja das, was man bei Leuten erlebt, die keine Kinder haben, die können wirklich so in den Tag leben, die müssen sich um nichts kümmern, die stehen für sich selber im Mittelpunkt und müssen wenig Rücksicht auf andere nehmen. Also ich habe den Eindruck, dass Väter flexibler und mobiler sind‘. Führungskräfte schätzen dies, auch wenn Väter nicht mehr so gerne Überstunden machen.

… und auch zum Leben Das Leben verändert sich, die Prioritäten werden neu ausgelotet und auch das was bedeutsam und wichtig ist, die Werte. Väter sind auch für Kinder wichtig, die noch nicht ‚Ball fähig’ sind. Väter die diese Erfahrungen gemacht haben, wissen, dass sie Gefühle ausdrücken können und für ihre Kinder sorgen können, haben auch die weitere Entwicklung ihrer Kinder im Blick und richten sich ganz anders darauf ein. Der nächste wichtige Lebensabschnitt sind die Jahre in der Kindertagesstätte. Da diese Welt, ebenso wie die nachfolgende Grundschule und die ersten Jahre in einer weiterführenden Schule durch Frauen geprägt sind, ist die Präsenz der Väter umso wichtiger. Und dies nicht nur, wenn es um Renovierungsarbeiten oder das Grillen beim jährlichen Sommerfest geht, sondern gerade auch im Alltag und den alltäglichen Dingen. Die Kinder am Anfang in die neue Welt zu begleiten, ihnen Sicherheit zu vermitteln, sie bei ihrer täglichen ‚Arbeit’ zu erleben und die neuen Schritte und Fähigkeiten anzuerkennen. Im Austausch mit anderen Vätern kann dies noch besser gelingen und gemeinsam können weitere Vater –Kind Aktivitäten geplant und durchgeführt werden. Auf der anderen Seite möchten die Kinder natürlich auch wissen, wo der Papa arbeitet und was er dort den ganzen Tag macht. Und auch wenn ein PC Arbeitsplatz für Kinder nicht so spannend ist wie die Handhabung einer Maschine, und sei es eine Nähmaschine, der Besuch am Arbeitsplatz im Rahmen eines Vater – Kind Tages oder eines anderen Anlasses, ist immer ein wichtiges Erlebnis. Wenn dieses dann noch mit einem Essen in der Kantine verbunden werden kann und dort auch noch andere Väter mit ihren Kindern auftauchen, entfaltet es auch noch weitere Wirkungen.

Geteilte Verantwortung erhöht nicht nur die Partnerschaftszufriedenheit Da sich der Aufmerksamkeitshorizont und die Neugierde der Kinder im Laufe der Jahre verändert und erweitert, können solche Hospitationen auch mehrfach durchgeführt werden. Wichtig ist es aber in jedem Fall auch in den Zeiten dazwischen, die Kinder am beruflichen Teil des Lebens ebenso teilhaben zu lassen wie an dem privaten. Wenn diese beiden Sphären zwischen Vater und Mutter partnerschaftlich aufgeteilt sind und die Kinder putzende und tröstende Väter sowie Mütter die morgens zur Arbeit gehen und stolz und zufrieden auf die dort erzielten Ergebnisse sind, erleben können, erweitert das nicht nur die Partnerschaftszufriedenheit sondern auch das Spektrum der Wahrnehmung und der Möglichkeiten. Für Jungen und für Mädchen. Um die Verteilung der Chancen zur Realisierung dieser Möglichkeiten geht es ja mittlerweile schon bei der Entscheidung für diese oder jene weiterführende Schule. Hier ist es ganz 44


wichtig, das Väter da sind, Druck wegnehmen und ermutigen, insbesondere, wenn mal eine Arbeit danebengegangen ist. Die Worte, ‚ich weiß, dass du das kannst’, sind mindestens genauso wichtig wie die Inanspruchnahme einer ‚Nachhilfe’. Im Laufe der weiteren Schuljahre steht dann ja auch explizit ‚Berufswahlorientierung’ auf dem Stundenplan. Es geht darum, welche Ausbildung die Kinder sich vorstellen können. Die Hitparaden der meist gewählten Berufe haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte kaum verändert und zeugen immer noch von einem geschlechtlich segmentierten Arbeitsmarkt. Väter, die ihren Kindern vermittelt haben, dass es nicht alleine in der Verantwortung der Frauen liegt, die häuslichen und familiären Arbeiten zu stemmen und dies auch vorgelebt haben, haben für die eigenständige Berufswahl ihrer Söhne und Töchter mehr geleistet, als dies ein Girls- oder Boys-Day jemals bewirken kann. Sie haben sie aus den alten Rollenmustern entlassen und ihnen eine wirkliche Wahl ermöglicht. Im weiteren Verlauf ist es wichtig, die zwischenzeitlichen Suchbewegungen und vorläufigen Entscheidungen ernst zu nehmen und die Kinder dabei zu unterstützen, Erfahrungen machen zu lassen, sei es in Form von Praktika oder durch Ferienjobs. Bei den vielen Gesprächen, die dazu abends am Küchentisch stattfinden, geht es natürlich um die Entwicklungsperspektiven in diesem oder jenen Beruf und ob die Anforderungen den Neigungen und Fähigkeiten entsprechen, wenn der Vater dann aber auch auf die Frage der Vereinbarkeit von Arbeit und Leben eingeht, und dieses Gespräch auf der Basis einer tiefen Beziehung und gelebter Werte stattfindet, hat dies eine nachhaltigere Wirkung als jede gutgemeinte Belehrung. Mit der Entscheidung und dem Beginn der Ausbildung hört die väterliche Verantwortung jedoch keineswegs auf. Erstens reicht eine Ausbildung im Leben schon lange nicht mehr aus und zweitens sind während und in jedem Fall nach der Ausbildung weitere wichtige Entscheidungen zu treffen. Insbesondere dann, wenn inzwischen eine feste Partnerschaft eingegangen worden ist. Noch wichtiger ist eine Unterstützung aber für den Fall, dass sich herausstellt, das die einmal getroffene Entscheidung doch nicht die richtige war. Aus Fehlern können alle Beteiligten immer noch am besten lernen und das Scheitern an einer Stelle darf keinesfalls als Versagen bewertet werden. Gerade in diesen Situationen sind Werte und Wertschätzung gefragt und Väter besonders wertvoll.

Hans-Georg Nelles verheiratet und Vater von drei Kindern (27, 22 und 20). Er ist Sozialwissenschaftler, Erwachsenenbildner und Organisationsberater und seit 15 Jahren für die Durchführung von zahlreichen Projekten im Themenfeld ‚Vereinbarkeit von Beruf und Familie’ verantwortlich. Auf der Grundlage der Erfahrungen mit den Elternzeit – Projekten hat er vor sechs Jahren ‚Väter & Karriere’ entwickelt, ein Ansatz, das Unternehmen für die Belange von Vätern sensibilisiert und die dort beschäftigten Männer ermutigt, ihre Vorstellungen von Vatersein und Vereinbarkeit zu artikulieren und umzusetzen. Seit 2008 ist er als Organisationsberater und Autor freiberuflich tätig.

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Literatur Kompetenzzentrum Technik, Diversity, Chancengleichheit; Forschungsprojekt „Berufsorientierung junger Frauen im Wandel“, Gesamtbericht zur Durchführung von 400 halbstandardisierten Interviews mit Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr in ausgewählten Ausbildungsberufen; Bielefeld 2011 Schmidt-Wenzel, Alexandra; Wie Eltern lernen: Eine empirisch qualitative Studie zur innerfamilialen Lernkultur; Leverkusen Opladen 2008

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André Stern

Männer von morgen Ich möchte diesen Beitrag mit einem Auszug aus dem Buch „Männer“ von Prof. Dr. Gerald Hüther beginnen, dem ich kürzlich begegnet bin: „Wie ließe sich verhindern, dass sich vor allem die Jungs auf der Suche nach Halt immer wieder verirren oder sich in Rollen pressen lassen, die für ihre männlichen Vorfahren, soweit wir nur zurückschauen können, unausweichlich waren? Die Antwort ist so einfach, dass man sie gar nicht aussprechen mag: Sie müssten jemanden finden, am besten eine Mutter oder einen Vater, der sie vorbehaltlos annimmt. Idealerweise beide, und zwar so, wie sie sind. Ohne die Absicht, irgendetwas aus ihnen machen zu wollen. Ohne geheime Wünsche, was aus ihnen werden sollte. Ohne die Erwartung, etwas von ihnen zu bekommen, ohne das Gefühl, sie zu brauchen, ohne Vorurteile, ohne Zweck. Nicht als Objekte, nicht als Ressourcen, sondern als Suchende, von solchen Eltern, die selbst Suchende sind und Suchende bleiben wollen. Diese besondere zwischenmenschliche Beziehung, die nichts von ihnen will, die den kleinen Jungen das Gefühl tiefer Verbundenheit schenkt und die sie in jedem Moment immer wieder einlädt, ermutigt und inspiriert, sich als kleine Weltentdecker und Gestalter ihrer eigenen Lebenswelt und ihres eigenen Selbst auf den Weg zu machen und dabei doch gleichzeitig aufs tiefste verbunden zu bleiben, hat einen Namen: Sie heißt Liebe.“ Prof. Dr. Gerald Hüther, „Männer – das schwache Geschlecht und sein Gehirn“ – Vandenhoeck & Ruprecht, 2009 Als ich diese Zeilen las, ermaß ich das unglaubliche Glück, das ich hatte – und noch immer habe. Es ist überhaupt kein persönlicher Verdienst. Nur einfach ein großes Glück, wofür ich unendlich dankbar bin. Meine Eltern nahmen mich vorbehaltlos an, und zwar so, wie ich war. Ohne die Absicht, irgendetwas aus mir machen zu wollen. Ohne Vorurteile, ohne Zweck. Nicht als Objekt, nicht als Ressource. Ohne geheime Wünsche, was aus mir werden sollte... Ganz unter uns... gingen die geheimen Wünsche der meisten Eltern in Erfüllung, so wimmelte es auf Erden nur so vor Ärzten, Anwälten, Ingenieuren und Architekten! Dass meine Eltern keine Erwartungen hatten, illustriert wohl eine kleine Anekdote: Als ich ungefähr sechs Jahre alt war, nahm mich Papa eines Tages mit ins Planetarium. Wir kamen beide ganz erquickt von der Vorführung wieder heraus. Papa war sehr zufrieden, denn er hatte einer Aufführung beigewohnt, bei welcher er viel Neues über die Gesetzmäßigkeiten des Himmels gelernt hatte. Und er war überhaupt nicht enttäuscht oder verärgert, er hielt es nicht für unrentable (nach dem teueren Eintritt) dass ich während der ganzen Vorstellung praktisch nie auf die Kuppel über uns geschaut hatte... Auch mir hatte die Vorführung sehr gut gefallen. Und gelernt hatte ich etwas ganz Neues: die Funktionsweise eines Planetariums. Ich war gefesselt von diesem seltsamen Apparat, der sich im Zentrum des Planetariums bewegte. Ich hatte ihn nicht aus den Augen gelassen. Im Gegensatz zu all den übereifrigen Eltern, die ich später erlebte, wenn sie sich mit ihren Kindern an einem solchen Ort aufhielten, versuchte mein Vater nicht, mir etwas vorzumachen, mir weiszumachen, es stecke irgendeine Zauberkunst dahinter; er hatte nicht 47


versucht, mich für sein Interesse am Planetarium zu gewinnen, er fand es nicht nutzlos oder unpassend, dass ich der Technik meine ganze Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Er hatte keine Erwartung gehabt, er hatte mich einfach mitgenommen, und so konnten wir gemeinsam Dinge entdecken – aber nicht zwangsläufig dieselben! Soweit ich mich erinnern kann, male ich einmal in der Woche im Malort meines Vaters. Für mich war es als kleines Kind schon selbstverständlich, dass es diesen Ort gibt, dass es der Beruf meines Vaters ist, Menschen zu betreuen, die zu ihm in den Malort kommen, und dass er Reisen in ferne Länder unternommen hatte, um Völker malen zu lassen, die noch nie gezeichnet hatten. Die Fotografien, die in der Galerie vor dem Malort hingen, zeugten davon und machten die Verschiedenartigkeit von Anfang an selbstverständlich. Jeden Donnerstag ging Papa aus dem Haus, um in einem von ihm gegründeten Institut Leute in seinen Beruf einzuführen. Ich mochte den Donnerstag nicht, weil Papa nicht da war und weil Maman und ich mittags ohne ihn aßen. Von Zeit zu Zeit gab er längere Seminare. Einmal, als ich zehn oder zwölf Jahre alt war fuhren wir alle mit, weil der Kurs in der Nähe von Bordeaux stattfand, auf einer Art Bauernhof, wo wir Ferien machen konnten. Für uns Kinder war es idyllisch, wir verbrachten den ganzen Tag im Freien. Was im Seminarraum wohl passieren mochte, interessierte mich zum ersten Mal. Ich warf einen Blick durch den Spalt der Tür. Da saßen Menschen in einem verdunkelten Raum, ihnen gegenüber saß Papa. Neben ihm stand eine große Leinwand, auf welche Dias projiziert wurden. Anhand von im Malort entstandenen Bildern erklärte er, wie dieselbe Form in verschiedenen Bildeinkleidungen zu sehen war: in einem Haus, einer Vase, einer Theaterbühne. Es war verblüffend. Auf einmal wurde mir klar, dass mein Vater eine ganze Wissenschaft entdeckt hatte. Und dass er die Reisen in die fernen Länder unternommen hatte, um die Universalität seiner Entdeckung nachzuweisen: Menschen in Paris, Nomaden in der afrikanischen Wüste oder Urwaldbewohner zeichnen dieselben Gebilde, obwohl weder ihre Hautfarbe, noch ihre Kultur oder ihre Umgebung die geringste Ähnlichkeit haben ... Auf einmal erschien mir mein Vater in neuem Licht. Mir wurde plötzlich klar, dass er ein ungewöhnlicher Mensch ist, mit einem bedeutenden Werk, dass er bewundert und bekannt ist und dass viele Merkmale unseres Lebens – die Freiheit, unser kosmopolitisches Umfeld und der Respekt für das Leben und seine Prozesse – mit seiner Arbeit und seinen Entdeckungen zusammenhängen. Ich war stolz auf meinen Vater und stolz darauf, sein Sohn zu sein. Der oft gehörte Satz „Ah, du bist der Sohn von Arno Stern!“ hat mich noch nie gestört, ganz im Gegenteil. Und den angeblich notwendigen Ablösungsprozess, diesen irrtümlicherweise überall für heilsam gehaltenen Konflikt während der Pubertät habe ich nicht gekannt. Niemand in meinem Umfeld sah es als notwendig oder wünschenswert an, dass ich meinen Ödipuskonflikt durchlebe; niemand stellte sich darauf ein, und niemand beunruhigte sich, als ich es nicht tat. Ich musste meine Unabhängigkeit nicht erst erringen, denn ich habe sie immer besessen! Ich musste nicht eine Aufmerksamkeit auf mich lenken, die schon immer vorhanden war. Verantwortung in eigenen und familiären Bereichen trug ich lange schon vor der Pubertät. Meine Vorbilder in dieser Zeit waren nicht die Jungs aus der Peer-Group (diese geniale Erfindung durch welche es gelungen ist, die Rebellion konform zu machen, mit etablierten Livreen und tradierten Benehmensmustern!) sondern meine Eltern, Marcel Proust, Wolfgang-Amadeus Mozart und Antonin Dvorak! Ich lebte nicht in einer Klasse mit Gleichaltrigen zusammen. Es war Leben in natürlicher Größe, im großen Bad der Realität, in welchem die Vielfalt der Bildungen, der Hautfarben, der Altersstufen, der Religionen, der sozialen Schichten jegliches Vergleichen (und daher jede Form von Konkurrenz) ausschließt, 48


weil alle so verschieden sind, dass man sie unmöglich vergleichen möchte. Wo Verschiedenartigkeit gelebt wird, führen Meinungsverschiedenheiten nicht zu Konflikten. In meiner Kindheit ohne Schule, Noten, Wettbewerb und Vergleich gab es keine Tabellen und Statistiken, anhand derer man Dinge hätte ausmachen können, die ein Kind „zu spät“ oder „zu früh“ tut. So musste ich weder pathologisiert noch gefeiert werden; weder hätte ich als „schwierig“ noch als „hochbegabt“ kategorisiert werden können. In der heutigen Gesellschaft ist es üblich, nach Lücken und Defiziten zu suchen. Immer wieder werde ich gefragt, ob ich nicht welche habe, weil ich nicht in die Schule gegangen bin, und immer wieder antworte ich, dass ich wohl ganz viele habe, wie jedermann, aber dass ich nicht gelernt habe, mich dafür zu schämen, dass ich sie nicht zu verstecken versuche und dass ich sie noch nie als Monster, sondern immer als freien Raum für neues Wissen empfunden habe. Und statt ein Schülerleben lang die Erfahrung gemacht zu haben, dass man in der Materie besonders viel üben muss, in der man nicht gut ist, um dort zumindest auf den Durchschnitt zu kommen, habe ich immer die Möglichkeit gehabt, just das Gegenteil zu tun, und gerade die Dinge zu üben, in denen ich gut bin und die mich interessieren, um noch besser zu werden, um zum Experten heranzuwachsen. Wie sonderbar es auch erscheinen mag; es gibt bestimmte Begriffe, die nicht zu unserem Bezugssystem zählen. Genauso fremd wie die deutliche Segmentierung des Lebens in einzelnen Phasen, ist uns zum Beispiel die säuberliche Unterteilung der Zeit in Kategorien wie Arbeit und Freizeit, Job und Urlaub, Berufsleben und Privatleben, Lernen und Erholung. Und auch die übliche Unterteilung zwischen „männlichem“ und „weiblichem“ gehörte nicht zu den Paradigmen, unter welchen ich aufgewachsen bin. Mein Vater war keine Versorgungsstelle für männliches Verhalten, Virilität oder Autorität, er war kein Bestrafer, kein Konfliktpartner, sondern, genau wie meine Mutter, ein unentbehrlicher Teil unserer Konstellation: ich kann mir bis heute meinen Vater nicht ohne meine Mutter vorstellen. Er verkörperte den liebenden, einladenden, ernst nehmenden, ermutigenden Familienchef, aber keinesfalls ein Patriarch, und es gab keinen Anlass, sich aus geschlechtlichen Gründen mehr an den Vater als an die Mutter zu wenden oder sich mehr mit dem einen als mit der anderen zu identifizieren oder zu verstehen. Ich spielte genauso gerne Geschirrspülen wie Motorradfahren. Eisenbahn spielte ich mit Mama, und Papa machte mit mir Kleider oder Möbelstücke für meine Puppe. Ich hatte langes Haar und auch Haarspangen, weil das mir gefiel. Es war niemandem bange um meine „sexuelle Identität“, niemand drängte mich in eine gesellschaftlich anerkannte Rolle: in meinem kosmopolitischen und sozialrealen Umfeld, in welchem, wie schon erwähnt, die größte Verschiedenartigkeit herrschte, entging ich dem Gruppendruck vollkommen, dem Jungs üblicherweise ausgesetzt werden. Niemand spottete, niemand bürdete mir eine in der Bande gepflegte Männlichkeit auf. Ich durfte weinen oder Rosafarbe tragen, ohne Angst zu haben, dass sich meine Kameraden lustig machen und ich mich schämen oder verstecken muss. Das widerspiegelte sich natürlich in meiner späteren Sexualität. Ich wurde nicht eines Morgens von meinem Vater „eingeweiht“, ich erlebte auch keine Einführung durch Schulkameraden, kannte keinen Wettbewerb um Potenz, Frühreife und schon eroberten Körperteile, ich musste mich nicht als Macho behaupten. Als der für mich richtige Zeitpunkt kam, wurde ich, ohne im Vorfeld irgendwelche Vorurteile oder Muster gesammelt zu haben, auf meiner Entdeckungsreise von Frauen begleitet und aufgeklärt. Meine nie infrage gestellte Freiheit eigenen Gefühlen gegenüber erlaubt mir heute noch „für Männer unübliche“ Empfindungen: zum Beispiel wollte ich in den ersten Wochen meinen neugeborenen Sohn Antonin ablecken, ich konnte ihn stundenlang im Arm halten und 49


ansehen, seinen kleinen Mund küssen; ich entdeckte diese bedingungslose Liebe, Gefühle, die der Verliebtheit nahe sind, ich genoss es, seine Windeln zu waschen... „Schläft das Kind jetzt durch?“ ist eine Standardfrage, die sich junge Eltern schon nach zwei Wochen immer wieder anhören müssen. Ich möchte allen sagen: ich stand gerne in der Nacht wegen Antonin auf! Weil auch in dieser Hinsicht kein Druck herrschte, sondern Vertrauen und Geborgenheit, schlief Antonin nach „erstaunlich“ wenigen Wochen „durch“. Aber ich stehe heute noch – 20 Monate später – oft in der Nacht auf, um zu sehen, ob er bequem liegt und regelmäßig atmet. Seine bedingungslose Entspannung, die Süße seiner Locken, seiner Züge berühren und beglücken mich, und sein sanfter Atem beruhigt mich. Väter, Männer! Verpasst das nicht! Opfert diese erdenden Gefühle nicht einer angelernter Virilität, einer fremdauferlegten Härte – Männer haben die genau selben Gefühle, wie Frauen, und das genau selbe Recht, sie zu leben und zu äußern. Lasst uns diejenigen erhängen, die das Gegenteil behauptet und eingeführt haben! Als Sohn, Ehemann und Vater möchte ich Männern und angehenden Vätern sagen: Alles, was Ihr allgemein über Ödipus, Männlichkeit, Vaterwerden, Vatergefühle, Vaterbild, Vaterrolle und Vaterfunktion gehört oder gelesen habt, ist größtenteils falsch. Nimmt man den Rahmen weg, in welchem diese „Dinge“ auftauchen, so erscheinen sie nicht einmal! Es ist Zeit für „Männlichkeit reloaded“. Es ist Zeit für Neues, Neues, das uns dazu anregt, überhaupt Lust auf Neues zu haben! Die Probleme dieser Welt lassen sich nicht durch dieselben Männer und deren Einstellungen lösen, die sie verursacht haben. Die in der Vergangenheit entstandenen Rollenbilder von Männern und Frauen sind unbrauchbar geworden. Wir brauchen ein neues Selbstverständnis der beiden Geschlechter. Die Mädchen und Frauen sind seit einiger Zeit dabei, das zu entwickeln. Die Männer laufen Gefahr, den Anschluss zu verlieren, allein schon deshalb, weil ihnen das, was in Zukunft unentbehrlich sein wird, noch immer nicht als erstrebenswert vorgestellt wird, sondern sogar als für Männer verwerflich! Für eine gemeinsame Zukunft brauchen die Frauen von heute Männer von morgen, Männer, die ihnen gewachsen sind: denn die anstehende gesellschaftliche und kulturelle Transformation kann nur gemeinsam gelingen. Die Geschichte meiner andauernden Kindheit ohne Schule und ohne fremde Muster liefert einige neue Beispiele, gibt uns die Möglichkeit, vielen Vorurteilen und überholten Ideen den Garaus zu machen. Was kann uns für morgen suchende Männer mehr helfen, als unsere Kenntnisse darüber, wie ein Kind – in unserer Gesellschaft – in wirklicher Freiheit aufwächst? Was wird denn aus einem Kind, das nie den oben erwähnten Rahmen kennt, in welchem Krisen, Probleme und falsche Muster entstehen? Wir haben darüber eigentlich keine Kenntnisse aus erster Hand, sondern nur Ahnungen und Fragen. Meine Geschichte liefert Antworten auf diese Fragen. Ist es nicht eine wichtige Erweiterung des Horizontes, über andere, unbekannte Möglichkeiten informiert zu sein, die wir bis jetzt für unmöglich hielten? Diese Erweiterung des Horizontes regt uns dazu an, die eigene Geschichte zu respektieren, und die eigenen Wege, auch wenn sie weit weg von allen Gepflogenheiten oder Vorschriften sind, als relevant zu betrachten. Statt unsere Geschichte in der vorgegebenen Einfassung und mit konventionellen Farben einzutragen, werden wir dazu eingeladen und ermutigt, sie als das, was wir als Kind waren, zu schreiben, und zwar als unvoreingenommene Weltendecker. Wir werden eingeladen, 50


ermutigt und inspiriert, uns als kleine Gestalter unserer eigenen Lebenswelt und unseres eigenen Selbst auf den Weg zu machen. Heute noch, und schon für morgen.

André Stern

Musiker, Autor Leiter der Initiative „Männer für morgen“ der Sinn-Stiftung (Initiatoren Prof. Dr. Gerald Hüther und André Stern) Leiter des Projekts „Väter&Söhne“ der Sinn-Stiftung (Initiator Prof. Dr. Gerald Hüther, Präsident Sinn-Stiftung) Leiter des Arno Stern Instituts

Literatur André Stern „...und ich war nie in der Schule – Geschichte eines glücklichen Kindes“, Zabert Sandmann, München 2009 André und Arno Stern „Mein Vater, mein Freund – das Geheimnis glücklicher Söhne“, Zabert Sandmann, München 2011

51


Gesellschaftspolitische Wertschätzung von Vätern

Angela Icken

Männer und Väter Ein gleichstellungs- und gesellschaftspolitisches Thema Viele Männer wollen heute ihre Vaterrolle anders wahrnehmen als ihre eigenen Väter. Ihnen reicht es nicht mehr, der Familienernährer zu sein, der allenfalls beim Sonntagsspaziergang im Park die Hand an den Kinderwagen legte. Aber sind sie wirklich so häufig zu finden, wie es in der Öffentlichkeit vermittelt wird? Dieser Beitrag nähert sich dem ‚Väterthema’ dezidiert aus einer gleichstellungspolitischen Perspektive. Hierbei stützt er sich auf aktuelle wissenschaftliche und durchgängig geschlechterdifferenzierende Untersuchungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf der Grundlage der Milieuforschung.10 In Deutschland leben ca. 81 Millionen Menschen, davon sind. 33,2 Mio. Männer älter als 18 Jahre. Es gibt •

6,6 Millionen Väter mit Kind(ern) unter 18 Jahre

2,7 Millionen Väter mit Kind(ern) unter 6 Jahren

Die Zahl der Kinder (der Väter mit Kindern unter 18 Jahren) : •

4,2 Mio. Väter haben ein Kind

3,6 Mio. Väter haben 2 Kinder

1,2 Mio. Väter haben 3 und mehr Kinder

Die Gesellschaft macht es Männern heute nicht leicht, Vater zu sein. Vielmehr verhinderten und verhindern nach wie vor traditionelle Rollenbilder und dadurch bedingte strukturelle Barrieren eine Gleichstellung der Geschlechter. Milieu-Studien der letzten Jahre zeigen: In nahezu allen Alters-, Bildungs- und Berufsgruppen ist die Gleichstellung von Frauen und Männern eine im Grundsatz unbedingt akzeptierte soziale Norm. Das Thema Gleichstellung spaltet heute nicht mehr Frauen und Männer sondern Generationen und Lebenswelten. Gleichstellungspolitik erreicht heute nicht alle gesellschaftlichen Milieus in gleicher Weise.

10

Z.B. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Wege zur Gleichstellung, heute und morgen, Berlin 2007; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Beruflicher Wiedereinstieg nach der Familiengründung, eine Sinus Milieu-Studie, Berlin 2008; Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend (Hrsg.): Zeit für Wiedereinstieg, Berlin 2011

52


Vor allem aber machen die Studien eines deutlich: Jungen und (jungen) Männern fehlt es an modernen Rollenvorbildern, sie sind in ihrem Umfeld nur selten anzutreffen. Das gilt insbesondere auch für die zeitgemäße Rolle eines modernen Vaters, der sich die Familienaufgaben wie den Erwerb des Familieneinkommens gleichberechtigt mit der Mutter teilt. Dies entspricht auch nicht den Vorstellungen junger Frauen. Sie wollen heute den Partner und nicht den Familienernährer, dies ist jedoch eine Rolle, die Männern von Arbeitgebern11 und auch insgesamt von den tiefverwurzelten Rollenbildern in der Gesellschaft zugewiesen wird. Zwischen Tradition und Moderne. Welche Rollenbilder herrschen bei Männern vor? Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 2006 zeigen, dass Männer mit Blick auf ihre Geschlechtsgenossen ein ziemlich tradiertes Männerbild hatten. Was Männer an Männern sympathisch finden

Prozent

1.

Die Familie gut versorgen

76

2.

Sexuelle Treue

63

3.

Berufliche Kompetenz, Fachmann sein

60

4.

Liebevolle Fürsorge für die Kinder

57

5.

Leistungsorientierung, Ehrgeiz

57

6.

Organisationsgeschick

53

7.

Mit technischen Geräten umgehen können

52

8.

Selbstbeherrschung, Disziplin

51

9.

Durchsetzungsvermögen, sich nicht unterkriegen lassen

49

10.

Konflikte schlichten, vermitteln

46

11.

Konflikten nicht ausweichen

44

12.

Flexibel sein, sich umstellen können

44

13.

Zärtlichkeit

44

14.

Hilfsbereitschaft, sich um andere kümmern

43

Quelle: Prof. Dr. Carsten Wippermann, auf der Grundlage der Daten der Untersuchung ‚Wege zur Gleichstellung – heute und morgen‘ (2006) Datenbasis: Männer ab 18 Jahren in Deutschland; n= 1.435 Fälle; Mehrfachnennungen möglich

Die mit 76 % der Nennung hohe Bedeutung des ersten Items ‚Die Familie gut versorgen‘ zeigt, dass die tradierte Rolle des Familienernährers 2006 nach wie vor eine hohe Relevanz hat, es liegt deutlich vor den Items ‚Sexuelle Treue‘ und ‚Berufliche Kompetenz; Fachmann 11

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Beruflicher Wiedereinstieg nach der Familiengründung, eine Sinus-Milieustudie, Berlin 2008

53


sein‘. Es wird auch deutlich, dass Männer die Rolle des Vaters bei ihren Geschlechtsgenossen als weniger wichtig einschätzen, denn sonst würde das Item ‚Liebevolle Fürsorge für die Kinder‘ nicht fast 20 % weniger Zustimmung finden. Dennoch findet es sich vor fünf ‚typisch männlichen‘ Zuschreibungen bzw. Eigenschaften. Insgesamt kann man bei Betrachtung der Reihenfolge der Nennungen zu dem Schluss kommen, dass Männer 2006 ein eher traditionelles Rollenverständnis in dem Sinne hatten, dass sie am Modell des Familienernährers festhielten. Dies spiegelt sich wider in der Betrachtung der Eigenschaften, die Männer an Frauen besonders sympathisch finden.12 Die Items ‚Zärtlichkeit‘, ‚Liebevolle Fürsorge für die Kinder‘ und ‚Sexuelle Treue‘ (jeweils 80 % der Nennungen) verweisen ebenfalls auf ein eher traditionelles Rollenbild von Frauen. Was Männer an Frauen sympathisch finden

Prozent

1.

Zärtlichkeit

80

2.

Liebevolle Fürsorge für die Kinder

80

3.

Sexuelle Treue

80

4.

Die Familie gut versorgen

76

5.

Gefühle zeigen

73

6.

Romantisch sein

67

7.

Arbeiten im Haushalt erledigen

66

8.

Eine schöne Atmosphäre schaffen

66

9.

Gefühle anderer verstehen

61

10.

Hilfsbereitschaft, sich um andere kümmern

55

11.

Konflikte schlichten, vermitteln

53

12.

Gespür für Menschen, mit denen man zu tun hat

50

13.

Kreativ sein

50

14.

Organisationsgeschick

47

Quelle: Carsten Wippermann, auf der Grundlage der Daten der Untersuchung ‚Wege zur Gleichstellung – heute und morgen‘ (2006) Datenbasis: Männer ab 18 Jahren in Deutschland; n= 1.435 Fälle; Mehrfachnennungen möglich

12

Selbstverständlich wurden Männern in beiden Fällen die gleichen Antwortmöglichkeiten vorgelegt.

54


Zudem kann unterstellt werden, dass das Item ‚Die Familie gut versorgen‘ bei Frauen anders besetzt ist als bei Männern. Insgesamt zeigt sich, dass Männer Frauen traditionell weibliche Eigenschaften zuschreiben, weniger dagegen Eigenschaften, die sie in ihrer Berufstätigkeit wahrnehmen bzw. schätzen. Es bleibt ein Eindruck, dass Männer das Bild ihrer Mütter und Großmütter bei der Beantwortung vor Augen hatten. Wenn junge Frauen heute berufstätig sein wollen, Führungspositionen anstreben, dann passt das sich hier ergebende Rollenbild nicht zu ihnen – mit allen sich daraus ergebenden - auch demografischen - Konsequenzen.

Das Problem der Re-Traditionalisierungsfalle Hans-Peter Blossfeld hat sich in einer Langzeituntersuchung über fast 15 Jahre mit dem Verlauf von Paarbeziehungen auch und gerade um die Geburt des ersten Kindes beschäftigt. Carsten Wippermann hat die Entscheidung von Paaren auf der Grundlage von Milieu-Forschungen verfolgt. Deutlich wird bei beiden, dass Frauen für eine begrenzte, erste Zeit ihre Kinder selbst betreuen möchten. Durch die Vätermonate steht dies auch Vätern offen. Paare fällen gemeinsam die Entscheidung, wer zu Hause bleibt – es ist in der Regel die Frau. Es ist ein hinreichend bekanntes Phänomen, dass Männer mit Kindern mehr arbeiten als Männer ohne Kinder 13 und die Re-Traditionalisierung der Geschlechterrollen nimmt ihren Lauf – trotz der Bekundungen von Männern, ihre Vaterrolle leben zu wollen.

Retraditionalisierung von Geschlechterrollen am Beispiel der Hausarbeit

Übernimmt hauptsächlich/ überwiegend die Frau

Paare ohne Kinder

Paare mit Kindern unter

Differenz

16 Jahren 1.

Bügeln

78 %

92 %

+ 14 %

2..

Wäsche waschen

76 %

92 %

+ 16 %

3.

Kochen unter der Woche

70 %

89 %

+ 19 %

4.

Kochen zu besonderen Anlässen

67 %

83 %

+ 16 %

5.

Bäder und Toiletten säubern

57 %

81 %

+ 24 %

6.

Geschenke besorgen

56 %

64 %

+8%

7.

Kleidung für den Partner kaufen

50 %

44 %

-6%

8.

Lebensmittel einkaufen

45 %

71 %

+ 12 %

13

Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Beruflicher Wiedereinstieg nach der Familiengründung, eine Sinus Milieu-Studie, Berlin 2008

55


9.

Geschirr spülen bzw. Geschirrspüler bedienen

38 %

71 %

+ 33 %

10.

Staubsaugen, Bodenwischen

37 %

71 %

+ 34 %

11.

Die Wohnung aufräumen

25 %

58 %

+ 33 %

12.

Feste organisieren

25 %

31 %

+6%

13.

Telefonate , Schriftverkehr mit Behörden; Behördengänge

20 %

26 %

+6%

Quelle: Carsten Wippermann, auf der Grundlage der Daten der Untersuchung ‚Wege zur Gleichstellung – heute und morgen‘ (2006) Datenbasis: Männer ab 18 Jahren in Deutschland; n= 1.435 Fälle; Mehrfachnennungen möglich

Väter, die bereit sind, sich wie ihre Frau um das Kind zu kümmern, stoßen im Unternehmen nach wie vor auf wenig Verständnis, wenn sie eine Besprechung, eine Präsentation, eine Dienstreise zu einem wichtigen Kunden absagen, weil das Kind krank geworden ist. Es gilt noch immer die Unternehmenskultur, dass im Ernstfall die Frau beruflich zurücksteckt: Für den Mann werden "Zwänge" geltend gemacht; für die Frau ist es lediglich ein "Dilemma". Die „Partnermonate“ beim Elterngeld sind ein erster und sehr wichtiger Schritt hin zur Unterstützung und zur Akzeptanz neuer männlicher Rollenbilder, die mittlerweile von gut 20% der Männer in Anspruch genommen wird, die Vater werden. Auch das „Aktionsprogramm Perspektive Wiedereinstieg“, das Frauen nach der Familienphase beim beruflichen Wiedereinstieg unterstützt, bindet bewusst Männer in den Prozess ein. Deutlich wird in allen aktuellen Untersuchungen der Abteilung Gleichstellung, Chancengleichheit des BMFSFJ, dass Männer in ihrer Identität „Vater“ wahrgenommen und unterstützt werden wollen. Denn sie stehen vor einem Dilemma: Das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird nach wie vor als ein Frauenthema wahrgenommen. Das zeigt sich durchgängig, selbst wenn es um Frauen in Führungspositionen geht, ist eine zentrale Forderung der Ausbau adäquater Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Dabei wird vergessen, dass es sich hierbei auch um ein „Männer-Thema“ handelt. Ihre Partnerinnen erwarten, dass sie Vater sind und Männer „müssen“ gleichwohl häufig weiter Hauptverdiener sein. Eine kaum zu lösende Situation.

Geschlechtergerechtigkeit und Faire Chancen für Frauen und Männer als gleichstellungs- und gesellschaftspolitisches Thema Daher verwundert es nicht, dass heute die Themen ‚Geschlechtergerechtigkeit’ und ‚Faire Chancen für Männer und Frauen’ in Deutschland ein gleichstellungspolitisches aber auch gesellschaftspolitisches Thema sind, das die Menschen beschäftigt. 86 % der Frauen und Männer sagen, dass diese Probleme im Interesse eines Zusammenhalts der Gesellschaft gelöst werden müssen. Nur 12 % verneinen dies. Da in Deutschland über lange Jahre beide Themen im Kontext der Frauenpolitik verwendet wurden, interessiert die Einschätzung von Männern hierzu besonders. Ca. 83 % der befragten Männer stimmten folgender Frage ,voll und ganz’ oder ‚eher’ zu (Top 2 von 4 Boxes): „Es wird derzeit viel über Geschlechtergerechtigkeit / faire Chancen für Männer 56


und Frauen gesprochen. Dabei geht es z.B. um zu wenige Frauen in Führungspositionen, um fehlende Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern bei gleichwertiger Tätigkeit, oder darum, dass Jungs öfter auf der Hauptschule sind, schlechtere Noten haben und, dass sie verhaltensauffälliger sind als Mädchen. Was denken Sie: Müssen diese Probleme geklärt und gelöst werden, damit der Zusammenhalt unserer Gesellschaft gesichert ist?"14 Nach Alterskohorten ergeben sich nur geringfügige Unterschiede, d.h. insgesamt ist das Thema Geschlechtergerechtigkeit nicht mehr fokussiert auf Frauen sondern auch für den überwiegenden Teil der deutschen Männer. Welche Themen halten Männer in diesem Zusammenhang für wichtig? Hier ist es interessant zu sehen, dass sie sowohl Aspekte, die das Leben von Frauen betreffen, als auch für ihr eigenes Leben wichtig sind. Durchschnittlich 97 % der befragten Männer sprechen sich für eine Entgeltgleichheit für Frauen und Männer aus, das löst u.a. ökonomische Zwänge bei Entscheidungen zur Kinderbetreuung. Ca. 92 % der Männer sagen, dass Frauen Unterstützung und Schutz finden müssen, wenn sie von Gewalt betroffen sind. Gut 80 % der Männer sagen, dass es mehr Frauen in Führungspositionen geben muss - ein Thema, dass derzeit politisch in Deutschland sehr virulent ist. Vielleicht erwarten sie, dass mehr Frauen in Führungspositionen dazu führen, dass diese auch stärker Väter wahrnehmen. Gut 91 % der Männer sagen aber auch, dass Betriebe berücksichtigen müssen, dass Männer auch Väter sind und für ihre Kinder / ihre Familien da sein möchten. Rund 80 % der Männer sagen, dass eine partnerschaftliche Aufgabenteilung in der Familie zwischen Frauen und Männern – von der Kinderbetreuung bis zum Wäsche waschen umfassen muss. Für knapp 80 % der Männer gehört es aber auch zur Geschlechtergerechtigkeit, Männer dabei zu entlasten, der traditionelle Haupternährer der Familie zu sein. Dieses hohe Bewusstsein um die Bedeutung der Geschlechtergerechtigkeit für die Gesellschaft hat sich in den vergangenen fünf bis maximal 10 Jahren in der Bevölkerung herausgebildet. Möglicherweise zeichnen sich hier Ergebnisse eines Kommunikationsprozesses ab, in dessen Zentrum die konsequente Hinwendung zu modernen, gleichberechtigten Geschlechterrollen steht, die die Potenziale von Frauen und Männern zur Entfaltung kommen lassen und eine Vielfalt von Lebensentwürfen lebbar machen will. Die Sachverständigenkommission, die das Gutachten für den Gleichstellungsbericht der Bundesregierung erstellt hat, stellt fest, dass es in der Gleichstellungspolitik um die Unterstützung neuer Lebensentwürfe von Frauen und Männern, um die Unterstützung bei Modernisierungsprozessen auch und gerade der Geschlechterrollen gehen muss. Dies bedeutet aber auch, dass alte, tradierte Geschlechterrollen nicht durch neue Rollenzwänge ersetzt werden dürfen. Väter, die ihr Vatersein leben und eine partnerschaftliche Beziehung auf Augenhöhe haben wollen, haben die Zeichen der Zeit erkannt. Sie haben erkannt, dass das Modell des Familienernährers ein Auslaufmodell ist.

14

Basis: Befragte insgesamt und Männer (Gesamt: 2.000 Fälle; Männer bis 29 Jahre: 184 Fälle; 30-49 Jahre: 357 Fälle; 50 + Jahre: 439 Fälle); Angaben in Prozent.

57


Dr. Angela Icken Referatsleiterin „Rollenwandel und Partizipation, Männer, Migration“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Referatsleiterin „Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Literatur Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Wege zur Gleichstellung, heute und morgen, Berlin 2007 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Beruflicher Wiedereinstieg nach der Familiengründung, eine Sinus Milieu-Studie, Berlin 2008 Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend (Hrsg.): Zeit für Wiedereinstieg, Berlin 2011 Merkle, Tanja; Wippermann, Carsten: Eltern unter Druck, Selbstverständnisse, Befindlichkeiten und Bedürfnisse von Eltern in verschiedenen Lebenswelten; Lucius & Lucius, Stuttgart 2008 Rübenach, Stefan P; Keller, Matthias: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Ergebnisse des Mikrozensus 2009, in: Wirtschaft und Statistik, April 2011 Wippermann, Carsten; Calmbach, Marc; Wippermann, Katja: Rolle vorwärts – Rolle rückwärts, Identitäten und Verhalten von traditionellen, modernen und postmodernen Männern, Verlag Barbara Budrich, 2009 Wippermann, Carsten; Borgstedt, Silke: ‚Partnerschaft und Ehe, Entscheidungen im Lebenslauf’, Hrsg.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2010 Zulehner Paul M., Volz Rainer: Männer in Bewegung, Nomos Verlag 2009

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Stefan Reuyß

Elternzeit Betriebliche Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf die Väter Männer wollen heute vielfach beides: Kind und Karriere! Doch lassen sich die zwei Lebensbereiche nicht immer so leicht miteinander vereinbaren. Insbesondere die noch immer stark männlich geprägte Arbeitswelt ist auf die sog. neuen Väter nicht wirklich eingestellt (Klammer et al. 2011). Wenn Väter sich mit der Frage „Elternzeit – ja oder nein?“ beschäftigen, spielt daher ihre berufliche Situation eine wesentliche Rolle bei der Entscheidungsfindung. Fragen nach der Reaktion von Vorgesetzten und Kolleg/innen stellen sich ebenso wie Fragen nach den Auswirkungen auf die Karriere. Ob und wie die Väter ihr Fürsorgeinteresse in den Betrieben durchsetzen können und welche Rolle dabei die betrieblichen Rahmenbedingungen spielen, war Ziel der Studie „Das neue Elterngeld – Erfahrungen und betriebliche Nutzungsbedingungen von Vätern“ (Pfahl/Reuyß 2010), aus der zentrale Ergebnisse vorgestellt werden. Zunächst wird die gesellschaftliche Ausgangssituation skizziert, vor denen die Väter ihre Entscheidungen treffen. In einem zweiten Schritt wird sich mit den betrieblichen Rahmenbedingungen auseinandergesetzt, die die Entscheidung für oder gegen eine Inanspruchnahme der Elternzeit durch die Väter sowie das konkrete Nutzungsmuster wesentlich beeinflussen. Im Anschluss daran werden sowohl wichtige Verhaltensmuster und Handlungsstrategien für Väter benannt, die bei der Umsetzung ihrer Elternzeitwünsche eine zentrale Rolle spielen, als auch der notwendige betriebliche Handlungsbedarf.

Gesellschaftliche Ausgangssituation Die seit Jahren steigende Erwerbsorientierung von Frauen (insbesondere von Müttern) sowie ein deutlicher Interessenzuwachs der Männer an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder (Döge 2007; Wippermann et al. 2009) weist auf einen gesellschaftlichen Trend zu einer wachsenden Gleichstellung der Geschlechter hin, auch wenn das Ziel einer tatsächlichen Gleichstellung noch in weiter Ferne liegt. Insbesondere auf der kulturellen Ebene der Männlichkeitsbilder zeigen sich positive Veränderungen: So begreifen nur noch knapp 30% der Väter ihre Rolle in der Familie als „Ernährer“, während sich rund 70% auch als „Erzieher“ sehen, also als Väter, die aktiv Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen (Fthenakis/Minsel 2002). Durch diese Entwicklung gewinnt die Frage nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Männer immer kapitaler an Bedeutung (Klenner 2007, Dilger et al. 2007, Jurczyk 2005, BMFSFJ 2005). Die stärkere Ausrichtung beider Eltern auf ein Parallelitätskonzept von Familie und Beruf, in dem beide Elternteile berufstätig sind und sich die Verantwortung für die Kinder neben dem Beruf teilen, kann in der Arbeitswelt jedoch nicht immer adäquat gelebt werden. Oftmals sind Betriebskultur, Arbeitsorganisation und Vorgesetzte nur unzureichend auf entsprechende Anforderungen eingestellt. Ursache hierfür ist eine Beschäftigtenbild, das noch immer von einem von Fürsorgeaufgaben befreiten (männlichen) Familienernährer ausgeht (Klenner /Pfahl 2005). 59


Dass Männer und Frauen sowohl im Erwerbs- als auch im Familienbereich gleichberechtigt aktiv sein können, ist ein Ziel des 2007 eingeführten Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG): Mit der Ausgestaltung als Lohnersatzleistung in Höhe von rund 2/3 des durchschnittlichen Nettoverdienst der letzten zwölf Monate für einen Zeitraum von max. 14 Monaten soll ein Signal an erwerbstätige Mütter gesetzt werden, die Erwerbsunterbrechung nach der Geburt eines Kindes stärker als bisher üblich zu befristen und frühzeitiger an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Das Gesetz soll aber auch Väter stärker in die Fürsorge-Verantwortung für ihre Kinder einbeziehen. Ob und wie dies gelingen kann, entscheidet sich maßgeblich an dem Ort, an dem die Männer ihren gesetzlichen Anspruch geltend machen – in den Betrieben.

Betriebliche Rahmenbedingungen Zu den diesbezüglich wesentlichen betrieblichen Rahmenbedingungen zählen: •

die Betriebskultur,

Vorgesetzte, Führungskräfte sowie Kolleginnen und Kollegen,

die Branche und die Größe des Betriebs,

die Arbeitsorganisation des Betriebes sowie

der Arbeitsbereich und die betriebliche Stellung des Vaters.

Eine offene und familienfreundliche Betriebskultur fördert die Inanspruchnahme der Elternzeit ebenso wie eine von den Vätern wahrgenommene familienunfreundliche Betriebskultur bei ihnen Unsicherheit, Vorsicht und Kritik hervorruft. Familienfreundlichkeit bedeutet allerdings nicht zugleich ‚Väterfreundlichkeit’. Gerade hinsichtlich spezifischer familienfreundlicher Maßnahmen des Betriebes fühlen sich Väter oftmals nicht mit angesprochen. Entscheidend ist dabei auch, inwieweit die betrieblichen Leitbilder tatsächlich den ganzen Betrieb erfassen und in all seine Bereiche und Hierarchieebenen ‚durchsickert’. Hier wird unmittelbar die besondere Rolle der direkten Vorgesetzten und Führungskräfte sichtbar. Ihre Einstellung gegenüber den Fürsorgeinteressen der Väter erweist sich dabei als zentral hinsichtlich der Entscheidungsfindung der Väter, ob sie Elternzeit nehmen oder nicht, als auch hinsichtlich der Dauer der Abwesenheit und der Frage, ob die Elternzeit mit Teilzeit kombiniert werden soll oder nicht. Sie nehmen quasi eine wichtige Scharnierfunktion im Unternehmen ein, da sie die Vorgaben der Unternehmensleitung in die konkrete betriebliche Praxis umsetzen (müssen). Je aufgeklärter und handlungskompetenter Vorgesetzte und Führungskräfte dabei sind, desto eher ist es den Vätern möglich, ihre Vorstellungen bei der Gestaltung der Elternzeit sowie weiterer familienorientierter Maßnahmen umzusetzen. Unter den weiteren betrieblichen Akteuren tun sich die Personalabteilungen mit einer neutralen bis positiven Haltung gegenüber den Elternzeit-Vätern hervor. Auffallend ist, dass Betriebs- und Personalräte, wie auch Gleichstellungs- und oder Frauenbeauftragte in Hinblick auf die Realisierung der Elternzeit eher selten in Erscheinung treten. Dennoch tragen sie nicht unwesentlich zu einer vätersensiblen Betriebskultur bei, indem sie bspw. an entsprechenden Betriebsvereinbarungen mitwirken oder als Ansprechpartner in Konfliktsituationen auftreten. Die positivsten Reaktionen und die meiste Anerkennung erfahren Elternzeit-Väter von Seiten ihrer Arbeitskolleginnen. Die Reaktionen von männlichen Kollegen fallen etwas weniger positiv aus. 60


Väter erkennen einen gravierenden Unterschied zwischen Privatwirtschaft und Öffentlichem Dienst. So fühlen sich Väter im öffentlichen Sektor gegenüber Vätern in der freien Wirtschaft privilegiert, hinsichtlich der größeren Akzeptanz ihrer väterlichen Familienaufgaben. Doch nicht nur die Branche ist entscheiden auch die Betriebsgröße hat einen wesentlichen Einfluss auf das Nutzungsverhalten der Väter. Als Faustregel gilt „Größer ist besser“. Größere Organisationen werden als vereinbarkeitsförderlicher angesehen, während sich Vereinbarkeit für Kleinbetriebe eher als Personalproblem auswirkt. Zusammengefasst bedeutet dies: Arbeiten die Väter in einem großen Betrieb, noch dazu im öffentlichen Dienst, haben sie eher das Gefühl, Elternzeit problemlos nehmen zu können. Gezeigt hat sich aber auch, dass die Arbeitgeber, die bereits langjährige Erfahrungen mit einer modernen Arbeitsorganisation haben, besser aufgestellt sind, um die Elternzeit von Vätern zu bewältigen. Selbstbestimmte, flexible Arbeitszeiten, Tele-Heimarbeit oder eine Arbeitskultur, die auf Ergebnisse und nicht auf Anwesenheit ausgerichtet ist, erleichtern es den Vätern, aber auch dem Unternehmen die Elternzeit in den Betriebsablauf zu integrieren. Betrieblichen Handlungsbedarf scheint es des Öfteren noch in der Frage der Vertretung zu geben. Meist bestehen keine Vertretungsmöglichkeiten, was zu Mehrbelastungen der Kolleginnen und Kollegen führt oder die Arbeit bleibt bis zur Rückkehr der Väter liegen. Dies führt auf Dauer zu innerbetrieblichen Spannungen und Konflikten und schränkt die Entscheidung der Väter entsprechend ein. Gerade das Vorhandensein einer ‚sauberen’ Vertretungslösung entlastet die Elternzeit-Väter und ermöglicht ihnen ein unbeschwertes Indie-Auszeit-Gehen. Günstig ist zudem ein Arbeitsbereich, der keine tagtägliche Anwesenheit erfordert und bei dem die Arbeitsinhalte auch umverteilt werden können. Galt lange Zeit der Grundsatz, dass familienbedingte Auszeiten nicht für Beschäftigte in gehoberer betrieblicher Stellung geeignet sind, scheint dies bei der Elternzeit in der Rigidität nicht zu gelten. So betonen Führungskräfte, die selbst Elternzeitmonate in Anspruch genommen haben, ihren höheren Gestaltungsspielraum innerhalb des Betriebs, wodurch ihnen die Inanspruchnahme im Vergleich zu anderen Beschäftigten leichter gemacht worden sei. Allgemein gilt die Realisierung von Elternzeit auch für Väter in Führungsposition als ‚machbar’, wobei sowohl die Väter als auch die betrieblichen Expert/innen davon ausgehen, dass für Führungskräfte dennoch andere Leistungsmaßstäbe gelten. Insgesamt fällt das Urteil der Väter wie auch der Verantwortlichen in der Arbeitswelt recht positiv aus. Die allermeisten Väter stellen keine negativen Veränderungen fest, insbesondere dauerhafte berufliche Benachteiligungen sind die absolute Ausnahme. Insofern kann der weit verbreiteten Befürchtung von massiven beruflichen Einbußen teilweise entgegen getreten werden. Die wenigste Unterstützung und damit auch die negativsten Reaktionen erfahren Väter, die länger in Elternzeit gehen wollen und dies mit dem Wunsch nach Teilzeitarbeit kombinieren. Sie stellen offensichtlich das hegemoniale arbeitsorganisatorische Leitbild des von Fürsorge befreiten (männlichen) Arbeitnehmers am stärksten in Frage. Verhaltensmuster und Handlungsstrategien für Väter Ob und wie die Umsetzung des gesetzlichen Anspruchs auf Elternzeit gelingt, kann in gewissen Grenzen von dem einzelnen Vater mit beeinflusst werden. Dazu müssen ein paar wenige Verhaltensmuster und Handlungsstrategien beachtet werden.

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Als übergreifend günstig hat sich für alle befragten Väter erwiesen, wenn sie sich möglichst frühzeitig und mit möglichst konkreten Zeit-/Vertretungsvorstellungen bezüglich der Ausgestaltung ihrer Elternzeit an ihre Vorgesetzten wenden.

Eine positive Grundhaltung sowie die direkte mündliche Ansprache des zuständigen Vorgesetzten, so die Erfahrung der meisten Väter, haben ähnlich positive Effekte.

Kontakt halten zu Kolleg/innen und die Bereitschaft, „in Notfällen“ erreichbar zu sein, wird von vielen Vätern, aber auch von Vorgesetzten positiv bewertet. Hierbei ist es jedoch wichtig, Grenzen gegenüber dem Betrieb und der Arbeit zu ziehen.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist, bereits bei der Beantragung möglichst konkrete Umsetzungspläne bereit zu halten. Solche Präventivmaßnahmen wirken etwaigen Vorbehalten Seitens des Betriebs entgegen.

Betrieblicher Handlungsbedarf Im betrieblichen Alltag wird väterliche Elternzeit offensichtlich zunehmend zur Normalität. Viele Vorgesetzte stehen diesen Fragen mittlerweile positiver gegenüber als noch vor wenigen Jahren. Doch damit Väter das volle Potential der Elternzeit ausschöpfen können und auch weitergehende Fürsorgeinteressen im Betrieb durchsetzen können braucht es eine Verstetigung der Auseinandersetzung mit diesem Thema sowie weitere betriebliche Unterstützung der Väter. Folgende Handlungsfelder sind dabei zentral: •

Eine fürsorgesensible Betriebskultur.

Die Förderung gleichstellungsorientierter Männer

Eine kreative Steuerung der Arbeitsorganisation

Mannigfaltige Teilzeit-Elternzeitkombinationen.

Kreative Vertretungsmodelle für die Abwesenheitszeiten der Väter.

Eine auf die unterschiedlichen Lebensphasen orientierte Arbeitszeitgestaltung.

Die Unterstützung von Führungskräften bei den komplexer werdenden arbeitsorganisatorischen Fragen.

Gleichstellung muss zum zentralen Thema für Personalverantwortliche und betriebliche Interessenvertretungen werden.

Mit einer entsprechenden gesetzlichen Rahmung und dem Ausbau einer adäquaten Kinderbetreuung werden so die Themen ‚Familie’ und ‚Fürsorgeverantwortung’ in der Arbeitswelt immer mehr zum Alltag für beide Geschlechter. Dadurch, dass auch Männer verstärkt als Menschen mit Familie und Fürsorgeverpflichtungen wahrgenommen werden, wird zudem ein wesentlicher Beitrag zur Beförderung der Gleichstellung der Geschlechter geleistet.

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Stefan Reuyß Diplom-Soziologe mit den Schwerpunkten Arbeit-, Genderund Zeitforschung. Seit vielen Jahren in verschiedenen Forschungs-, Beratungs- und Schulungsprojekten zum Thema Gender, Gleichstellung, Care und Vereinbarkeit tätig. Zudem Trainer und Dozent für verschiedene Hochschulen, sowie öffentliche

und

private

Bildungsanbieter.

Seit

2004

gleichberechtigter Partner bei SowiTra, dem Institut für sozialwissenschaftlichen Transfer in Berlin

Literatur BMFSFJ - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2005): Siebter Familienbericht. Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Berlin Fthenakis, Wassilios / Minsel, Beate (2002): Die Rolle des Vaters in der Familie. Stuttgart: Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Band 213 Dilger, Alexander / Gerlach, Irene / Schneider, Helmut (Hrsg.) (2007): Betriebliche Familienpolitik. Potenziale und Instrumente aus multidisziplinärer Sicht. Wiesbaden: VS Verlag Döge, Peter (2007) Männer – auf dem Weg zu aktiver Vaterschaft. Aus Politik und Zeitgeschichte 07/2007: 27-32 Jurczyk, Karin (2005): Work-Life-Balance und geschlechtergerechte Arbeitsteilung. Alte Fragen neu gestellt. In: Seifert, Hartmut (Hrsg.) Flexible Zeiten in der Arbeitswelt. Frankfurt New York: Campus, S. 102-123 Klammer, Ute et al: (2011): Neue Wege - gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf, Gutachten der Sachverständigenkommission für den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Essen Klenner, Christina (2007) Familienfreundliche Betriebe – Anspruch und Wirklichkeit. Aus Politik und Zeitgeschehen 34/2007: 17-25 Klenner Christina/ Pfahl Svenja (2005): Stabilität und Flexibilität. Ungleichmäßige Arbeitszeitmuster und familiale Arrangements, In: Seifert Hartmut. (Hrsg.): Flexible Zeiten in der Arbeitswelt. Frankfurt New York: Campus, S. 124-168 Pfahl, Svenja / Reuyß, Stefan (2009): Das neue Elterngeld - Erfahrungen und betriebliche Nutzungsbedingungen von Vätern. Düsseldorf: Edition der Hans-Böckler-Stiftung, Gender, Familie und Beruf, Bd. 239, Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2011) Statistik zum Elterngeld. Beendete Leistungsbezüge 2010, Wiesbaden Wiechmann, Elke / Oppen, Maria (2008): Gerechtigkeitsvorstellungen im Geschlechterverhältnis – Das Beispiel „Elterngeld“ WZB Discussion Paper SP III 2008-101, Berlin Wippermann, Carsten (2009): Männer: Rolle vorwärts, Rolle rückwärts? Opladen: Verlag Barbara Budrich

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Hannes Hausbichler

Darf ich wollen, was ich will? Die Vaterschaft heute, in der Gefahr, in den Erwartungen und Zwängen Anderer unterzugehen Es wird dem geneigten Leser schwer fallen, eine Untersuchung zu finden, welche die echten Wünsche und Bedürfnisse von Männern zum Thema hat. Studien, welche Männer danach befragen, wie sehr sie bereit sind, die Wünsche und Vorstellungen von Frauen zu erfüllen, mögen in großer Zahl existieren, sie scheinen jedoch die Wünsche der Männer mehr als „Mittel zum Zweck“ anzusehen, die Männer selbst stehen dabei selten im Mittelpunkt. Daher sieht der Autor es an der Zeit, im Rahmen des Projekts „Wertvolle Väter“ die Wünsche von Männern an eine Vaterschaft klarzustellen und dabei nicht zu werten, ob die Wünsche der Männer durch herrschende gesellschaftliche Ideale als zulässig deklariert werden. Wer die Wünsche von Menschen nicht akzeptiert, der akzeptiert schließlich den betreffenden Menschen selbst nicht in seiner Persönlichkeit und seinem Anspruch auf Glück. Aus diesem Grund hat der Autor auch mögliche Wünsche von Männern an eine Vaterschaft beleuchtet, welche sich Männer angesichts der herrschenden gesellschaftliche Ideale gar nicht zu äußern wagen, und sich dabei seiner Vertrauensposition als Funktionär der Männerpartei, welche den Männern von vorneherein Grundvertrauen symbolisiert, zunutze gemacht. Was wollen Väter? Neben seiner Erfahrung aus der Kommunikation mit einer Vielzahl von Männern in seiner politischen Tätigkeit führte der Autor eine Umfrage unter 194 Männern aus allen deutschsprachigen Ländern durch. Im Wesentlichen lässt daraus folgendes feststellen:

Männer stehen einer Vaterschaft positiv gegenüber Die Frage „Wie erleben Sie ihre Vaterschaft oder wie stellten sie sich vor?“ wird von 60% euphorisch mit „Als eine wunderschöne Bereicherung und Lebensinhalt!“ beantwortet, die Frage „Wie würden Sie den Alltag mit Kindern in ihrer Familienwohnung beschreiben (für Väter) oder sich vorstellen (für Kinderlose)“ gleich von fast 80% mit „Ich würde mich zu jeder Zeit auf den Trubel mit den Kindern freuen!“ Die Einstellung der Männer zu einer Vaterschaft lässt sich hieraus am treffendsten mit „Begeisterung“ bezeichnen, der Autor plädiert hiermit aus voller Überzeugung dafür, dass wir das noch immer in der Gesellschaft allzu oft verhakte Vorurteil vom Vater, der sich nicht für seine Kinder interessiert, endlich zu Grabe tragen und uns auf die berechtigten Wünsche der Väter, die sich für ihre Kinder begeistern, einstellen. Männer stehen zu ihren Vaterpflichten Der bewusst provokant gestellten Frage „Väter haben Pflichten und müssen auch daran erinnert werden!“ stimmen 66% voll zu, 16% teilweise. Selbst die Trennungsväter unter Teilnehmern weichen in dieser Frage nicht ab. 64


Zur nächsten provokanten Frage, „Ich denke, Männer machen sich ihre Vaterschaft heutzutage zu leicht!“, meinen wieder 66% hingegen entschieden, dies sei nicht der Fall, 26% bewerten diese Frage neutral. Männer wollen also nicht nur die Rosinen aus der Vaterschaft picken, sondern krempeln gerne die Ärmel auf. Aus der Sicht des Autors sind sie berechtigterweise der Ansicht, dass Väter sehr wohl bereits ihre Pflichten erfüllen. Viele Männer möchten ihren Partnerinnen mehr Vertrauen können Dieselben provokanten Fragen wurden auch auf die Mütter bezogen. Hier zeigt sich in deutlichen und ernstzunehmenden Ausmaß, dass Männer sich oft von Frauen in Bezug auf eine gleichberechtigte Elternschaft im Stich gelassen fühlen: „Mütter haben Pflichten und müssen auch daran erinnert werden!“ stößt auf 84% Zustimmung und nur 4% Ablehnung, die Frage „Ich denke, Mütter machen sich ihre Mutterschaft heutzutage zu leicht!“ rüttelt mit der vollen Zustimmung von 48% und nur 20% Ablehnung deutlich wach! Auf die Frage, wie groß das Vertrauen in die Verlässlichkeit einer Partnerin sei, können nur 18% ein großes Vertrauen bestätigen, 21% haben sogar überhaupt kein Vertrauen. In einer Zeit, in der Mütter die Entscheidungsträger über Kinder sein dürfen, in der es praktisch Entscheidung der Frau ist, ob ein Vater mit seinen Kindern leben und den Alltag mit ihnen genießen darf, sind diese Resultate fatal. Der Autor ist ständig mit Aussagen junger Männer konfrontiert, die eine Vaterschaft nur deshalb ablehnen, weil sie Angst davor haben, von den Kindern getrennt und ohne Rechte leben zu müssen. Wäre wenigstens nur die rechtliche Lage so schlecht für Männer, jedoch deren Vertrauen in ihre Partnerin noch da, so könnten sie sich auf eine Vaterschaft trotzdem bewusst und freudig einlassen. Eine Kombination beider Faktoren jedoch nimmt den Männern die Möglichkeit, mit Freude ihr Menschenrecht auf Familie genießen zu dürfen.

Männer sehen sich als Vater im Nachteil Eine zentrale Frage stellt folgende dar: „Viele Väter haben Schwierigkeiten, zu ihren Kindern nach einer Trennung den Kontakt aufrecht zu erhalten. Wie stehen Sie zu diesem Thema?“. 85% finden diesen Umstand einen Skandal und fordern sofortige Änderung. Die Wünsche der Väter werden damit klar, die folgende Frage konkretisiert das Dilemma der Väter weiter: Männer wünschen sich Kinder, jedoch oft nicht unter den gegeben Umständen Zu „Stimmen Sie dieser Aussage zu: Ich würde viel lieber eine Vaterschaft eingehen, wenn ich mehr Rechte hätte. Als Vater ist man immer der Zweite!“ stimmen 72% zu, nur 15% lehnen diese Aussage ab.

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Sollten wir uns nun mit der Frage auseinandersetzen, dass wir Männern einen zentralen Lebensinhalt, den Wunsch nach einer Bereicherung des Lebens um die Elternschaft, so schwermachen, dass Viele aufgeben? Der Autor selbst hat für sich diese Frage schon durch sein politisches Engagement beantwortet.

Eine Differenzierung unter den Antworten bestärkt die Erkenntnisse: Väter, die von ihren Kindern getrennt leben, wünschen sich in der Mehrzahl keine Kinder mehr, hingegen ist der zusätzliche Kinderwunsch bei Vätern, deren Kinder bei ihnen leben, meist gegeben oder zumindest nicht ausgeschlossen. Dieses Indiz zeigt umso mehr, wie deutlich eine Trennung und die damit für Männer verbundenen Nachteile den Wunsch nach Kindern negativ beeinflusst, und lässt klar auf die Angst von vielen Männern vor einer Vaterschaft schließen, bloß weil sie durch die Gefahr einer Trennung kaum mehr schöne Momente an der Vaterschaft genießen können, sich die Mühen daraus jedoch oft multiplizieren, gerade wenn wir die Mehrfachbeanspruchung von Trennungsvätern durch oft hohe Unterhaltszahlungen und der oft mühsamen Aufrechterhaltung des Kinderkontakts in der meist knappen Freizeit betrachten, ganz abgesehen von der Gefahr, dass der Kontakt zum Kind jederzeit ganz verloren gehen kann, wenn ihn die Kindesmutter hintertreiben möchte. Männer wünschen sich mehr Zeit mit den Kindern auf Kosten der eigenen Berufstätigkeit. Wie steht es nun um die Männer, wenn es konkret darum geht, die Pflichten in der Elternschaft aufzuteilen? Erst einmal konfrontieren wir uns mit den Wünschen der Männer, die sie „frei von der Leber weg“ ausdrücken können: „Wenn Sie alleine es sich wünschen könnten, wie stellen Sie sich ihre Vaterschaft vor:“ lässt wohl für viele überraschend ganze 74% „alles halbe/halbe mit der Mutter, Beruf und Kinderbetreuung werden geteilt.“ wählen, nur 24% wollen die Alleinernährerrolle. Eine Möglichkeit wird von Männern jedoch entschiedest abgelehnt: Nicht einmal 3% meinen: „möglichst viel Berufstätigkeit für mich und die Mutter, Kinderbetreuung können andere genauso gut“. Das fragwürdige Ideal vieler ideologisch geprägten Familienpolitikerinnen und Publizistinnen, dass die Eltern schön im Gleichschritt Karriere machen sollen, die Kinder jedoch in den Hort gehörten, ist für Männer völlig uninteressant. Ganz offensichtlich wünschen sich Männer mehr Zeit mit ihren Kindern, die sie gerne mit tatkräftiger Betreuung ihrerseits verbinden. Berufstätigkeit und prestigeträchtige Karriere stellen sie lieber zurück, wenn es ihnen möglich ist.

Was dürfen Väter? Erwartungen und Zwänge der Gesellschaft an und auf Väter Der ersten Frage sind wir nunmehr nachgegangen, die Wünsche der Väter sind geschildert. Doch wie weit sind Wunsch und Wirklichkeit voneinander entfernt? Was hält Väter davon ab, sich ihre Wünsche zu erfüllen? Wie so oft sind es äußere Zwänge von, gestellt von

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Anspruchsgruppen oder -personen, welche Männer mit Erwartungen und Zwängen konfrontieren. Einkommen: Mit ihrem Einkommen sollen Männer einen großen Teil des Familieneinkommens abdecken. Diese Erwartung bringen ihre Partnerinnen, deren Verwandt- und Bekanntschaft, aber auch der Umkreis des Mannes noch immer ganz selbstverständlich ein. Dem Mann ist es daher nicht ohne weiteres möglich, seine Berufstätigkeit auf eine schlecht bezahlte Tätigkeit zu reduzieren, auch wenn sie ihm Vorteile im familiären Zusammenleben bieten würde. Für viele bleibt eine Vollzeit-Berufstätigkeit daher weiterhin die einzige Alternative, obwohl wir schon festgestellt haben, dass der Wunsch der meisten Väter anders lautet.

Kinderbetreuung und Hausarbeit: Die Erwartung von Partnerinnen, dass sich Männer an der Kinderbetreuung und der Hausarbeit beteiligen, ist selbstverständlich. Sollten sich beide Partner jedoch auf das traditionelle Rollenbild einigen, so akzeptiert wiederum die Gesellschaft nicht, dass Partner diese Rollenverteilung ungestört leben. Auch auf Frauen, welche dieses Rollenbild leben, lastet ein hoher Druck. Sie werden mit vorgeschobenen Argumenten traktiert, wie dem Vorwand, die Frau sei nicht abgesichert, wenn sie Hausfrau bleibt. Dass solche Argumente in Zeiten, in welchen verheiratete Frauen durch Unterhaltszahlungen nach der Trennung lebenslang gut abgesichert sind, jeder Grundlage entbehren, lässt nur einen Schluss zu: Letztlich ist das gesellschaftliche Modell der Hausfrauenehe aus irrationalen Gründen in der Gesellschaft nicht geduldet. Dem Mann, der nun seinen Teil zum Haushaltseinkommen beitragen will und den irrationalen Erwartungen entsprechen möchte, die ihm verbieten wollen, seine Familie mit Geld zu versorgen und dafür arbeitsteilig als Gegenleistung Kinderbetreuung und Hausarbeit abgenommen zu erhalten, nimmt eine Doppelbelastung in Kauf: Vollzeitarbeit und nach Feierabend oder im Wochenende Familienarbeit zu übernehmen.

Einsatz im Beruf Arbeitgeber erwarten sich von Männern selbstverständlich eine zuverlässige Einsatzbereitschaft. Der Druck und die Spontaneität sind in vielen Berufen gestiegen, von Arbeitnehmern in Vollzeitstellen wird in wachsendem Ausmaß kurzfristige Überstundenbereitschaft und fallweiser, außerordentlicher Einsatz erwartet. Diese Erwartungen sind gerade in typischen Männerberufen präsent, bei Handwerkern, in Verwaltungen und Vertriebsorganisationen sowie Industriebetrieben. Die Konzepte dieser Berufsbilder richten sich vermehrt danach, den Konkurrenzkampf durch rasche und geradezu willfährige Ausrichtung nach aktuellen und individuellen Kundenwünschen zu gewinnen. Dafür benötigen Unternehmen Beschäftigte, welche grundsätzlich ohne ständige Rücksicht auf familiäre Bedürfnisse zur Verfügung stehen.

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Weil die ständige Verfügbarkeit enorme Vorteile im Konkurrenzkampf sichert, sind exakt diese Stellen besser bezahlt als andere und geben dem Mann die Möglichkeit, die oben angeführte Erwartung zum Haushaltseinkommen zu erfüllen, die Erwartungen der Partnerin und des Umfelds bezüglich paritätischer Hausarbeit können dabei natürlich nicht mehr erfüllt werden. So entbrennt nun der Konflikt um unvereinbare Erwartungen: Oft erleben Männer, dass ihre Partnerinnen zwar mit dem Einkommen des Mannes zufrieden sind, sehen jedoch ihre Erwartung bezüglich der Hausarbeit und Kinderbetreuung nicht ausreichend erfüllt. Konflikte entbrennen in vielen Fällen um diese Unvereinbarkeit, Männer finden meist keine Lösung, weil ihnen die Alternativen fehlen, und eine Trennung liegt in der Luft. Sind Männer nun in dieser verzweifelten Lage, so liegen ihre Wünsche an eine Vaterschaft wie ein Scherbenhaufen vor ihnen: Ihr begeisterter Traum einer Vaterschaft mit allem Schönen im Familienalltag, ihr Vertrauen in die Partnerin, ihr Wunsch nach ausgiebig Zeit mit den Kindern, die Vereinbarkeit der Erwartungen von Partnerin, Gesellschaft und Arbeitgebern lässt ihre Wünsche und Träume unerfüllt.

Auswege aus der Ratlosigkeit: Damit auch Männer ihren Traum leben können Der Autor hat dargestellt, dass der Wunsch von Männern an eine erfüllte Vaterschaft daran scheitert, dass sie mit unerfüllbaren Erwartungen konfrontiert sind. Wie können jedoch die Anspruchsgruppen und -personen an Männer dazu bewegt werden, ihre Erwartungen zu ändern? Arbeitgeber werden ihre Erwartungen nicht ändern können, wenn sie unter dem beschriebenen Konkurrenzdruck stehen. Frauen, welche sich aus dem beschriebenen Grund für eine Trennung entscheiden, werden ihre Erwartungen nicht ändern, solange sie familienrechtlich so weit im Vorteil sind, dass sie sich ihre Vorstellungen selbst gestalten können und dabei durch die Pflichten der Männer ihre Entscheidungsfreiheit finanziert erhalten. Der Druck auf die Männer kommt letztlich durch die rechtlichen Nachteile im Bereich des Familienrechts zustande. Wären Männer nicht rechtlich bedingt von den Entscheidungen der Kindesmutter, emotional wie finanziell, abhängig, so bestünde die Möglichkeit vor allem bei der Partnerin und aus deren Umfeld, die Erwartungen entweder an das Haushaltseinkommen oder das Ausmaß des Einsatzes in Hausarbeit und Kinderbetreuung auf ein menschenmögliches Maß herunterzusetzen. Männer empfinden ihre Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten in der Familie aufgrund klarer rechtlicher Benachteiligungen eingeschränkt. Um ihnen die Möglichkeiten, als mitentscheidender, gleichberechtigter Elternteil unbeschwertes Familienglück zu erfahren, zu geben, darf sich die Gesellschaft und die danach handelnde Politik zumindest aller deutschsprachigen Staaten durchaus verpflichtet fühlen, das Familienrecht endlich auf eine gerechte Basis zu stellen. Als Fixpunkte legt der Autor Mitbestimmung, Aufenthaltsbestimmung, das Recht auf maximalen Kontakt zwischen Elternteilen und Kindern mit sofortiger Durchsetzbarkeit und die faire Aufteilung von Kinderbetreuungs- und Geldunterhaltsaufwand dringend nahe. 68


Fairness im Familienrecht ist ein Gebot der Menschlichkeit. Die Ausführungen zeigen, dass wir diese neue Gerechtigkeit einer Generation von Männern schuldig sind, die sich von Herzen auf eine erfüllte Vaterschaft freuen möchte.

Hannes Hausbichler Der Autor ist seit 2009 Mitglied der österreichischen Männerpartei, seit 2010 als Landesvorsitzender in Vorarlberg eingesetzt und übt seit 2011 zusätzlich die Funktion des bundesweiten Familiensprechers aus. Sein Engagement gilt männerspezifischen Problemen aus gesetzlichen und gesellschaftlichen Benachteiligungen, welchen er sich im Team der Männerpartei durch direkte Beratung und Hilfe, Organisation von Selbsthilfegruppen, politischer Kooperationsarbeit und die Schaffung neuer politischer Konzepte widmet.

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Vom Wert der Väter für Unternehmen

Volker Baisch / Anna Lena Garde

Wie wird Deutschland Väterland? Väterfreundlichkeit als nachhaltige Personalpolitik Um in Zeiten des demografischen Wandels und veränderter Rollenverteilungen gute Fachkräfte zu rekrutieren und zu binden, muss auch Vätern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht werden. Doch häufig greifen die Maßnahmen zu kurz und sind so allgemein, dass sie langfristig weder den Mitarbeitern noch dem Unternehmen nützen. Warum eigentlich? Es ist noch gar nicht lange her, da war klar: Kommt ein Kinderwagen um die Ecke, ist das Nächste, was wir sehen, eine Mutter. Doch das Bild in Deutschlands Vierteln hat sich gewandelt. Selbst unter der Woche sind heute immer mehr Männer die stolzen Fahrer der PS-freien Karren ihrer Sprösslinge. Und tatsächlich sprechen die Statistiken die gleiche Sprache. Seit 2007 das gesetzliche Elterngeld eingeführt wurde, hat sich die Zahl der Väter, die eine Zeit mit ihrem Kind zuhause bleiben mehr als vervierfacht15. Soweit die guten Nachrichten. Schaut man genauer hin, ist die deutsche Arbeitskultur jedoch noch immer geprägt von traditionellen Rollenmustern einerseits und den Erwartungen des modernen Kapitalismus vom Mann als leistungsbereite Karrieremaschine, der gerne auch mal bis nachts im Büro sitzt, andererseits. Das führt dazu, dass Männer ihren Wunsch, mehr Zeit für die Familie zu haben, häufig nicht aussprechen. Laut Umfragen glauben 71% der Männer ihre Karriere sei zu Ende, wenn sie Elternzeit in Anspruch nähmen.16 Und Aussagen wie „Ich habe auch Elternzeit eingereicht. Die ersten 2 Monate. Das war ein Kampf. Stundenlanges Rumsitzen beim Chef und sich Drohungen anhören. Die wollten mich deswegen kündigen“ zu einer Internetumfrage der Zeitschrift Eltern mit dem Thema „Unterstützen Chefs junge Väter?“ zeigen, dass die Angst vor dem Karriereknick nicht unbegründet ist.17 Familienfreundliches Image – ja, echtes Verständnis von Seiten der Unternehmen – häufig Fehlanzeige. In der heutigen Leistungsgesellschaft herrscht zudem in vielen Fällen ein Ungleich-gewicht zwischen Arbeitsanforderungen und Arbeitszeit. Der Soziologe Richard Sennett beschreibt dies als „die neuen Formen der Zeit“18 und meint damit eine neue Form des Wirtschaftens, die von den arbeitenden Individuen permanente Verfügbarkeit zu Gunsten des sich ständig verändernden Marktes verlangt. Dieses Phänomen sieht er im Widerspruch zu den 15

Vgl. BMFSFJ (2010a): Familienreport 2010. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, S. 101. 16 Vgl. Hübner-Weinhold, Mark (04.10.2008): „Männer mit Schere im Kopf“ Artikel Hamburger Abendblatt „Männer mit Schere im Kopf“ – Interview mit Volker Baisch. In: http://www.abendblatt.de/wirtschaft/karriere/article942501/Maenner-mit-Schere-im-Kopf.html (Stand: 04.10.2008). 17 Vgl. Litters, Jennifer (2008): „Unterstützen Chefs junge Väter“ – Umfrage auf Eltern.de. URL: http://www.eltern.de/beruf-und-geld/job/vaetermonate-unternehmen.html (Stand: 27.07.2011). 18 Vgl. Sennett, Richard (2000): Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin: Berlin Verlag, S. 25.

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natürlichen Bedürfnissen des Menschen nach Sicherheit und Verlässlichkeit.19 Die Erwartungen der modernen Arbeitswelt stehen also dem Wunsch danach, mehr Zeit für die Familie zu haben, oft unvereinbar gegenüber. Es besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geben circa 80% der Unternehmen in Deutschland an, dass familienfreundliche Maßnahmen für ihr eigenes Bestehen wichtig oder sehr wichtig seien.20 Eine weitere Erhebung ergab, dass 74% daran glauben, dass Familienfreundlichkeit sich betriebswirtschaftlich auszahlt.21 Jedoch bleibt bei vielen Maßnahmen, besonders wenn es um die männlichen Mitarbeiter geht, sprichwörtlich der Wunsch der Vater des Gedanken. Denn nur, weil Angebote für Väter auf dem Papier stehen, heißt es nicht, dass sie im Sinne der Mitarbeiter auch umgesetzt werden. Johanna Possinger hat in ihrer wissenschaftlichen Arbeit „Vereinbarkeit von Vaterschaft und Beruf – Eine Analyse betrieblicher Hindernisse“ anhand von Untersuchungen herausgefunden, dass eine deutliche Diskrepanz zwischen familienbewussten Angeboten und der Nachfrage der männlichen Beschäftigten besteht.22 Die Frage ist, warum? Denn glaubt man zahlreichen Studien, wollen sich auch die meisten Väter mehr für die Familie einbringen.23 53% der Männer wünschen sich laut Manager Magazin heimlich in Elternzeit zu gehen – aber nur 20,2% machten im ersten Quartal 2011 aus Wunsch Wirklichkeit.24 Und die Mehrheit der Väter, die das Elterngeld in Anspruch nehmen, bleibt nur zwei Monate, die so genannten Partnermonate zuhause. „Der Löwenanteil der direkten Sorgearbeit für Kinder wird weiterhin von Frauen geleistet“ stellt Possinger fest.25 Väter fürchten sich nicht nur vor einem Karriereknick, wie oben beschrieben, sondern auch vor dem Spott und Unverständnis der Kollegen. Oft spielen zudem finanzielle Ängste eine große Rolle. Häufig erhöht sich die Arbeitszeit des Vaters nach der Geburt des ersten Kindes sogar, da er sich für die finanzielle Absicherung seiner Familie verantwortlich fühlt.26 Viele Männer leben so mit einem doppelt schlechten Gewissen – gegenüber ihrem Arbeitgeber und der Familie. Das führt auf Dauer zu Unzufriedenheit, Stress und im schlimmsten Fall zum Burnout. Väterfreundlichkeit rechnet sich – für Unternehmen, Familien und Gesellschaft Wie bereits erwähnt, glauben circa dreiviertel der Arbeitgeber daran, dass eine familienfreundliche Personalpolitik nicht nur ihren Mitarbeitern nützt, sondern auch dem Unternehmen betriebswirtschaftliche Vorteile einbringt. Neueste Zahlen unterstützen diese Vermutungen. So hat eine aktuelle repräsentative Studie des Fürstenberg Instituts ergeben, dass 84% der Arbeitnehmer in Deutschland Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) hat daraufhin errechnet, 19

Vgl. Sennet (2000), S. 28 - 31. Vgl. BMFSFJ (2010b): Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2010, Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, S. 6. 21 Vgl. Köcher, Renate Prof Dr. (2009): Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus Sicht der deutschen Unternehmen. URL: http://www.vaeter-in-balance.de/cms/upload/PDFs/PDF-fkr/Koecher-Allensbachstudie.PDF (Stand: 28.07.2011). 22 Vgl. Possinger, Johanna (2010): Vereinbarkeit von Vaterschaft und Beruf. Eine Analyse betrieblicher Hindernisse. BGSS Working Paper No. 1, Institute of Social Sciences, Humboldt-Universität zu Berlin. 23 Vgl. ebd., S. 10. 24 Vgl. Destatis (2011): Öffentliche Sozialleistungen. Statistik zum Elterngeld. Gemeldete beendete Leistungsbezüge. 1. Vierteljahr 2011. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt, S. 7.. 25 Possinger (2010), S. 5. 26 Vgl. ebd. , S. 11. 20

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welche Einbußen durch nicht realisierte Produktion in Deutschland 2010 aufgrund von Leistungsminderung am Arbeitsplatz (unter anderem hervorgerufen durch Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben) entstanden. Dabei ergab sich die beinahe unglaubliche Zahl von 364 Milliarden Euro!27 Die Unternehmen müssen handeln, wenn sie auf Dauer nachhaltig wirtschaften und qualifiziertes Personal binden wollen. Denn der demografische Wandel sorgt dafür, dass in Zukunft nicht mehr die Arbeitskräfte um Jobs buhlen müssen, wie in den vergangenen Jahren, sondern die Unternehmen um die Arbeitskräfte. So könnten der deutschen Wirtschaft bis 2030 über fünf Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter fehlen.28 Und die so genannte Generation Y kann es sich leisten, mit hohen Ansprüchen auf den Arbeitsmarkt zu kommen. Doch ist die Notwendigkeit der Fachkräftebindung nicht das einzige Argument, das für Familienfreundlichkeit im Allgemeinen und eine auch auf die Zielgruppe Väter ausgerichtete Personalpolitik im Speziellen spricht. Im Folgenden sind die wichtigsten Punkte unter Berücksichtigung verschiedener Studien zusammen gefasst, weshalb Unternehmen spezielle Maßnahmen für Väter nicht länger ignorieren oder nebenbei laufen lassen sollten, sondern als ernstzunehmendes Thema auf ihre Agenda setzen müssen. It’s NOW time to make a change Väterfreundliche Maßnahmen und Elternzeit für Väter fördern Leistungsfähigkeit sowie die Arbeitsproduktivität im Unternehmen

die

finanzielle

Viele Arbeitgeber, Personaler und Führungskräfte befürchten, dass die Leistungs-fähigkeit ihres Unternehmens sinkt, wenn Sie jetzt nicht mehr nur die Frauen, sondern auch noch die Männer mit familienfreundlichen Maßnahmen fördern. Ein Irrglaube. So ergab eine ForsaUmfrage aus dem Jahr 2005, dass Mitarbeiter in familienfreundlichen Betrieben zielorientierter und um 17% produktiver arbeiten als Arbeitnehmer in Betrieben ohne Familienbewusstsein.29 Auch der renommierte Familientherapeut Jesper Juul ist davon überzeugt, dass Mitarbeiter mit einem intakten Familienleben leistungsfähiger, stabiler und loyaler sind. Die Vorstellung, dass die Familie eine Art Konkurrenz zur Arbeit darstelle sei überholt.30 Eine Studie aus Großbritannien hat sogar ergeben, dass Vaterschaftsurlaub eine der familienfreundlichen Maßnahmen ist, die durchweg mit überdurchschnittlicher Produktivität in Unternehmen einhergeht.31 Väterfreundliche Maßnahmen erhöhen die Arbeitsplatz-Attraktivität Hätten Sie gedacht, dass für 90% der Arbeitnehmer zwischen 25 und 39 Jahren in Deutschland die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine größere oder ebenso große Rolle wie das Gehalt spielt?32 Und, dass 77% der Eltern dieser Altersgruppe für mehr 27

Vgl. Fürstenberg-Performance-Index 2011. Hamburg: Fürstenberg Institut GmbH. Vgl. Prognos AG (2008): Studie Arbeitslandschaft 2030 – Steuert Deutschland auf einen generellen Personalmangel zu? München: vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V.; vgl. Destatis (2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. 29 Vgl. Forsa Studie 2005. Berlin: Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH. 30 Vgl. Braun, Gesine/Leitl, Michael (2011): „Vielen Managern fehlt Empathie“ – Interview mit Jesper Juul. In: Harvard Business Manager, Heft 5/2011, S. 101. 31 Vgl. Dex, Shirley/Smith, Colin (2002): The Nature and Pattern of Family-friendly Employment Policies in Britain. Bristol: Policy Press and Joseph Rowntree Foundation. 32 Vgl. BMFSFJ (2010c): Familienfreundlichkeit – Erfolgsfaktor für Arbeitsgeberattraktivität. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, S. 2. 28

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Familienfreundlichkeit den Arbeitgeber wechseln würden? Ähnliches fand man in einer britisch-irischen Studie zu Work-Life-Balance Angeboten und deren Effekt auf männliche ITAngestellte heraus. Väterfreundlichkeit ist ein hoher Motivator für Männer, zu einem Unternehmen zu gehen beziehungsweise bei einem Unternehmen zu bleiben. Und auch eine Erhebung des Forschungszentrums für familienbewusste Personalpolitik aus dem Jahr 2008 hat ergeben, dass im Wettbewerb um die besten Fachkräfte die familien-/väterfreundliche Unternehmen ein deutlich besseres Image haben und die besseren Bewerber bekommen. Viele Firmen könnten sich also teures Recruitment sparen, wenn sie aktiv mit diesem Thema an ihre männlichen Mitarbeiter heran treten würden. Väter, die in Elternzeit gehen und sich intensiv um ihre Kinder kümmern, ermöglichen Müttern früher in den Job zurück zu kehren: Ein Vorteil für Arbeitgeber Eine Umfrage in Großbritannien hat ergeben, dass Mutterschaftsurlaub über 12 Monate häufig als problematisch angesehen wird, da die Frauen nach einer längeren Unterbrechung erst mühsam wieder eingearbeitet werden müssen. Das bestätigt auch Mareike Jilg vom Dreieicher Logistikunternehmen Fiege: „Wenn die Mitarbeiter nicht ein ganzes Jahr aus der Firma raus sind, bleibt die Bindung an das Unternehmen bestehen.“33 In Schweden fand man sogar heraus, dass jeder Monat, den ein Vater zuhause bleibt, das Jahreseinkommen seiner Partnerin im Durchschnitt um 7 % erhöht.34 Familieneinsatz von Vätern kann die physische und psychische Gesundheit von Müttern und Vätern erhöhen, mit einem positiven Effekt für die Unternehmen, die so ihre Gesundheitsund Fehlzeitenkosten senken können Wie bereits erläutert haben 84% der Arbeitnehmer in Deutschland Probleme die Familie und den Beruf zu vereinbaren. Für Unternehmen bedeuten gestresste Mitarbeiter in vielen Fällen mehr Fehlzeiten, geringere Arbeitsleistung und Produktivität, höhere Fluktuation, mehr Unfälle sowie Kundenbeschwerden. Partner, die sich die Kinderbetreuung und den Broterwerb teilen sind weniger gestresst, da nicht die volle Verantwortung für das Kind beziehungsweise die finanzielle Absicherung auf den Schultern eines Elternteils lastet. Zudem konnte festgestellt werden, dass Väter, die sich intensiv um ihre Kinder kümmern länger gesund bleiben. Das wird unter anderem damit begründet, dass ein Mann, der lernt sich um ein Baby zu kümmern, auch lernt für sich selbst besser zu sorgen. Ein weiteres Problem ist, dass mindestens 50% der Väter nach der Geburt des Kindes einen Rückgang ihres Paarglücks empfinden – eine Krise von der sich die Beziehung häufig nicht wieder erholt. Väter können dagegen angehen, indem sie sich stärker in die Erziehung des Kindes involvieren, was wiederum zu mehr Zufriedenheit in der Partnerschaft führt.35 Väterfreundlichkeit bedeutet also Abbau von Stress, Aufbau von Sozialkompetenzen und ein hohes Einsparpotential für die Unternehmen.36

33

Kuhn, Marc (25.06.2011): Flexibilität ist gefragt. In: http://www.op-online.de/wirtschaft-lokal/flexibilitaet-gefragt1295743.html, (Stand: 28.07.2011). 34 Vgl. Johansson, Elly-Ann (2010): The effect of own and spousal parental leave on earnings. Working Paper 2010:4. Uppsala: Institute of Labour Market Polica Evaluation. 35 Vgl. Burgess, Adrienne (2011): SUPPORTING EMPLOYERS: the ‚business case’ for Paternity Leave and Additional Paternity Leave in UK. Marlborough: The Fatherhood Institute. 36 Vgl. BMFSFJ (2003): Betriebswirtschaftliche Effekte familienfreundlicher Maßnahmen. Kosten-Nutzen-Analyse. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

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Unternehmen müssen verstehen, wie wertvoll Väter sind Die Zahlen und Argumente machen deutlich, dass Unternehmen, es sich nicht mehr leisten können, über die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinwegzusehen. In puncto Familienfreundlichkeit hat sich in den letzten Jahren viel getan, trotzdem wird sie in den meisten Unternehmen noch immer nicht so praktiziert und kommuniziert, dass sie auch bei den Vätern ankommt. Aufgrund der in Deutschland verwurzelten von traditionellen Rollenbildern geprägten Arbeitskultur (immer noch arbeiten gerade einmal 14% der Frauen mit Kind in Vollzeit und gerade einmal 4-6% der Männer in Teilzeit)37)38 müssen Maßnahmen geschaffen werden, die zum einen Ängste nehmen und zum anderen konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen – sowohl auf der Führungs- als auch auf der Mitarbeiterebene. Eine der großen Herausforderungen für alle Beteiligten ist dabei eine angemessene Kommunikation. Eine Studie besagt, dass nur 49% der Unternehmen ihre Kommunikation in Bezug auf Familienfreundlichkeit stark einschätzen, und sogar nur 37% der Beschäftigten.39 Es ist daher von hoher Bedeutung echtes Verständnis füreinander aufzubauen: Männer orientieren sich an Vorbildern, vor allem aus der Führungsetage. Nur wo offen gelebt wird, dass Väter für das Unternehmen und die Gesellschaft wichtig sind, kann Toleranz gegenüber Vätern, die in Elternzeit gehen oder andere väterfreundliche Maßnahmen wahrnehmen wollen, aufgebaut werden. Und genau deshalb muss den Verantwortlichen in Unternehmen gezeigt werden, dass auch der Betrieb von diesen Maßnahmen profitiert und ihre eigene Performance darunter nicht leidet, sondern im Gegenteil sogar gesteigert werden kann. Denn wie sollen Personaler und Führungskräfte Vätern eine Kinderzeit ohne schlechtes Gewissen ermöglichen, wenn sie dabei selbst ein schlechtes Gewissen haben? Die Väter gGmbH fokussiert sich speziell auf die Rolle der Väter in Unternehmen, um genau dieses Umdenken zu erreichen. Natürlich sollen gesamtgesellschaftliche Veränderungen bewirkt und auch die Lage der Frauen verbessert werden, doch dafür ist es entscheidend, dass sich die Männer von diesem Thema überhaupt erst einmal angesprochen fühlen. Wir arbeiten daher mit vielen Leiterinnen und Leitern für Chancengleichheit zusammen. „Der Blick auf die Väter an der Universität des Saarlandes hat uns vielfältige Perspektiven eröffnet, wie wir die Ressourcen und Talente unserer männlichen und weiblichen Mitarbeiter besser nutzen können.“, sagt Dr. Sybille Jung, Leiterin der Stabstelle Chancengleichheit an der Universität des Saarlandes. Wir zeigen anhand von Studien, Vorträgen, Workshops, Coachings und Beratungen den Unternehmen auf, dass beide Seiten von väterfreundlichen Maßnahmen profitieren und entwickeln dann gemeinsam Ideen, wie diese im Unternehmen umgesetzt werden können. Hierfür ist es wichtig die Befindlichkeiten der Väter und auch die der Führungskräfte in Bezug auf ihre männlichen Mitarbeiter sowie die allgemeine Situation im Unternehmen zu kennen. Anhand von individuellen Analysen der jeweiligen Lage, schaffen wir Angebote, die genau auf eine bestimmte Firma oder Organisation zugeschnitten sind. Die Hamburg Wasser 37

Vgl. Bennhold, Katrin (2011): Women Nudged Out of German Workforce. In: http://www.nytimes.com/2011/06/29/world/europe/29iht-FFgermany29.html?pagewanted=all (Stand: 28.07.2011). 38 Vgl. Bennhold, Katrin (2011): Women Nudged Out of German Workforce. In: http://www.nytimes.com/2011/06/29/world/europe/29iht-FFgermany29.html?pagewanted=all (Stand: 28.07.2011). 39 Vgl. BMFSFJ (2010c).

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GmbH beispielsweise ist ein Unternehmen mit einem besonders hohen Männeranteil, das bereits erfolgreich mit uns zusammen arbeitet. Der Geschäftsführer Wolfgang Werner sagt: „Um das Thema ‚Vereinbarkeit von Familie und Beruf’ nachhaltig in unserem Unternehmen zu platzieren, konnten wir […] die familienbewussten Angebote für Väter optimieren und weiteren Entwicklungsbedarf für unsere Führungskräfte analysieren.“ Airbus, DATEV und die Commerzbank sind weitere Best-Practice-Beispiele. Dort haben wir nicht nur Personal- und Führungskräfte darin geschult, wie sie besser mit dem Thema Vereinbarkeit aus Vätersicht umgehen oder flexible Arbeitszeitmodelle umsetzen können, sondern auch ganz konkrete Maßnahmen für die Mitarbeiter eingeführt: beispielsweise einen Vortrag für Führungskräfte und Personaler um als Vorgesetzter, Väter mit Elternzeitwunsch kompetent zu beraten. Holger Hafner, Führungskraft bei Airbus meint dazu: „Wollen Väter ihre Arbeitsprozesse besser mit ihrem Privat-, insbesondere Familienleben in Einklang bringen, sind wir als Führungskräfte aufgefordert, mitzuwirken und die Konkurrenz zwischen Beruf und Familienleben für aufzuheben, oder besser diese Situation nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu erleben. Denn nur zufriedene Mitarbeiter können nachhaltig zum des Unternehmens beitragen.“

ihrem daran Väter ideale Erfolg

Unternehmen sollten erkennen, dass sie Vereinbarkeit für Väter leben und ehrlich kommunizieren müssen und nicht nur als imagefördernde Floskel durch die Büros schwirren lassen dürfen. Gemeinsam Lösungen finden, die Werte für Gesellschaft und Wirtschaft schaffen – dafür macht sich die Väter gGmbH stark.

Volker Baisch geboren 1966, Vater von zwei Töchtern, wohnhaft in Hamburg, Diplom-Sozialwirt, Auszeichnungen in Ashoka Fellow 2007 und Preis des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung, 10 Jahre Geschäftsführung Väter e. V., 5 Jahre Organisationsberatung – Dads GbR – Väter in Balance; 15 Jahre Fortbildungserfahrung; 10 Jahre Beratung und Coaching von Führungskräften. Beratungsthemen: Begleitung von Veränderungsprozessen bzw. Aufbau einer neuen Unternehmenskultur, Beratung von Verbänden und Organisationen zum Thema Vereinbarkeit und Väter. Coachingthemen: Coaching von Vätern und Führungskräften, Veränderungsprozesse, Identitätsfragen

Anna Lena Garde Anna Lena Garde ist Texterin, Studentin der Kulturwissenschaften und Betriebswirtschaftslehre. Bei der Väter gGmbH u.a. für die Unternehmenskommunikation und PR zuständig.

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Literatur BMFSFJ (2010a): Familienreport 2010. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. BMFSFJ (2010b): Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2010, Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. BMFSFJ (2010c): Familienfreundlichkeit – Erfolgsfaktor für Arbeitsgeberattraktivität. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. BMFSFJ (2003): Betriebswirtschaftliche Effekte familienfreundlicher Maßnahmen. Kosten-Nutzen-Analyse. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bennhold, Katrin (2011): Women Nudged Out of German Workforce. In: http://www.nytimes.com/2011/06/29/world/europe/29iht-FFgermany29.html?pagewanted=all (Stand: 28.07.2011). Braun, Gesine/Leitl, Michael (2011): „Vielen Managern fehlt Empathie“ – Interview mit Jesper Juul. In: Harvard Business Manager, Heft 5/2011. Burgess, Adrienne (2011): SUPPORTING EMPLOYERS: the ‚business case’ for Paternity Leave and Additional Paternity Leave in UK. Marlborough: The Fatherhood Institute. Destatis (2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. Destatis (2011): Öffentliche Sozialleistungen. Statistik zum Elterngeld. Gemeldete beendete Leistungsbezüge. 1. Vierteljahr 2011. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt Dex, Shirley/Smith, Colin (2002): The Nature and Pattern of Family-friendly Employment Policies in Britain. Bristol: Policy Press and Joseph Rowntree Foundation. Forsa Studie 2005. Berlin: Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH. Fürstenberg-Performance-Index 2011. Hamburg: Fürstenberg Institut GmbH. Hübner-Weinhold, Mark (04.10.2008): „Männer mit Schere im Kopf“ Artikel Hamburger Abendblatt „Männer mit Schere im Kopf“ – Interview mit Volker Baisch. In: http://www.abendblatt.de/wirtschaft/karriere/article942501/Maenner-mit-Schere-im-Kopf.html (Stand: 04.10.2008). Johansson, Elly-Ann (2010): The effect of own and spousal parental leave on earnings. Working Paper 2010:4. Uppsala: Institute of Labour Market Polica Evaluation. Köcher, Renate (2009): Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus Sicht der deutschen Unternehmen. URL: http://www.vaeter-in-balance.de/cms/upload/PDFs/PDF-fkr/Koecher-Allensbachstudie.PDF (Stand: 28.07.2011). Kuhn, Marc (25.06.2011): Flexibilität ist gefragt. In: http://www.op-online.de/wirtschaft-lokal/flexibilitaet-gefragt1295743.html, (Stand: 28.07.2011). Litters, Jennifer (2008): „Unterstützen Chefs junge Väter“ – Umfrage auf Eltern.de. URL: http://www.eltern.de/beruf-und-geld/job/vaetermonate-unternehmen.html (Stand: 27.07.2011). Possinger, Johanna (2010): Vereinbarkeit von Vaterschaft und Beruf. Eine Analyse betrieblicher Hindernisse. BGSS Working Paper No. 1, Institute of Social Sciences, Humboldt-Universität zu Berlin. Prognos AG (2008): Studie Arbeitslandschaft 2030 – Steuert Deutschland auf einen generellen Personalmangel zu? München: vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. Sennett, Richard (2000): Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin: Berlin Verlag. Wikipedia Artikel „Griechische Finanzkrise. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Finanzkrise

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Barbara David / Harald Seehausen

Wege aus dem Papa-Dilemma Wie die Commerzbank aktive Vaterschaft ermöglicht Der Erfolg hat viele Väter, heißt es – so ist es auch bei der Commerzbank. Gerade wurde die Integration der Dresdner Bank gestemmt, woran viele Väter beteiligt waren. Wobei das Thema Väter bei der Bank in den vergangenen Jahren zunehmend mit Kind und Kegel zu tun hat statt mit Zins und Zinseszins. Früher war Elternschaft bei der Bank ein reines Frauenthema. Ende der 1980er Jahre ging es um Chancengleichheit. „Frauen im modernen Banking“ hieß das Projekt, das die Berufs- und Karriereaussichten für weibliche Angestellte verbessern sollte. Das Projekt wurde 1998 in „consens“ umbenannt und inhaltlich erweitert. Denn es stellte sich heraus, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch ein Männerthema war. Familienbewusste Personalpolitik sollte sich an beide Elternteile richten, Frauen und Männer wurden gleichermaßen in den Fokus genommen. Ende der 1990er Jahre verzeichnete die Bank ein wachsendes Interesse von Vätern, mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Noch waren es wenige, doch die Zahl derer, die nach einem ausgewogenen Verhältnis von Beruf und Familienleben suchten und dies auch einforderten, stieg kontinuierlich. Die Commerzbank reagierte. In Kooperation mit dem Bundesfamilienministerium richtete die Bank unter anderem im Jahr 2000 eine Fachtagung zum bundesweiten Programm „Mann und Familie“ aus. Unter dem Motto „Mehr Leben ins Männerleben“ wurden zahlreiche Modelle und Initiativen vorgestellt, um Männer zu ermutigen, ihre Familienorientierung stärker in die Praxis umzusetzen. Ein Jahr später beteiligte sich die Bank am Projekt „Mehr Spielraum für Väter“. Dazu kamen äußere Faktoren wie das Teilzeitgesetz, das 2001 in Kraft trat. Es motivierte einige Männer in der Bank, Teilzeit mit Elternzeit zu verbinden. Parallel zu den gesellschaftspolitischen Veränderungen etablierte die Commerzbank ein Diversity Management, das dem Thema „Väter“ einen größeren Raum gab.

Kinderbetreuung als Schlüsselfaktor Von zentraler Bedeutung für die Entlastung der Commerzbank Eltern war und ist „Kids & Co.“. Mit „Kids & Co. backup“ übernahm die Bank bereits 1999 eine Vorreiterrolle in der deutschen Wirtschaft. Die Kinder-Ausnahmebetreuung stellte eine kurzfristige Kinderbetreuung für Kinder von Mitarbeitern sicher. Damals wie heute kooperierte die Bank mit dem pme Familienservice und initiierte gemeinsam mit ihm auch die Kindertagesstätte Kids & Co., über die seit 2005 nahe der Frankfurter Commerzbank Zentrale Krippen- und Kindergartenplätze angeboten werden. Inzwischen gibt es „Ableger“ dieser Kita, etwa die „Locomotion Kids“ in Düsseldorf. Derzeit wird intensiv daran gearbeitet, die Kinderbetreuung in der Fläche, sprich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überall in Deutschland, sicherzustellen. Das Pilot „Kids & Co. Schülerhort“ startet im Sommer 2011. Kids & Co. lohnt sich! Zu diesem Ergebnis kam die Studie der Frankfurter Agentur für Innovation und Forschung (FAIF) und der Prognos AG, die 2009 veröffentlicht wurde. Dabei gelang es erstmals, die betriebswirtschaftlichen Effekte einer betrieblichen Kinderbetreuung 77


zu evaluieren. Ergebnisse: Die Eltern, die ihre Kinder bei Kids & Co. in guten Händen wussten, kehrten früher aus der Elternzeit an ihren Arbeitsplatz zurück, hatten höhere Stundenkontingente und blieben ihrem Arbeitgeber treu. In der Evaluation wurde auch das Thema Vaterschaft thematisiert. Die Zahl der Männer, die nicht mehr bereit seien, den üblichen Karrierepreis zu Lasten ihrer Familien zu zahlen, wachse, heißt es dort. „Väter jüngerer Kinder wünschen sich mehr Zeit für gemeinsame Aktivitäten mit ihren Kindern und Familien.“

Studie macht Väterbild transparent Neu war diese Erkenntnis indes nicht. Bei der Studie „Die Väterthematik im Unternehmen: Salonfähig aber noch nicht ,betriebsfähig'“ befragten bereits 2005 das Deutsche Jugendinstitut und FAIF insgesamt 27 Commerzbanker: engagierte Väter, Führungskräfte und Arbeitnehmervertreter. Die Studie sollte darüber Aufschluss geben, wie Väter in der Bank die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bewältigen, welche Erwartungen sie haben und welche Impulse notwendig sind. Die Befragten waren unisono sehr familienorientiert und nahmen ihre Vaterrolle gerne an. „Ich war nicht mehr nur für mich selber da“, sagte einer der Männer, „das Kind hat mein Leben sehr verändert … der Sinn des Lebens bekam eine neue Priorität. Das, was ich bisher unter Glück verstanden habe, verschob sich total.“ Für die meisten Männer tat sich mit Kindern eine neue Erfahrungs- und Erlebniswelt auf. Und ein Zeitproblem. „Die 24-Stunden-Präsenz war wohl das Einschneidendste für mich“, erzählte ein Probant, „das Kind diktiert meine Zeitabläufe.“ Ein anderer ergänzte: „Darunter leidet zwangsläufig die Partnerschaft.“ Ein weiterer Mitarbeiter sagte: „Wir haben zu wenig Zeit für gemeinsame Gespräche und Unternehmungen.“ Gerade 13 Prozent der Befragten gaben an, noch genügend Zeit für die Partnerschaft zu haben.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit Die Väter waren über die Angebote der Bank zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gut informiert, doch in der Praxis war deren Nutzung eingeschränkt. „Zwischen Angebot und Realisierung liegen oft unüberwindliche Hürden“, hieß es in der Studie, zum Teil seien sie strukturell bedingt, vor allem sind die Einstellungen und Erwartungen der Vorgesetzten problematisch. „Die familienorientierten Maßnahmen sind mir bekannt“, sagte einer der Väter, „helfen aber wenig, weil in der Abteilung keine Flexibilität möglich ist.“ Nur Frauen hätten die Option, Teilzeit zu arbeiten, „ich könnte einen Teil meiner Arbeit auch am Telearbeitsplatz erledigen, aber dafür gibt es beim Vorgesetzten kein Verständnis“. „Die Vereinbarkeitsfrage stellt sich im Vertrieb als sehr schwierig dar“, sagte ein anderer. Die Anforderungen seien sehr hoch, „da kann ich mir eine aktive Vaterschaft kaum vorstellen“. Andere Väter stießen auf Verständnis und konnten in Absprache mit Vorgesetzten Ihre persönlichen Vorstellungen von Beruf und Privatleben gut vereinbaren. Fazit: Die Erfahrungen der Väter reichten von hoher Anerkennung bis zu geringer Akzeptanz der veränderten Vaterrolle.

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Karrierekiller Kind? Diese und ähnliche weitere Aussagen warfen nach Ansicht der Wissenschaftler ein Schlaglicht auf die Chancen und Risiken, die sich insbesondere für Väter ergeben, wenn sie Beruf und Familie in Einklang bringen möchten. „Es wurde deutlich, dass eine einigermaßen zufriedenstellende Vereinbarkeit sehr stark abhängig ist von den unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Arbeitsbereiche im Unternehmen“, hieß es in der Studie. Die Unsicherheit über die berufliche Zukunft nehme viel Raum ein, und: „Umstrukturierungen im Unternehmen bewirken direkt oder indirekt, dass viele sich nicht trauen, offensiv mit den familienfreundlichen Angeboten umzugehen.“ Die Väter äußerten die Erwartung, dass die Commerzbank die familienfreundlichen Angebote stärker unter dem „Väteraspekt“ kommunizieren sollte. Das Väternetzwerk sollte weiterentwickelt werden, väterbewusste Personalpolitik sei auf sämtlichen Führungsebenen notwendig und familiennahe Arbeitszeit wünschenswert. Die Studie hatte zusätzlich auch Führungskräfte und Betriebsräte befragt. Aus deren Sicht bedarf es eines längeren Prozesses, um Familienfreundlichkeit in der Unternehmenskultur zu etablieren – und Väter wurden als „neue Zielgruppe“ dafür wahrgenommen. Aus der Studie leiteten das Deutsche Jugendinstitut und FAIF folgende Empfehlungen für die Bank ab, die im Oktober 2005 unter anderem in einem Workshop mit dem Diversity Management und Vätern vorgestellt wurden. Sie lauten: •

Notwendig ist mehr Wissen über spezifische Bedürfnisse von Vätern (empirische Basis erweitern).

Väter sollten bei der Entwicklung von Lösungen beteiligt werden.

Die individuelle Lebensplanung müsse das neue Denkmodell für die Gestaltung familienfreundlicher Arbeitszeit werden.

Führungskräfte sollten für familien-/väterfreundliches Verhalten geschult werden.

Die gesamte Belegschaft sollte bei den Familienfreundlichkeit etc. eingebunden werden.

Themen

Arbeitszeitpolitik,

Abschied vom Schubladendenken Doch die Bewusstseinsbildung für ein verändertes Männerleitbild war ein zartes Pflänzlein. „Eine Gruppe der Männer steckt in einer Zwickmühle zwischen den betrieblichen Anforderungen und den Ansprüchen der Familie. Hier lassen sich die Erwartungen von Vorgesetzten und Kollegen sowie die eigenen Erwartungen und Wünsche, aber auch die der Partnerin und der Kinder nur zum Teil unter einen Hut kriegen“, bilanzieren die Wissenschaftler aus der explorativen Väterbefragung. Das Magazin „Focus“ beschrieb den Zwiespalt der Männer, die sich zwischen Erzieher- und der Ernährerrolle bewegen, als „Papa-Dilemma“. Die Ergebnisse der Studie und Erkenntnisse aus dem Arbeitsalltag fasste die Bank im Oktober 2007 in der Publikation „Neue Wege für Väter“ zusammen, in dem mehrere Mitarbeiter exemplarisch über ihre Erfahrungen als Vater und Berufstätiger berichten. Rainer Dahms, Bereichsleiter in Group Human Resources der Commerzbank, zieht Bilanz: „Wir 79


müssen uns vorbehaltlos, das heißt ohne Vorurteile, mit den Bedürfnissen und Wünschen der Väter auseinandersetzen“.

Netzwerk für berufstätige Väter Ein wichtiger Baustein für eine familien- und väterfreundliche Unternehmenskultur ist das Commerzbank Netzwerk „Fokus Väter“. Bereits 2004 fanden sich hier Männer aus unterschiedlichen Bereichen der Bank zusammen, die zugleich Vater und beruflich zufrieden sein wollten. Die Mitglieder treffen sich, um sich innerbetrieblich mit der Chancengleichheit aus Sicht der Männer zu befassen. Ihre Ziele: •

Beispiele aktiver Vaterschaft vorleben und auf unterschiedliche Lebensmodelle aufmerksam machen.

Ein positives Väterbild bankintern und nach außen vermitteln.

Väter ermutigen, neue Wege zu gehen.

Eine Plattform zum regelmäßigen Austausch bieten.

Führungskräfte für das Thema sensibilisieren.

Die Bedeutung von Familienkompetenzen etablieren.

„Fokus Väter“ wird auch ein Bestandteil des Konzeptes „Väterfreundliche Commerzbank“ sein. Ziel ist es, Vorurteile abzubauen, neue Rollenbilder zu schaffen und eine Unternehmenskultur der Chancengleichheit zu etablieren. Dafür wurden verschiedene Handlungsfelder identifiziert. In Zusammenarbeit mit dem pme Familienservice wird ein Vater-Kinder-Treffpunkt etabliert. „Die betrieblich geförderte Kinderbetreuung ist ein zentraler Ort und Zugang, um mit anderen Vätern ins Gespräch zu kommen“, stellt Rainer Dahms fest. Weiterer Schwerpunkt ist die Unterstützung und Förderung von Vätern in Elternzeit. Ein wichtiges Ziel war und ist die Sensibilisierung von Führungskräften für eine aktive Vaterschaft. Dazu sind Workshops und Vorträge geplant. Zusätzlich soll die Commerzbank als vater- und familienfreundlicher Arbeitgeber noch sichtbarer gemacht werden. Das Netzwerk „Fokus Väter“ spielt eine zentrale Rolle. Gemeinsam mit dem Diversity Management der Bank werden die einzelnen Projekte entwickelt und vorangetrieben. Wie die Väter die Fortschritte der Commerzbank sehen, zeigen Interviews, die aktuell mit Mitgliedern von „Fokus Väter“ geführt wurden. Übereinstimmend wird deutlich, dass die Integration der Dresdner Bank viel Kraft und Zeit gekostet hat. Es gibt keine Standardlösungen für Vaterschaft. An die Adresse der Bank heißt das: Flexible Arbeitszeiten, Teilzeit- und Homeoffice-Modelle werden verstärkt nachgefragt werden – auch um die Betreuung älterer Angehöriger zu gewährleisten. Die Commerzbank hat diesen Trend erkannt und erste Schritte weg von der Präsenzkultur getan. Dahms: „Weitere werden folgen müssen, um für Männer, die ihre Vaterschaft aktiv leben wollen, als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.“

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Barbara David COMMERZBANK AG Group Human Resources Policies & Rewards Diversity Management.

Dr. phil. Harald Seehausen Seit 1999 Gr端nder und Inhaber der Frankfurter Agentur f端r Innovation und Forschung, Initiator von zahlreichen B端rgerinitiativen.

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Claudia Münch-Gliewe

Väter im internationalen Konzern Vattenfall Kurze Vorstellung des Konzerns Vattenfall ist einer der größten Stromerzeuger und größter Wärmeerzeuger in Europa. Der Konzern beschäftigt etwa 38.000 Mitarbeiter in Schweden, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Polen, Großbritannien, den Niederlanden und Belgien, wobei die Muttergesellschaft Vattenfall AB zu 100 Prozent Eigentum des schwedischen Staates ist. Der deutsche Teil des Konzerns, die Vattenfall Europe AG, entstand 2002 aus dem Zusammenschluss der Unternehmen Bewag, HEW, LAUBAG und VEAG und bildet mit derzeit etwa 20.600 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen den drittgrößten Stromerzeuger Deutschlands. Obwohl von den Beschäftigten branchenbedingt ein großer Anteil männlich ist, hat sich der Fokus der Aufmerksamkeit erst vor kurzem in Richtung der Väter im Konzern gewendet.

Ein Konzern, unterschiedliche Länder Beginnt man eine Situationsanalyse der Väter bei Vattenfall, sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass es sich hier um einen internationalen Konzern handelt. Das bedeutet, dass es in den Ländern, in denen Vattenfall tätig ist, große Unterschiede hinsichtlich Kultur, rechtlicher Regelungen und der unternehmensinternen Leistungen für die Mitarbeitenden gibt. Schweden nimmt dabei eine Art Vorreiterrolle ein und erhält in vorliegendem Artikel neben der Situationsschilderung in Deutschland daher besondere Gewichtung: Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhalten Möglichkeiten, ihr Arbeitsleben flexibel zu gestalten. Eltern haben einen gesetzlichen Anspruch auf ein Elterngeld in Höhe von 80% des Entgelts, welches vollzeitlich über 13 Monate oder wahlweise auch teilzeitlich bis zum achten Lebensjahr des Kindes von der zur Sozialversicherung gehörenden Elternschaftsversicherung bezogen werden kann. Beschäftigte bei Vattenfall können die Teilzeiterwerbstätigkeit bis zum 12. Lebensjahr des Kindes fortführen. Jedem Elternteil stehen laut Gesetz 60 Tage Elternzeit und einem Paar gemeinsam weitere Tage 420 zu, die untereinander aufgeteilt werden können. Über die gesetzlichen Zuwendungen hinaus, die Berufstätige während der Elternzeit beziehen, erhalten Mitarbeitende in Elternzeit für eine Dauer von bis zu 270 Tagen zusätzlich 10% ihres Gehaltes von Vattenfall. Dies erleichtert es ihnen, die Arbeitszeit in den frühen Jahren der Elternschaft zu reduzieren. Gesetzlich geregelt ist auch die Möglichkeit, in Krankheitsfällen des Kindes zeitweiliges Elterngeld für bis zu 120 Tage im Jahr bis zum 12. Lebensjahr des Kindes in Anspruch zu nehmen. Doch auch im Verhalten der Mitarbeitenden selbst spiegelt sich eine besondere Einstellung zum Thema Familie wider: Meetings werden eher nur zu Zeiten angesetzt, bei denen sich die Kinder in Betreuung befinden. Es ist außerdem selbstverständlich, ein Meeting im Krankheitsfall des Kindes zu verlassen oder später zur Arbeit zu erscheinen. Ganz anders sieht es beispielsweise in Polen aus, dort erhalten die Beschäftigten während der Elternzeit weder vom Staat noch vom Konzern Leistungen. Das Thema findet in der Gesellschaft und in den Unternehmen bisher nur wenig Beachtung.

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Deutschland liegt im internationalen konzerninternen Vergleich im Mittelfeld, da auch hier staatliche Regelungen für das Elterngeld greifen und den Eltern gemeinsam zwölf Monatsbeiträge in Höhe von 67% des jeweiligen Gehaltes zustehen. Fallen darunter Partnermonate, bei denen beide Elternteile gleichzeitig in Elternzeit gehen und sich das Einkommen eines Elternteils für zwei Monate reduziert, so kann das Paar zwei weitere Monatsbeiträge beziehen. Ein Anspruch auf Elternzeit liegt bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes vor. Die Beschäftigten können einen Geburtenzuschuss in Höhe von 500 Euro bei der Vattenfall Europe AG beantragen. Weitere geldliche Leistungen sind in der deutschen Vattenfall Europe AG nicht vorgesehen. Flexible Arbeitszeitmodelle helfen den frisch gewordenen Eltern dabei, Umfang und Lage der Arbeitszeit zu koordinieren und besser mit ihrem Privatleben zu vereinbaren. Zu nennen sind dabei unter anderem Teilzeitarbeitsverhältnisse, Langzeitkonten sowie Umwandlung von Überstunden in Urlaub und flexible Gestaltung der eigenen Arbeitszeit. Ein immer populärer werdendes Instrument in diesem Zusammenhang stellt die Telearbeit von Zuhause aus dar. Die technischen Voraussetzungen sind in jeder Niederlassung Vattenfalls und jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin durch transportable Notebooks gegeben, sodass der Arbeitsort flexibel an die Bedürfnisse der Beschäftigten angepasst werden kann. Häufig wird Elternzeit leider noch als Karrierehemmnis betrachtet. Um negativen Auswirkungen einer Auszeit entgegen zu wirken, sind schon vor Antritt der Elternzeit konkrete Absprachen zum Wiedereinstieg mit den Vorgesetzten obligatorisch. Regelmäßiger Kontakt zur Abteilung während der Elternzeit und qualifizierende Schulungen oder Workshops kurz vor dem Wiedereintritt erleichtern den Übergang in die Arbeitsphase. Anschließend bietet Vattenfall Kooperationspartner und einen Familienservice mit kostenloser Beratung und Vermittlung zu lang-, mittel- und kurzfristiger Kinderbetreuung an. Auf dieser Basis kann jede Familie individuell nach den jeweiligen Vorstellungen und Wünschen die Tagesversorgung ihrer Kinder gestalten. Zudem hat die Arbeitsgruppe Beruf und Familie in diesem Jahr einen Zuschuss zu Ferienprogrammen für Kinder erwirkt, der von der jeweiligen Abteilung des Vaters beziehungsweise der Mutter bereitgestellt wird. Statistiken zeigen, dass die Elternzeit immer häufiger wahrgenommen wird. Nahmen im Jahr 2007 im deutschen Teil des Konzerns40 nur 111 Mitarbeitende Elternzeit, davon 21 Männer und 90 Frauen, so konnte man im Jahr 2008 schon einen Sprung auf 255 Mitarbeitende, davon 78 Männer und 177 Frauen, verzeichnen. 2009 sank die Zahl der Elternzeitler auf 204, von denen 186 Frauen und 18 Männer waren. Im darauffolgenden Jahr stieg die Zahl der Väter in Elternzeit wieder an auf 136. Hinzu kamen 196 Frauen, sodass 2010 insgesamt 332 Beschäftigte in Elternzeit waren. Demnach scheinen Väter im Unternehmen ein ambivalentes Verhältnis zur Elternzeit zu haben. Möglicherweise wird der Druck, die eigene Karriere nicht gefährden zu wollen, nicht ausreichend abgefangen. Ziel ist es daher, gerade auch den Vätern zu ermöglichen, die Elterzeit zu nutzen und aktiv am Leben ihrer Familie teilzuhaben. Zustände in Schweden kann man sich dafür zum Vorbild nehmen: Von Mai 2010 bis April 2011 gingen 1438 Mitarbeitende41 für insgesamt 63.165 Tage in Elternzeit. Davon entfielen 57% der Tage auf Frauen und 43% der Zeit auf Männer. Auffallend dabei ist, dass Männer sich häufig für eine kurze Elternzeitphase entscheiden oder ihre wöchentliche Arbeitszeit über Monate um einen Tag reduzieren, wohingegen Frauen eher dazu neigen, längerfristig aus dem Beruf auszusteigen. So kommt es, dass ein Großteil der Väter im schwedischen Konzern die Elternzeit nutzt. 931 Väter und 507 Mütter waren im angegebenen Zeitraum in Elternzeit. Wenngleich die Zahlen auch nicht eins zu eins mit 40 41

Gesamtzahl der Beschäftigten am 31.12.2010: 20.841 (15.660 Männer, 5.181 Frauen) Gesamtzahl der Beschäftigten am 31.12.2010: 9.369 (6.924 Männer, 2.445 Frauen)

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denen aus Deutschland verglichen werden können, da sich die Elternzeitsysteme Schwedens und Deutschlands in einigen Punkten klar voneinander unterscheiden, so ist dennoch eindeutig erkennbar, dass sich bei geringerer Beschäftigtenanzahl viel mehr Eltern für eine Elternzeit entscheiden und das Thema Vaterschaft in Schweden einen anderen Stellenwert einnimmt als in Deutschland.

Das Audit berufundfamilie® als wichtiges Instrument Im deutschen Teil des Konzerns ist man sich des Spagats zwischen Beruf und Familie spätestens seit der Einführung der Mitarbeiterbefragung „MyOpinion“ im Jahr 2003 bewusst. Neben den Feldern der Zusammenarbeit, Führung und des Ansehens des Unternehmens wird jedes Jahr auch die Meinung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben beleuchtet. Demnach nehmen die Beschäftigten bei Vattenfall es als deutliche Herausforderung wahr, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. 2009 etwa gaben im Durchschnitt nur 54 % aller Angestellten an, mit dem Ausgleich zwischen Privatund Berufsleben zufrieden zu sein. Im Vergleich zu den Vorjahren 2007 und 2008 konnte Vattenfall damit zwar einen positiven Trend um 4 % verzeichnen und sich damit auch mit internationalen Benchmarks messen, zeigt allerdings noch einen großen Handlungsbedarf in diesem Feld auf. Unter anderem aus diesem Impuls heraus ließ die Vattenfall Europe AG 2007 im Rahmen eines Auditierungsprozesses ihre Vereinbarkeit von Beruf und Familie von externen Auditoren untersuchen, transparent machen und daraus weitere Maßnahmen ableiten. Das Audit berufundfamilie® wurde 1995 von der Hertie Stiftung entwickelt und unterstützt Unternehmen, Hochschulen und Institutionen bei der Vereinbarung einer familienbewussten Personalpolitik. 2007 wurde parallel die Arbeitsgruppe Beruf und Familie gegründet, die den Auditierungsprozess in den deutschen Unternehmen steuert und Maßnahmen zur Optimierung der Vereinbarkeit prüft und beschließt. Bereits am 26. März 2007 erhielt Vattenfall das Grundzertifikat zum Audit berufundfamilie® und verpflichtete sich zu Maßnahmen zur Optimierung der Unternehmenspolitik. Im Mai 2010 konnte das Zertifikat aufgrund der erfolgreichen Implementierung der Maßnahmen bestätigt werden und wird 2013 anhand des aktuellen Maßnahmenkataloges und seiner Umsetzung wieder überprüft. Dabei soll verstärkt die konkrete Wirkung auf die Unternehmenskultur betrachtet werden.

Zu den Handlungsfeldern, die in der Auditierung betrachtet werden, zählen Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsort, Informationsund Kommunikationspolitik, Führungskompetenz, Personalentwicklung, Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen sowie Service für Familien. Aus dem Auditierungsprozess 2010 wurde anhand dieser Handlungsfelder ein Maßnahmenkatalog abgeleitet, dessen Schwerpunkte unter anderem auf der Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes, Kinderbetreuung und einem Konzept zur optimierten Nutzung der Elternzeit und dem Wiedereinstieg liegen. Mit der Auditierung ist es dem Konzern erlaubt, das Logo berufundfamilie® zu tragen, was wiederum die Attraktivität als Arbeitgeber maßgeblich erhöht und hilft, qualifiziertes Personal an den Konzern zu binden.

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Erstmals Väter im Fokus Eine Initiative, die allein auf Väter abzielt, wurde erstmals Anfang diesen Jahres von der Arbeitsgruppe Beruf und Familie beschlossen. Um die größtmögliche Akzeptanz für das Thema zu erzielen und auch die Führungsebenen zu erreichen, wird ein langfristiges Vorgehen anvisiert. Beschäftigten und potenziellen Bewerbern soll kommuniziert werden, dass Vattenfall erkennt, dass auch Väter mit Vereinbarkeitsproblemen zu kämpfen haben, dass Vattenfall damit einhergehende gesellschaftliche Veränderungen registriert und das Thema ernst nimmt. Zunächst geht es also mehr um Bewusstseinsbildung als weniger um das Finden allgemeingültiger Lösungen. Ein erster Schritt dazu war Anfang des Jahres die freiwillige Teilnahme von Führungskräften an der Online-Umfrage „Wertvolle Väter“ der hessenstiftung – familie hat zukunft und der IGS Organisationsberatung GmbH, mit der das Thema erstmals explizit in das Unternehmen getragen wurde. Es ist nun geplant, Informationen zum Thema der Zielgruppe selbst im firmeninternen Intranet zugänglich zu machen. Im Herbst werden Väter der Vattenfall Europe AG zu Lunchpaketen zur Mittagsstunde eingeladen, um über väterspezifische Fragen zu diskutieren und ihre Meinungen und Wünsche hervorzubringen. Es soll herausgefunden werden, wie Väter die Vereinbarkeit und Balance im Konzern einschätzen und wertschätzen, um daraus gemeinsam mit den Betroffenen weitere Programme und Maßnahmen zur Optimierung abzuleiten. Den Zahlen zufolge scheinen Männer noch nicht stark von Maßnahmen wie Elternzeit zu profitieren. Die Frage ist, ob die geringe Nachfrage auf konzernspezifische Besonderheiten wie einer vielleicht ungünstigen Wiedereingliederung von Elternzeitlern zurückgeht oder durch kulturell vorherrschende Einstellungen zur Elternzeit selbst bedingt ist.

Da ein Zusammenspiel beider Faktoren zu erwarten ist, kommt beiden im aktuellen Maßnahmenkatalog Geltung zu. Einerseits soll der gesamte Prozess rund um die Elternzeit bis 2012 optimiert werden. Dazu wird ein umfassendes Konzept entwickelt, erprobt und eingeführt, welches Rücksicht auf die Konzernbetriebsvereinbarung zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie nimmt. Führungskräfte werden angehalten, proaktiv individuelle Absprachen mit ihren Elternzeitlern zum Kontakt während der Elternzeit und der Qualifizierung beim Wiedereinstieg festzuhalten. An diesem Punkt ist auch das Personalmanagement gefordert, ein Paket von Angeboten zur Qualifizierung von Elternzeitlern zusammenzustellen. Um die Wahrnehmung von Elternzeit und möglicher begleitender Angebote zu erhöhen, wird eine Broschüre entwickelt und über das konzerninterne Intranet sowie als Papierdokument in Umlauf gebracht. Auf der anderen Seite nützen durchdachte Konzepte wenig, wenn Mitarbeiter um ihre Position oder ihr Image fürchten, wenn Sie in Elternzeit gehen. Es handelt sich hierbei um einen Knackpunkt in der deutschen Gesellschaft – Elternzeit insbesondere auch für Väter entwickelt sich nur sehr allmählich zu einem selbstverständlichen Bestandteil der eigenen Karriere. Vattenfall als Konzern kann seinen Teil zu dieser gesellschaftlichen Entwicklung durch eine beispielgebende Unternehmenskultur beitragen. Daher sollen gerade Führungskräfte ermutigt werden, als Vorbilder zu fungieren und bestehende Angebote anzunehmen. Ihnen müssen alle Informationen zu aktuellen Programmen und Förderungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, gegebenenfalls sollten Sie Qualifizierungsangebote erhalten, um ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angemessen führen und beraten zu können. Bereits ab 2011 wird das Thema „Beruf und Familie“ daher in Führungskräftetreffen und

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Einführungsveranstaltungen für Führungskräfte aufgegriffen. Das Schulungsangebot für Führungskräfte wird derzeit ebenfalls überprüft und erweitert.

Erste positive Beispiele sind wegweisend für die neue Unternehmenskultur: So haben einige Väter in Führungspositionen einen Tag in der Woche festgelegt, an dem sie früher als sonst in den Feierabend gehen, um mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Ebenso setzt sich ein leichter Trend bis in die Führungsebenen durch, in denen seit 2007 jährlich mehr und mehr Manager zumindest die zwei Partnermonate in Anspruch nehmen. Gerade jüngere Väter des Middle Management scheinen sich trotz ständig wachsender Aufgabenfülle immer stärker für eine Auszeit zu interessieren.

Résumé Die Grundmauern zur Unterstützung von Eltern stehen – doch es zeigt sich, dass gerade Väter wenig Anteil haben an den bereits bestehenden Angeboten und Beruf und Familie noch nicht zufriedenstellend miteinander vereinbaren können. Der Vergleich mit Schweden offenbart, dass nicht nur die bereits vorhandenen Konzepte im Unternehmen optimiert werden müssen, sondern Vattenfall auch in der Verantwortung steht, einen Kulturwandel in der deutschen Gesellschaft mit voranzutreiben. Vattenfall erkennt diese Verantwortung und will sie unter anderem mit spezifischen Programmen zur Förderung von Vätern tragen. Dem Personalmanagement stehen in Zukunft also noch viele Herausforderungen und Chancen bevor, die es proaktiv zu nutzen gilt.

Claudia Münch-Gliewe geb. 1954, ist Diplom-Pädagogin, Prozessgestalterin, und Systemischer Coach mit den Schwerpunkten Führungskräfteentwicklung und Coaching. Nach mehrjähriger Tätigkeit in und Leitung der Personalentwicklung internationaler Unternehmen der IT- und Energiebranche, war sie mehrere Jahre lang Leiterin des Bereiches Führungskräftemanagement und – entwicklung und Ressortleiterin Führungskräfte in einem Energieunternehmen. Nach dreijährigem Assignment zum Aufbau internationaler Leadership Development Programme für das internationale Management von Vattenfall AB (Stockholm) ist Frau Münch-Gliewe aktuell im Bereich Senior Executive Management in der Vattenfall Europe Holding tätig.

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Anhang: Die Studie „Wertvolle Väter in Einzelergebnissen

I. Demografische Daten Allgemeine Informationen

Zeitraum der Befragung Die Befragung fand im Zeitraum vom 10.03.2011 bis zum 24.05.2011 statt. Anzahl der Teilnehmer Dieser Auswertung liegen die Daten von 794 Teilnehmern und Teilnehmerinnen zugrunde, die über verschiedene Internetforen, Newsletter und Firmennetzwerke angesprochen wurden und anonym die Möglichkeit hatten, den Fragebogen auf einem Internet-Link auszufüllen. Geschlecht männlich weiblich Gesamt

Anzahl 794 58 852

Prozent 93,2 6,8 100,0

Im weiteren Verlauf der Umfrage wurden die Fragen durch eine Filterführung nur den männlichen Teilnehmern gestellt.

Altersstruktur der Teilnehmer Die Teilnehmer sind zwischen 20 und 65 Jahre alt. Das Durchschnittsalter liegt bei 42 Jahren. 20 – 25 Jahre 26 – 30 Jahre 31 – 35 Jahre 36 – 40 Jahre 41 – 45 Jahre 46 – 50 Jahre 51 – 55 Jahre 56 – 60 Jahre 61 – 65 Jahre Gesamt

Anzahl 12 28 84 126 152 116 49 23 7 597

Prozent 2,0 4,7 14,1 21,1 25,5 19,4 8,2 3,9 1,2 100,0

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Familiäre Situation der Teilnehmer Der Großteil der Teilnehmer lebt in einer Partnerschaft und hat Kinder im Haushalt. allein/ getrennt lebend allein/ getrennt lebend + Kind(er) im Haushalt in Partnerschaft lebend (ohne Kinder) im Haushalt in Partnerschaft lebend + eigene/-s Kind(er) im Haushalt Gesamt

Anzahl 79 45 51 480 655

Wie viele (biologisch) eigene Kinder haben Sie? Im Durchschnitt haben die befragten Väter 2,8 (biologisch) eigene Kinder. 0 Kinder 1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder 5 Kinder 6 Kinder mehr als 6 Kinder Gesamt

Anzahl 27 221 285 94 19 7 1 3 657

Prozent 4,1 33,6 43,4 14,3 2,9 1,1 0,2 0,5 100,0

Von insgesamt über 1200 Kindern, sind 572 Töchter und 653 Söhne. davon... Töchter 0 Töchter 1 Tochter 2 Töchter 3 Töchter 4 Töchter 5 Töchter 6 Töchter mehr als 6 Töchter Gesamt

Anzahl 113 305 94 21 4 0 0 0 557

Prozent 23,9 54,8 16,9 3,8 0,7 0,0 0,0 0,0 100,0

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Prozent 12,1 6,9 7,8 73,3 100,0


davon... Söhne 0 Söhne 1 Söhne 2 Söhne 3 Söhne 4 Söhne 5 Söhne 6 Söhne mehr als 6 Söhne Gesamt

Anzahl 114 289 121 29 7 1 2 0 563

Prozent 20,2 51,3 21,5 5,2 1,2 0,2 0,4 0,0 100,0

Wie viele Kinder leben derzeit mit Ihnen in Ihrem Haushalt? Im Durchschnitt leben 2,5 Kinder in dem Haushalt der Väter. 0 Kinder 1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder 5 Kinder 6 Kinder mehr als 6 Kinder Gesamt

Anzahl 120 213 225 61 13 2 1 2 637

Prozent 18,8 33,4 35,3 9,6 2,0 0,3 0,2 0,3 100,0

Anzahl 172 262 73 10 0 0 0 1 518

Prozent 33,2 50,6 14,1 1,9 0,0 0,0 0,0 0,2 100,0

davon... Töchter 0 Töchter 1 Tochter 2 Töchter 3 Töchter 4 Töchter 5 Töchter 6 Töchter mehr als 6 Töchter Gesamt

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davon... Söhne 0 Söhne 1 Söhne 2 Söhne 3 Söhne 4 Söhne 5 Söhne 6 Söhne mehr als 6 Söhne Gesamt

Anzahl 166 249 84 20 1 0 1 0 521

Prozent 31,9 47,8 16,1 3,8 0,2 0,0 0,2 0,0 100,0

Was ist Ihre kulturelle Herkunft? Die kulturelle Herkunft der deutlichen Mehrheit ist westlich. westlich (USA, Europa) nicht westlich Gesamt

Anzahl 584 16 600

Prozent 97,3 2,7 100,0

II. Erwerbsbezogene Informationen Arbeitszeit der Befragten Wie viele Stunden arbeiten Sie im Durchschnitt pro Woche? Die Teilnehmer/-innen arbeiten von 0 bis zu 80 Stunden pro Woche. Im Durchschnitt arbeiten die Befragten 41,7 Stunden pro Woche. 0 Stunden/Woche bis 10 Stunden/Woche bis 20 Stunden/Woche bis 30 Stunden/Woche bis 40 Stunden/Woche bis 50 Stunden/Woche bis 60 Stunden/Woche mehr als 60 Stunden/Woche Gesamt

Anzahl 10 5 16 40 259 221 62 7 620

Prozent 1,6 0,8 2,6 6,5 41,8 35,6 10,0 1,1 100,0

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Elternzeit Haben Sie das Angebot der Elternzeit in Anspruch genommen oder nehmen Sie es gerade in Anspruch? Der Anteil befragten Väter, der Elternzeit in Anspruch genommen hat, liegt bei knapp 30%. Ja Nein Gesamt

Anzahl 185 439 624

Prozent 29,6 70,4 100,0

Einkommen Das Medianeinkommen liegt in Deutschland bei 1.426€ (netto). Es sagt aus, dass die Hälfte der Einkommensbezieher mehr und die andere Hälfte weniger als den angegebenen Wert beziehen. Wo liegt Ihr Einkommen? Das Einkommen des Großteils der Befragten liegt über dem Medianeinkommen. Ich verdiene ungefähr das Medianeinkommen. Mein Einkommen liegt darunter. Mein Einkommen liegt darüber. Gesamt

Anzahl 35 70 514 619

Wie hoch ist das Netto-Haushaltseinkommen? Das Netto-Haushaltseinkommen liegt bei über 60% über 3000 €. bis 1000 € 1001 bis 2000 € 2001 bis 2500 € 2501 bis 3000 € 3001 bis 4000 € 4001 bis 7000 € über 7000 € Gesamt

Anzahl 19 58 65 67 148 194 43 594

Prozent 3,2 9,8 10,9 11,3 24,9 32,7 7,2 100,0

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Prozent 5,7 11,3 83,0 100,0


Ausbildung Was ist Ihr höchster Ausbildungsgrad? Die Teilnehmenden haben überwiegend ein Hochschulstudium abgeschlossen. Anzahl 97 88 381 44 10 620

Lehre/ Ausbildung Meister/ Techniker/ Fachschule Studium Promotion/ Habilitation keine abgeschlossene Berufsausbildung Gesamt

Prozent 15,6 14,2 61,5 7,1 1,6 100,0

Wie ist der höchste Ausbildungsgrad der Mutter der Kinder? Die Teilnehmenden gaben an, dass ebenfalls die Mutter der Kinder zum Großteil ein Hochschulstudium abgeschlossen hat. Anzahl 188 65 307 29 28 617

Lehre/ Ausbildung Meister/ Techniker/ Fachschule Studium Promotion/ Habilitation keine abgeschlossene Berufsausbildung Gesamt

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Prozent 30,5 10,5 49,8 4,7 4,5 100,0


III. Auswertung der Fragen Fragenblock I: Was sind die Ziele der Erziehung? Frage 1: Stellen Sie sich vor Ihr Sohn ist 20 Jahre alt, sodass Sie Ihre Erziehung als abgeschlossen betrachten. Wie hoch sollten folgende Eigenschaften bei Ihrem Sohn ausgeprägt sein? Bitte geben Sie die gewünschte Ausprägung auf einer Skala von 1= „hoch ausgeprägt", 2= „eher ausgeprägt“, 3= „neutral“, 4= „eher nicht ausgeprägt“ und 5= "nicht ausgeprägt" an. Selbstbewusstsein Gewissenhaftigkeit Flexibilität Selbstregulation Neugier/Interesse (Problem-)Lösungsorientierung Durchsetzungsstärke Emotionale Stabilität Kreativität differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit Körperbewusstsein Einfühlungsvermögen Kontaktfähigkeit Teamfähigkeit Zugehörigkeitsgefühl solidarisches Handeln Aufgeschlossenheit für Andersartigkeit/-sein Verantwortlichkeit Belastbarkeit Zuversicht Rücksicht Hilfsbereitschaft Partnerschaftlichkeit Aufmerksamkeit Fleiß Höflichkeit Gehorsam Ausgeglichenheit

1 196 141 117 101 205 171 94 182 103 138 81 117 131 152 101 114 181 200 93 163 116 137 127 116 83 120 18 127

2 172 191 196 191 146 176 215 160 179 175 187 202 202 187 169 177 149 154 200 172 205 188 204 209 195 187 80 175

3 7 36 59 69 17 19 59 26 80 47 90 46 33 25 87 67 32 10 71 32 41 40 35 41 77 51 161 63

4

5

0 2 0 1 0 0 1 1 6 3 8 3 2 0 10 6 4 2 0 0 2 1 2 2 8 7 79 4

1 1 1 2 2 2 1 2 2 2 2 1 1 3 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 1 2 26 1

∑ 376 371 373 364 370 368 370 371 370 365 368 369 369 367 368 365 367 367 365 368 365 367 369 368 364 367 364 370

Stärke 338,0 316,4 309,4 296,0 332,4 323,6 302,0 326,4 297,0 307,8 228,2 307,6 313,4 317,2 292,6 298,4 321,2 330,2 295,8 320,0 305,6 312,0 312,2 308,6 288,6 303,4 215,4 306,6

Die (Ausprägungs-)Stärke wurde errechnet, um unter Berücksichtigung der Wertigkeit der angegebenen Ausprägungen einen Vergleich zwischen den einzelnen Eigenschaften zu ermöglichen.

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So konnten Folgendes zusammengestellt werden: die 10 stärksten Ausprägungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Selbstbewusstsein Neugier/Interesse Verantwortlichkeit emotionale Stabilität Problemlösungsorientierung Aufgeschlossenheit für/Achtung vor Andersartigkeit/-sein Zuversicht Teamfähigkeit Gewissenhaftigkeit Kontaktfähigkeit

338,0 332,4 330,0 326,4 323,6 321,2 320,0 317,2 316,4 313,4

die 5 schwächsten Ausprägungen: 1. 2. 3. 4. 5.

Gehorsam Körperbewusstsein Fleiß Zugehörigkeitsgefühl Belastbarkeit

215,4 288,2 288,6 292,6 295,8

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Frage2: Stellen Sie sich vor Ihre Tochter ist 20 Jahre alt, sodass Sie Ihre Erziehung als abgeschlossen betrachten. Wie hoch sollten folgende Eigenschaften bei Ihrer Tochter ausgeprägt sein? Bitte geben Sie die gewünschte Ausprägung auf einer Skala von 1= „hoch ausgeprägt", 2= „eher ausgeprägt“, 3= „neutral“, 4= „eher nicht ausgeprägt“ und 5= "nicht ausgeprägt" an. Selbstbewusstsein Gewissenhaftigkeit Flexibilität Selbstregulation Neugier/Interesse (Problem-)Lösungsorientierung Durchsetzungsstärke Emotionale Stabilität Kreativität differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit Körperbewusstsein Einfühlungsvermögen Kontaktfähigkeit Teamfähigkeit Zugehörigkeitsgefühl solidarisches Handeln Aufgeschlossenheit für Andersartigkeit/-sein Verantwortlichkeit Belastbarkeit Zuversicht Rücksicht Hilfsbereitschaft Partnerschaftlichkeit Aufmerksamkeit Fleiß Höflichkeit Gehorsam Ausgeglichenheit

1 215 111 102 91 182 137 113 194 128 118 91 137 128 132 95 106 162 165 84 167 94 115 111 106 77 117 19 119

2 127 208 194 184 149 175 194 139 156 180 186 177 190 177 177 182 149 156 174 150 193 180 192 183 177 164 80 177

3 10 30 52 64 16 34 39 15 61 44 67 30 29 35 68 52 34 24 90 31 57 48 41 50 83 61 137 48

4

5

0 1 0 3 0 0 2 1 4 2 2 3 0 4 5 5 3 2 1 1 3 4 1 4 9 3 77 4

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 1 1 0 2 1 33 0

∑ 352 350 348 342 347 346 348 349 349 344 348 348 347 348 346 345 348 347 349 349 347 348 346 343 348 346 346 348

Stärke 322,6 295,8 288,4 277,8 310,8 297,4 292,4 314,6 291,0 289,2 281,2 298,0 297,4 296,2 279,6 284,8 302,8 305,0 277,6 306,0 283,8 289,6 289,8 284,0 272,4 286,2 202,6 291,0

Die (Ausprägungs-)Stärke wurde errechnet, um unter Berücksichtigung der Wertigkeit der angegebenen Ausprägungen einen Vergleich zwischen den einzelnen Eigenschaften zu ermöglichen.

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So konnten Folgendes zusammengestellt werden: die 10 stärksten Ausprägungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Selbstbewusstsein Emotionale Stabilität Neugier/Interesse Zuversicht Verantwortlichkeit Aufgeschlossenheit für/Achtung vor Andersartigkeit/-sein (Problem-)Lösungsorientierung Kontaktfähigkeit Teamfähigkeit Gewissenhaftigkeit

322,6 314,6 310,8 306,0 305,0 302,8 297,4 297,4 296,2 295,8

die 5 schwächsten Ausprägungen: 1. 2. 3. 4. 5.

Gehorsam Fleiß Belastbarkeit Selbstregulation Zugehörigkeitsgefühl

202,6 272,4 277,6 277,8 279,6

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Frage 3: Stellen Sie sich vor Ihr Sohn ist 20 Jahre alt, sodass Sie Ihre Erziehung als abgeschlossen betrachten. Was glauben Sie, wie hoch sollten folgende Eigenschaften bei Ihrem Sohn nach Meinung der Mutter ausgeprägt sein? Bitte geben Sie die gewünschte Ausprägung auf einer Skala von 1= „hoch ausgeprägt", 2= „eher ausgeprägt“, 3= „neutral“, 4= „eher nicht ausgeprägt“ und 5= "nicht ausgeprägt" an. Selbstbewusstsein Gewissenhaftigkeit Flexibilität Selbstregulation Neugier/Interesse (Problem-)Lösungsorientierung Durchsetzungsstärke Emotionale Stabilität Kreativität differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit Körperbewusstsein Einfühlungsvermögen Kontaktfähigkeit Teamfähigkeit Zugehörigkeitsgefühl solidarisches Handeln Aufgeschlossenheit für Andersartigkeit/-sein Verantwortlichkeit Belastbarkeit Zuversicht Rücksicht Hilfsbereitschaft Partnerschaftlichkeit Aufmerksamkeit Fleiß Höflichkeit Gehorsam Ausgeglichenheit

1 129 105 62 62 117 78 83 125 116 83 85 118 113 89 92 91 107 107 65 110 111 118 117 105 89 96 44 90

2 106 112 119 137 102 116 106 101 91 122 110 115 118 129 122 121 108 121 120 116 109 118 113 122 99 124 71 127

3 28 39 77 59 38 52 65 32 46 52 61 21 28 37 41 44 31 29 63 28 34 20 27 34 64 33 88 43

4

5

3 9 5 6 7 15 9 6 11 7 6 8 4 8 9 7 12 6 15 9 6 8 6 3 11 8 46 4

0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 2 2 1 0 0 0 4 1 0 0 1 0 1 0 1 2 13 0

∑ 266 265 263 264 264 263 263 264 264 264 264 264 264 263 264 263 262 264 263 263 261 264 264 264 264 263 262 264

Stärke 231,8 221,6 205,4 209,4 224,2 208,4 210,4 227,4 220,8 214,6 212,4 226,2 226,0 217,6 217,8 217,0 217,6 223,8 204,8 223,2 221,2 227,6 226,2 224,2 211,2 218,6 174,6 219,0

Die (Ausprägungs-)Stärke wurde errechnet, um unter Berücksichtigung der Wertigkeit der angegebenen Ausprägungen einen Vergleich zwischen den einzelnen Eigenschaften zu ermöglichen.

97


So konnten Folgendes zusammengestellt werden: die 10 stärksten Ausprägungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Selbstbewusstsein Hilfsbereitschaft Emotionale Stabilität Einfühlungsvermögen Partnerschaftlichkeit Kontaktfähigkeit Neugier/Interesse Aufmerksamkeit Verantwortlichkeit Zuversicht

231,8 227,6 227,4 226,2 226,2 226,0 224,2 224,2 223,8 223,2

die 5 schwächsten Ausprägungen: 1. 2. 3. 4. 5.

Gehorsam Flexibilität (Problem-)Lösungsorientierung Selbstregulation Fleiß

174,6 205,4 208,4 209,4 211,2

98


Frage 4: Stellen Sie sich vor Ihre Tochter ist 20 Jahre alt, sodass Sie Ihre Erziehung als abgeschlossen betrachten. Was glauben Sie, wie hoch sollten folgende Eigenschaften bei Ihrer Tochter nach Meinung der Mutter ausgeprägt sein? Bitte geben Sie die gewünschte Ausprägung auf einer Skala von 1= „hoch ausgeprägt", 2= „eher ausgeprägt“, 3= „neutral“, 4= „eher nicht ausgeprägt“ und 5= "nicht ausgeprägt" an. Selbstbewusstsein Gewissenhaftigkeit Flexibilität Selbstregulation Neugier/Interesse (Problem-)Lösungsorientierung Durchsetzungsstärke Emotionale Stabilität Kreativität differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit Körperbewusstsein Einfühlungsvermögen Kontaktfähigkeit Teamfähigkeit Zugehörigkeitsgefühl solidarisches Handeln Aufgeschlossenheit für Andersartigkeit/-sein Verantwortlichkeit Belastbarkeit Zuversicht Rücksicht Hilfsbereitschaft Partnerschaftlichkeit Aufmerksamkeit Fleiß Höflichkeit Gehorsam Ausgeglichenheit

1 139 94 65 62 114 83 91 112 116 81 91 119 118 98 86 83 107 105 66 102 103 111 108 89 77 103 37 87

2 97 118 120 127 97 109 110 110 91 125 116 105 101 114 115 121 93 109 113 116 104 102 109 125 105 108 61 115

3 14 35 58 56 31 48 41 25 40 37 37 24 31 34 44 41 41 27 68 30 33 31 29 34 57 31 96 43

4

5

6 9 11 11 11 13 11 7 9 12 10 6 5 9 10 8 11 8 8 7 12 11 7 8 14 13 44 9

1 0 0 0 1 2 2 0 0 1 2 2 1 1 0 2 3 3 2 1 2 0 2 0 1 1 16 1

∑ 257 256 254 256 254 255 255 254 256 256 256 256 256 256 255 255 255 252 257 256 254 255 255 256 254 256 254 255

Stärke 227,6 213,0 200,2 201,6 214,8 204,6 208,4 217,8 216,4 208,2 210,4 220,2 219,6 213,4 208,4 208,0 211,0 212,2 200,8 215,8 211,2 215,6 215,8 212,6 201,0 213,4 164,2 208,6

Die (Ausprägungs-)Stärke wurde errechnet, um unter Berücksichtigung der Wertigkeit der angegebenen Ausprägungen einen Vergleich zwischen den einzelnen Eigenschaften zu ermöglichen.

99


So konnten Folgendes zusammengestellt werden: die 10 stärksten Ausprägungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Selbstbewusstsein Einfühlungsvermögen Kontaktfähigkeit Emotionale Stabilität Kreativität Zuversicht Partnerschaftlichkeit Hilfsbereitschaft Neugier/Interesse Teamfähigkeit / Höflichkeit

227,6 220,2 219,6 217,8 216,4 215,8 215,8 215,6 214,8 213,4

die 5 schwächsten Ausprägungen: 1. 2. 3. 4. 5.

Gehorsam Flexibilität Fleiß Selbstregulation (Problem-)Lösungsorientierung

164,2 200,2 201,0 201,6 204,6

100


Frage 5: Was wünschen Sie sich für das Leben Ihrer Kinder? Bitte zählen Sie die für Sie die 3 wichtigsten Dinge stichwortartig auf. Offene Antwort Gesundheit Zufriedenheit & Ausgeglichenheit Liebe (eigene Familie, Beziehung & Freunde) & Harmonie (persönliches) Glück Unabhängigkeit & Selbstverwirklichung (materielle & finanzielle) Sicherheit Erfolg Frieden & Freiheit erfülltes (Berufs-) Leben Freude, Optimismus & Zuversicht Selbstbewusstsein & -achtung stabiles soziales Umfeld (Aus-)Bildung Stärke, Zielstrebigkeit & Ehrgeiz guter Lebensstandard/ Wohlstand Arbeit(-splatz) Interesse & Neugier Toleranz, Akzeptanz & Anerkennung Problemlösungskompetenz & Selbstreflexion eigenes Wertesystem & Persönlichkeitsentwicklung Zeit (zum Experimentieren, mit Familie) Glaube & Gottvertrauen Work-Life-Balance Verantwortungsbewusstsein Weltoffenheit dauerhafte Bindung zu beiden Eltern gleichermaßen Vielfalt & Kreativität Sorgenfreiheit Achtsamkeit für sich und andere Gerechtigkeit Bodenständigkeit Zugehörigkeit Kompromissfähigkeit Geduld soziales Engagement Weitblick Spontanität Mitgefühl Gesamt

101

Anzahl 172 138 115 91 57 56 54 40 40 39 33 31 22 20 18 17 13 9 6 5 4 4 4 4 3 3 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 375

Prozent 45,9 36,8 30,7 24,3 15,2 14,9 14,4 10,7 10,7 10,4 8,8 8,3 5,9 5,3 4,8 4,5 3,5 2,4 1,6 1,3 1,1 1,1 1,1 1,1 0,8 0,8 0,5 0,5 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 100,0


Frage 6: Was glauben Sie, was sich die Mutter der Kinder für deren Leben wünscht? Bitte zählen Sie die für die Mutter 3 wichtigsten Dinge stichwortartig auf. Offene Antwort Gesundheit Liebe (eigene Familie, Beziehung & Freunde) & Harmonie (persönliches) Glück Zufriedenheit & Ausgeglichenheit (materielle & finanzielle) Sicherheit Erfolg Freude, Optimismus & Zuversicht Unabhängigkeit & Selbstverwirklichung Selbstbewusstsein & -achtung Frieden & Freiheit erfülltes (Berufs-) Leben stabiles soziales Umfeld (Aus-)Bildung Arbeit(-splatz) emotionale Stabilität guter Lebensstandard/ Wohlstand Stärke, Zielstrebigkeit & Ehrgeiz Geborgenheit Glaube & Gottvertrauen Verantwortungsbewusstsein Sorgenfreiheit Vielfalt & Kreativität Mitgefühl & Empathie Pünktlichkeit, Disziplin & Ordnung Interesse & Neugier Toleranz, Akzeptanz & Anerkennung finanzielle Unterstützung von Mutter/Familie & starke Solidarität Work-Life-Balance Zugehörigkeit Internationalität Gerechtigkeit Weltoffenheit dauerhafte Bindung zu beiden Eltern gleichermaßen Rücksicht/ Achtsamkeit (für sich und andere) Enkelkinder Anpassungsfähigkeit Unauffälligkeit Spontanität Ehrlichkeit Gemeinschaftssinn Sportlichkeit soziales Engagement Problemlösungskompetenz & Selbstreflexion Keine Ahnung/ Meinung dazu Gesamt

Anzahl 197 121 92 84 53 53 36 34 26 23 22 17 16 14 11 11 9 8 7 6 5 5 5 4 4 3 3 3 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 345

Frage 7: Welche 5 der folgenden Werte sollen in der Erziehung vermittelt werden? 102

Prozent 57,1 35,1 26,7 24,3 15,4 15,4 10,4 9,9 7,5 6,7 6,4 4,9 4,6 4,1 3,2 3,2 2,6 2,3 2,0 1,7 1,4 1,4 1,4 1,2 1,2 0,9 0,9 0,9 0,6 0,6 0,6 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 3,2 100,0


Bitte geben Sie maximal 5 Werte an. 5-fache Auswahl Anzahl 178 40 5 141 103 240 70 163 180 42 176 1 7 1 62 36 29 29 29 113 2 78 39 128 18 26 238 493

Menschlichkeit Gemeinschaft Autorität Vertrauen Gerechtigkeit Selbstvertrauen Wahrheit Verantwortung Selbstständigkeit Anstand Toleranz/Respekt Geld/Reichtum Ansehen/Image/Wirkung Macht Freiheit Frieden Treue Glauben Solidarität Kompetenz/Wissen Schönheit Gesundheit Leistung Zufriedenheit Ordnung Sicherheit Liebe Gesamt

Es kristallisieren sich folgende Top-5-Werte heraus: 1. 2. 3. 4. 5.

Selbstvertrauen Liebe Selbstständigkeit Menschlichkeit Toleranz/Respekt

48,7% 48,3% 36,5% 36,1% 35,7%

103

Prozent 36,1 8,1 1,0 28,6 20,9 48,7 14,2 33,1 36,5 8,5 35,7 0,2 1,4 0,2 12,6 7,3 5,9 5,9 5,9 22,9 0,4 15,8 7,9 26,0 3,7 5,3 48,3 100,0


Fragenblock II: Welchen Wertevorstellungen unterliegt die Erziehung der Väter? Frage 8: In welcher Ausprägung würden Sie sich folgende Eigenschaften zuschreiben? Bitte geben Sie die gewünschte Ausprägung auf einer Skala von 1= „hoch ausgeprägt", 2= „eher ausgeprägt“, 3= „neutral“, 4= „eher nicht ausgeprägt“ und 5= "nicht ausgeprägt" an. Selbstbewusstsein Gewissenhaftigkeit Flexibilität Selbstregulation Neugier/Interesse (Problem-)Lösungsorientierung Durchsetzungsstärke Emotionale Stabilität Kreativität differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit Körperbewusstsein Einfühlungsvermögen Kontaktfähigkeit Teamfähigkeit Zugehörigkeitsgefühl solidarisches Handeln Aufgeschlossenheit für Andersartigkeit/-sein Verantwortlichkeit Belastbarkeit Zuversicht Rücksicht Hilfsbereitschaft Partnerschaftlichkeit Aufmerksamkeit Fleiß Höflichkeit Gehorsam Ausgeglichenheit

1 85 122 107 65 155 177 63 89 58 121 48 109 81 127 63 70 142 199 152 109 92 137 106 75 100 109 19 69

2 207 179 174 181 181 176 181 192 142 177 143 168 159 187 155 208 186 158 177 182 212 195 218 220 162 205 71 157

3 75 66 93 122 45 29 106 80 117 66 136 88 109 54 122 87 45 20 43 76 74 48 55 75 90 60 169 127

4 17 18 10 13 4 2 30 22 57 18 50 17 30 15 40 15 9 6 13 13 5 3 4 15 29 9 92 30

5 2 1 2 1 0 1 4 0 10 2 6 3 6 2 4 4 2 1 0 4 1 1 1 0 4 1 32 1

∑ 386 386 382 385 385 384 383 384 384 383 385 385 385 384 384 384 384 384 385 384 384 384 384 385 385 384 383 384

Stärke 302,8 312,2 306,4 288,4 328,4 336,2 284,2 299,4 266,6 309,8 265,2 303,6 286,8 315,4 277,0 295,4 321,8 340,0 324,6 306,2 308,2 323,2 315,2 302,0 296,0 312,8 220,4 283,0

Die (Ausprägungs-)Stärke wurde errechnet, um unter Berücksichtigung der Wertigkeit der angegebenen Ausprägungen einen Vergleich zwischen den einzelnen Eigenschaften zu ermöglichen.

104


So konnten Folgendes zusammengestellt werden: die 10 stärksten Ausprägungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Verantwortlichkeit (Problem-)Lösungsorientierung Neugier/Interesse Belastbarkeit Hilfsbereitschaft Aufgeschlossenheit für Andersartigkeit Teamfähigkeit Partnerschaftlichkeit Höflichkeit Gewissenhaftigkeit

340,0 336,4 328,4 324,6 323,2 321,8 315,4 315,2 312,8 312,2

die 5 schwächsten Ausprägungen: 1. 2. 3. 4. 5.

Gehorsam Körperbewusstsein Kreativität Zugehörigkeitsgefühl Ausgeglichenheit

220,4 256,2 266,6 277,0 283,0

105


Frage 9: Welche der folgenden Werte wurden in Ihrer Herkunftsfamilie von Ihren Eltern vermittelt? Bitte geben Sie maximal 5 Werte an. 5-fach-Antwort Anzahl 115 66 83 94 116 54 103 146 122 137 91 15 36 10 20 33 41 67 31 79 3 28 100 58 122 63 108 439

Menschlichkeit Gemeinschaft Autorität Vertrauen Gerechtigkeit Selbstvertrauen Wahrheit Verantwortung Selbstständigkeit Anstand Toleranz/Respekt Geld/Reichtum Ansehen/Image/Wirkung Macht Freiheit Frieden Treue Glauben Solidarität Kompetenz/Wissen Schönheit Gesundheit Leistung Zufriedenheit Ordnung Sicherheit Liebe Gesamt

Es kristallisieren sich folgende Top-5-Werte heraus: 1. 2. 3. 4. 5.

Verantwortung Anstand Selbstständigkeit Ordnung Gerechtigkeit

33,3% 31,2% 27,8% 27,8% 26,4%

106

Prozent 26,2 15,0 18,9 21,4 26,4 12,3 23,5 33,3 27,8 31,2 20,7 3,4 8,2 2,3 4,6 7,5 9,3 15,3 7,1 18,0 0,7 6,4 22,8 13,2 27,8 14,4 24,6 100,0


Frage 10: Wodurch wird Ihre Wertvorstellung maßgeblich geprägt? Erfahrung aus dem Elternhaus Gesellschaftliche Normen Einstellungen in Freundes-/Bekannten-/Arbeitskollegenkreis Sonstige (hier wurden z.T. 2 Punkte benannt): bewusster Prozess/Selbstreflektion eigene Lebenserfahrung/Sozialisation (z.B. Mannschaftssport) Literatur/ Geschichte/ Wissenschaften Synthese der ersten angegebenen Punkte Glaube/ Kirche Lehrer/ Schule/ Studium Bundeswehr/ Zivildienst/ Ausbildung Medien/ Internetforen Sonstige Gesamt

Anzahl 228 54 75 66 22 21 6 5 5 5 4 2 2 423

Prozent 53,9 12,8 17,7 15,6

100,0

Frage 11: Welchen Einfluss hat Religion auf Ihre Wertevorstellungen bei der Erziehung? großen Einfluss weniger Einfluss keinen Einfluss Gesamt

Anzahl 81 166 133 380

Prozent 21,3 43,7 35,0 100,0

Frage 12: Welcher Religion gehören Sie an? Christentum Islam Judentum keine Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft sonstige (davon angegeben): Christliche Prägung mit buddhistischen Zügen Kat. Eltern christl. erzogen muslimisch geheiratet für mich ist keine Religion fremd Gesamt

107

Anzahl 205 2 1 1 33 1 1 1 242

Prozent 84,7 0,8 0,4 0,4 13,6

100,0


Fragenblock III: Wie sieht das Erziehungsverhalten der Väter aus? Frage 13: Wie gestalten Sie Ihre Erziehung, um Ihren Kindern die von Ihnen als wichtig empfundenen Werte und Eigenschaften zu vermitteln? Bitte geben Sie Stichworte an. Offene Antwort Anzahl 145 79 35 51 33 9 36 22 3 270

Vorbild/ -leben Gespräche (Loben, Tadeln) Zeit mit Kindern/ gemeinsame Aktivitäten Grenzen/ Regeln/ Struktur aufzeigen Freiräume lassen (ausprobieren lassen) Hilfestellungen/ Rat geben Geborgenheit, Liebe & Vertrauen Offenheit & Ehrlichkeit intuitiv/ unbewusst Gesamt

Prozent 53,7 29,3 13,0 18,9 12,2 3,3 13,3 8,1 1,1 100,0

Frage 14 Wie schätzen Sie Ihren Erziehungsstil ein? autoritär autoritär-kooperativ kooperativ-laissez-faire laissez-faire Gesamt

Anzahl 9 272 79 4 364

Prozent 2,5 74,7 21,7 1,1 100,0

Frage 15 Wie beschreiben Sie Ihre Rolle in Ihrer Familie? Haupt-Erzieher Mit-Erzieher: mehr als Mutter Mit-Erzieher: gleichwertig mit Mutter Mit-Erzieher: geringer als Mutter an Erziehung nicht beteiligt Gesamt

Anzahl 21 27 178 130 14 370

108

Prozent 2,7 7,3 48,1 35,1 3,8 100,0


Frage 16: Wie würde Sie Ihre Rolle gerne definieren? Genauso, wie beschrieben Haupt-Erzieher Mit-Erzieher: mehr als Mutter Mit-Erzieher: gleichwertig mit Mutter Mit-Erzieher: geringer als Mutter an Erziehung nicht beteiligt Gesamt

Anzahl 138 12 15 184 16 5 370

Prozent 37,3 3,2 4,1 49,7 4,3 1,4 100,0

Durch die Kombination der Fragen 13 und 14 wurde herausgefunden, dass 64,1% der Väter mit ihrer jeweiligen Rolle zufrieden sind (sie möchten ihre Rolle gerne so definieren, wie beschrieben). Dementsprechend sind 35,9% mit ihrer Rolle unzufrieden. Auffällig ist aber, dass 23,8 dieser 35,9 Prozentpunkte von den Mit-Erziehern, mit einem geringeren Erziehungsanteil als die Mutter geäußert wurden. Diese die möchten gerne gleichwertig mit der Mutter an der Erziehung beteiligt sein.

Frage 17: Wer setzt die Richtlinien der Erziehung Ihrer Kinder fest? Aussage

Anzahl

ausschließlich die Mutter die Mutter zu größeren Teilen als ich Mutter und ich zu gleichen Teilen ich zu größeren Teilen als die Mutter ausschließlich ich Gesamt

Prozent 17 88 222 27 12 366

109

4,6 24,0 60,7 7,4 3,3 100,0


Frage 18: Wodurch wird Ihre Erziehung maßgeblich geprägt? Mehrfachantwort eigene Vorstellungen Erfahrungen in Elternhaus gesellschaftliche Normen Einstellungen aus dem Umfeld Religion Sonstige:

Anzahl 298 148 46 46 24 22

eigene Erfahrungen Beruf (+ berufliche Kontakte) Zusammenspiel von Obigem Austausch mit Partnerin Literatur kritische Reflexion Flügel und Wurzeln Schule + Lehrer pädagogische Ausbildung Intuition Mannschaftssport Umfeldbedingungen

Prozent 70,6 35,1 10,9 10,9 5,7 5,2

9 4 3 2 2 1 1 1 1 1 1 1

Gesamt

422

100,0

Frage 19: Bedenken Sie die Arbeitsmarktfähigkeit Ihres Kindes in der Erziehung? stark weniger stark schwach gar nicht Gesamt

Anzahl Prozent 116 31,2 157 42,2 64 17,2 35 9,4 372 100,0

110


Frage 20: Worin drückt sich das aus? Bitte geben Sie Stichworte an. Offene Antwort Fähigkeiten & Neigungen des Kindes beobachten/ individuell fördern geeignete Hobbies/ Freizeitgestaltung (Besuch kultureller Einrichtungen, zweisprachige Kinderbücher) Aufzeigen, Besprechen & Unterstützen bei der Findung möglicher Berufsfelder Fördern & Fordern von (schulischer) Leistung (Loben Unterstützung bei Schulaufgaben, Anreize schaffen) Fördern im Alltag (durch Familienrituale, Tagesabläufe) kein Leistungsdruck Fördern & Vermitteln bestimmter Eigenschaften (Selbstbewusstsein, Stärke, Gesellschaftsfähigkeit, Vertrauen, soziale Kompetenz, Leistungsbereitschaft, Neugier, Teamfähigkeit) & Werte Förderung des Umgangs mit Geld (Taschengeld mit Job aufbessern) Gesamt

111

Anzahl 29

Prozent 14,5

12

6,0

28

14,0

77

38,5

13 8 59

6,5 4,0 29,5

2

1,0

200

100,0


Frage 21: Welche Fördermaßnahmen ergreifen Sie für Ihre Kinder? Mehrfachantwort Fremdsprachen Nachhilfeunterricht Sport Musik Kunst Sonstige

Anzahl 153 56 265 220 54 31

(Vor-)Lesen Rahmenbedingungen stellen Bedürfnisse des Kindes Natur, Garten Berufsorientierung (Gespräche, Praktika) Dyskalkulie Engagement in der Kirchengemeinde Geschichte und Kultur Kindergarten mit Elternbeteiligung Pfadfinder Auslandsaufenthalte Zeit für Kinder Achtsamkeit, Wahrnehmung DRK Frühförderung (Bewegung, Sprache, ...)

Prozent 36,6 13,4 63,4 52,6 12,9 7,4

4 4 3 3 3 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1

Gesamt

418

100,0

Frage 22: Wer befürwortet die Maßnahmen in der Familie? beide, aber die Mutter stärker beide, aber ich stärker beide gleichermaßen Gesamt

Anzahl 41 43 262 346

112

Prozent 11,8 12,4 75,7 100,0


Fragenblock IV: Wie sieht die Zufriedenheit der Väter mit der aktuellen Erziehungslage aus? Frage 23: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer eigenen Erziehungsleistung? zufrieden eher zufrieden neutral eher unzufrieden unzufrieden Gesamt

Anzahl 110 169 67 19 3 368

Prozent 29,9 45,9 18,2 5,2 0,8 100,0

Frage 24: Wünschen Sie sich eine Änderung in Ihrer Erziehungsleistung? Die Frage wurde nur den Vätern gestellt, die bei der vorangegangenen Frage „neutral“, „eher unzufrieden“ und „unzufrieden“ angegeben haben. Ja Nein Gesamt

Anzahl 62 26 88

Prozent 70,5 29,5 100,0

Frage 25: Welche Änderungen wünschen Sie sich? weniger Beteiligung in der Erziehung mehr Beteiligung in der Erziehung andere Beteiligung (darunter Mehrfachnennung) mehr Zeit mehr Gelassenheit stetige Reflexion und Anpassen des Erziehungsverhaltens nachhaltigere Erziehung mehr laissez-faire Erziehung Abstimmung in der Erziehung (an einem Strang wg. Trennung) höhere Qualität zur besseren Erreichbarkeit der Kinder Gesamt

113

Anzahl 1 49 12 6 4

Prozent 1,6 79,0 19,4

3 1 1 1 1 62

100,0


Frage 26: Wie zufrieden sind Sie mit der Erziehungsleistung der Mutter? zufrieden eher zufrieden neutral eher unzufrieden unzufrieden Gesamt

Anzahl 141 126 47 25 21 360

Prozent 39,2 35,0 13,1 6,9 5,8 100,0

Frage 27: Wünschen Sie sich eine Änderung in der Erziehungsleistung der Mutter? Die Frage wurde nur den Vätern gestellt, die bei der vorangegangenen Frage „neutral“, „eher unzufrieden“ und „unzufrieden“ angegeben haben. Ja Nein Gesamt

Anzahl 73 19 92

Prozent 79,3 20,7 100,0

Frage 28: Welche Änderungen wünschen Sie sich? weniger Beteiligung in der Erziehung mehr Beteiligung in der Erziehung andere Beteiligung (darunter Mehrfachnennung) mehr Konsequenz/Klarheit mehr Gelassenheit/ Ausgeglichenheit/ Ruhe stetige Reflexion & Anpassung der Erziehung mehr Toleranz mehr Liebe Selbstbewusstsein stärker vermitteln Abstimmung/ Gleichberechtigung in der Erziehung Inanspruchnahme eigener Therapie weniger Symbiose höhere Qualität zur besseren Erreichbarkeit der Kinder Gesamt

114

Anzahl 19 30 28 6 4 2 1 1 1 7 3 2 1 77

Prozent 24,7 39,0 36,4

100,0


Abschluss Frage 29: Möchten Sie noch etwas anmerken? Zitate: „Ich würde gern mehr Zeit in die Erziehung einbringen - gleichzeitig bin ich aber überzeugt, dass es stärker auf die Intensität und Qualität ankommt. Ein moderner, gleichberechtigter Erziehungsstil von Vätern und Müttern stellt eine sehr hohe Anforderung an Toleranz und Partnerdialog. Meiner Erfahrung nach tun sich damit gerade "moderne" Frauen sehr schwer sie leiden sehr stark unter ihren eigenen Rollenerwartungen und sind gleichzeitig viel emotionaler als Männer, wenn Sie in ihrer Muttererwartungshaltung einmal zurücktreten müssen. Bzw. sie brauchen sehr zeitintensive Kommunikationsprozesse, um ihr emotionales Gleichgewicht in solchen Fragen zu finden. Ich und auch Väter in meinem Umfeld akzeptieren veränderte Situationen einfach schneller und stellen sich auf das Neue entsprechend ein. Unabhängig davon: meine Frau und die Frauen in meinem Umfeld leisten eine ebenso hervorragende Erziehungsleistung wie wir Väter.“ „... Wertevermittlung ist schwerer als man denkt - die Medien sind einfach lauter und bunter.“ „Beruflich eingebundene Eltern haben zwangsläufig nicht so hohen Einfluss auf die Erziehung. Hier ist sicherlich das Umfeld zu schaffen beruflich Freiräume zu finden die seitens AG unterstützt/ gefördert werden.“ „Danke für die Anregung zum Nachdenken über die eigenen Erziehungsmaßstäbe.“ „Das deutsche Familienrecht muss endlich handeln. Ich bin Vater und unsere kleine kann nichts für die Trennung. Kinder werden als Machtmittel gegen den Vater ausgebeutet, werden manipuliert. Ihnen wird das Leben erschwert, wichtiges genommen, psychisch zerschmettert. Kinder brauchen beide Eltern und die Paar-Elternebene muss getrennt werden. Eine Mutter kann boykottieren und manipulieren bis zum Schluss, ohne das Sanktionen wirklich verhängt werden. Gewinnen kann nur die Mutter, verlieren nur das Kind und der Papa." „Das die Politiker endlich merken wie wichtig Männer für die Kindererziehung sind und der Genderwahn ein ENDE hat.“ „Die aktuelle Rechtslage, nach der getrennte Väter zu bezahlen und sonst die Klappe zu halten haben ist Grund- und Menschenrechtswidrig und dient keinesfalls dem Kindeswohl.“ „Die Erziehungsleistung in der heutigen Gesellschaft ist für berufstätige Mütter eine Topaufgabe. Bei uns arbeitet die Mutter ca. 50% berufstätig. Die Schulkinder genießen das mittägliche Essen zu Hause (je nach Stundenplan). Auch bei Mittagsunterricht geht’s kurz zum frischgekochten nach Hause. Die Kantine oder Stadt hat nach 1-2 Jahren an Reiz verloren. Interessanterweise können alle 3 sich nicht eine Ganztagsschule/Betreuung vorstellen. Da kann man nichts mehr mit anderen verabreden. Von der Musikschule mal ganz zu schweigen.“

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„Die Situation mit zwei Vollzeitbeschäftigten (40 Std) erfordert ein erhebliche Maß an Organisation der alltäglichen Situation (Kind ist erst ab 8:30 Uhr in der Grundschule und wird kann bereits ab 13:00 Uhr abgeholt werden oder muss wg. Sport etc.). Das Verständnis ist seitens der Führung jedoch nicht immer gegeben insbesondere im Krankheitsfall. Hier ist die Personaldecke in den meisten Firmen derart eingeschränkt, das die Betreuung des Kindes im Krankheitsfall durch die Firma gewährt wird, jedoch die eigene Arbeit durch keinen aufgefangen werden kann und somit liegen bleibt. Im Krankheitsfall des Mitarbeiters selbst wird eine differenzierte Wahrnehmung getroffen, der ist ja nun mal Krank da kann man ja nichts machen und beim Kind.“ „....warum bleibt nicht die Ehefrau zu Hause, sie weiß doch wie viel wir zu tun haben... Die Umfrage war eine willkommene Gelegenheit zur Reflektion über meinen Erziehungsbeitrag.“ „Elternzeit schärft den Blick für Bedürfnisse, Neigungen und Interessen der Kinder, Elternzeit relativiert die Erwartungshaltung gegenüber den Kindern, Elternzeit schärft den Blick für die Probleme allein erziehender Eltern.“ „Elternzeit schärft den Blick für Bedürfnisse, Neigungen und Interessen der Kinder, Elternzeit relativiert die Erwartungshaltung gegenüber den Kindern, Elternzeit schärft den Blick für die Probleme allein erziehender Eltern.“ „Endlich gemeinsames Sorgerecht und einen fairen Umgang mit uns Männern Ich denke, dass die Schulen mehr bei der Wertvermittlung in die Pflicht genommen werden damit möglichst viele Kindern das gleiche Niveau vermittelt bekommen. Eltern sollten öfter Überlegen was Sie falsch machen und ändern müssen und nicht den "schwarzen Peter" auf die Kinder schieben. Für die Unterstützung der " hilflosen Eltern" sollte das Jugendamt personell sehr stark aufgestockt werden um präventive Maßnahmen wirksam durchführen zu können.“ „Ich finde die Idee Ihrer Befragung sehr gut, habe das Gefühl, als Vater, der seine Erziehungsverantwortung gemeinsam mit der Mutter (beide voll berufstätig, Au-Pair im Haushalt) wahrnimmt, gesellschaftlich nicht wahrgenommen zu werden. Meine Frau berichtet darüber, dass sie sich häufig rechtfertigen muss, warum sie berufstätig ist, ich muss mich dagegen oft gesellschaftlich rechtfertigen, warum mir die Erziehung der Kinder wichtig ist. Einschränkungen des Arbeitgebers erlebe ich kaum, gesellschaftliche Versuche der Beeinflussung mehr.“ „Ja, es gibt auch alleinerziehende, vollzeitberufstätige Väter und Mütter! Weg mit Steuerklasse II, her mit Steuerklasse III, Familie ist da, wo Kinder sind! War doch wohl Zeitverschwendung hier ...“ „Selbstverständlich bin ich der Supervater!“ „Sorgerecht für unverheiratete Väter !!! DANKE!“ „Unsere Söhne sind 26 und 30 Jahre alt. An unserem 30. Hochzeits-tag haben sie sich bei uns mit einem Geschenk für alles was wir für sie getan haben, bedankt. Wir waren etwas sprachlos, ist es für uns als Eltern doch eine Selbstverständlichkeit für die Kinder immer da zu sein (...auch bei und gerade bei im Leben nicht ausbleibenden Problemen). Die ausgesprochene Anerkennung (nicht nur das Geschenk) war und ist für uns die größte Freude aber auch die Gewissheit das Richtige getan zu haben (ein Rezept gibt es dafür ja bekannter Weise nicht).“

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Impressum

Herausgeber: hessenstiftung – familie hat zukunft Dr. Ulrich Kuther Darmstädter Str. 100 64625 Bensheim E-Mail: u.kuther@hessenstiftung.de Homepage: www.hessenstiftung.de © hessenstiftung – familie hat zukunft, Bensheim, 2012.

Konzept und Redaktion: Dr. Ulrich Kuther Die hessenstiftung – familie hat zukunft dankt den Autorinnen und Autoren für die Mitwirkung in dieser Veröffentlichung. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. Wenn Sie aus dieser Publikation zitieren wollen, dann bitte mit genauer Angabe des Herausgebers und des Titels. Bitte senden Sie zusätzlich ein Belegexemplar an den Herausgeber.

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„Aktive, engagierte Väter sind deshalb im doppelten Sinne „wertvoll“: Zum einen stärkt es die Eltern-Kind-Bindung und die Partnerschaft, wenn Väter sich Zeit für Verantwortung in der Familie nehmen. Zum anderen eröffnen die persönlichen Werte und Prioritäten der „neuen Väter“ auch neue Wege des familiären und gesellschaftlichen Zusammenlebens.“ Aus dem Grußwort von Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder

Über das Buch: Ändern sich mit der Rolle von Vätern in der Kindererziehung auch die Werte in der Kindererziehung? Die hessenstiftung – familie hat zukunft hat deshalb Väter zu ihren Werten und Zielen in der Kindererziehung befragen lassen. Dieser Band dokumentiert die Ergebnisse, die auch in einer Expertenrunde diskutiert wurden. Einige aus dieser Runde trugen auch einen weiterführenden Artikel zu dieser Publikation bei. Der Bogen spannt sich nun von ergänzenden Überlegungen und Studien zum Thema „Väter und Werte“ über die Alltagspraxis von Vätern und die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hin zur Frage nach einer väterfreund­lichen Personalpolitik. Herausgeber: Die hessenstiftung – familie hat zukunft hat für ihren Stiftungszweck, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, den Schwerpunkt auf Väter gesetzt. Sie will Väter zur Reflexion der eigenen Rolle bewegen, in der Gesellschaft neue Rollenbilder verbreiten und Unternehmen beim Stichwort „familienorientierte Personalpolitik“ auch an Männer denken lassen. Autoren: Volker Baisch, Maike Christ, Barbara David, Andreas Eickhorst, Anna Lena Garde, Hannes Hausbichler, Christine Henry-Huthmacher, Angela Icken, Ulrich Kuther, Claudia Münch-Gliewe, Hans Georg Nelles, Hans Prömper, Stefan Reuyß, Harald Seehausen, Marcus Schmitz, Kristina Schröder, André Stern, Anna Lena Thomas, Johannes Thönneßen


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