turi2 edition #4 Innovation. Ändere die Welt, sie braucht es.

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INNOVATION MUSS ZWEI DINGE ZUSAMMENBRINGEN: EILIGE INFORMATIONEN UND DENJENIGEN, DER SIE BRAUCHT

Innerhalb von fünf bis zehn Minuten nach Bekanntwerden einer Gefahr – so verspricht es A3M – spuckt ihr Global-MonitoringSystem nicht nur aus, wie viele Reisende des Kunden bedroht sind, sondern auch welche, inklusive der Kontaktdaten. Reiseveranstalter, aber auch Konzerne, die Mitarbeiter um die Welt schicken, können die Reisedaten direkt an das Warnsystem andocken und sehen, wer wo welcher Gefahr ausgesetzt ist. A3M verknüpft Nachrichten mit Geolokalisierung und Datenanalyse und verkauft am Ende eine PlattformDienstleistung: Das Unternehmen selbst schickt keine Beobachter an die Krisenherde der Welt. Marcel Brandt hat A3M mit aufgebaut. Die Idee entsteht 2005, als Tsunamis im Indischen Ozean 230.000 Tote fordern. Brandt, damals Wirtschaftsingenieur im Studium und Liebhaber des rauen Atlantiks, erinnert sich mit Schaudern: „Da sind so viele Menschen gestorben, obwohl die Tsunami-Information ja da war. Aber sie ging eben nicht raus an die Einheimischen und die Urlauber vor Ort.“ Brandt und seine damaligen Professoren bauen ein Tsunami-Warnsystem über SMS-Nachrichten – der Vorläufer von A3M. Die Profs steigen später aus, der Hamburger TourismusUnternehmer Thomas Dillon ein. Brandt bleibt als Statthalter in Tübingen. A3M profitiert, auch wenn sie das nicht gerne hören, von Terrorismus und zunehmender Unsicherheit. Diese Gefahren bedrohen Leben und Unternehmen. Selbst Mittelständler sind heute global vernetzt und persönlich betroffen, wenn Kriege und Dürren Landstriche lahmlegen. Weil bei A3M Meldungen aus aller Welt zusammenlaufen, etwa 6.000

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Die A3M-Monitore zeigen gefährliche meteorologische und politische Ereignisse: Hitzewellen, Stürme, Terror-Attacken. Im unteren Bild ist eine Tornado-Warnung für die USA zu sehen

Ereignisse pro Jahr, sind neben Touristikern besonders Unternehmen interessiert, die in entlegenen Gebieten arbeiten. Tchibo etwa will wissen, wenn etwas Ungewöhnliches in Bangladesch passiert – dann reißt womöglich der Textilien-Nachschub für die deutschen Filialen ab. Welche Information für wen relevant ist, entscheidet die Technik. Daten sind das wichtigste Gut und weil der Kollege Computer die leitende Rolle hat, ist er besonders gut geschützt. Die Server stehen an einem geheimen Ort. Über sie sind die sensiblen Daten tausender Reisender abrufbar, die die Kunden mit A3M teilen. Manche Kunden, zum Beispiel Banken, schicken regelmäßig Prüfer nach

Tübingen, um zu testen, wie sicher die Daten sind. Weil das Geschäft mit der Krise kein Limit kennt, ist der nächste Streich der Tübinger eine App für Reisende, die die Position des Handys verfolgt und seinem Nutzer individuell meldet, wenn Gefahr droht. Viele Deutsche nutzen Katwarn, ein Alarmsystem der Behörden. Die A3M-App will global vor Gefahren warnen, persönlicher und schneller. Ein gänzlich technisierter Prozess ist das aber am Ende auch nicht, sagt Brandt: „Vor einigen Jahren gab es bei uns das Wunschdenken, die Redaktion zu automatisieren. Aber das funktioniert nicht. Sie brauchen am Ende Experten, die eine Lage bewerten.“

Marcel Brandt studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Furtwangen, bevor er das Monitoring-System A3M aufbaute. Zu seinen Kunden gehören TUI und Thomas Cook, aber auch kleinere Unternehmen, die ihre Mitarbeiter rechtzeitig vor Gefahren warnen wollen. turi2 edition #4 · Innovation


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