Tracks 5 17 (September/Oktober)

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Mainstream/Indie/Alternative REVIEWS Bassist John McVie, Ehemann von Christine. Dass dabei nicht nur Inspiration und instrumentales Handwerk mit einflossen, kann man im Cover in den Dankesworten von Christine lesen: "Ich danke Mick und John für deren geniale KreativBeiträge bei der Produktion dieses Albums, für deren Sinn für Spass, deren Talent und Freundschaft." Die herbe Schönheit Christine und ExFrauenschwarm Lindsey haben sich in den Kompositionen aufgeteilt: Fünf von Lindsey, zwei von Christine und drei von beiden zusammen. Heraus kam, was man sich erhoffen konnte: Zehn geschliffene Popsongs Marke Fleetwood Mac. Die beiden sind songschreiberische Vollprofis, er Gitarrist, sie an den Keyboards, plus die fantastische Rhythmus-Sektion Fleetwood und McVie, auf die man wohl auch blind getippt hätte. Wenige Schlagzeuger haben einen derart prägnanten Wiederkennungswert, der sich vor allem im Titel "Too Far Gone" zeigt. Das ist melodiöses, Power-Drumming mit viel Druck, das den Song-Rhythmus spürbar antreibt. Wer sich zum Beispiel an "Tusk" erinnert oder an die beiden Megahits aus den 1970er Jahren, "Go Your Own Way" und "Don't Stop", weiss, was gemeint ist. Beide Titel finden sich auf dem zweitmeist verkauften Album aller Zeiten, "Rumours" mit über 40 Millionen Exemplaren, gleich hinter "Thriller" von Michael Jackson. Ob diese Zahlen heute freilich noch gelten, wäre mal eine Recherche wert. Wenn man mich nach der anspruchsvollsten MainstreamPopmusik fragt, dann kommen mir zuerst – die Beatles laufen hors concours – meistens zuerst Fleetwood Mac und die dänische Gruppe Michael Learns To Rock in den Sinn. Radiotaugliche Sounds und Songs mit höchsten Ansprüche, auch wenn man bei den Dänen textmässig Abzüge machen muss. Aber deren Musik ist erste Sahne. Wie auch diese zehn Songs, die einen zum Beispiel im Auto fast einlullen. Es braucht allerdings mehrmaliges Hören, bis sie ihre Schönheit und Vielfalt richtig entfalten. Bei den Songs der ehemaligen Blues-Lady McVie, einst Kopf der britischen BluesRock-Band Chicken Shack, drückt der 60s-R&B durch, bei Lindsey der perfekte produzierte Popsong. Detail am Rande: ex-Fleetwood-MacSchätzchen Steve Nicks vermisst man keine Sekunde.

HAVANA MAESTROS Made In Cuba Warner Music hef. Wer kubanische Musik im Allgemeinen und den Buena Vista Social Club im Speziellen mag, der sollte sich mal dieses Album zu Gemüte führen. Hier finden westliche Popkultur und kubanische Lebensfreude zu einem mitreissenden musikalischen Gipfeltreffen zusammen. Das Rezept für dieses Projekt war das Folgende: Man nehme die besten kubanischen Studio-Musiker und Arrangeure, versammle sie in einem Studio in Havanna und lasse sie zu den Stimmen weltberühmter Sänger deren Klassiker ad hoc im Kuba-Groove musikalisch begleiten. Heraus kam ein höchst spannender, aber auch emotionaler Mix mit der Originalstimme von Musik-Legenden von gestern und heute, begleitet von kubanischen Musikern, arrangiert im swingenden Salsa-Groove. Das führte bei Otis Redding's "(Sitting On) The Dock Of The Bay" bei mir sogar zu Tränen der Rührung, so tief traf mich diese Version ins Herz. Oder der Aretha-FranklinKlassiker "Say A Little Prayer" mit der Stimme von Dionne Warwick und Ben E. King's "Stand By Me" im völlig neuen Sound-Gewand: schlicht betörend. Heisser wirds bei "Good Times" mit Chic, "Get Ur Freak On" feat. Missy Elliott, "Watcha Say" mit Jason Derulo und mit dem aktuell noch immer in den Radios gespielten Hit "We Are Young" feat. Fun. Erdacht und produziert wurden diese karibischen Klänge voller Fröhlichkeit und Nostalgie vom Grammy-gekrönten Duo Berman Brothers, Frank und Christian Berman, die bereits 2006 kubanische Musiker mit Songs internationaler Stars wie U2, Sting, Coldplay zusammenbrachten. Die Arrangements hier stammen von den 20-fachen "Cubadisco"-Gewinnern und "Maestros de Cuba" Emilio Vega und Harold Lopez-Nussa. Als Musiker wirken unter anderen Timbale-Impresario Amanita Valdés, Lauten-Legende Barbarito Torres vom Bueno Vista Social Club, Piano-Virtuose Emilio Morales Ruiz und Trompeter Roberto Garcia. Musiker und Produzenten versammelten sich in Havannas Abdale Studios, ausgestattet mit Steinway Flügeln und einer gut sortierten Bar. Die Musiker spielten alle Noten live zu den originalen Gesangsspuren. Die Lebensfreude der kubanischen Musiker spürt man bei jedem Ton.

Kolumne Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie von Christian Hug

Kid Rock for fuck So. Nun hat Kid Rock also angekündigt, dass er Senator für den Staat Michigan werden will. Und später auch grad Präsident der US of A. Weil er jetzt... irgendwie... nicht mehr Musik, sondern... irgendwie... Politik machen will. Als Zeichen seiner ernst gemeinten Absicht hat er schon mal eine Stiftung gegründet, deren Namen er zwar nicht preisgibt, die seinen Fans aber erklären soll, wie man einen Senator wählt, wenns dann nächstes Jahr soweit ist, weil seine arme White-TrashGefolgschaft in der Regel ja nicht mal weiss, wie man einen Bleistift überhaupt in den Händen hält. Kid Rocks politisches Programm besteht bis jetzt in der Ankündigung, dass er auch als Senator Kid-Rock-Mützen verkaufen will. Mit der Aufschrift «In Rock we trust». Nun denn. Rock for US Senate wäre eine wunderbare Gelegenheit für ein heiteres Kid-Rock-Bashing. Aber unter uns gesagt: Das ist mir jetzt zu simpel. Ich meine: Einen Typen, der zum Spass Schweine erschiesst, der sich mit Tommy Lee um Pamela Anderson prügelt und unter Outlaw versteht, besoffen in der Gegend rumzunölen, einen solchen Typen kann man beim besten Willen nicht ernst nehmen. Zumal man ihn auch als Musiker mit seinem unsäglich dumpfbackigen StiefelrockGeschrammel nie nur auch ein Mü ernst nehmen konnte. Dass sich ein Kid Rock jetzt befähigt fühlt, Amerikas Staatsgeschicke zu leiten, zeigt eigentlich nur, dass niemand mehr das Amt des Präsidenten der (bald nicht mehr) mächtigsten Nation der Erde ernst nimmt, seit Donald Trump das Land ungespitzt in den Boden rammt. Sogar Kanye West hat angekündigt, dass er Präsident werden will, ebenso wie Dwayne «The Rock» Johnson... Das erübrigt wohl jeden Kommentar. (Immerhin: Dwayne und Kid könnten im Copräsidium das Amt übernehmen unter dem Fasnachtsmotto «US on the Rocks», ha ha.) Leider halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass Kid Rock die Wahl zum Senator gewinnen wird. Weil die Amis haben ja schon Donald Trump gewählt, und der ist ja auch nichts anderes als der reichste aller White-Trasher. Schliesslich kriegt jedes Volk die Regierung, die es verdient. Und es nützt jetzt auch nichts, wenn wir jammern und uns wünschen, dass als Alternative doch der Greg Graffin von Bad Religion kandidieren könnte, das ist wenigstens ein politisch hervorragend informierter und engagierter Musiker und ein promovierter Evolutionsbiologe noch dazu. Wir können uns auch nicht der Hoffnung hingeben, dass Kid Rock, wenn er denn erst mal im Amt ist, sich vielleicht zu einem ordentlichen Politiker mausert, so wie das Peter Garrett von Midnight Oil getan hat, der von 2004 bis 2013 Umwelt- und Kulturminister der australischen Regierung war und dort einen ganz ordentlichen Job gemacht hat. Denn Garrett war immer schon politisch engagiert, während Kid Rock immer nur ein Schreihals war, der nichts anderes konnte als zu schreihalsen. Aber hey: Das betrifft uns in der Schweiz sowieso so gut wie überhaupt nicht, warum sollen wir uns also Sorgen machen... Freuen wir uns notabene, dass unser lieber Chris «The Kopftuch» von Rohr noch nie auf die Idee gekommen ist, in die Politik einzusteigen. Seine Kolumnen in der «Schweizer Illustrierten» sind uns schon so mehr als genug. Trotzdem stehen wir in Glaube, Liebe und Hoffnung dem amerikanischen Volk bei und schliessen uns Steve Earle an, einem gescheiten, schlauen, engagierten (Anti-)CountryMusiker. Er sagte nämlich auf Kid Rocks Ankündigung: «Jesus Christ, the only way we could do worse than Donald Trump is Kid Rock. What the fuck?!» Stimmt. Earle hingegen könnten wir uns sehr gut als Politiker vorstellen. Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.

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