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Mit der Polizei auf "Kneipentour" im Hotspot Odenwald

Mit der Polizei auf "Kneipentour" im Hotspot Odenwald echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/michelstadt/mit-der-polizei-auf-kneipentour-imhotspot-odenwald_25231028 28. Januar 2022

Michelstadt

28.01.2022 - 12:00 Das Ordnungsamt kontrolliert in Michelstadt unangekündigt, ob in Lokalen die Corona-Regeln eingehalten werden. Und wird fündig. Von Sabine Richter

Das Ordnungsamt der Stadt Michelstadt geht mit Unterstützung von Polizeikräften auf Kneipentour mit dem Ziel, die Einhaltung der CoronaRegeln im Hotspot zu kontrollieren. Hier in der Spielhalle. (Foto: Dirk Zengel)

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Mit der Polizei auf "Kneipentour" im Hotspot Odenwald

MICHELSTADT - Die Schwingtür der Spielhalle geht auf. Vier Männer in Polizeiuniform gehen hinein, schauen in jede offene Tür und verteilen sich dann im Saal, wo reihenweise Automaten flackern und klingeln. Zigarettenqualm steht in der Luft, knapp zehn Spieler sitzen einsam vor ihren Bildschirmen. Es ist Mittwochabend kurz vor 18 Uhr in Michelstadt, und das Ordnungsamt startet zu seiner Kneipentour der besonderen Art: Dabei kontrolliert die Behörde in einer Handvoll Betrieben, ob deren Betreiber und ihre Gäste sich an die Corona-Regeln halten. Angeführt wird die konzertierte Aktion von einem Mann in Jeans und Mantel: Sebastian Ulrich. Für ihn als Ordnungsamtsleiter sind die meisten Gastronomen keine Fremden. „So viele gibt es ja heute nicht mehr“, sagt er.

Für Mitarbeiter 3G, für Gäste 2G plus Am Tresen der Spielhalle steht ein Mann, der die dreißig vielleicht gerade erreicht hat, und er zeigt sich kooperativ: „Kann ich helfen?“ Was er allerdings nicht weiß, ist, welche Regeln seit dem 17. Januar im Odenwaldkreis gelten – dem Zeitpunkt, als die Region zum Hotspot wurde. Das ist sie, wenn der Inzidenzwert von 350 für mindestens drei Tage in Folge überschritten ist. Sebastian Ulrich begegnet ihm freundlich und respektvoll: „Ich möchte gerne mal das Abstands- und Hygienekonzept sehen.“ Gemeint ist ein Schriftstück, das der junge Mann aber nicht kennt und auch nach minutenlangem Wühlen in Papierstapeln nicht auftreiben kann. „Reichen Sie es mir bis Freitag per Mail nach“, sagt Ulrich. Für die Mitarbeiter in der Gastronomie gilt derzeit die 3G-Regel, während Gäste in Innenräumen die 2G-plus-Regel zu befolgen haben. Sie müssen also entweder geboostert oder zweimal geimpft und getestet sein. Auf den Herrn am Empfang trifft das zu, und auch auf fast alle anderen Personen vor den Automaten – bis auf einen jungen Mann von schätzungsweise Ende 20, bei dem lediglich eine Impfung nachweisbar ist. Er wirkt sichtlich überrascht, bleibt aber ruhig und gesprächsbereit: Offenbar kannte er die Regeln nicht. Getestet hatte ihn der Mann am Tresen, was ebenfalls nicht ausreicht. https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/michelstadt/mit-der-polizei-auf-kneipentour-im-hotspot-odenwald_25231028

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Die Stadtpolizei will nicht bestrafen Die Stadtpolizisten nehmen die persönlichen Daten des Mannes auf, denn sein Vergehen gilt als Ordnungswidrigkeit. Demnächst erhält er Post vom Odenwaldkreis, der solche Anzeigen bearbeitet. 200 Euro dürfte er anschließend zu bezahlen haben. Deutlich teurer wird es für den Inhaber von Gastromiebetrieben, wenn Gäste die Corona-Regeln nicht einhalten: Da werden schon mal 1000 bis 2000 Euro fällig, erklärt Sebastian Ulrich. Dabei zeigt er ein gewisses Verständnis für Verfehlungen: „Die Bestimmungen ändern sich halt andauernd. Vor ein paar Wochen hätten der Gast und der Betreiber noch alles richtig gemacht. Es ist auch nicht unsere Intention, jemanden zu bestrafen. Wir wollen nur, dass die Pandemie vorbei geht.“

Nächste Station der Ordnungshüter ist eine weitere Spielhalle. Sie wirkt heller, farbenfroher, aber auch dort wabert der Zigarettenrauch. Eine Frau am Tresen zeigt sich sofort kooperationsbereit – sucht aber ebenfalls den Schrieb mit den Hygieneregeln vergeblich. Da Ulrich von einer früheren Kontrolle weiß, dass es die Papiere gibt, gewährt er auch hier eine zweite Chance. Dann jedoch rettet die Kollegin der Empfangsdame die Situation und fischt das Gewünschte aus den Tiefen einer Schublade. Fragen kommen auf bei einem Gast: „Er ist zweimal geimpft und genesen“, gibt ein Stadtpolizist zu bedenken. Jetzt rechnen alle nach: Ab dem 29. Tag nach dem Positiv-Test tritt der GenesenenStatus offiziell ein. Der Kontrollierte hat Glück gehabt, denn dieser 29. Tag war am 21. Januar erreicht. Eine Spielerin, die einen Zehn-Euro-Schein auf dem Automaten liegen hat, zeigt sich geboostert. Ein Mann, so um die Dreißig, bietet einer Passantin an, für ihn den Automaten zu drücken: „Vielleicht sind Sie ja meine Glücksfee.“ Er sei spielsüchtig, lässt er durchblicken. „Aber jetzt spiele ich immer erst am Monatsende und verzocke das Geld, das übrig ist. Blöder ist es, wenn bereits am Zehnten das Geld weg ist. Am besten ging es mir, als die Spielhallen geschlossen waren. Da hatte ich eine Weile Ruhe. Jetzt versuche ich, das zu minimieren.“ Er lacht. Und er wirkt sympathisch. Aber seine Situation ist traurig. Zu beanstanden gibt es für die Ordnungsbehörden in diesem Haus nichts. https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/michelstadt/mit-der-polizei-auf-kneipentour-im-hotspot-odenwald_25231028

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Nun ist eine Kneipe am Rande der Altstadt das Ziel der Kontrolleure. Drinnen reihen sich am frühen Abend eine Handvoll Gäste an der Theke auf – vor jedem steht ein Bier. Bei der Kontrolle wirkt der eine oder andere schon nicht mehr so recht beweglich, und einer tippt wahllos auf seinem Handy herum, wo er den Impfstatus vermutet. Dann bietet er an, schnell nach Hause zu gehen und seinen Impfpass zu holen. Im letzten Moment nimmt die einzige Frau an der Theke das Handy und wird fündig. Hier sind alle geimpft und getestet. „Ich kenne den Wirt als verlässlich“, sagt Ordnungsamtsleiter Ulrich, als alle wieder draußen auf der Straße stehen. Man weiß eben im Städtchen, mit wem man es zu tun hat. Die Speiselokale in der Altstadt sind noch leer um diese Zeit, was Ulrich begrüßt, denn er möchte den Wirten unnötiges Gerede und Gerüchte über einen angeblichen Polizeieinsatz ersparen. In einem Lokal sitzt ein Mann am Tresen und trinkt ein Glas Wein. Geimpft ist er nicht, nur getestet. „Ich bin als Lieferant hier und kein Gast“, erklärt er schnell, was Ulrich ihm nicht abnimmt: „Aber Sie sitzen doch hier beim Wein?“ Die Frau hinter dem Tresen erklärt, er habe Gläser geliefert. Der Mann spricht von Thermoskannen. Seine Personalien werden aufgenommen, und auch er muss wohl mit Post vom Landratsamt rechnen. Zum Abschluss kehren die Prüfer in eine weitere Raucherkneipe ein, und der Wirt nimmt’s gelassen: „Wir üben die Corona-Regeln ja schon seit Monaten.“ Und, na klar, hat er das Hygienekonzept vorliegen. Auch bei den Gästen stimmt’s. Zum Abschied ruft eine Frau dem Trupp vom Ordnungsamt sogar nach: „Ich find‘s gut, dass Ihr das macht.“

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