Elf Jahre Merkel eine Bilanz achgut.com/artikel/elf_jahre_merkel_eine_bilanz
Von HansHermann Tiedje. 2005 war ein denkwürdiges Jahr. George Bush jr. begann in Washington seine zweite Amtszeit, Wladimir Putin regierte in Moskau schon im sechsten Jahr, in Berlin wurde das Holocaust Denkmal eingeweiht, Recep Tayyip Erdogan dirigierte als Ministerpräsident die Türkei und legte Wert auf beste Beziehungen zu Syrien, wo Bashar alAsad gerade sein FünfJahre Regierungsjubiläum feierte. Der Airbus A380 bestand seinen Jungfernflug, Oskar Lafontaine trat aus der SPD aus, Joseph Ratzinger wurde Papst. Gerhard Schröder verlor erwartungsgemäss die Vertrauensfrage und danach die Bundestagswahl. So sah die Welt in den Monaten aus, da Angela Merkel, geborene Kasner, als Bundeskanzlerin antrat. Im Irak und in Afghanistan wurde zwar gekämpft, aber insgesamt war die Welt friedvoller als heute. Und in ihrer ersten Silvesteransprache teilte Merkel der deutschen Nation wörtlich mit: «Die Finanzen haben wir beim letzten EUGipfel in Ordnung gebracht.» Das Verhältnis zur Türkei war freundlichabwartend. Die frischgebackene Kanzlerin Merkel propagierte eine «privilegierte Partnerschaft» und lehnte jegliche Visafreiheit für Türken strikt ab. Das Land sei nicht reif dafür. Die griechische Finanzkatastrophe dräute noch hinter dem Horizont. Es galt vertragsgemäss «no bailout», kein EUMitglied haftete für die Schulden der anderen.
Den Zustrom der Flüchlinge präzis vorausgesagt Dass allerdings Europa zum gelobten Land für Millionen Migranten aus der arabischen und schwarzafrikanischen Welt werden könnte, zeichnete sich deutlich ab. Schon 2004 propagierte der deutsche SPDInnenminister Otto Schily die Idee, das Elend der Bevölkerungswanderung am Mittelmeer durch die Einrichtung von Zentren zur Registration in nordafrikanischen Herkunftsländern zu filtern oder zu stoppen. Und Walter Laqueur veröffentlichte sein seherisches Alterswerk «Die letzten Tage von Europa – Ein Kontinent verändert sein Gesicht». Darin sagte er den muslimischen Zustrom samt allen Problemen präzise voraus. So neu und überraschend kann also das, was 2015 passierte, für die politischen Akteure nicht gewesen sein – es sei denn, sie waren blind oder anmassend. Die Flüchtlinge kamen nicht über Nacht. Und dass «Syrien vor der Haustür der Europäischen Union» liegt, wie Merkel am 16. März 2016 als Begründung feststellte, war auch nicht neu: Syrien lag schon 2005 vor der Haustür der Europäischen Union. Wie also sieht die Bilanz aus heute, nach elf Jahren Kanzlerschaft Merkel? Das Verhältnis zur Türkei liegt in Trümmern. Daran sind beide Seiten schuld. Merkel geht es erkennbar nur noch ums eigene politische Überleben – wie sonst wäre erklärbar, dass sie sich jetzt auf die Visafreiheit für Türken eingelassen hat – ein weiterer Pakt auf Kosten der deutschen Bürgergesellschaft. Zwar hat die Kanzlerin sich von ihrer höchstpersönlichen Willkommens und SelfieKultur nicht öffentlich distanziert, aber ihre Politik hat sich gewandelt. Sie versucht, ihre europäischen Amtskollegen von einer gemeinsamen Migrationspolitik zu überzeugen. Deren