Die Saison Ausgabe 01 / 2013

Page 20

20 E-Tourismus saison

Neue Machtverhältnisse Hotel-Bewertungsportale im Netz haben Kundenzufriedenheit und positives Feedback zur harten Währung im Online-Geschäft werden lassen. Experten erklären, wie man von den Plattformen profitiert und warum auch negative Kritik neue Gäste bringen kann. Von Sonja Kainz

A

lles fing mit einem abge­ laufenen Keks zum Früh­ stückskaffee an. Kann ja mal passieren, dachte sich Konrad da noch. Kein Grund zur Aufre­ gung. Er weist den Kellner freundlich da­ rauf hin. „Passt’s da a bissl auf“, meint er nur jovial. Als er am nächsten Tag wieder ein Kleingebäck, das seine besten Zeiten schon länger hinter sich hat, neben sei­ nem lauwarmen Verlängerten vorfindet, wächst bei Konrad allerdings der Unmut. So geht man also mit seiner berechtigten Beschwerde um? Als er den jungen Mann erneut darauf anspricht, ist sein Ton deshalb leicht gereizt. Der Hotelkellner reagiert ebenfalls etwas patzig und schon ist es passiert. Nach seiner Abreise ver­ fasst Konrad eine geharnischte Kritik auf HolidayCheck. Seine Worte sind drastisch, vielleicht sogar ein bisschen dick aufgetra­ gen, aber das Verhalten dieses Burschen war auch wirklich eine Frechheit. Gästebeschwerden hat es schon immer gegeben, auch dass sich ihr Furor mitunter an Kleinigkeiten entzündet, ist

nicht neu. Ein relativ junges Phänomen ist allerdings, dass diese Kritik über Hotelbe­ wertungsplattformen im Internet ein un­ gleich größeres Publikum findet. Auf rund 16,5 Millionen Seitenbesucher kommt bei­ spielsweise der Branchenprimus auf dem deutschen Markt, HolidayCheck, in einem Monat. Im vergangenen Jahr wurden al­ lein auf dieser Bewertungsplattform eine Million Hotelbewertungen abgegeben. Die aktuellen Bewertungen werden Tausende Male angeklickt, negative noch öfter. „Negative Bewertungen sind be­ sonders aufmerksamkeitsstark. Sie wer­ den bis zu zehnmal häufiger gelesen als andere“, sagt Georg Ziegler, Leiter des Bereichs Business to Business bei Holi­ dayCheck. Für Ziegler ist eine schlechte Bewertung allerdings noch lange kein Beinbruch, sondern vielmehr eine Chan­ ce, sich durch eine kompetente und sach­ liche Replik positiv darzustellen. Ein Haus könne so zeigen, dass es mit Kritik gut umgehen könne und die Beschwerden seiner Gäste ernst nehme. Er kenne einige Hoteliers, die auch aus einer schlechten

Bewertung Nutzen gezogen hätten. Man­ che Gäste gewinnt man gerade wegen einer empathischen und fairen Reaktion des Hotels.

Schlechte Kritiken entschärfen. Eine Erfahrung, die auch Philipp Patzel, Ge­ schäftsführer des Hotels Hollman Beletage in Wien, kennt. „Es gab schon oft Gäste, die auch nach einer schlechten Kritik wieder gebucht haben“, sagt Patzel. TripAdvisor listet das Hollman Beletage, ein kleines Boutiquehotel mit 25 Zimmern, derzeit auf Platz zwei von 358 Wiener Hotels. Bis vor Kurzem war es noch auf Platz eins. Eine schlechte Bewertung später war es mit der Bestplatzierung allerdings wieder vorbei. Der Hotelier kennt deshalb auch den Är­ ger, den ein schlechtes Feedback auslösen kann. „Wenn man sich nicht ärgern würde, wäre man fehl am Platz“, meint Patzel. Sub­ jektiv habe nun einmal jeder Gast Recht. Wichtig sei, darauf angemessen zu reagie­ ren. Je früher, desto besser. „Das Internet kennt kein Wochen­ ende und keinen Feierabend“, so Patzel.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.