Top Magazin Ruhr Herbst 2017

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Menschen

Es muss wie ein Befreiungsschlag für Joelina Drews gewesen sein, nach Amerika zu reisen. Anonymität konnte sie in Los Angeles genießen. Keine Vorurteile zu ihrer Person gab es. Keine Schlagzeilen. Kein Blitzlichtgewitter. Nur sie und ihre Musik. „Ich wurde aufgrund meines Gesanges, meiner Leistung beurteilt – und nicht, weil ich einen bekannten Namen trage“, sagt sie mit Nachdruck. „Es gab keine Erwartungshaltung an mich, keine vorgefertigte Meinung, kein Druck, einen Hit abzuliefern. Ich hatte Zeit, die Musik zu machen, die mich widerspiegelt, hinter der ich stehe. 100 Prozent Joelina!“ Tolle Menschen und Künstler habe sie dort kennengelernt. Mit vielen hervorragenden Produzenten gearbeitet, Kollaborationen umgesetzt, komponiert, geschrieben, Songs eingespielt. Ein Musikvideo gedreht. Kontakte geknüpft. Alles ganz alleine. Ohne Vitamin B. Das wurde ihr in Deutschland immer wieder vorgeworfen. Der Name Drews sei Hürde und Bürde, sagt Joelina. Und auch im Rampenlicht groß zu werden, sei nicht leicht. Im Gegenteil, wie sie betont. „Deutschland konnte zugucken, wie ich erwachsen wurde. Mein Name war bekannt, lange bevor ich selbst Musik gemacht habe. Das hat zwar sicherlich einige Türen geöffnet, aber auch andere wiederum verschlossen. Als Künstler ist es tatsächlich oft einfacher, ein unbeschriebenes Blatt zu sein“, berichtet Joelina, die in München geboren wurde, in Dülmen aufwuchs und heute in Berlin lebt. Zwischendurch geht es immer wieder nach Los Angeles – in die Stadt, in der Träume wahr werden können. „Und in der die Musik produziert wird, die ich so liebe. Ich glaube, das hört man auch in meinen neuen Songs.“ In der Tat klingen sie sehr amerikanisch, sehr cool, sehr modern. R&B-Einflüsse sind sehr deutlich zu hören. Im Oktober wird Joelinas neue Single „Hardcore“ erscheinen. Eine Ballade. „Ich freue mich so darauf. Der Song ist 100 Prozent Joelina.“ Joelina ist heute 21 Jahre alt – und eine sehr erwachsene junge Dame. Sie weiß, was sie will. Gibt Vollgas. Managt fast al-

Von Dülmen über Berlin nach Los Angeles: In der Stadt der Engel arbeitet Joelina mehrere Monate im Jahr

les selbst. „Ich möchte die Strippen selbst ziehen. Möchte der Regisseur in meinem Leben und bei meiner Musik sein. Und ich möchte niemals wieder Musik machen, von denen andere wollen, dass ich sie mache. Nur weil sie glauben, dass es ein Hit werden könnte.“ Auf Deutsch singen, weil es gerade so en vogue ist? „Niemals!“ Was kaum einer weiß: Ihre ersten Gesangsstunden bekam Joelina Drews in Herten, im Ruhrgebiet. „Bei Frau Hackl, die wurde mir empfohlen. Sie war eine Opernsängerin aus Österreich. Fast ein Jahr war ich bei ihr, bekam dort die Grundlagen der klassischen Gesangsausbildung“, erinnert sie sich. Das war vor fast 10 Jahren. Etwa zur selben Zeit veranstaltete Joelina kleine Konzerte und Auftritte für ihre Nachbarschaft. Gestaltete Einladungen, überlegte sich ein Bühnenprogramm, studierte Tanzchoreographien ein. Dann marschierte sie von Haus zu Haus und lud ein. Auf den Brettern stehen, die die Welt bedeuten, als Künstlerin erfolgreich sein – ja, das war schon immer das, was sich Joelina wünschte. Ein anderes Leben konnte sie sich auch nie vorstellen. Vor vielen Jahren schon prophezeite Vater Jürgen, dass seine Tochter über ein unglaubliches Talent verfüge, besser singen könne, als er es je konnte. Und er sollte recht behalten. Joelina hat eine unglaubliche Röhre. Viele sagen, eine der besten Stimmen des Landes. Mit viel Gefühl, aber auch mit viel Druck. Sicher in den hohen Tönen, aber auch ausdrucksstark in den tieferen Lagen. Mit 14 nahm sie ihre erste Single auf. „Trendsetter“ platzierte sich in Deutschland und Amerika in den Top 20. „Es ist aber nicht so, dass ich total stolz darauf bin. Eigentlich war der Song nicht das, was ich bin. Zu poppig, eine sehr mainstreamige Dance-Nummer.“ Dafür verwirklicht sie sich heute. Ihre Songs schreibt sie selbst, aber auch für andere Künstler bringt sie Zeilen aufs Papier. Große Labels aus Amerika sind schon auf das Talent aus Deutschland aufmerksam geworden. „Ich kann mir alles vorstellen. Aber natürlich ist Deutschland erst mal nach wie vor meine Heimat.“ Hier leben ihre Freunde und ihre Eltern. Jürgen und Ramona sind die wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Die Drews – eine Familie, die zusammenhält. In der Gemeinschaft groß geschrieben wird. Wer die Drews erlebt, der muss sie einfach lieben. Family Affair: Zusammen mit Mama Ramona war Joelina viele Jahre auf dem

Reitplatz unterwegs. Und auch Papa Jürgen versuchte sich bei den Pferdestärken, brachte es aber nur zum „Möhrenmensch“ und „Profikuschler“. Joelina gab das Hobby aus Zeitmangel auf, Ramona schwingt sich nach wie vor in den Sattel. „Ich bin aber sehr gerne im Stall. Das erdet so. Ich liebe Tiere, und Pferde sind schon ganz besonders“, berichtet Joelina, die sich auch im Tierschutz engagiert. Gerade die Straßenhunde auf Mallorca bekommen eine große Aufmerksamkeit von ihr. Auch Kinder liegen der brünetten Schönheit sehr am Herzen. „Sie sind so geradeaus, so cool. Kinder sind einfach toll!“ Eigene? „Kommen irgendwann“, lacht sie. Erst einmal stehen ihre eigenen Projekte an. Um fit zu bleiben, macht Joelina täglich Sport. Joggen gehe sie gerne und auch Workouts stehen mehrmals die Woche auf dem Programm. Viel Schweiß muss fließen. Auch Tanzen liebt sie. Davon konnte sich Deutschland im Übrigen 2015 ein Bild machen: Zusammen mit ihrem damaligen Partner Marc Aurel Zeeb belegte sie in der RTL-Tanzshow „Stepping Out“ einen hervorragenden 2. Platz. „Das war damals wie ein Befreiungsschlag. Da hat mich Deutschland auch einmal anders wahrgenommen und gesehen, dass ich hart arbeite, dass ich mir nichts schenken lasse“, sagt eine nachdenkliche Joelina, die sehr auf sich achtet. Gesunde Ernährung steht auf dem Plan. Viel Fisch, viel Gemüse. Kein Zucker. Wenig Kohlenhydrate. Clean Eating nennt sich das neudeutsch. „Man muss auf seinen Körper achten, ihm viel Gutes geben“, so die Wahl-Berlinerin. Das schenke Energie. Und davon braucht sie viel. Nicht nur, da im Oktober ihre Single „Hardcore“ erscheint, sondern auch, da sie jetzt alles selbst in die Hand nimmt. Auch ihre Mode kreiert sie ab sofort mit. Zusammen mit dem Designerlabel „7 Slim“, das von syrischen Flüchtlingen betrieben wird (wir berichteten), entwirft sie jetzt ihre Bühnen- und Red-Carpet-Looks. Sexy, aber auch classy – so wird es sein. „Mode ist mir sehr wichtig. Und ich habe meinen Stil geändert. Das möchte ich komplett leben. Musik und Mode gehören halt auch einfach zusammen!“ Wer Joelina erlebt, der wird eine junge Frau treffen, die beste Manieren pflegt, sehr höflich ist, sehr lustig, herzlich, offen, hilfsbereit, eloquent, intelligent, bescheiden. Dankbar. Auch für Komplimente. Das ist heute selten. Joelina wird ihren Weg gehen. „Hardcore.“ Das sagt ja schon ihr neuer Song.

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