Hohe Inzidenz bei Ungeimpften? Bullshit - die Statistik ist unbrauchbar http://Corona.Presse-Echo.de

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Hohe Inzidenz bei Ungeimpften – die Zahlen täuschen

Hohe Inzidenz bei Ungeimpften – die Zahlen täuschen echo-online.de/lokales/rhein-main/hohe-inzidenz-bei-ungeimpften-die-zahlentauschen_24955699 7. Dezember 2021

Von Christian Matz Bei den Inzidenzen fallen große Unterschiede zwischen Geimpften und Ungeimpften auf. Warum die Statistik unbrauchbar ist.

68.6 Prozent der Rheinland-Pfälzer waren bis zum Beginn der Woche Vollständig geimpft. 17,2 Prozent geboostert. (Foto: Alernon77 Adobe.Stock)

WIESBADEN/MAINZ - Wie hoch ist die Inzidenz bei Menschen, die gegen eine Coronavirusinfektion geimpft sind – und wie hoch ist sie bei Ungeimpften? Eine sehr wichtige Frage, denn mit sehr viel höheren Infektionsraten bei Ungeimpften argumentiert etwa der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für strengere Corona-Maßnahmen. In dem Freistaat liegt die Inzidenz bei Ungeimpften nach den jüngsten verfügbaren Zahlen rund 16 mal so

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hoch wie bei Geimpften (1616 gegenüber 103, Stand 3.12.). In Hamburg ist sie nach den jüngsten Zahlen gar 37 mal so hoch (898 gegenüber 24, Stand 30. November.).

Wie kommen die Zahlen zustande? Das Problem: Beide Statistiken sind unbrauchbar, weil sie den Unterschied sehr viel größer darstellen, als er tatsächlich sein dürfte. Wer diese Zahlen heranzieht, stützt sich bewusst oder unbewusst auf falsche Daten. In Bayern sorgt dies nun für heftigen Streit. Dabei zeigt sich der hilfreiche Effekt der Impfungen sehr wohl, auch in Hessen und Rheinland-Pfalz, aber in einer anderen Statistik. Nämlich beim Anteil der Geimpften und Ungeimpften auf Intensivstationen. Aber der Reihe nach. Grund für die falschen Inzidenz-Zahlen in Bayern und Hamburg: Bei sehr vielen Neuinfizierten ist der Impfstatus überhaupt nicht bekannt; in Bayern macht diese Gruppe rund 70 Prozent aus. Diese „Unbekannten“ werden vom Landesamt für Gesundheit- und Lebensmittelsicherheit aber komplett dem Lager der „Ungeimpften“ zugerechnet, was die Statistik stark verzerren kann. Dies wurde nun durch Recherchen der „Welt“ auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die Folge: Massive Kritik, FDP und SPD in Bayern fordern Aufklärung von der Landesregierung. FDP-Fraktionschef Martin Hagen spricht von „manipulierten Zahlen“, dies sei „peinlich“, „fatal“ und schade der Impfkampagne. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn sagte der „Welt“, Impfen rette Menschenleben – „aber man überzeugt die Menschen nicht durch Falschaussagen vom Impfen“. Auch Schleswig-Holstein weist die Inzidenz getrennt aus, laut „Welt“ werden dort die Fälle mit unbekanntem Impfstatus aber nicht berücksichtigt. Folge: Die Inzidenz war zuletzt offiziell bei Ungeimpften „nur“ doppelt so hoch wie bei Geimpften.

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In Bayern verzichtet das Landesamt inzwischen auf neue Zahlen zur getrennten Inzidenz. „Angesichts der sehr hohen Fallzahlen und der daraus folgenden hohen Arbeitsbelastung der Gesundheitsämter“ sei „eine aussagekräftige Aktualisierung bezüglich des Impfstatus derzeit nicht möglich“, heißt es auf der Homepage des Amtes. Die Werte seien „nur als grober Trend zum Verhältnis der Betroffenheit zwischen der geimpften und ungeimpften Bevölkerung zu betrachten“. Auch im neuesten, wöchentlichen „Corona-Briefing“ des Hamburger Senats ist die getrennte Inzidenz nicht mehr aufgeführt. Beides offensichtlich eine Folge der „Welt“Berichterstattung und der anschließenden Diskussion darum. Hessen hatte die Inzidenz zwischenzeitlich ebenfalls getrennt ausgewiesen, verzichtet aber inzwischen darauf. Die Zahl der Infizierten mit unbekanntem Impfstatus sei „stetig weiter angewachsen“, erklärte das Sozialministerium auf Anfrage dieser Zeitung. Gründe: einerseits die wegen der Infektionslage begrenzten Kapazitäten in den Gesundheitsämtern; andererseits das „Meldeverhalten“ der „medizinischen Einrichtungen und Labore vor Ort“. Mit anderen Worten: Die meldenden Stellen kommen bei der Erfassung nicht mehr hinterher.

Statistik hat hohe Fehleranfälligkeit Die statistischen Probleme der getrennten Inzidenz sind allerdings schon seit Monaten bekannt, auch diese Zeitung hat schon darüber berichtet. Denn es gibt weitere Verzerrungen: Geimpfte werden vergleichsweise selten getestet; Ungeimpfte infolge der 3G-Regeln deutlich häufiger. Auch Kinder und Jugendliche werden generell häufiger getestet, von ihnen sind viele ungeimpft und damit „überrepräsentiert“. Wegen der Fehleranfälligkeit, so Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD), hat Rheinland-Pfalz lange auf die getrennte Ausweisung verzichtet – macht dies seit Ende November aber nun doch. Es sei abgewogen worden zwischen

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den „weiterhin gültigen Einschränkungen in der Interpretierbarkeit dieser Werte gegen das sich veränderte Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit“, erklärte das Landesuntersuchungsamt. Der große Unterschied zu Bayern: Bei den Fällen mit unbekanntem Impfstatus, zuletzt rund ein Drittel, wird der Status geschätzt, anhand der jeweiligen Impfquote in der entsprechenden Altersgruppe. So kommt das Amt auf eine Inzidenz von aktuell (10.12.) 580,4 bei Ungeimpften und 149,4 bei Geimpften. „Unterschiedsfaktor“: rund vier – wieder andere Verhältnisse als in Bayern, Hamburg oder Schleswig-Holstein. Eindeutiger zeigt sich der Nutzen der Impfung auf den Intensivstationen. In Hessen sind 65,7 Prozent der Covid-19Intensivpatienten nicht vollständig geimpft, 30,4 Prozent sind geimpft (unbekannt: 3,8). In Rheinland-Pfalz sind laut dem jüngsten Wochenbericht des Landesuntersuchungsamtes 74 Prozent der Covid-19-Patienten ungeimpft, 26 Prozent geimpft ( in den letzten acht Wochen). Bei den Ab-70-Jährigen, der größten Gruppe, ist der Unterschied geringer: 62 zu 38 Prozent. Aber: Gerade in dieser Altersgruppe ist die Impfquote in der Bevölkerung auch besonders hoch, um die 90 Prozent. Das bedeutet: Die geimpften Patienten stammen aus einer vergleichsweise sehr großen Gruppe; die ungeimpften aus einer vergleichsweise sehr kleinen. Die Wahrscheinlichkeit für Geimpfte, auf einer Intensivstation zu landen, ist also deutlich niedriger als für Ungeimpfte.

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