Saison 03/2011

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TOURISMUSMAGA ZIN | AUSGABE 03/11 | SOMMER 2011

STORYTELLING Warum G채ste gute Geschichten und starke Bilder lieben


„Hoamat Liab“ Harry Prünster für Heu & Stroh

Fotos: Thomas Bause, Oliver Kurzemann

www.heuundstroh.com DER TRACHTENEXPERTE FÜR DAMEN, HERREN & KINDER Leopoldstr. 28, 6020 Innsbruck, Tel.: + 43 512 578691, Fax: 573738 Öffnungszeiten: Mo - Fr: 9:00 - 18:00 Uhr, Sa: 9:00 - 13:00 Uhr Erster Samstag im Monat: 09:00 - 17:00 Uhr


3 StiCHWort saison

STORYTELLING

rer in eine Eine Erzählmethode, mit der Zuhö werden. den Geschichte emotional eingebun er bess en Wiss de So wird das zu vermitteln dient ing ytell Stor . men nom ange verstanden und r unte hler neben der Unterhaltung durch Erzä , im esen ngsw Bildu anderem auch als Methode im . eting Mark im und Wissensmanagement

GeschichtenErzähler

waren in Zeiten vor der alphabetisierung in allen Gesellschaften hoch angesehen. sie waren meistens die einzigen informanten und verfügten über großes Wissen. Das Erzählen war ausschließlich Männern vorbehalten, zum gesellschaftlichen status kam eine verhältnismäßig gute Entlohnung.

„Wahrheit ist zweitrangig, solange wir an eine Geschichte glauben und glauben wollen.“ WERNER T. FUCHS, Werber und storyteller

„Was nicht als Geschichte erzählt wird, hat keine Bedeutung.“ DIETER HERBST, PR-Experte und autor des Buches „storytelling“

Verschollen Der Hitchcock-Film „The Mountain Eagle“, der in den 20er-Jahren in obergurgl gedreht wurde, gilt bis heute als verschollen. Das British Film institute hat ihn jetzt zum meistgesuchten Film der Welt ernannt – auch das eine starke Geschichte.

Zahlen, bitte

10.000 Das einzige Erzählfestival Österreichs, „fabelhaft! niederösterreich“, überschritt im Jahr 2010 erstmals die 10.000-BesucherMarke.

Österreichs beliebteste TV-Spots 2010 Danone actimel: „Herbert, trink das!“ Wiener Zucker: „Lipizzaner“ Rekord Fenster: „Das schnellste Fenster Österreichs“ Mömax: „Lass dich nicht von deinen Möbeln blamieren“ Darbo Konfitüre: „secret“

© DanonE

JORGE BUCAY, schriftsteller

© TiRoL WERBUnG/DoMiniK GiGLER

„Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.“


4 EDiToRiaL

Echt Tirol

V

or wenigen Tagen wurde Tirols außergewöhnliches Fotoprojekt „sight-_ seeing“ in Berlin vorgestellt und mit viel applaus bedacht. Zur Erinnerung: sieben Fotografen, die zur Elite der europäischen Landschaftsdokumentaristen zählen, waren im vergangenen sommer in Tirol ausgeschwärmt, um persönliche sehnsuchtsorte zu entdecken und mit der Kamera einzufangen. nach ausstellungen in innsbruck und Wien begeistert die außergewöhnliche Fotodokumentation nun auch in der deutschen Bundeshauptstadt. Deutlich wird bei all diesen Präsentationen, dass die ungeschminkte Landschaftsfotografie, die sich radikal von den geschönten Katalogbildern der Werbung distanziert und einen zeitgenössischen Blick auf oftmals unbekannte Tiroler sehnsuchtsorte wirft, gleichermaßen fasziniert wie bewegt. Es bleibt kein Zweifel: Der Blick – ungetrübt vom scheinbaren, vom inszenierten, vom Komponierten – hin zum Echten, das tatsächlich so ist, wie es ist, weckt Emotionen. so intensiv wir den in den Details nicht mehr verstehbaren, oftmals auch negativen auswirkungen der globalisierten Welt ausgesetzt sind, so heftiger scheinen wir uns das Glück des Überschaubaren, des Regionalen, des Echten zu wünschen. Die Rückkehr zum menschlichen Maß, das der berühmte österreichische Philosoph und nationalökonom Leopold Kohr einst einmahnte, darf nicht erst angesichts von EHEC-Hysterie und weltweiter Finanzkrise als Chance für den kleinteiligen alpentourismus verstanden werden. auch der Lebensmittelhandel hat dies längst erkannt und bedient mit Marken wie „Zurück zum Ursprung“ die sehnsucht von Massen.

© TiRoL WERBUnG/MoniKa GUFLER

Authentische Tiroler Identität.

Es gibt mittlerweile auch genügend indizien dafür, dass das Echte geistreich in szene gesetzt, Tirols Gäste begeistert. Gerade dieser Tage feierte eine in diesem Geiste sensibel und behutsam entwickelte Tiroler sommerattraktion ein rundes Jubiläum. seit zehn Jahren zieht das Hexenwasser in Hochsöll geradezu magnetisch all jene in seinen

Bann, die die alpine Bergwelt mit allen sinnen entdecken wollen. „staunen – begreifen – verstehen“ ist auch im zehnten sommer das hinweisgebende Erfolgsrezept des weitläufigen wie vielseitigen Erlebnis-areals. 1,5 Millionen Besucher hat das Hexenwasser bislang gezählt. Und die Faszination ist – nicht zuletzt ob der dargebotenen echten Qualität – ungebrochen. aber auch viele initiativen, die heuer mit dem Tirol Touristica geehrt werden, stellen regionale stärken unseres Landes gekonnt in szene. Der kulinarische Jakobsweg Paznaun, der Karwendelmarsch oder Josef Ziepl, der unter anderem die alpenschule begründete, stehen exemplarisch für diesen erfolgreichen Tiroler Weg. Der touristische Erfolg unseres Landes wird somit vielleicht noch stärker als bisher in den echten Details zu finden sein, in einer authentisch gelebten und zeitgemäß präsentierten Tiroler identität. nur wer seine Vergangenheit kennt, hat eine erfolgsversprechende Zukunft. Denn letztendlich bestimmt unsere Geschichte auch die Geschichten, mit denen wir überzeugen. Wie wir unsere Geschichten rund um den vielseitigen Tiroler Bergsommer stimmig, echt und eindringlich erzählen – dieser Herausforderung widmen wir uns heuer beim Tiroler Tourismusforum. Tirol entwickelt seine anziehungskraft jedenfalls in der summe regionaler Besonderheiten, in einer strategisch geplanten Landeskommunikation, die diese stärken im internationalen Kontext verstärkt. „Echt Tirol“ – das mag somit auch als richtungsweisend für eine erfolgreiche Tirol Werbung zu verstehen sein. Das gilt auch für die institution „Tirol Werbung“, die einerseits in einem neuen Zusammenspiel mit den 34 Tourismusverbänden Kräfte bündeln kann, dabei andererseits aber nie die Markenkommunikation Tirol aus dem auge verlieren darf. Die starken Bilder aus dem starken Land sind zu Recht nie von lokalen Einzelinteressen beeinflusst. Denn die Marke Tirol ist in aller Welt bekannt und beliebt. Und dieses Wissen bestimmt auch künftig unseren gemeinsamen auftrag: Die anziehenden, echten Kernwerte Tirols noch stärker als bisher zeitgenössisch, überzeugend und authentisch zu zeigen und erlebbar zu gestalten! ×

JosEF M aRG REiTER , DiREK ToR TiRoL WERBUnG


5 editorial saison

Die Rückkehr zum menschlichen Maß, das der berühmte österreichische Philosoph und Nationalökonom Leopold Kohr einst einmahnte, darf nicht erst angesichts von EHEC-Hysterie und weltweiter Finanzkrise als Chance für den kleinteiligen Alpentourismus verstanden werden.

Der touristische Erfolg unseres Landes wird vielleicht noch stärker als bisher in den echten Details zu finden sein, in einer authentisch gelebten und zeitgemäß präsentierten Tiroler Identität.

Der Blick – ungetrübt vom Scheinbaren, vom Inszenierten, vom Komponierten – hin zum Echten, das tatsächlich so ist, wie es ist, weckt Emotionen.


JETZT NEU BEI COUCHZONE


7 INHALT SAISON

„MENSCHEN MERKEN SICH GESCHICHTEN“

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LIVE-HILFESYSTEM

URLAUBST DU SCHON ODER GOOGELST DU NOCH?

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SHALOM, SERFAUS!

STORYTELLING: DIE KUNST DES ERZÄHLENS

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DIE SEHNSUCHT, GEHÖRT ZU WERDEN

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DRAMATIK IN INNERKROTTENBERG

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THEMA: STORYTELLING 8

Storytelling: Die Kunst des Erzählens Die Marketingtechnik des Storytellings wird auch im Tourismus immer wichtiger.

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„Menschen merken sich Geschichten“ Geschichten-Erzählen ist Kunst und Handwerk zugleich. Der Schweizer Storyteller Werner Fuchs im Interview.

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Die Werber von nebenan Sie sind die Fortsetzungsromane der TV-Werbung: Spots, die – manchmal über Jahre – weitererzählt werden.

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Tirol erzählt Geschichten Die Tirol Werbung ist auf den Geschmack des Storytellings gekommen.

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TourismusForum 2011 Die Gewinner des Tirol Touristica.

MAGAZIN

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Shalom, Serfaus! In Serfaus sorgen ungewohnte Gäste auch in der warmen Jahreszeit für volle Betten.

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Natur im Zoom Die Fotoworkshops in den Tiroler Naturparks.

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Dramatik in Innerkrottenberg Bernhard Wolf und Thomas Gassner über ihr gemeinsames Stück und die Geierwally Freilichtbühne.

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Bilanz der ersten theALPS-Vollversion Es war ein Risiko, theALPS in weniger als einem halben Jahr auf die Beine zu stellen, aber es hat geklappt.

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Urlaubst du schon? Karl Pall, Chef von Google Österreich, hat die meistgenutzte Suchmaschine der Welt nach Antworten durchforstet.

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Die Sehnsucht, gehört zu werden Der Erzähler Folke Tegetthoff über die Magie des Erzählens.

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Live-Hilfesystem Ein Hotel im Ötztal testet die virtuelle Rezeption.

Neue Töne in Oper und Konzert Ab der Saison 2011/12 steht das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der Leitung zweier Dirigenten.

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Kommentare

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„Kein unbeschränktes Wachstum“ Landesrat Christian Switak über den Raumordnungsplan „Raumverträgliche Tourismusentwicklung“.

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Nachgefragt

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Die Geschichten-Erzähler Die Cine Tirol vermittelt seit 13 Jahren Geschichten, die ein Stück Tirol mittransportieren.

IMPRESSUM SAISON – Tourismusmagazin, Nr. 3/2011 (63. Jahrgang)

SAISON-Abohotline: 0512/58 60 20

HERAUSGEBER: Tirol Werbung, Maria-Theresien-Straße 55, 6020 Innsbruck • MEDIENINHABER UND VERLEGER: target group publishing GmbH – Zielgruppen Verlag, Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck • CHEFREDAKTEUR: Matthias Krapf • REDAKTION: Mag. Sylvia Ainetter, Steffen Arora, Julia Brugger, Mag. Sonja Kainz, Mag. Jane Kathrein, Esther Pirchner, Dr. Michael Riedler • AUTOREN: Ernst Molden, Alois Schöpf • FOTOGRAFEN: Gerhard Berger, Michael Rathmayr • PRODUKTION: NERO WerbeGmbH, www.nerografik.net • LAYOUT: Philipp Frenzel • ANZEIGENVERKAUF: Thomas Pilgram, t.pilgram@zielgruppenverlag.at • ANSCHRIFT VERLAG/PRODUKTION: Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck, Tel. 0512/58 60 20, Fax DW -20, redaktion@zielgruppenverlag.at • GESCHÄFTSFÜHRUNG VERLAG: Mag. Andreas Eisendle, Michael Steinlechner • DRUCK: Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten


8 STORYTELLING SAiSoN

Storytelling: Die Kunst des Erzählens Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Doch damit einer überhaupt eine Reise tut, muss man ihm erst was erzählen. Die Marketingtechnik des Storytellings wird auch im Tourismus immer wichtiger. VON S TEFFEN AROR A

D

ie brandneue imagekampagne der Tirol Werbung zeigt, wie es geht: Zwei Frauen im Dirndl stehen vor dem Eingang einer Tankstelle, in der Hand je einen Becher. So weit die information, die das Bild dem Betrachter tatsächlich gibt. Doch wir nehmen nicht allein die information auf, die unsere Augen liefern. Unser Gehirn denkt weiter. So auch in diesem Fall. Beim Betrachten des Bildes wird sofort unsere Phantasie

men die beiden Frauen vielleicht eben erst von der Arbeit? Vielleicht wurde es wieder einmal später, es war schon hell draußen, als die letzten Gäste das Fest verlassen haben. Nun noch ein gemeinsamer Tee am Weg nach Hause, bevor es endlich in die wohlverdienten Federn geht. Wir wissen es nicht. Aber wir würden es gerne wissen. Das Bild erzählt uns eine Geschichte, die wir nur zu gern erfahren würden. Das Bild löst Gefühle in uns aus. Es spricht uns auf der emotionalen

© DiETER HERBST

„Was nicht als Geschichte erzählt wird, hat keine Bedeutung. Das ist sehr tief in unserem Gehirn verankert.“ DiETER HERBST, PR-EXPERTE MiT SCHWERPUNKT SToRYTElliNG

angeregt. Unweigerlich denkt man sich in die Situation hinein, denkt sie weiter. Es ist wohl frühmorgens, lässt das licht vermuten. Es scheint noch etwas frisch zu sein, sagt uns die Körperhaltung der beiden Frauen. Beide umklammern ihren Becher, der sie zu wärmen scheint. Wahrscheinlich trinken sie Kaffee, das passt zur Tageszeit. Sie genießen wohl die Ruhe vor dem morgendlichen Ansturm aufs Frühstücksbuffet in dem Hotel, in dem sie arbeiten. Warum sollten sie sonst Dirndl tragen? oder kom-

Ebene an und das ist jene Ebene, die uns weitaus mehr berührt als die rein rationale. Würde die Tirol Werbung ein Plakat affichieren, auf dem sie die Entwicklung der Nächtigungszahlen der vergangenen zehn Jahre zusammenfasst, würden wir es betrachten und postwendend vergessen. Die Zahlen mögen beeindruckend sein, aber sie berühren den Betrachter nicht. Es sind eben nur nüchterne Fakten. Und genau diesen Umstand, dass Menschen auf der Gefühlsebene viel eher zugänglich

und empfänglich für informationen sind, nutzt die Technik des Storytelling, was frei übersetzt nichts anderes heißt, als Geschichten erzählen.

Ideales Vehikel. Diese Technik gewinnt in der modernen PR immer mehr an Bedeutung. Das kommt nicht von ungefähr. Es war im Jahr 1996, als am renommierten Massachusetts institute of Technology (MiT) in den USA Wissenschaftler, Journalisten und Manager darüber berieten, wie man lernprozesse innerhalb eines Unternehmens so dokumentieren könnte, dass sie das gesamte Unternehmen nutzen kann. Die Antwort war ebenso einfach wie wirkungsvoll: Geschichten sind das ideale Vehikel dazu. Der deutsche PR-Experte und Universitätsprofessor Dieter Herbst hat die Technik des Storytellings in seinem gleichnamigen Buch umfassend vorgestellt und zählt mittlerweile zu den gefragtesten Unternehmensberatern in Sachen PR im deutschen Sprachraum. Für Herbst ist der durchschlagende Erfolg dieser Technik keine Überraschung. immerhin sei das Erzählen von Geschichten so alt wie die Sprache selbst. Und die Menschen haben seit jeher ihr Wissen über das Medium der mündlichen Überlieferung weitergegeben, sie haben es weiterzählt. „Was nicht als Geschichte erzählt wird, hat keine Bedeutung. Das ist sehr tief in unserem Gehirn verankert“, sagt Herbst. Die Bibel ist für den Experten ein Paradebeispiel für das erfolgreiche Storytelling. letztlich beruhe der durchschlagende und zeitlose


© tirol werbung

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Zwei von der Tankstelle. Auch Fotos erzählen Geschichten – wie dieses Motiv der Kampagne „So nah, so fern“.

Erfolg des Buches der Bücher auf seiner Art der Wissensvermittlung. „Storytelling ist nämlich im höchsten Maße gehirngerecht“, erklärt Herbst. Das nutzt auch die Bibel, indem sie den Menschen christliche Werte und Moral über eindrückliche Geschichten vermittelt. Selbst überzeugten Atheisten sind Kain und Abel, Adam und Eva, Noah und seine Arche sowie all die anderen Protagonisten wilder und zum

Teil grausamer Geschichten ein Begriff. Ein Beweis mehr, dass Storytelling wirkt. Doch Herbst warnt zugleich: „Geschichten zu erzählen darf nicht mit G’schichtln erzählen, wie der Österreicher sagt, verwechselt werden.“ Wer Storytelling zu PR-Zwecken einsetzen will, so der Experte, der tut gut daran, bei der Wahrheit zu bleiben. „Wenn etwa Tirol damit werben würde, dass die Gäste hier ein

toller Sandstrand mit Palmen erwartet, würde das nicht lange gut gehen.“ Wer wirbt, der baut Erwartungen auf. Und enttäuschte Erwartungen brennen sich in unser Gedächtnis, wie kaum etwas sonst, warnt Dieter Herbst. Zwar dürfe die Werbung natürlich ein wenig überzeichnen. Damit rechnet der Kunde. Doch zu weit sollte man sich dennoch nicht von der Wahrheit entfernen.


Kellers Erzählungen. Schauspieler Daniel Brühl wagte eine frühmorgendliche Bergtour nach einem feuchtfröhlichen Abend – Schuld daran war angewandtes Storytelling.

Brühl und der Kellerwirt. Wer Erwartungen weckt, der sollte diese auch erfüllen können. Ein echtes Best-PracticeBeispiel dazu lieferte der legendäre Kellerwirt aus der Wildschönau, Hans Keller. Anlässlich der Wander-Kampagne der Tirol Werbung mit dem deutsch-spanischen Filmstar Daniel Brühl beehrte der Leinwandheld die urige Stube des Kellerwirtes für einen PR-Termin. Brühl und Keller verstanden sich sehr gut. Nachdem die Werbearbeit getan war, tratschten und zechten die beiden. Es wurde spät. Wie spät, das verrät der Kellerwirt aus professionellen Diskretionsgründen nicht: „So was sagt man nicht weiter.“ Jedenfalls kam im Zuge des feuchtfröhlichen Abends die wunderbare Tiroler Bergwelt zur Sprache. Letztlich war Daniel Brühl ja zur Bewerbung ebendieser in die Wildschönau gereist. Der Kellerwirt

schwärmte seinem weltbekannten Gast vor, wie unglaublich das Gefühl sei, barfuß die saftigen Almen zu bewandern, wenn noch der kalte Morgentau an den Grashalmen klebt. Die Erzählung des Kellerwirtes war derart eindrucksvoll, dass Herr Brühl nach nur wenigen, sehr wenigen Stunden Schlaf aus dem Bett stieg, um in Begleitung des Kellerwirtes dessen blumige Erzählungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen. Kurzum: Schlaftrunken und kaum ausgenüchtert lustwandelten Brühl und Keller durchs Gebirge. Der diskrete Wirt will auch darüber nicht zu viel ausplaudern. Nur so viel: „Auf halbem Weg hat er die Schuhe ausgezogen. Es hat ihm sehr getaugt.“ Hätte Keller seinem Gast eine Liste mit Fakten vorgelegt, warum eine Wanderung dem Körper gut tut und warum beim Barfußlaufen durchs Almgras eventuell ein

Kneippeffekt zum Tragen kommt, er hätte sich wohl höchstens einmal umgedreht und weitergeschlafen.

Spiegelneuronen machen empathisch. PR-Experte Dieter Herbst erklärt einen solchen Effekt, wie bei Brühls Almwanderung beschrieben, über die Spiegelneuronen. Das sind jene speziellen Nervenzellen, die den Menschen empathisch, also mitfühlend machen. Erzählt jemand eine Geschichte dermaßen fesselnd und ansprechend, dass sich ein anderer so sehr in die Handlung oder handelnde Personen hineinversetzen kann, dass er wünscht, am liebsten anstatt des Erzählers das Geschilderte zu erleben, so ist das ein Verdienst der Spiegelneuronen. Doch, warnt Herbst, es komme immer auch auf das Zielpublikum an. So nütze es wenig, einem Adrenalin-Junkie schöne

© tirol werbung/freudenthaler

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Geschichten von verträumten, romantischen Almen zu erzählen. Umgekehrt würde der Ruhesuchende Urlauber mit Geschichten über das Abenteuerland Tirol wenig anfangen können. Die Technik des Storytelling kann aber nicht allein für Betriebe oder im Falle des Tourismus für Destinationen genutzt werden. Mit Geschichten können vor allem auch Personen in den Vordergrund gerückt werden. Etwa Hoteliers oder Tourismusmanager, denn Führungskräfte repräsentieren heute ihren Betrieb nach außen und sie bestimmen zugleich das image der Firma maßgeblich mit, weil sie beim Betrachter oder leser ebenfalls Emotionen auslösen. Sie müssen ganz einfach zu den Helden des Erzählten mutieren. Mit interessanten Geschichten steigt auch das interesse an der Person. Ein Beispiel für diesen Effekt ist der ehemalige deutsche Tennisprofi Boris Becker. „Warum ist Boris Becker um so vieles berühmter und beliebter als etwa Michael Stich, der ein ebenso guter Sportler war?“, fragt PR-Experte Herbst. Die Antwort liegt in den Geschichten: „Becker hat selbst in einem interview gesagt, dass er nur ja nie aufhören darf, den Medien Geschichten über sich und sein leben zu erzählen. Denn nur deshalb sei er für die Menschen interessant.“ Dieses gesunde Maß an Selbsteinschätzung kann Herbst nur unterstreichen und er teilt Beckers Meinung. Geschichten über Personen eignen sich hervorragend für PR-Zwecke. So ist in der Werbung aktuell das Banker-Pärchen der Sparkasse landesweit ein Begriff. Nicht weil das Geldinstitut so spannende Angebote zu bieten hätte. Nein, weil die beiden mit ihrem Bürogeplänkel den Nerv abertausender Zuseher treffen. Wenn die Kollegin von ihrem Ex-Mann erzählt, der Kollege ins Fettnäpfchen tritt, weil er sie vermeintlich für zu alt erklärt. All das sind Geschichten, wie sie jeder tagtäglich erlebt und die deshalb

MEHR INFOS ZUM THEMA „Storytelling“ von Dieter Herbst, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2008 www.dieter-herbst.de

bei den Menschen bleibende Eindrücke hinterlassen (siehe auch Seite 16).

Digitales Storytelling.

Dieter Herbst ist sich sicher: „Storytelling ist die Zukunft. Denn heute werden Millionen für Firmenkommunikation verpulvert, die nicht beim Konsumenten ankommt, weil sie ganz einfach nicht wirkt.“ Seine vollen Auftragsbücher bestätigen ihn. Herbst ist ein gefragter Berater, der mit der „jahrtausendealten Technik“ die moderne PR-Welt aufmischt. Dabei stellen die neuen Medien, allen voran das internet mit dem Web 2.0, kein Hindernis dar. im Gegenteil, erklärt Herbst: „Jeder gute Witz kommt mit zwei, drei Sätzen aus.“ Storytelling muss demnach keineswegs lang sein, es genügen knappste Sätze, wie sie etwa beim Kurznachrichtendienst Twitter verwendet werden, um inhalte über Geschichten zu vermitteln. Derzeit ist das „digitale Storytelling“ Gegenstand intensiver PR- und Kommunikationsforschung. Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse dies bringt. „Wer einmal Storytelling begriffen hat, wird seine Form der Kommunikation ändern“, ist Experte Herbst überzeugt. Und zum Geschichten-Erzähler kann im Grunde jeder werden. Voraussetzung ist Geduld, sich auf seine Umgebung einzulassen und sie genau zu beobachten. Denn die besten Geschichten schreibt der Alltag. Es geht in der PR nur darum, Geschichten so zu erzählen, dass sie sich mit möglichst vielen lebensrealitäten decken und dadurch eine große Zahl an interessierten ansprechen. Was dabei im Gehirn passiert, kann die moderne Wissenschaft zwar heute besser entschlüsseln. Doch im Grunde geht es um eine uralte zivilisatorische Fertigkeit, die es wiederzuentdecken gilt. Die Fähigkeit, den Menschen spannende, packende Geschichten zu erzählen, die ihnen zugleich einen Mehrwert an information liefern. ×

Die Wärmepumpen-Systemlösung Die Heizung mit Erdwärme: sparsam – sauber – zukunftssicher! Die Pionierleistung und Entwicklung von Klemens Waterkotte, von ihm zum Erfolg geführt

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12 STORYTELLING SAISON

„Die Menschen merken sich Geschichten“ Geschichten-Erzählen ist Kunst und Handwerk zugleich. Wer es beherrscht und kreativ einsetzt, der kann sich des Erfolges recht sicher sein, sagt der Schweizer Storyteller Werner T. Fuchs. I N T E R V I E W: J U L I A B R U G G E R

S

AISON: Herr Fuchs, Sie sind professioneller Storyteller. Von Swiss Re bis Bayersdorf, vom Weltflüchtlingstag bis zur Apotheke Spillmann in Zug schätzt man Ihr Handwerk. Wie sind Sie zum Storytelling gekommen? WERNER T. FUCHS: Über das Leben. Vor 23 Jahren wurde ich Vater einer schwerbehinderten Tochter. Aus einer Art akademischer Verzweiflung heraus begann ich mich mit dem Gehirn und der Neurologie zu beschäftigen. Dabei entdeckte ich, dass es überregionale und überzeitliche Muster im Gehirn gibt. Eines davon ist die Wahrnehmung, Wiedergabe und Speicherung von Information über Geschichten. Wieso merken wir uns Information über Geschichten leichter? Weil sie existenzielle

Themen wiederholen: Überleben, Anpassen, Fortpflanzen. Die Hollywood-Regisseure haben das schon längst herausgefunden. Aus dem schieren Überlebensdrang sind wir fast dazu verdammt, Geschichten interessant zu finden. Das Gehirn sucht ständig nach Antworten auf die brennenden Fragen und selektiert, ob eine bestimmte Information nützlich ist oder nicht. Geschichten behandeln diese Themen.

Das klingt nach banaler Schwarz-WeißMalerei. Ja, ist es auch. Denn, das Unbewusste, das uns steuert, muss schnell entscheiden: das tut mir gut – das tut mir nicht gut, das kann ich brauchen – das kann ich nicht brauchen und so weiter. Es wertet ganz grob, weil es schnell gehen muss. Habe ich eine Fünf in der Schularbeit oder eine Vier? Das ist eine Art Selektionsmechanismus.

Von welchen Themen sprechen Sie da? Das sind archaische Gegensatzpaare wie Leben und Tod, Liebe und Hass, Frau und Mann, Ankunft und Abschied, Gut und Böse, Suchen und Finden und so weiter. Aber sie sind begrenzt. Es gibt maximal 30 davon. Man kann mit ihnen dann spielen und sie variieren. Dazu braucht es allerdings auch Kreativität.

Das klingt sehr darwinistisch. Der Mensch ist ja auch zur Reflexion fähig. Und die nimmt etwas mehr Zeit in Anspruch. Sie reduzieren den Menschen lediglich auf das Stammhirn. Wenn ich wenig über die Vernunft spreche, dann heißt das natürlich nicht, dass die evolutionär neuste Akquisition des Gehirns keine Rolle spielt. Ich stelle das Unbewusste und


© WERNER T. FUCHS

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Der Experte: Werner T. Fuchs

damit die Geschichten auch deshalb in den Vordergrund, weil das „Ich“ so gerne daran glaubt, es sei Herr im eigenen Haus. Doch wie die wahren Kräfteverhältnisse aussehen, das brachte einer der größten deutschsprachigen Geschichten-Erzähler schon vor über 200 Jahren auf den Punkt. Denn Goethe ließ den Teufel Mephisto seinem Faust ausrichten: „Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben.“ Von erlebten und vernommenen Geschichten, könnte man noch anfügen. Weshalb bedient sich die Werbung der Geschichten-Erzählung? In guten Geschichten erkennt man sich wieder. Je eher ich mich in einer Geschichte wiederfinde, umso sympathischer finde ich sie. Ich stelle die These auf, dass man Erfolg hat, wenn man sich an die Regeln

des Geschichten-Erzählens hält. Denn die Menschen merken sich Geschichten. Man muss natürlich die richtigen Themen wählen und sie entsprechend entwickeln. Was müssen diese Geschichten außer den genannten Themen enthalten, um erfolgreich zu sein? Am erfolgreichsten sind Geschichten, die an die Kindheit, an die Pubertät oder an ein Ersterlebnis erinnern. Wieso? Weil sich in der Kindheit das Gedächtnis entwickelt und dort die meisten Verknüpfungen entstehen. In der Pubertät wird im Gehirn ziemlich umgeschichtet, und Ersterlebnisse speichert das Gehirn am intensivsten. Denken Sie nur an Ihren ersten Sex. War der gut, dann braucht das Gehirn etwa zehn Negativerlebnisse, bis es weiß: Nein, das war nicht gut. Ersterlebnisse bleiben also abgespeichert, bis genügend

ZUR PERSON Dr. Werner T. Fuchs wurde 1952 in Zürich geboren, wo er später auch Germanistik sowie Theologie studierte und promovierte. Nach verschiedenen Tätigkeiten im In- und Ausland erlernte er 1989 das Handwerk eines Texters und Konzepters bei der renommierten Werbeagentur CASH RSCG. Stark beeinflusst von den Ideen des Franzosen Jacques Séguéla stieß er schon früh auf den Ansatz des Storytelling. 1988 wurde seine Tochter Olivia geboren, deren schwere Behinderung Werner T. Fuchs zur intensiven Auseinandersetzung mit den Neurowissenschaften brachte. Um diese Forschungsresultate konkret auf den praktischen Alltag zu übertragen, gründete er Ende 1999 Propeller Marketingdesign. Seine Arbeiten erhielten verschiedene Auszeichnungen, unter anderem die Marketing Trophy des Schweizerischen Marketing Clubs. Er ist Autor verschiedener Bücher zum Thema Neuromarketing und Storytelling. www.propeller.ch


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Gegeninformation kommt. „Ändern nur, wenn nötig!“ lautet die Erfolgsformel des Gehirns. In den erwähnten Perioden werden Informationen stärker gespeichert. Was bedeutet das nun für die Werbung? Wenn Sie auf einer Werbung ein schiefes Zelt sehen, dann bleibt das eher hängen als ein perfekt aufgestelltes Zelt. Denn es erinnert an den ersten Urlaub, in dem das Zelt wie ein verwehter Fetzen in der Landschaft hing. Ein Campingstuhl oder ein Rucksack auf einem Foto kann gleich wesentlich höhere Identifikation auslösen, da er mich als Betrachter in die Geschichte hineinzieht. Storyteller arbeiten mit Superzeichen. Gibt es Geschichten, die nicht funktionieren? Jede Geschichte – so sie denn eine ist – funktioniert irgendwie. Manche funktionieren eben besser. Je klarer das Thema ersichtlich wird, je mehr eine Geschichte mit den drei Perioden zu tun hat, je mehr mich eine Geschichte an bereits bekannte Geschichten erinnert, je mehr sie im kulturellen Gedächtnis gespeichert ist, umso erfolgreicher ist sie. Die Grimm‘schen Märchen sind ein Klassiker. Sie dienen Storytellern als eine Art Leitfaden. Denken Sie an „Pretty Woman“. Das ist das moderne Aschenputtel. Was ist in Ihren Augen eine Werbung, die erfolgreich auf Storytelling setzt? Nutella. Vielleicht erinnern Sie sich noch, dass es jahrzehntelang diesen unglaublich langweiligen Spot mit der Familie am Frühstückstisch gab. Dann änderte sich etwas. Ich sah Kurzgeschichten aus meiner Kindheit, Pubertät und vom ersten Mal. Pfützen, in die wir auf dem Schulweg sprangen. Ein Schlagzeug, das auf seinen jungen Drummer wartet. Verkehrsbusse, die ich noch knapp erwischte. Achterbahnen, die ich für den ersten Kuss missbrauchte – eine Reihe von Erlebnissen, die jeder aus eigener Erfahrung kennt. Diese Erlebnisse holen mich ab, wo ich gerade bin. Die eigentliche Botschaft ist dann kurz und prägnant: Der Morgen macht den Tag. Nutella. Was kann für die Werbung erfolgreich genutzt werden? Alte Motive, die im kulturellen Gedächtnis verankert sind, eignen

sich wunderbar. Am besten neu interpretiert oder mit Witz. Heidi ist eines dieser Beispiele für die Schweiz. Solche Motive brauchen zwei bis drei Generationen, bis sie im kollektiven Gedächtnis verankert sind. Und es ist bekannt, dass Geschichten von den Eltern ein größeres Gewicht

„Ich kenne einen Hotelier, der veranstaltete ein Mofarennen. Die 60-jährigen Gäste, die sonst nur von einem Golfhotel ins nächste tingeln, bekommen plötzlich glänzende Augen. Da erwachen Jugenderinnerungen. Ohne Mofa hatte man bei den Mädels keine Chance.“ werner t. fuchs

haben. Vor 500 Jahren waren es die Söldnergeschichten, weil die Schweizer in ausländischen Kriegen tätig waren. Es gab also zahlreiche Heldengeschichten. Dazu gehört ein Wilhelm Tell, den es so nicht gab, aber an den man glauben wollte. In Tirol hätten wir da Andreas Hofer. Um ihn herum wurden Geschichten entwickelt, die sich so nie zugetragen haben. Doch man glaubt sie dennoch und sie halten sich hartnäckig. Das ist kein Wunder. Wahrheit ist zweitrangig, solange wir an eine Geschichte glauben und glauben

wollen. Aber eine gute Geschichte hat eben immer auch einen Helden. Und wenn es den nicht gibt, dann muss man einen möglichen Helden suchen und passende Geschichten für ihn finden. Bei uns hat man für die ersten Industriekapitäne wie Alfred Escher Denkmäler gesetzt. Ob zu recht oder zu unrecht, ist egal. Er gilt als Held, und das zählt. Am besten ist natürlich eine Dreieckskonstellation: Held, Feind, Helfer. Und wieder haben wir das evolutionäre Grundthema: Wenn ich den Feind kenne, überlebe ich eher. Wenn ich die Helfer kenne, bringt das einen Wettbewerbsvorteil. Wie hält es sich mit dem Wahrheitsgehalt von Geschichten? Müssen sie authentisch sein? Oft kommt der Einwand, dass eine Geschichte getürkt oder inszeniert sei. Ja, ist sie auch oft. Aber sie ist eben eine Geschichte, die auch sein KÖNNTE. Natürlich handelt es sich dabei um Manipulation. Aber ich sage meinen Studenten immer, wer nicht manipulieren möchte, der geht nicht ins Marketing. Geschichten haben zudem einen erzieherischen, moralischen Effekt. Da spielt der Wahrheitsgehalt auch nicht so die zentrale Rolle. Wie kann man Storytelling im Tourismus nutzen? Ich kenne einen Hotelier, der veranstaltete ein Mofarennen. Die 60-jährigen Gäste, die sonst nur von einem Golfhotel ins nächste tingeln, bekommen plötzlich glänzende Augen. Da erwachen Jugenderinnerungen. Ohne Mofa hatte man bei den Mädels keine Chance. Erinnern Sie sich an das evolutionäre Grundthema Fortpflanzung. Das wird hier angesprochen. Außerdem war man aus der Gruppe ausgeschlossen, wenn man kein Mofa hatte. Hier wird das Thema Anpassung angesprochen. Das heißt, ich suche für meine Kunden solche Geschichten oder baue ihre Geschichten um. Im Tourismus geht es darum, dass ich Gäste locke. Das finde ich spannend. Das ist wie eine Partnerwerbung. Das ist Dating. „Schlaf nicht mit mir, aber schlaf bei mir.“ Und schon hab ich eine Geschichte. Da gibt es den Nebenbuhler, die Anstandsdame, die Mutter, die ihre Tochter nicht aus dem Haus lassen möchte ... Vielen Dank für das Gespräch.

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Fertigstellung Herbst 2011

K U F S T E I N

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16 STORYTELLING SAISON

Auftraggeber: Erste Bank und Sparkasse Agentur: Young & Rubicam Vienna GmbH Konzept: Hans Cepko Filmproduktion: Wiener Klappe Regie: Begbie (Thomas Dirnhofer und Philipp Kadelbach) Erste Ausstrahlung: Juli 2010 Anzahl der Spots bisher: 8 Dauer: 20–30 sec Projektdauer: offen

Die Werber von nebenan Sie sind die Fortsetzungsromane der TV-Werbung: Spots, die – manchmal über Jahre – weitererzählt werden und ein hohes Maß an Identifikation hervorrufen. Verkaufen lassen sich damit Möbel, Energy Drinks und nicht zuletzt Vertrauen. VON ES THER PIRCHNER

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bwohl die Charaktere am Anfang – 1999 – eher durchschnittlich aufgenommen worden waren, wuchs die fiktive Familie Putz den Österreichern über die Jahre so sehr ans Herz, dass die Möbelhaus-Reklame 2008 auf Platz 2 der Beliebtheitsskala lag – geschlagen nur von Spar und Mirjam Weichselbraun, der sowieso keiner widerstehen kann. Mithin ist das jahrelang durchgehaltene Konzept, das den kreativen Köpfen von Demner, Merlicek & Bergmann entsprungen ist, ein gutes Beispiel dafür, wie weit man es mit Storytelling in der Werbung bringen kann: Wer eine Geschichte nur lange genug erzählt, wird irgendwann einmal Gehör und sogar Zuneigung finden. Für die Familie Putz bedeutet das, dass aus der Mikro-Sitcom der Anfänge eine Art Telenovela im Kleinen geworden ist. In bisher rund 120 Werbespots durfte Sohn Putzi erwachsen werden und in Ixi

eine Freundin finden, während sich Trude Fukar, die Darstellerin der Oma Putz, 89-jährig in eine Seniorenresidenz verabschiedete – unkommentiert ersetzt durch eine andere Schauspielerin, wie man das aus Serien wie „Reich und schön“ oder „California Clan“ kennt.

Identifikation. Wer sich wie die Firma XXXLutz der Technik des GeschichtenErzählens bedient, um seine Marke in Kopf und Herz der Konsumenten einzuschreiben, tut dies gleich auf mehreren Ebenen. Oft geht es weniger darum, einzelne Produkte ins Bild zu rücken, sondern vielmehr darum, bestimmte Botschaften, Ideale oder ein spezifisches Lebensgefühl an den Mann respektive die Frau zu bringen: Die netten Nachbarn der Wiener Städtischen, die seit 2009 über die heimischen Bildschirme flimmern, begegneten sich im Stiegenhaus und unterhielten sich angelegentlich über Vorsorge, in späteren Spots wurden Begriffe wie Treue und Ver-

lässlichkeit, nachbarschaftliche Hilfe und ein sicherer Rückhalt thematisiert – Werte, die einer Versicherung gut zu Gesicht stehen. Von Spot zu Spot entwickelte sich aus der Sympathie und deutlich spürbaren Anziehung zwischen Mann (Single mit Hund) und Frau (Alleinerzieherin mit halbwüchsiger Tochter) echtes Interesse, weshalb die Wiener Städtische befand, die Figuren seien nun weit genug gediehen, um Namen zu erhalten. Nach einer Umfrage unter den 3.500 Mitgliedern der Belegschaft Ende 2010 heißen die Protagonisten nun Sophie, Peter und Lisa. Ähnlich gehen Erste Bank und Sparkasse vor, wenn sie die prototypischen Mitarbeiter Petra Kern und Martin Wohlich dabei zeigen, wie sie sich über aktuelle Themen des Sparens, Anlegens und der Wohnbaufinanzierung unterhalten, und en passant das Profil der beiden Banken schärfen. Und während potenzielle Kunden vor dem Fernseher umso mehr Vertrauen in ihre realen Versicherungs- oder

© ERSTE BANK UND SPARKASSE

PETRA KERN/ MARTIN WOHLICH


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Sinnliche Erfahrungen.

Erzählkunst.

Geht man noch einen künstlerischen Schritt weiter, landet man bei den Humanic-Werbungen der 1970erund 1980er-Jahre, als bildende Künstler und Autoren wie Edgar Honetschläger, H. C. Artmann und Andreas Okopenko die seltsamsten Geschichten erzählen durften und im Bild kein einziger Schuh zu sehen war. Diese waghalsigste Form des Storytellings ist zwar im Allgemeinen ein wenig in den Hintergrund getreten, allein aus dem Baumarkt naht Rettung. Wenn Hornbach und die Agentur Heimat die Ästhetik der Siebziger bemühen und wilde Typen zur menschlichen Pyramide formen, wächst auch der Kunde über sich hinaus. Yippie ya ya yippie yippie yeah! ×

© WIENER STÄDTISCHE VERSICHERUNG AG

Überraschend, sinnstiftend, sinnlich, authentisch und eingängig sollen solche Minidramen im Dienste der Werbung sein. Sie dürfen nicht langweilen und müssen vor allem bei jungen Zielgruppen den Sehgewohnheiten entsprechen, die Facebook, Youtube und so weiter vorgeben. Oft erzählen sie dieselbe Geschichte in Variationen immer und immer wieder, bis die Botschaft angekommen ist und die Klientel schon auf die nächste Folge wartet. Kaum jemand wird mehr anzweifeln, dass Red Bull Flüüügel verleiht. Und Römerquelle belebt die Sinne, jaja. Wenn Storytelling so gut funktioniert, dass man glaubt, mit Menschen von nebenan zu tun zu haben, ist nicht selten hohe Kunst im Spiel. Als die Bank Austria vor einigen Jahren einen Knirps eine Milchflasche aufdrehen, ein Mädchen die größte Kaugummiblase machen ließ und andere „kleine Erfolge“ ins Bild rückte, geschah dies zur Musik von Händel, Chopin,

Elgar und Ravel. Bei anderen Auftraggebern und Agenturen sind Regisseure, die sonst abendfüllende Filme drehen, an Bord, oder bildende und Sprachkünstler, die die Werbebotschaft so verklausulieren, dass sie rätselhaft und aufregend wird. Bei der Familie Putz führte von 1999 bis 2010 Harald Sicheritz Regie, der auch „Hinterholz 8“, „Vier Frauen und ein Todesfall“ und „Kaisermühlen Blues“ drehte. Schweinderl und Bauer, die die Marke „Ja! Natürlich“ liebenswert unters Volk bringen, gemeinsam die Stiere in Schwung halten und sogar den Garten in den Urlaub mitnehmen, tun dies gar unter Anleitung von Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky.

NETTE NACHBARN Auftraggeber: Wiener Städtische Versicherung AG Agentur: Young & Rubicam Vienna GmbH • Konzept: Hans Cepko Filmproduktion: Wiener Klappe • Regie: Martin Werner Erste Ausstrahlung: November 2009 Anzahl der Spots bisher: 4 • Dauer: 30–40 sec Projektdauer: offen

© XXXLUTZ HANDELSGES. M. B. H.

FAMILIE PUTZ Auftraggeber: XXXLutz Handelsges. m. b. H. Agentur: Demner, Merlicek & Bergmann Konzept: Rosa Haider Filmproduktion: Film Factory Regie: Harald Sicheritz (1999–2010) Erste Ausstrahlung: 1999 Anzahl der Spots bisher: 120 Dauer: max. 40 sec Projektdauer: offen

© JA! NATÜRLICH

Bankberater fassen sollen, je genauer sie die fiktiven Personen auf dem Bildschirm kennen lernen, zielen die Werbekonzepte firmenintern darauf ab, dass sich ihre Mitarbeiter mit den filmischen Vorbildern identifizieren. Funktioniert der Trick, dann begegnen im Idealfall vertrauensvolle Kunden genau jenen Bank- und Versicherungsangestellten, die sie aus dem Fernsehen bereits zu kennen glauben.

SCHWEINDERL UND BAUER Auftraggeber: Ja! Natürlich Agentur: Demner, Merlicek & Bergmann Konzept, Autoren: Franz Merlicek, Rosa Haider Filmproduktion: Close up Regie: Stefan Ruzowitzky Erste Ausstrahlung: 2005 Anzahl der Spots bisher: 15 Dauer: 15–40 sec Projektdauer: offen


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Tirol erzählt Geschichten Die Tirol Werbung ist auf den Geschmack des Storytellings gekommen. Das Land steckt voller Geschichten und viele wollen noch erlebt werden – so der dahinterliegende Gedanke. Warum nicht diese als Aufhänger nehmen? von Julia Brugger

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inder springen in den Gebirgssee, ein Leintuch lüftet über Buschwerk aus. Die meisten Fotos der „So nah. So fern“-Kampagne der Tirol Werbung bergen so manche Geschichte in sich. Mal offensichtlicher, mal weniger erinnern sie an Erlebnisse aus dem eigenen Leben. Ein Leintuch im Wald regt die Phantasie an und lässt an die Jugend denken: Nach heldenhafter Arbeit steht das Zelt – wenn auch etwas windschief. Der Regen prasselt mitten in der Nacht zunächst noch auf die Wand und später ins Zelt. Man muss näher rücken und sich wärmen. Der Wald erwacht: Überall raschelt und knackt es. Die ersten Sonnenstrahlen trocknen am Morgen das Zelt und das Leintuch, das man übers Buschwerk hängt. Ähnliches hat wohl jeder schon einmal erlebt. Das Bild allein ist reich an Geschichten.

Die Geschichte zum Bild.

Doch dem nicht genug. Die Tirol Werbung setzt auch auf geschriebene Geschichten, die ebendiese Bilder begleiten (siehe Kasten). Ein Ansatz, der nicht nur diesen Sommer, sondern auch im Kommenden weiterentwickelt werden soll. „Für die Bergsommerkampagne 2011 ließ sich der Reiseautor Gero Günther von den Bildern inspirieren und schrieb kurze, emotional aufgeladene Texte“, erklärt Claudia Knab, Leiterin der Abteilung Kommunikation in der Tirol Werbung. Die Geschichten sollen einladen, das Land mit seinen Bergen, Seen und vielfältigen Tieren zu besuchen, zu bewandern und zu bewundern. Der Vater hat endlich einmal Zeit, mit seinen Kindern in Urlaub zu fahren – ungestört, ohne Frau und Mutter. Dabei erfährt er Dinge aus dem Leben seiner Kinder, die er im Rummel und Trubel des Alltags nicht mitbekommen hat. So funktioniert Storytelling. Die Texte stammen mitten aus dem Leben. Erinnerungen erwachen und im Idealfall fühlt man sich hingezogen und inspiriert, ähnliches (erneut) zu erleben. „Wir wollen die Leute dort abholen, wo sie gerade sind. Diese Geschichten berühren. Unser Ziel ist, dass sie Lust machen auf Tirol, dass sie Sehnsuchtsbilder im Kopf entstehen lassen, die der Leser und Betrachter in die Realität umsetzen möchte und deshalb einen Urlaub in den Bergen bucht“, so Claudia Knab.

© tirol werbung/monika hoefler (2)

Die Platzierung ist entscheidend.

Die Geschichten werden in Printmedien im deutschsprachigen Raum geschaltet. Die Form nennt sich Advertorial – ein Zwitterwesen aus Werbung und redaktionellem Beitrag. Weil es sich nicht offensichtlich um eine Werbung handelt, ist die Aufmerksamkeit der Leser höher. Die emotionale Wirkung der Texte wird ungefilterter aufgenommen. Manipulation? Nun gut, Werbung und Marketing sind per se Manipulation. Durch Storytelling ist sie nur nicht so plump, sondern bedient sich kunstvoller Formen und nimmt dem einen oder anderen Redakteur die Recherchearbeit ab. ×


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Beispiel für einen Advertorial-Text

Annas Mathelehrer ist ein Fashion-Freak

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imon war als erster unten. Das ist schon o. k. so. immerhin hat er mich vorher gefragt. Manchmal muss der Junge einfach ein bisschen rennen, sich auspowern. „Da auf der Wiese neben dem see warte ich auf euch“, hatte er gesagt und ins Tal hinunter gezeigt. anna und ich sind auf dem weichen Waldboden ganz gemächlich hinterher marschiert, haben die aussicht auf die Dreitausender genossen, Trinkpausen eingelegt. in den Bergen haben anna und ich immer viel Zeit, miteinander zu sprechen, und auf dieser Fernwanderung durch Tirol sowieso. soll noch mal einer sagen, man könne mit Teenagern nicht wandern. Bei uns ist genau das Gegenteil der Fall. Beim Gehen fällt es uns viel

leichter zu reden. immerhin weiß ich jetzt mal wieder Bescheid, welche Filme meine Tochter mag und dass annas Mathelehrer, „ein total krasser Fashion-Freak ist“. „ich warte schon seit 14 Minuten“, ruft simon, als wir unten ankommen und zeigt stolz auf seine armbanduhr. „14 Minuten und 23 sekunden, 24 sekunden …“. ich breite das Badetuch aus, das Gras kitzelt an den Waden, Libellen surren herum. Wie wunderschön dieser kleine Moorsee ist! Langsam gleite ich in das kalte Wasser, wirble mokkabraune Wolken auf. „arschbombe“, schreit simon. Das Bad haben wir uns verdient. immerhin waren wir heute mehr als 1000 höhenmeter auf- und abgestiegen. Zum Glück an diesem heißen Tag war es eine schattenreiche Etappe des adlerwegs.

simon hatte sich den gesamten Berg hinaufgekämpft, stöcke aus dem Wald gezogen, Banditen verfolgt und ganze heere geschlagen. „attacke!“ Eine Energie hat der Kerl, Wahnsinn! oben am Gipfelkreuz haben wir die Gurken und Paprika ausgepackt, Brot und Bergkäse, den ich in der sennerei gekauft hatte. „hey, schmeckt super“, fand anna und schnappte sich noch ein stück aus der Brotzeitdose. Die Kinder wollen gar nicht mehr aus dem Wasser herauskommen, obwohl sie schon blaue Lippen haben. ich tippe eine sMs an meine Frau in das handy: „hoffe, du bist mit deinem Projekt gut vorangekommen. Wir sind gerade baden. Morgen stehen nochmal 900 höhenmeter an. 1000 Küsse von uns allen.“ ×


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Die Sehnsucht, gehört zu werden Folke Tegetthoff kennt die Macht von Geschichten. Im Interview spricht der Erzähler, der auf Einladung der Tirol Werbung Gast beim TourismusForum 2011 war, über die Magie des Erzählens. D a s I n t e r v i e w f ü h r t e S y lv i a Ai n e t t e r .

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AISON: Herr Tegetthoff, warum erzählen sich die Menschen Geschichten? Folke Tegetthoff: Der Sinn des Erzählens einer Geschichte ist, jemanden zum Zuhören zu bringen. Es gibt keine größere Sehnsucht des Menschen, als jemanden zu finden, der einem zuhört. Darum erzählen die Menschen Geschichten. Es ist auch wissenschaftlich bewiesen, dass in dem Augenblick, in dem wir zu erzählen beginnen, im Gegenüber Konzentration und Aufmerksamkeit steigen. Genau das ist es, was der Erzähler möchte: Er will mit seiner Botschaft durchdringen, damit ihn sein Gegenüber wahrnimmt. Das funktioniert dann, wenn in die Rede Persönliches einfließt, der Erzähler und die Geschichte authentisch sind. Entspricht das Geschichten-Erzählen noch unserem Zeitgeist? Das Erzählen war fast ausgestorben. In den letzten 550 Jahren haben wir uns vom akustischen zum visuellen Menschen entwickelt. Wir leben heute in einer übervisualisierten Welt, das Visuelle hat eine ungeheure Macht bekommen – schon allein dadurch ist das gesprochene, gehörte Wort zurückgedrängt worden. Die Renaissance der Erzählkunst weltweit ist aber sicher darauf zurückzuführen, dass die Menschen eine große Sehnsucht nach Geschichten haben. Das Erzählen und das Zuhören sind ursprüngliche Dinge. Das sitzt tief in uns drinnen und gehört zu den Grundbedürfnissen eines jeden.

Auch im Wirtschaftsleben? Das Erzählen ist endlich auch Marketing- und Werbe­ instrument geworden. Das ist ein deutliches Signal dafür, dass man diese Urbedürfnisse erkennt. Erzählen ist so alt wie die Menschheit selbst. In dem Augenblick, in dem Menschen begonnen haben, ihre Gefühle, Gedanken, Sehnsüchte, Hoffnungen, Ängste in Worte zu kleiden, in dem Augenblick haben sie begonnen, Geschichten zu erzählen. Unter dem Titel „Storytelling“ hat das Geschichten-Erzählen auch das Wirtschaftsleben erreicht. Wie können Werbung und Marketing von der Erzählkunst profitieren? Sie tun es ja schon länger, oft ohne es zu wissen. Die Entwicklung in der Werbebranche zeigt es sehr deutlich: Das Produkt stand lange Zeit im Mittelpunkt – egal ob in Print-, TV- oder Radiowerbung, es ging immer nur darum, mitzuteilen, dass das angepriesene Produkt das beste ist. Heute macht das niemand mehr, jetzt werden Geschichten erzählt. Ich bin sehr glücklich, dass das jetzt auch in der Tourismuswerbung angekommen ist. Was macht eine Geschichte zu einer guten Geschichte? Das wesentlichste Kriterium für die Qualität einer Geschichte ist, dass sie Wahrheit beinhalten muss. Der Erzähler muss etwas von sich selbst hergeben, er muss mit dem Gesagten eine Emotion vermitteln. Die Frage ist nicht, was eine Geschichte zu einer guten Geschichte macht. Die Frage ist vielmehr, wie man eine Bot-

schaft auf die bestmögliche Art und Weise transportieren kann – nämlich so, dass sie verstanden wird. Das Gehörte muss aufgenommen und mit der Fantasie und der Ratio bearbeitet werden. Das Ziel einer jeden Kommunikation ist schlussendlich, zu verstehen und verstanden zu werden. Nur wenn ich verstanden habe, ist der Inhalt der Botschaft angekommen. Wie muss eine Geschichte aussehen, damit sie ankommt und verstanden wird? Ich verwehre mich immer sehr dagegen, Rezepte auszugeben. Wir leben in einer Gesellschaft, die Rezepte liebt. Jeder weiß, wie man eine Geschichte zu erzählen hat. Man muss nur seine menschlichen Fähigkeiten einsetzen: Intuition, Fantasie, Kreativität und Glaube. Damit werden wir immer richtig liegen. Wir werden immer wissen, was man machen muss, damit jemand zuhört. Man muss das Gegenüber im Auge behalten, darauf achten, ob er zuhört. Jede Rede ist völlig umsonst, wenn niemand da ist, der zuhört. Das gilt für jeden Bereich des Lebens. Wer ein Produkt auf den Markt bringt, das keiner haben will, wird keinen Erfolg haben. Kann jeder erzählen? Ja, jeder kann erzählen. Es gibt natürlich bestimmte Kriterien, die jemanden zu einem erfolgreichen Erzähler machen. Dieser Erfolg hat mit der Persönlichkeit zu tun: Extrovertierten Menschen fällt es leichter, etwas von sich preiszugeben und somit Emotionen zu vermitteln. Wer introvertiert und unsicher ist, wird


© christian jungwirth

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Der Erzähler: Folke Tegetthoff


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„Die Menschen haben eine große Sehnsucht nach Geschichten.“ Folke Tegetthoff

größere Probleme haben, Geschichten zu erzählen. Wir erzählen zwei Drittel unserer Geschichten nonverbal. Ein introvertierter Erzähler tut sich viel schwerer, Emotionen zu vermitteln und authentisch zu sein. Aber selbst jemand, der seine Geschichte nicht gut erzählen kann, erzählt mit Hilfe seiner Körpersprache eine Geschichte. Es liegt am Zuhörer, das zu erkennen. Dieser kann dann viel dazu beitragen, dass der Erzähler mit seiner Geschichte doch noch Erfolg hat.

Spielt Rhetorik eine Rolle? In meiner Arbeit als professioneller Erzähler ist Rhetorik

Zur Person Der Grazer Folke Tegetthoff ist professioneller Erzähler und Organisator des Erzählkunst-Festivals „fabelhaft! Niederösterreich". Weltweit bekannt wurde er mit seinen Märchen für Erwachsene: Seit 1979 hat er 36 Bücher veröffentlicht, die in zwölf Sprachen übersetzt wurden.

© christian jungwirth

Mit welchen Themen ist mir die Aufmerksamkeit des Zuhörers sicher? (lacht) Sex, love and crime! Nein, Geschichten, die mit Emotion zu tun haben, fesseln den Zuhörer. Emotionen sind sozusagen der Gegenpart zur reinen Informationsvermittlung – und genau dafür interessieren sich die Menschen. Beim Erzählen selbst ist Authentizität wesentlich. Immer wenn ich authentisch bin, wenn ich ich selbst bin, etwas von mir hergebe, mich öffne, werde ich die Aufmerksamkeit meines Gegenübers bekommen. Das gilt für jeden Bereich des Lebens. Die Geschichte ist nur das Transportmittel, um die geht es gar nicht – es geht um die Emotionen, die vermittelt werden.


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ganz wesentlich. Denn mithilfe von Rhetorik kann man Bilder aufbauen. ich erschaffe durch Metaphern und Worte und dadurch, wie ich diese sage, ein Bild, das emotionen auslöst. nur wenn mir das gelingt, kann ich meine Zuhörer auch fesseln. Wichtig ist, beim gegenüber erinnerungen wachzurufen und Dinge anzusprechen, die ihm bekannt sind. Die Zuhörer müssen sich als Teil der geschichte fühlen und sie zu ihrer eigenen machen. Werden die Menschen einmal genug von Geschichten haben? nein, wir hören ja ständig geschichten. auch in unserem alltag erzählen und hören wir ständig geschichten – es geht noch weiter: Wir erzählen ganz selten keine geschichten. Die art und Weise, wie man erzählt, ist wesentlich. Das kann sehr subtil sein oder auch sehr platt. Von platten geschichten hat man schnell genug – von den subtilen nicht. im Mittelpunkt muss stets die Frage stehen: Was möchte ich mit der geschichte erreichen? Der erzähler muss aber auch darüber nachdenken, was das gegenüber hören will. eine geschichte kann sehr kurz sein, man kann bereits mit einem einzigen satz, ja sogar mit einem Blick, einem lächeln sehr viel zum ausdruck bringen. Sie schreiben Märchen. Warum diese Textsorte? Das Märchen ist die Form und Möglichkeit, die dem gegenüber einen ganz großen Freiraum lässt. ein gutes Märchen erzählt niemals ein ganzes Bild.

ein gutes Märchen bietet nur den Rahmen und der Betrachter füllt ihn aus, malt seine eigene geschichte. ich habe viele Möglichkeiten, mithilfe meiner Fantasie etwas zu dieser geschichte beizutragen. Zudem sind Märchen losgelöst von Zeit und Raum. sie sind universell – das macht ihren Reiz aus. Suchen die Menschen nach dem Geheimnisvollen? Ja, das geheimnisvolle reizt die Menschen besonders. Die lust am neuen, neugier, lust, etwas zu entdecken, sind Wesenszüge des Menschen. neues hat auch immer etwas mit geheimnis zu tun. ich will eindringen und erkennen. einem Mensch, dem ich begegne, möchte ich ein geheimnis abringen, möchte ihn kennen lernen, wissen, was er fühlt und denkt. egal, ob im Privat- oder im Berufsleben. Das geheimnisvolle ist ein wesentlicher Teil unseres lebens. Vorlesen oder besser erzählen? Wenn ich eine geschichte erzähle, fällt es mir leichter, das gegenüber im auge zu behalten. ich kann meine körpersprache mehr zum einsatz bringen. auch für den Zuhörer macht es einen großen Unterschied, ob er eine geschichte selbst liest oder sie erzählt bekommt. Wenn ich etwas über die ohren direkt höre, wird das erlebnis noch ein wenig intensiver, als wenn ich alleine und lautlos lese. Vielen Dank für das Gespräch.

DIe GeSCHICHTe DeS erZÄHLenS seit Menschen in sozialen Verbänden leben, erzählen sie sich geschichten. Davon zeugen Mythen, sagen und legenden, die ausschließlich mündlich überliefert wurden. Diese dienten dazu, kulturelle normen zu vermitteln und geschichtliche Fakten, Rechtsverbindlichkeiten, Rituale und Bräuche zu verbreiten. geschichten wirkten identitätsstiftend und konstituierten eine kultur. als Beispiel wird gern nordamerika herangezogen, wo heute noch mehr als 100 inuit-sprachen gesprochen werden, die jede ihre eigene mündliche Überlieferung hat bzw. hatte. Das grundwesen des erzählens ist der direkte kontakt zum Zuhörer. so spielen akzentuierung, Betonung, gestik und Mimik eine wesentliche Rolle. Die Face-to-Face-situation führt zu einem Dialog zwischen erzähler und Zuhörer. Das erzählen war und ist auch heute noch interaktiv – und wohl deshalb so einprägsam. Die erzähler waren in Zeiten vor der alphabetisierung in allen gesellschaften hoch angesehen, verfügten sie doch über enormes Wissen. Mit der Medialisierung, spätestens aber mit der erfindung des Fernsehens, verschwand das professionelle erzählen vollständig. erst sei einigen Jahren erlebt es eine Renaissance. Quelle: „Die kunst des erzählens“ von helge gerndt und kristin Wardetzky, 2002

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Zum Touristiker geboren? Kompetente Beratung rund um Aus- und Weiterbildung im Tourismus – einfach – schnell – kostenlos: Telefon: 05 90 90 5 - 1215 E-Mail: thomas.geiger@wktirol.at Internet: WKO.at/tirol/tourismus


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Die GeschichtenErzähler Träume verkaufen. In bewegten Bildern vermitteln Filmemacher Emotionen und wecken damit die Neugier auf die Urlaubsdestination Tirol. Cine Tirol vermittelt seit 13 Jahren Geschichten, die ein Stück Tirol mittransportieren.

Historisch. Tobias Moretti mimt den Freiheitskämpfer Andreas Hofer und zeigt einen facettenreichen Menschen. Vielfach erzählt, dennoch bewegt dieses Stück Tiroler Geschichte noch immer.

V O N J A N E K AT H R E I N

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eschichten machen das Wesen eines Filmes aus. Gäbe es keine Geschichten, gäbe es keine Filme. „Das Medium Film ist wie kein anderes in der Lage, diese emotionale Erzählweise zu erbringen, weil durch die bewegten Bilder auch all diese Emotionen vermittelt werden, die Menschen begeistern und überwältigen”, bringt es Johannes Köck, Leiter von Cine Tirol, auf den Punkt. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. In einem Film stecken Millionen von Worten.

Berührende Geschichten. Cine Tirol bringt Geschichten an die Menschen. 300 Filmproduktionen sind in den 13 Jahren seit der Gründung entstanden, alle wurden in Tirol realisiert. Fast jeder dieser Filme erzählt ein Stück Tirol. Es sind phantastische, abenteuerliche und historische Geschichten. Ein indischer Filmschaffender wurde einmal von Johannes Köck gefragt, warum BollywoodProduktionen in aller Welt so erfolgreich sind. Seine Antwort: „Weil wir Träume verkaufen.“ Damit habe er die meisten Filme definiert, so Johannes Köck. Ob der Kern wahr oder erfunden ist, spielt für gutes Storytelling eine nebengeordnete Rolle. „Wenn es gelingt, eine Geschichte so zu erzählen, dass der Empfänger davon berührt, begeistert, beeindruckt wird, ist es eine gute Geschichte“, sagt Johannes Köck. Bleibt zusätzlich ein Freiraum, wie ein offenes Ende, den der Betrachter selber ausfüllen kann, hat

das Geschichten-Erzählen alles erreicht. Filme, die in ein offenes Ende münden, lösen die angeregtesten Diskussionen aus.

Spiegelbild.

Viele Impulse führen zur Entstehung einer Geschichte. Dem Tiroler Autor Felix Mitterer sind die Geschichten zugefallen, die in elf Tatort-Produktionen mit Harald Krassnitzer in der Hauptrolle mündeten. Mitterers Stärke ist, rund um den wahren Kern dieser Geschichten einen Filmstoff zu entwickeln und damit dem Betrachter einen Spiegel vorzuhalten. „Das finde ich aus Sicht des Storytelling unglaublich beeindruckend“, leitet Johannes Köck zur letzten „Tatort“-Produktion über. „Baum der Erlösung“ greift im Kern das Thema „Migration“ am Beispiel der Gemeinde Telfs auf. Die Schauplätze liegen im Ort und auf der Hohen Munde. Vor der Premierenfeier im Gemeindesaal Telfs waren viele der 700 Gäste nervös. Doch die anfängliche Spannung löste sich in einem tosenden Applaus. Durch den Blick von außen werden viele Themen erst begreifbar. Bei der Feier in einem türkischen Lokal saßen dann alle Beteiligten zusammen und diskutierten. Nachklang ist das Stichwort, das Johannes Köck dazu einfällt.

Geschichten sammeln.

Begegnungen mit Menschen, die eine Geschichte erzählen können, eine wahre oder eine erfundene, sind ihm bis heute am stärksten in Erinnerung geblieben. Einer, der viel zu erzählen hat, ist Alt-

CINE TIROL Cine Tirol wurde vor 13 Jahren gegründet. In über 300 Filmen, die alle in Tirol produziert wurden oder von Tirol oder Tirolern handeln, werden Geschichten an viele Menschen gebracht – darunter Heimatfilme, Abenteuerfilme oder phantastische Geschichten. www.cinetirol.com


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Tirol pur. Sechs Millionen Zuseher durchschnittlich verfolgen eine Folge der TV-Serie „Der Bergdoktor“. Das Bergdoktorhaus ist ein beliebtes Ausflugsziel.

bischof Reinhold Stecher, der für das TourismusForum 2010 als Referent gewonnen werden konnte. Die Geschichten von Reinhold Stecher begleiten Köck seit Jahren. Im Buch „Botschaft der Berge“ erzählt Reinhold Stecher Geschichten, die zum Nachdenken anregen. In Worten und in Bildern transportiert er die Botschaft Gottes. „Botschaft der Berge“ steht in einem der Bücherregale im Haus Tirol in der Maria-Theresien-Straße. Neben anderen Bücher, die aufbewahrt werden, weil sie von Geschichten handeln, die sich als Filmstoff anbieten.

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Filmland. Ein Meteorit schlägt in einen Gletscher ein und erweckt den Neandertalerjungen Bataa zum Leben. Mit „Lapislazuli“ ist ein Familienfilm gelungen, der in den Tiroler Bergen spielt.

Internationales Netz. Die letzte Folge von „Der Bergdoktor“ wurde von sechs Millionen Menschen im deutschsprachigen Raum gesehen. „Das ist eine Bestätigung, dass wir Cine Tirol gegründet haben, unser Netz international ausgebreitet haben und nach solchen Filmen und Geschichten fischen“, ist Johannes Köck überzeugt. Dazu gehört auch die Präsenz bei internationalen Filmfestivals in Berlin, Cannes, Venedig und Indien oder bei der größten Location Messe in Los Angeles sowie die Durchführung von Workshops im Filmland Tirol – im Vorjahr waren in Seefeld 70 Produzenten aus 28 europäischen Ländern zu Gast. „Die persönlichen Kontakte werden uns helfen, auch in den kommenden Jahren spannende Filmprojekte nach Tirol zu führen“, so Johannes Köck. Längst haben auch Touristiker in Tirol erkannt, dass man die Synergien, die sich aus erfolgreichen Filmproduktionen ergeben, weiter verwerten kann. „Der Bergdoktor“ und „Soko Kitzbühel“ transportieren Tirol sehr offensiv mit, im Inhalt der Geschichte, durch die Nennung der Drehorte. Das sei die Luxusvariante, so Johannes Köck. Bollywood-Produktionen wie „Raju Chacha” nutzen die Tiroler

„Ich bin davon überzeugt, dass die Tirol Werbung eine GeschichtenErzählerin sein muss. Wenn wir als Tirolwerber und Botschafter dieses Landes in der Lage sind, spannende, berührende, neugierigmachende, phantastische Geschichten über dieses Land zu erzählen, dann wird es uns auch gelingen, Menschen für die Urlaubsdestination zu begeistern. Geschichten kann man auf vielfältige Weise erzählen – mit Texten, mit Bildern und klarerweise mit dem Film.” JOHANNES KÖCK, CINE TIROL


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ten, die bis zum Ötzi zurückreichen. Der spannende Spielfilm über das Leben von Ötzi stehe seiner Meinung nach noch aus. Besonders filmtauglich ist auch der Schaftrieb vom Schnallstal ins Ötztal, den es seit vielen hundert Jahren gibt. Im Kern eine Wanderung von Menschen und vielen Schafen über eine menschenfeindliche Hochebene, den Gletscher. „Da beginnt es für mich unter den Fingern zu brennen. Dem gibt dann ein begnadeter Autor eine zusätzliche Ebene. Was für ein Filmstoff. Wir führen bereits mit einigen Filmschaffenden dazu Gespräche.“ ×

Krimis mit Lokalkolorit. Der „Tatort“ von Felix Mitterer („Baum der Erlösung“) spielte in Telfs und auf der Hohen Munde, die „Soko Kitzbühel“ trägt die Region sogar im Titel.

Landschaft meist nur als Kulisse. Dennoch pilgern Jahr für Jahr tausende Touristen aus Indien nach Tirol.

Mittelerde zieht an. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass sich Filmdrehorte als Urlaubsdestinationen außerordentlich gut vermarkten lassen. Die Trilogie „Herr der Ringe“ brachte Neuseeland ein Nächtigungsplus von 20 Prozent. „Das ist ganz deutlich in einem Zusammenhang mit der Trilogie zu sehen. New Zealand Tourism Board hat die Vermarktung von Beginn an mitgetragen und seinen Auftritt zur richtigen Zeit auf Mittelerde umgestellt“, sieht Johannes Köck. Der Abba-Film „Mamma Mia“, der auf Skopelos und Skiathos gedreht wurde, brachte den kleinen griechischen Inseln nach dem Filmstart 2008 einen Besucheransturm, mit dem die Reiseveranstalter nicht gerechnet hatten. Schaut man sich die Bilder vom Set an, ist schnell klar: Die Hauptdarsteller Meryl Streep, Amanda Seyfried und Pierce Brosnan haben den Dreh in vollen Zügen genossen. Urlaubsstimmung pur, auch vor der Kamera. Griechisches Lebensgefühl steckt in jeder Szene.

Erfolgreiche Filme sind die Grundlage, dass Menschen auch in diese Region reisen oder in der Region die filmische Verbindung abrufen. Auf der „Soko KitzbühelFilmtour”, bei einer Wanderung auf den Spuren des Bergdoktors. Das ist ausbaufähig bis zum Tagesausflug durchs Ötztal, bei dem gleich mehrere Filmschauplätze besucht werden. Cine Tirol bekommt auch acht Jahre nach dem Kinostart Anfragen nach der Alm, auf der Daniel Brühl in „Die fetten Jahre sind vorbei“ vor der Kamera stand. Vor allem Jugendliche aus Deutschland wollen zumindest eine Nacht dort verbringen, wo Daniel Brühl schon war. Sie sind begeistert, neugierig und fühlen sich am Ende des Tages als Teil seiner Geschichte.

Neuer Erzählstoff. Fragt man Johannes Köck nach Geschichten, die es noch zu erzählen gäbe, muss man nicht lange auf eine Antwort warten. Die Lebensgeschichte von Kaiser Maximilian, die voller Höhen und Tiefen steckt, biete sich als Filmstoff an. Und die Alpenübergänge, mit den damit verbundenen Geschich-

Alfred Hitchcock mit Alma Reville 1926 in Obergurgl

DIE BEWEGENDE SUCHE NACH EINEM VERSCHOLLENEN FILM Einer Postkarte war es zu verdanken, dass Alfred Hitchcock 1926 das Tiroler Ötztal für seine Dreharbeiten zum Film „The Mountain Eagle“ auswählte. Für die Außenaufnahmen suchte er nach einem kleinen Dorf in einer unberührten Bergwelt. Während der Vorbereitungen in München entdeckte Hitchcock in der Auslage eines Geschäfts eine Postkarte. Er fragte den Ladenbesitzer nach dem darauf abgebildeten Dorf. Es war Obergurgl. Hitchcock machte sich mit seinem Assistenten auf den Weg. Mit dem Zug nach Innsbruck und dann mit einem offenen Wagen über sieben Stunden ins Ötztal und von dort noch einmal zweieinhalb Stunden zu Fuß nach Obergurgl. Die beiden waren sich einig, dass unter diesen Transportbedingungen kein Filmteam arbeiten konnte. Doch als sie Obergurgl erreicht hatten, war Hitchcock fasziniert. Ein kleines, idyllisch gelegenes Dorf mit schneebedeckten Bergen und grünen Wäldern fernab jeder modernen Zivilisation. Nach den ersten Vorführungen 1927 verschwand der Film rasch aus den Kinos. Während von allen anderen HitchcockFilmen noch Kopien vorhanden sind, ist „The Mountain Eagle“ bis heute verschollen. Das British Film Institute (BFI) hat den Stummfilm „The Mountain Eagle“ jetzt zum meistgesuchten Film der Welt ernannt und eine internationale Suchaktion nach diesem Werk gestartet.


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© TIROL WERBUNG

Ehre wem Ehre gebührt. Josef Ziepl (im Bild bei einer früheren Preisverleihung) wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

Ein „Sir“ und vier Erfolgskonzepte Mit viel Spannung erwartet wurde heuer wieder die große Verleihung des „Tirol Touristica“ für herausragende touristische Leistungen. Die begehrte Trophäe für das Lebenswerk ging diesmal an den „Sir“ im heimischen Tourismus: Dr. Josef Ziepl, der im Raum Kitzbühel ungeheuer viel bewegte. Die weiteren Gewinner: die „Green Destination Alpbach“, die Area 47, der Kulinarische Jakobsweg Paznaun und der Karwendelmarsch. VON MICHAEL RIEDLER

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n Kitzbühel kennt ihn jeder, nicht nur wegen seiner eleganten Erscheinung, die ihm das Image des „Sirs“ unter den Tiroler Touristikern eingebracht hat: Josef Ziepl, langjähriger Direktor des Fremdenverkehrsamtes Kitzbühel. Ziepl war mehr als nur ein Tourismusdirektor. Sein ungeheuer engagierter und erfolgreicher touristischer Einsatz und sein umfassendes touristisches Fachwissen machten ihn international bekannt. Jetzt wurde er beim Tiroler Tourismus.Forum in Igls mit dem begehrten „Tirol Touristica“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Ziepl war mit vielen Maßnahmen der Branche teilweise Jahre voraus. Schon in den 70er-Jahren erkannte er die Wichtigkeit der regionalen Zusammenarbeit und den Wert einer Marke. Deshalb gründete er auch den Verein der Tourismusverbände der Kitzbüheler Alpen.

Und Ziepl setzte sich auch im Ruhestand keineswegs zur Ruhe: Mit der Errichtung der „Alpenschule" Westendorf erfüllte er sich einen Lebenstraum. Dafür wurde er unter anderem mit dem Hans-KudlichPreis für ökosoziales Vorzeigeengagement ausgezeichnet. Ziepl hat sich immer kräftig eingesetzt für die Jugend als wesentlicher Bestandteil für die ländliche Kultur und das Leben im Einklang mit der Natur. Bis heute nimmt er in den Fachmedien und in der Tagespresse Stellung zu touristischen Entwicklungen und zeigt dabei mehr Verständnis und Weitblick als so mancher professionelle touristische Berater. Für die Jury des „Tirol Touristica“ zählte bei ihrer Entscheidung unter anderem Ziepls engagierte und innovative Tourismusverbandsführung. Ausschlaggebend waren aber auch richtungsweisende Maßnahmen: So ist Ziepl Mitbegründer der Gruppe „Best oft the Alps“.

Er ist Begründer des „grünen Gürtels“ um Kitzbühel: Ziepl hat die Golf-Area am Schwarzsee mit Wort und Tat mitbegründet und schließlich mit der Gründung der „Alpenschule“ in Westendorf einen Prototyp geschaffen der Tourismus, Bildung, Landwirtschaft perfekt für den Jugendtourismus vereint. Ziepl konnte als Preis eine Skulptur des Tiroler Bildhauers Alois Schild nach Hause nehmen, einen sogenannten „Setzling“, gestiftet von der Hypo Bank Tirol. Vier weitere Preisträger sind ebenfalls Neo-Besitzer solcher Setzlinge. Denn die Jury vergab in vier weiteren Kategorien die „Tirol Touristica“-Auszeichnung.

Alpbach als Vorbild für Europa. Sieger in der Kategorie „Marketing & Vertrieb“ ist die „Green Meeting Destination Alpbach“: Alpbach gilt nicht umsonst als einer der schönsten Dörfer der Alpen.


© CONGRESS ALPBACH, AREA 47

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Nachhaltig. Die „Green Destination Alpbach“ setzte sich in der Kategorie „Marketing & Vertrieb“ durch. In Alpbach wird seit Jahren konsequent an der Entwicklung zur nachhaltigen Tagungsdestination gearbeitet.

Der einzigartige Holzbaustil ergänzt sich stimmig mit der modernen Architektur des Congress Centrums Alpbach. Hier wird seit mehreren Jahren konsequent an der Entwicklung zur nachhaltigen Tagungsdestination gearbeitet, mit dem „Alpbacher Green Meeting Destination“-Konzept. Es sieht ein umfassendes Bündel von Maßnahmen vor: Der Energieverbrauch des Congress Centrums wird optimiert, die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln erleichtert, bei den Kongressen werden regionale Produkten eingesetzt, Abfälle vermieden und Veranstaltungen nach dem „Green Meeting Destination“Standard umgesetzt. Das Congress Centrum Alpbach hat denn auch als erstes Kongresshaus in Österreich die internationale Green-Globe-Zertifizierung sowie gemeinsam mit dem Europäischen Forum Alpbach das Österreichische Umweltzeichen für Green Meetings erhalten. Die Jury des Tirol Touristica begeisterte vor allem die konsequente Umsetzung des Themas Nachhaltigkeit, die klare Differenzierungsstrategie mit glaubwürdiger Positionierung des gesamten Ortes Alpbach gemeinsam mit dem Congress Center. Die bereits erhaltenen Zertifizierungen

Outdoor-Park. In der Kategorie „Infrastruktur“ gingt der Preis an die Area 47, „Europas trendigste Abenteuerspielwiese“.

und getroffenen Maßnahmen machen Alpbach zu einer Benchmark im europäischen Tagungsbereich, urteilte die Jury.

Area 47 zeigt: Tirol ist jung. In der Kategorie „Infrastruktur“ ging der Tirol Touristica an die Area 47, „Europas trendigste Abenteuerspielwiese“ am Eingang des Ötztals. Die bekanntesten Outdoorund Tourismusprofis Tirols, Anlagenplaner, Handwerker und Partnerkonzerne wie die Bergbahnen Sölden, Red Bull, Adidas, KTM und Stiegl haben hier, am Schnittpunkt von 47. Breiten- und 11. Längengrad, einen europaweit einzigartigen Outdoor-Park realisiert. Auf 66.000 Quadratmetern inklusive einem 7000 Quadratmeter großen Badesee wird für Nervenkitzel gesorgt mit Schanzen für Snowboarder, Freeskier und BMX-Fahrer, einer überhängenden Deep-Water-Soloing-Kletterwand, einem Slackline-Parcours und als Weltneuheit mit einem kombinierten Sprung- und Rutschenturm mit einer Gesamthöhe von 27,5 Metern. Ein Restaurant für bis zu 400 Personen und die zweitgrößte Eventhalle Westösterreichs, der Area Dome für bis zu 8000 Besucher, sind beste Vorausset-

zungen für Veranstaltungen aller Größenordnungen. Aber auch Übernachten kann man in der Area 47, in Blockhaus-Lodges oder in Holz-Tipis. Die Area 47 verbreitet die Botschaft: „Tirol ist jung“, lobte die Jury des Tirol Touristica. Anerkennung fand auch die Tatsache, dass hier gleich 35 Outdoorerlebnisse an einem Platz konzentriert wurden und wesentliche Investoren aus der Freizeit -, Sport- & Tourismusindustrie bei dem Projekt intelligent vernetzt wurden.

Kulinarik auf Paznauner Hütten. Der Sieger in der Kategorie „Angebotsentwicklung“ ist der „Kulinarische Jakobsweg Paznaun“: Ihn gibt es heuer im Sommer bereits zum dritten Mal in Folge. Der kulinarische Jakobsweg bringt Sterneköche unter der Schirmherrschaft von Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann, koordiniert von Lokalmatador Martin Sieberer (Trofana Royal, Ischgl), ins Hochgebirge. Kommen werden der italienische Starkoch Marcello Leoni (Restaurant Leoni, Bologna), der Niederländer Niven Kunz (Restaurant Niven, Rijswijk), der Belgier Alex Clevers (Restaurant Vivendum, DilsenSokkem) und der bekannte Fernsehkoch


29 DER TIROL TOURISTICA Tim Mälzer aus Deutschland (Restaurant Bullerei, Hamburg). Die Kombination aus hochkarätiger Weltstarbesetzung an Köchen mit urigem Hüttenflair im Paznaun hat ihren ganz eigenen Reiz. Der Genussauftakt findet heuer am 10. Juli nach einer gemeinsamen Wanderung mit den Starköchen zeitgleich auf vier Alpenvereinshütten statt. Das gesamte Paznaun mit seinen Orten Galtür, Ischgl, Kappl und See steht dabei im Zentrum der Gaumenfreuden. Der Projektträger, der Tourismusverband PaznaunIschgl, verbindet damit Höhenwandern mit einfachem, jedoch höchstwertigem Genuss, lobte die Jury: Die kulinarische Positionierung auf hohem Niveau passe hervorragend zur Destination

www.touristica.tirol.at

© HERMANN SONNTAG, TVB ISCHGL-PAZNAUN

Legende Karwendelmarsch. Sieger in der Kategorie „Events und Großveranstaltungen“ wurde ein „alter Haudegen“, der „Karwendelmarsch – Die Legende lebt!“ Der Preis kommt nicht von ungefähr: Das Hauptthema des Tiroler Sommertourismus ist das Wandern. Und der Karwendelmarsch inszeniert dieses Thema besonders eindrucksvoll. Motto: „Wandern und zugleich die Einmaligkeit der Landschaft des Naturparks bewusst wahrnehmen und

dies unter größtmöglicher Schonung, der so wertvollen Ressource Natur". Das Spannungsfeld Naturschutz versus Tourismus wird hier bewusst thematisiert. Dazu gibt es begleitende Maßnahmen vor und während des Events. Verstärkt werden diese Bemühungen durch eine gezielte Auswahl an Partnern & Sponsoren. Der erste Karwendelmarsch nach 19-jähriger Pause war 2009 ein voller Erfolg, und auch der Karwendelmarsch 2010 konnte daran anschließen. Der reibungslose Ablauf der Veranstaltung und die große Disziplin der Teilnehmer überzeugten allgemein von der Nachhaltigkeit dieses Projekts, das heuer behutsam weiterentwickelt wurde. Die ARGE Karwendelmarsch, Markus und Martin Tschoner, fand Lob bei der Jury, weil beim Projekt das Spannungsfeld Naturschutz versus Tourismus positiv aufgelöst wird – durch die Kombination aus Wandern/Sport, einmaliger Landschaft und größtmöglicher Schonung der wertvollen Ressource Natur. Eine naturnahe Inszenierung gepaart mit höchster Anziehungkraft, Achtsamkeit gegenüber Tirols größtem Naturpark seien auch bei 2000 Teilnehmern gesichert, meinte die Jury – „ein richtungsweisender Impuls für nachhaltige Gestaltung von Sportveranstaltungen in Tirol“. ×

Der Tirol Touristica wird seit 1996 vergeben und zeichnet außergewöhnliche touristische Projekte aus, die auf Kriterien wie Innovation, Mehrwert, Synergie, Vernetzung, Profilierung, Nachhaltigkeit, Zukunft und Tradition sowie messbarem Geschäftserfolg basieren. Ausgezeichnet werden touristische Projekte aus dem Bereich Angebotsentwicklung, Infrastruktur und Bauten, Marketing und Vertrieb, Events/Großveranstaltungen und „Persönliches Lebenswerk“. Die Jury des von der Hypo Tirol Bank gestifteten Tirol Touristica setzte sich zusammen aus Josef Margreiter, Geschäftsführer der Tirol Werbung, Christian Spiegl (Tirol Werbung), Petra Stolba (Chefin der Österreich Werbung), Elisabeth Udolf-Strobl (Tourismus-Sektionschefin im Wirtschaftsministerium), Claudia Knab und Ingrid Schneider (Tirol Werbung), Gerhard Föger (Leiter der Tourismusabteilung des Landes Tirol), Peter Trost (Tourismussparten-Geschäftsführer in der Wirtschaftskammer), Hubert Siller (Leiter des Studiengangs Tourismus am Management Center Innsbruck), Prof. Robert Kaspar (Fachhochschule Kufstein), Helmut Müller (Input Projektentwicklungs GmbH), Arno Ritter (Architekturforum Tirol), Markus Hildmann (Hypo Tirol Bank) und Hermann Fercher (Tiroler Marketingclub). Die fünf Preisträger wurden heuer wieder mit Skulpturen des Tiroler Künstlers Alois Schild ausgezeichnet. Die Verleihung des Tirol Touristica durch LH Günther Platter, Hypo-Vorstand Markus Jochum und den GF der Tirol Werbung, Josef Margreiter, fand wie alljährlich im Rahmen des Tiroler Tourismus.Forums statt. Diese Veranstaltung hat sich mittlerweile als absoluter Branchentreff etabliert und stand heuer unter dem Generalthema „Storytelling“.

Die Legende lebt. Der 2009 wiederbelebte Karwendelmarsch wurde in der Kategorie „Events und Großveranstaltungen“ ausgezeichnet.

Sterneküche im Gebirge. Der „Kulinarische Jakobsweg Paznaun“ ist Sieger in der Kategorie „Angebotsentwicklung.“ Lokalmatador Martin Sieberer (Trofana Royal, Ischgl) holt dafür Sterneköche ins Hochgebirge.


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MAGAZIN Berg.Welten 2010

© HAMISH FULTON

D

er Brite Hamish Fulton ist der erste nicht-deutschsprachige Gewinner des Reisejournalisten-Wettbewerbs Berg. Welten. Die Auszeichnung „Bestes Bergfoto des Jahres“ sicherte er sich mit seinem Selbstporträt am Gipfel des Mount Everest. Die Jury begründet ihr Urteil mit der „fast erschreckenden Unaufgeregtheit, mit der die Gipfeleinsicht vermittelt wird“. Das Bild ist im Buch des Künstlers „The uncarved Block“ erschienen. Im Bereich „Wort“ begeisterte der deutsche Lorenz Wagner die Jury mit einem Porträt des Südtiroler Musikers Herbert Pixner. Die Reportage „Der will nur spielen“ ist in GEO special erschienen. Der Reisejournalismuspreis der Tirol Werbung – Berg.Welten.Wort – erlebte dieses Jahr seine neunte Auflage. Dazu kam zum zweiten Mal der Wettbewerb um „Das beste Bergfoto des Jahres“, Berg.Welten.Bild. „Mit jedem Jahr steigt die Qualität der Einreichungen“, sagt Josef Margreiter. „Das Spannendste an Berg.Welten aber sind die Themen – top-aktuell und zukunftsweisend.“ ×

© TIROL WERBUNG

Der Preisträger des Reisejournalismuspreises Lorenz Wagner mit Josef Margreiter (li.) und Andrea Gnägi, der Geschäftsführerin, sowie Julia Grissemann, der Direktorin des Parkhotel Igls.

TCA erfolgreich gestartet Rund 80 Gäste trafen sich zur Podiumsdiskussion „Gäste-Mobilität statt Fremden-Verkehr“ in der Aula der Wissenschaften in Wien.

E

ine „unabhängige professionelle Plattform für innovativ denkende und handelnde Touristiker“ soll die Tourismus Community Austria (TCA) sein. So definieren Alexandra Aigmüller, Geschäftsführerin der APA-OTS Tourismuspresse, und Stefan Kröll, Geschäftsführer der

pro.media kommunikation, die Ziele des neuen Tourismus-Netzwerks. In diesem Netzwerk können sich Touristiker mit Zukunftsthemen auseinander setzen, ihre Gedanken austauschen und Kontakte knüpfen. Zur Auftaktveranstaltung der TCA mit dem Thema „Gäste-Mobilität statt

Fremden-Verkehr“ am 24. Mai begrüßten die Initiatoren in der Aula der Wissenschaften in Wien rund 80 Gäste. Die nächsten Veranstaltungen werden am 31. August 2011 im Rahmen des Europäischen Forum Alpbach in Tirol sowie am 5. Oktober 2011 wieder in Wien stattfinden. ×


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KULTURTIPPS

© INNSBRUCKER TANZSOMMER

VON ES THER PIRCHNER

ZAUBERHAFTE FLÖTENKUNST

© ÖTZTAL TOURISMUS

© SCHLOSSBERGSPIELE RATTENBERG

Der Innsbrucker Tanzsommer präsentiert 2011 Ensembles aus vier Kontinenten: Neben Produktionen aus den USA, Kanada, Deutschland, China und Großbritannien gibt es auch eine afrikanische Version von Mozarts „Zauberflöte“ (Bild) zu sehen. 15. 6. – 15. 7. 2011, Congress Innsbruck

GEMEINSAME WIRTSCHAFT

A

m 19. September 1991 entdecken die deutschen Bergwanderer Erika und Helmut Simon bei einer Bergtour von der Similaunhütte auf die Finailspitze eine Mumie, die sich bald als ältester vollständig erhaltener Repräsentant der Gattung Mensch entpuppt. Der wundersam konservierte Mann aus der Steinzeit ist 5.300 Jahre alt, trägt Alltagskleidung, Werkzeuge, Waffen – und ist der perfekte Zeuge einer unvorstellbar fernen Zeit.

Der „Ötzi“ hat speziell auch die lokale Archäologie nördlich und südlich der Fundstelle beflügelt. Im Ötztal wurden mehrere steinzeitliche Stätten entdeckt, darunter die Jägerstation am „Hohlen Stein“ bei Vent im Ötztal und ein Jägerlager im Zwickel von Nieder- und Rofental. Im Jubiläumssommer stellen das Ötztal und das Schnalstal den „Ötzi“ in den Mittelpunkt von Ausstellungen und Festen, Vorträgen und Veranstaltungen. ×

Stefan Ruzowitzkys Film „Die Siebtelbauern“ über den Versuch, eine Bauernschaft gleichberechtigt zu führen, ist die Vorlage für die Schlossbergspiele Rattenberg. Die Adaption für die Bühne stammt von Autor Stefan Hellbert und Regisseur Pepi Pittl. 1. 7. – 6. 8. 2011, Schlossberg, Rattenberg

© ANDREAS WALDSCHÜTZ

Ötzi-Jubiläum

HÖCHSTER MUSIKGENUSS

BUCHTIPP: QUALITÄTSOFFENSIVE In vielen Hotels steckt das Qualitätsmanagement noch in den Kinderschuhen. Das erste Tourismusbuch der BTV, „Erfolgsgeheimnisse“, setzt sich genau mit diesem Thema auseinander. Der Ratgeber von Elfriede Krempl und Tina Brandstetter versteht sich als Praxishandbuch. Interviews, Beispiele aus der Praxis und die Grundzüge des Qualitätsmanagements bilden die Basis des 300 Seiten starken Buchs. Ebenfalls inkludiert: eine CD-Rom mit BeispielProzessen, Trainingsmodulen und Checklisten. Der Schwerpunkt liegt auf Qualitätsmanagement für familiengeführte Hotels.

Im Wortsinne obenauf ist das Elektronikmusikfestival Nordkette Wetterleuchten, das auf der Seegrube hoch über Innsbruck vonstatten geht. Mit dabei sind Blind Idiot Gods, Disasterradio, Ogris Debris (Bild), Bomb the Bass und Turbodeli. 16./17. 7. 2011, Nordkette, Seegrube, Innsbruck

WEITERE VERANSTALTUNGEN Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 7. 7. – 28. 8. 2011, Schloss Ambras, Tiroler Landestheater u. a., Innsbruck, www.altemusik.at Sommertheater Kitzbühel, Yasmina Reza: Kunst 26. 7. – 19. 8. 2011, 20 h, Kulturhaus Reith bei Kitzbühel, www.eventarts.at Operettensommer Kufstein, Die Zirkusprinzessin 29. 7. –13. 8. 2011, Festungsarena, Kufstein www.operettensommer.com Kreuzgangkonzerte: Du holde Kunst u. a. bis 4. 8. 2011, Augustinermuseum Rattenberg www.augustinermuseum.at


32 MAGAZIN SAISON

Die erste theALPS-Vollversion – eine Bilanz Im Vorfeld gab’s viel Skepsis: Ein völlig neues touristisches Messe-, Netzwerk und Handelsformat theALPS in weniger als einem halben Jahr auf die Beine zu stellen – das galt als absolutes Risiko. Doch unter dem Strich lautet das Resümee schließlich: Es hat geklappt. Der Anstoß ist erfolgreich gemacht.

© MICHAEL RIEDLER (2)

VON MICHAEL RIEDLER

W

ir haben uns beteiligt im Bewusstsein, dass es ein Risiko gibt. Doch jetzt habe ich das Gefühl, das Geld war gut investiert. Man hat klar gesehen, was für ein großes Potenzial die Alpenkooperation hat“, lobte Harald Ultsch, Tourismusspartenobmann in der Wirtschaftskammer, nach der Veranstaltung in Wattens und Innsbruck. In der kurzen Planungsphase gelangen immerhin schon wichtige Weichenstellungen: Bedeutende Alpendestinationen konnten ins Boot geholt werden, Graubünden etwa oder die wichtigste französische Alpenregion Rhone-Alpes. Das vielleicht wesentlichste Element der ersten Vollversion in Innsbruck war der neue B2B-Handelsraum in der Innsbrucker Dogana für internationale Reiseveranstalter sowie Vertreter alpiner Qualitätsangebote. Registrierte Teilnehmer konnten im Vorfeld Termine via iPad vereinbaren, und rund 700 solcher Vereinbarungen wurden auch getroffen. Und eingehalten, wie Teilnehmer feststellten. Annemarie Meyer, Marketing-&-

Sales-Direktorin von Davos-Klosters: „Wir haben im Vorfeld sechs bis sieben Termine vereinbart, und zwar ausschließlich mit TopLeuten, mit denen wir bisher nicht zusammengearbeitet haben. Und das Erstaunliche war: Alle Termine wurden bestätigt. Die Top-Leute kann man hier in relativ kurzer Zeit treffen, ohne großen Aufwand.“ Die Profis gingen erstaunlich gelassen mit anfänglichen technischen Problemen um und zogen positive Vergleiche zu anderen touristischen Messeformaten: „Die Swiss Travel Market findet nur alle zwei Jahre statt, und um wichtige Leute zu treffen, ist ein zweijähriger Rhythmus einfach zu lang. Es braucht eine jährliche Veranstaltung“, sagt Meyer. Susanne Marie Servin, Chefin des amerikanischen Touroperators HerzerlTours, lobt: „Diese Veranstaltung ist eine sehr gute Idee.“ Nicht zuletzt, weil man damit auch die Österreich Werbung zu höheren Anstrengungen in puncto Bergurlaub animiere.

Weichen wurden gestellt. Resümee:

Die

Veranstaltung

Das wurde

erfolgreich etabliert (was vorher durchaus als nicht selbstverständlich galt), Bewusstseinsbildung geschaffen und ein umfangreiches Symposiums- und Workshop-Programm auf die Beine gestellt. Top-Profis wurden nach Innsbruck gebracht. Einige Kinderkrankheiten sind noch auszumerzen: So muss etwa die ganze Abwicklung des Verkaufs über iPads künftig noch einfacher werden, sagt Margreiter, der aber die perfekte Organisation durch das Projektteam unter Leiterin Helene Forcher lobt. theALPS war eine Tiroler Initiative, wurde auch von Tirolern umgesetzt. Künftig soll theALPS aber auf viel internationalere Beine gestellt werden, unter anderem mit der EU oder der Euregio als Partner, 2012 noch einmal in Innsbruck, dann in jeweils einem anderen Alpenort. Jetzt gilt es, die Möglichkeiten voll auszuschöpfen. So hat etwa die BusinessDating-Plattform noch großes Entwicklungspotenzial, wie Helene Forcher sagt: „Die Arbeit geht einen Tag nach Ende der Veranstaltung sofort wieder weiter.“ ×


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„Spüre eine neue Einstellung hier“ Andy Perrin, Vorstandschef des Reiseveranstalters Hotelplan UK, glaubt, dass theALPS für einige touristische Anbieter, aber auch für Touroperators eine größere Bedeutung erlangen kann als große Tourismusmessen wie die ITB.

S

tischen Anbieter. Bei großen Reisemessen ist das gar nicht in diesem Umfang möglich, weil dort die Top-Leute eben nicht überall sein können. Hier trifft man sich und kann in kurzer Zeit sehr viel bewegen.

Was sind die Gründe dafür? Für uns ist der Ansatz schon einmal sehr wichtig. Bei großen Tourismusmessen wie der World Travel Market in London, der ITB in Berlin oder auch der ACTB in Wien sind immer

Bringt die Kooperation theALPS den britischen Reisenden auch etwas oder suchen die nicht vielmehr von Haus aus nach der Reisedestination „Österreich“ oder „Schweiz“, aber nicht nach den „Alpen“? Die Kunden, die zu uns kommen, haben sich in der Regel bereits für einen Bergurlaub entschieden. Trotzdem kann theALPS

AISON: Herr Perrin, wie sinnvoll ist für Sie die Idee von theALPS? ANDY PERRIN: 100-prozentig sinnvoll. Wir waren schon beim ersten Zusammenkommen von theALPS vor einem Jahr dabei und haben hier bereits gesehen: Das macht Sinn, wir sind da voll dabei.

„Wir waren schon beim ersten Zusammenkommen von theALPS vor einem Jahr dabei und haben hier bereits gesehen: Das macht Sinn, wir sind da voll dabei.“

Andy Perrin ist Chief Executive Officer von Hotelplan UK, unter deren Dach bekannte Touroperators wie Inghams, Esprit, Total und Inntravel agieren. Hotelplan UK ist nach der TUI der zweitgrößte britische Reiseveranstalter für den Alpenraum.

eine ähnliche Kundenschicht anspricht. Da braucht es gemeinsame Bemühungen, um dies zu ändern? Ja, der britische Familienurlauber will zum Beispiel im Sommer vor allem Sonne und Strand haben. Wenn wir ihm unsere Bergangebote zeigen, sagt er: Ja, das schaut alles ganz schön aus, aber wir wollen einen Strand. Das Bemerkenswerte ist: Praktisch jede Familie, die wir nach Österreich gebracht haben, hat danach gesagt: Das war der beste Familienurlaub, den wir je gehabt haben.

ANDY PERRIN

die Städtereisen im Vordergrund gestanden. Für unsere Gruppe, die sich auf den Bergurlaub spezialisiert hat, war das nicht ideal. Deshalb haben wir die Kooperation theAlps sehr begrüßt. Sie finden die Idee gut. Wie sieht es mit der Umsetzung aus? Das Tolle ist, dass wir hier nur touristische Anbieter treffen, mit denen wir entweder schon zusammenarbeiten oder mit denen wir gerne zusammenarbeiten wollen oder mit denen wir zumindest gemeinsame Interessen haben. Ich habe hier wirklich noch keinen einzigen Menschen getroffen, von dem ich nicht eine gute Idee, eine Anregung erhalten oder etwas Wichtiges gelernt habe. Das sind zwei, drei ganz intensive Tage, weil eben alles ganz gezielt auf die Alpen konzentriert ist. Das erhöht die Qualität der Geschäfte? Ja, man hat im Alltagsgeschäft prinzipiell immer zu wenig Zeit. Hier haben wir die Möglichkeit, in kurzer Zeit sehr viele TopLeute zu treffen, die Spitzenleute der touris-

durchaus etwas für unsere Kunden bringen, weil sie einfach mit größerer Effizienz angesprochen werden können. Oft zählt beim touristischen Marketing noch: Wie kann ich den Kunden vom Nachbarort in meinen Ort locken? Dafür wird viel Geld ausgegeben. Man soll aber stattdessen versuchen, die Gesamtzahl der Menschen zu erhöhen, die sich für einen Bergurlaub interessieren oder begeistern. Da hat dann jeder Ort etwas davon. Dazu braucht es eben mehr Kooperation. Und dieses neue Denken kann theALPS initiieren? Wir spüren diese neue Einstellung hier. Und sie ist auch notwendig, denn gerade im Sommer steht der Bergurlaub unter starker Konkurrenz. Viele unserer Kunden kommen im Sommer, nehmen in einem Ort Quartier und unternehmen von dort aus entspannte Ausflüge in die Umgebung. Und das, was ich damit beschreibe, ist eigentlich nichts anderes als das, was eine Kreuzfahrt auch bietet. Der Kreuzfahrtboom nimmt dem Bergtourismus im Sommer viele potenzielle Kunden weg, weil er vielfach auch

Was halten Sie davon, dass bei „theALPS – a new way of trading“ auf Prospekte und Kataloge verzichtet wird und dafür über iPads kommuniziert wird? Hut ab, dass die Veranstalter das so gemacht haben. Es funktioniert noch nicht alles 100-prozentig perfekt, aber Perfektion steht dabei gar nicht im Vordergrund. Wichtig ist, dass damit ein Zeichen gesetzt wird: theALPS denkt in die Zukunft hinein. Kann sich theALPS mit großen Tourismusmessen wie ITB und WTM vergleichen? Nein, das sind zu unterschiedliche Veranstaltungen. Und einige Dinge sind eben so nur bei theALPS möglich. Wir sind sehr zuversichtlich und werden sicher in den nächsten Jahren wieder dabei sein. Die Veranstaltung ist ein fixer Bestandteil in unserem Terminkalender. Auf die ITB dagegen gehe ich seit einiger Zeit nicht mehr. Wenn theALPS richtig weiterläuft, dann kann diese Veranstaltung für manche wichtiger werden als die ITB, weil sie hier in zwei Tagen mehr erreichen als in einer Woche ITB. Vielen Dank für das Gespräch.

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34 MAGAZIN SAISON

den wird.“ Dabei helfe Insights for Search. Die Top-Drei der Zusatzbegriffe beim Wandern sind aktuell zum Beispiel „wandern Südtirol“, „wandern Schwarzwald“ und „wandern Schweiz“.

© GERHARD BERGER

Prognose von Grippewellen.

Urlaubst du schon oder googelst du noch? Wonach googeln Österreich-Urlauber? Finden sie, was sie suchen, oder gibt es das, was sie wollen, vielleicht (noch) gar nicht? Wer interessiert sich eigentlich für Österreich? Karl Pall, Chef von Google Österreich, hat die meistgenutzte Suchmaschine der Welt nach Antworten durchforstet. VON SONJA K AINZ

G

oogle weiß alles. Wo wir sind, wo wir einkaufen und wohin wir auf Urlaub fahren. Was Datenschützer regelmäßig warnend den Zeigefinger erheben lässt, soll sich jetzt für Touristiker als nützlich erweisen. Zumindest wenn es nach Karl Pall, Chef von Google Österreich, geht. Mit dem Google-Tool Insights for Search soll sichtbar werden, wer auf welche Weise über Google nach den Alpenregionen sucht, woher die Gäste kommen und wo das Interesse an den Alpen besonders groß ist. Dieses Wissen könnte sich für die heimischen Hoteliers nach Ansicht des Google-Chefs definitiv auszahlen.

Beliebteste Alpenregion.

Mit Insights for Search kann man sich die weltweiten Suchanfragen nach bestimmten Begriffen, nach Ländern, Regionen und im zeitlichen Verlauf anschauen. Eine Auswertung dieser Anfragen, die Pall

für seinen Vortrag bei theALPS durchführte, hat unter anderem ergeben, dass Österreich, was Suchanfragen bezüglich Unterkünften und Hotels betriff t, die beliebteste Alpenregion ist. Das eigentlich Überraschende dabei: Relativ viele Suchanfragen stammen aus Ländern, bei denen man es nicht auf den ersten Blick vermutet hätte, wie Großbritannien und die USA. Von dort kamen etwa elf Prozent der Anfragen, demgegenüber waren es rund 30 Prozent aus Deutschland. Im Detail lassen sich dann auch Trends ablesen. „Man sieht zum Beispiel, was zunehmende Fragen aus dem Bereich sind und was noch dazu gefragt wird“, erklärt der Google-Manager. „Es ist jedermanns Sache, hier selbst Begriffe einzugeben. Ich sage ganz gern, es gehört zur Startphase für jeden Unternehmer, egal ob im Wirtschafts- oder Medienbereich, zu fragen, was interessiert die Menschen eigentlich. Was ist das, wo die große Veränderung stattgefunden hat oder stattfin-

Eine beeindruckende Anwendung dieser Suchanalysen aus einem anderen Bereich hat Google in Österreich bereits online gestellt: die Prognose von Grippewellen. Dies geschieht anhand der Häufigkeit von Suchbegriffen, die auf die Krankheit bezogen sind und die mit historischen Verlaufsdaten abgeglichen werden. In den USA konnten die Prognosen die Grippewellen etwa zwei Wochen früher anzeigen, als dies den Centers for Disease Control möglich war. Suchanfragen bilden zeitnah die kommenden Trends ab. Pall fällt dazu als zumindest indirekt für den Tourismus relevant das Elektrofahrrad ein. „Das ist ein absolutes Thema. Das ist erst im letzten Jahr gekommen und hat ein solides Wachstum gezeigt und wird das auch weiter tun. Als Touristiker kann man sagen, was fange ich damit an. Biete ich vielleicht auch Elektrofahrräder an. Ist das ein Thema, kann ich hier in einen Markt einsteigen?“

Smartphone-Boom.

Google verzeichnet 3,6 Milliarden Suchanfragen pro Tag, 50 Prozent der SmartphoneBesitzer starten, wenn sie über das Handy das Internet nutzen, mit einer Suche. So kommt täglich eine gewaltige Datenmenge zusammen, die Google für alle Nutzer kostenfrei zur Verfügung stellt. Pall sieht im Smartphone den „besseren Computer in der Hosentasche“ und prognostiziert ein rapides Wachstum für die nächste Handygeneration: „Haben wir die Decke schon erreicht? Nein, noch lange nicht.“ In Österreich besitzt derzeit etwa ein Drittel der Handynutzer ein Smartphone. In Deutschland sind es noch etwas weniger, was sich aber schnell ändern wird, glaubt Pall: „Das wird unsere Kundenschicht sein, ich möchte gar nicht sagen von morgen, sondern in vielen Fällen schon von heute“. Neue technische Entwicklungen brauchen mittlerweile im Vergleich zu früher wesentlich weniger lang, um von einer breiten Konsumentenschicht an-


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stark wie nie! Insights for Search. Die weltweiten Suchanfragen nach dem Stichwort „Grippe“ enthüllen den Verlauf der Krankheitswellen.

genommen zu werden. Zur Veranschaulichung zieht Pall die markttechnisch relevante Zahl von 50 Millionen Nutzern heran: Das Radio brauchte 38 Jahre, um diese Grenze zu sprengen, der Fernseher nur mehr 13 Jahre, das Internet schaff te es in lediglich vier Jahren und dem iPhone von Apple gelang dieses Kunststück in nur drei Jahren. „Es geht darum, wie schnell man dabei ist.“ Nächstes Jahr könne in vielen Fällen schon zu spät sein.

Virtueller Reiseführer.

Auf diese Veränderung wird sich auch die Tourismusbranche zunehmend einstellen müssen. Das Smartphone werde zum virtuellen Reiseführer. Pall rät, rasch zu reagieren. „Es beginnt eigentlich mit der Anbindung. Wenn ich heute weiß, ich habe eine bestimmte Anzahl von Gästen im Haus, von denen ein bestimmter Prozentsatz auch ein Smartphone besitzt, möchten diese bestimmt auch die Daten nutzen.“ Als Betrieb könne man einfach alle Informationen, die man über das Haus an den Gast weitergeben möchte, über eine App zur Verfügung stellen, ebenso wie bestimmte Zusatzdienste oder aktuelle Angebote. Ein Hindernis für die Nutzung von Smartphones im Ausland sind derzeit noch mitunter sehr hohe Roaming-Gebühren. Die Lösung des Problems ist für Pall das Anbieten eines offenen WLAN-Zugangs. Das sei vor allem für ausländische Gäste sehr wichtig. In anderen Ländern sei man in dieser Hinsicht schon weiter. „In den USA oder in den skandinavischen Ländern gibt es beinahe keinen Campingplatz, der nicht über offenes WLAN verfügt.“ Die Stadt Miami habe ein flächendeckendes WLAN für alle Bürger. „Das ist eine Grundausstattung, die meiner Meinung nach in naher Zukunft fast unumgänglich sein wird“, meint Pall. Er kritisiert, dass hierzulande viele WLAN zwar anbieten, aber versuchen, damit Geld zu verdienen, „auf eine Art und Weise, die in keiner Relation zur Leistung steht“. Er sehe das auch aus Sicht des Users. „Wenn ich in einem Lokal bin und entsprechend konsumiere, sehe ich es eigentlich nicht ein, warum ich dann fürs WLAN zahlen soll.“ ×

GRoSSeS PRoGRaMM inteRnationaleR QualitätSMaRKen

... und viele andeRe MehR ...


36 MAGAZIN SAISON

On Air. Rezeptionistin Dolores Fender winkt einem User freundlich zu. „Der Service wird sehr gut angenommen.“

Ein Hotel testet die virtuelle Rezeption Mit einem innovativen Live-Hilfe-System im Internet will das Ötztaler Viersternehaus Edelweiss & Gurgl den flatterhaften Internetkunden an sich binden und mehr Website-Besucher zu tatsächlichen Gästen machen. VON SONJA K AINZ

W

er braucht schon Hilfe beim Surfen auf einer Homepage? „Weitaus mehr Internetnutzer, als man denkt“, antwortet darauf Michael Anfang, Marketingchef des Viersternehotels Edelweiss & Gurgl in Obergurgl im Ötztal. Diese Einschätzung stützt sich auf nüchterne Zahlen: An einem Donnerstag im Mai, einer anfragetechnisch traditionell lauen Zeit des Jahres, waren beispielsweise 800 potenzielle Gäste auf der Homepage des Hotels. Davon hätten aber nur drei Prozent eine Anfrage geschickt, erklärt Anfang. Im Jahresschnitt sieht es mit 4,8 Prozent etwas besser aus. Das heißt aber natürlich noch nicht, dass sich diese 4,8 Prozent auch zu einer Buchung entschließen. Im Fachjargon nennt man den Anteil jener Personen, die über die Website in direkten Kontakt zur jeweiligen Firma treten, „Konversationsrate“.

Nur zwei Prozent fragen an.

Sie liegt im Schnitt bei zwei Prozent. Obwohl sich mittlerweile branchenübergreifend viele Kunden im Internet über Angebote informieren, bedeutet das für das Unternehmen in den meisten Fällen noch keinen Kundenkontakt und dementsprechend kein tatsächliches Geschäft. Das gilt auch für die Hotellerie. Zu groß sei die Vielfalt der Inhalte im Web und nach einigen Klicks sei das Interesse des durchschnittlichen Users oft schon wieder abgeschweift, der Eindruck der ersten Homepage vielleicht schon wieder durch zig andere Inhalte überlagert, führt Anfang aus. Diesem Effekt will der Marketingfachmann mit einem neuen „Live Hilfe System“ auf der Homepage des Edelweiss & Gurgl entgegensteuern. Es soll den flatterhaften Webnutzer durch persönlichen Kontakt zum Innehalten bewegen. Das funktioniert folgendermaßen: Klickt man auf die Homepage des Hotels,

findet man am rechten Bildschirmrand einen „Live Help Button“. Wer diesen anwählt, bekommt von einem freundlichen Herrn in traditionellem Outfit per Video die Online-Hilfe erklärt. Einen Mausklick auf das nicht zu übersehende Hilfe-Symbol später, wird man innerhalb weniger Minuten per Videochat mit einem der Mitarbeiter des Hotels verbunden. Während man selbst sehen kann, wer am anderen Ende der Leitung sitzt, kann sich der User aussuchen, ob er mittels Tastatur, Voice Chat oder Video Chat kommunizieren möchte. Der Hotelmitarbeiter kann mit dem Interessenten in Kontakt treten, sofort Fragen beantworten, ein Angebot schicken oder ihm bestimmte Inhalte auf der Homepage direkt zeigen. „Die zwischenmenschliche Interaktion wird im Internet immer wichtiger“, sagt Anfang. Außerdem seien die Homepages in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Oft habe der Kunde gar keine Möglichkeit,


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rüstung, nicht jeder verfügt über Kamera und Mikrofon, und zum anderen daran, dass viele ihren Urlaub während der Arbeitszeit planen. Das sollen die Kollegen ja schließlich nicht unbedingt mitkriegen“, erklärt der 40-Jährige.

© MICHAEL RATHMAYR (4)

Informationen über den User.

HOTEL EDELWEISS & GURGL Das Viersternehaus wurde 1889 gegründet und befindet sich im Besitz der Familie Scheiber, derzeit führen es Lukas und Tanja Scheiber. Der Ganzjahresbetrieb verfügt über 255 Normalbetten und beschäftigt 80 Mitarbeiter. 2010 erzielte das Hotel 60.000 Gästenächtigungen. www.edelweiss-gurgl.com Live-Hilfe-System: www.vee24.at

das für ihn Relevante in der kurzen Zeit, die ihm meist zur Verfügung steht, auch zu finden.

Kunden gehen leicht verloren. Eine Zahl, die den Schwazer besonders stutzig gemacht hat, ist, dass 22 Prozent der Besucher der Hotelwebsite das Anfrageformular öffnen, aber nur 4,8 Prozent es dann auch abschicken. Anfang erklärt sich das so: Zeit ist ein knappes Gut und oft reicht schon das Klingeln des Telefons, um den Kunden zu verlieren. „Wenn man aber gerade aktiv mit jemandem chattet oder vielleicht sogar per Video in Verbindung mit ihm steht, ist man viel eher geneigt, das Handy einfach mal läuten zu lassen.“ Seit sechs Wochen wird das System jetzt mittlerweile im Viersternehaus getestet. Die mit 60 Prozent beliebteste Variante, um mit dem Hotelpersonal in Kontakt zu treten, ist übrigens der Textchat. „Das liegt zum einen an der technischen Aus-

Live-Hilfe-Hauptbeauftragte im Edelweiss & Gurgl ist derzeit Dolores Fender. Insgesamt sind für diesen Service während der Hauptsaison vier Mitarbeiter vorgesehen. Sie führe derzeit zwischen sechs und acht Gespräche täglich via Internet, erzählt die Rezeptionistin und bilanziert bisher positiv. „Der Service wird sehr gut angenommen. Vor ein paar Tagen habe ich beispielsweise mit einem Amerikaner gechattet, der auf der Suche nach einem Zimmer mit Verbindungstür war. Auf der Homepage konnte ich ihm dann gleich direkt die Fotos zeigen.“ Erreichbar ist der Service zu den üblichen Bürozeiten. Ein Tool, das das Live-Hilfe-System zusätzlich bietet, begeistert Anfang besonders. „Es ist auch möglich, einem User eine Einladung zu einem Chat zu schicken, also von sich aus aktiv zu werden.“ Man

fürs Edelweiss & Gurgl zu nutzen. „Ich glaube fest daran, dass das die Zukunft im Internetverkauf ist.“ Deshalb hat Anfang auch gleich den Vertrieb des Onlinetools, genannt „vee24“, für Österreich und die Schweiz übernommen. Neben England wird vee24 auch in den Vereinigten Staaten, in Deutschland, Frankreich und den Beneluxländern angeboten. Als eingefleischter Marketing-Profi hat Anfang natürlich auch einige Erfolgsstorys parat. In England habe beispielsweise ein kleines Reisebüro, das hauptsächlich Familienurlaube anbiete, dank der Live-Hilfe eine Steigerung der Konversationsrate um 900 Prozent erreicht. In Deutschland zählt unter anderem Lexus zu den Nutzern. Lexus sei es dadurch gelungen, die online buchbaren Testfahrten um 167 Prozent zu steigern, der Autoverkauf habe sich, wenn auch nicht in derselben Größenordnung, so doch immerhin um 21 Prozent erhöht. Fürs Edelweiss & Gurgl hat sich Anfang ein vergleichsweise bescheideneres Ziel gesetzt. Die Konversationsrate soll von derzeit 4,8 Prozent auf acht Prozent hinaufgeschraubt werden. „Das könnte die halben Marketingkosten einsparen“,

„Die zwischenmenschliche Interaktion wird im Internet immer wichtiger. Es ist auch möglich, einem User eine Einladung zu einem Chat zu schicken, also von sich aus aktiv zu werden.“ MICHAEL ANFANG, MARKETINGCHEF EDELWEISS & GURGL

kann nämlich sehen, wenn sich jemand beispielsweise länger die Angebote und Preise ansieht, dann gibt‘s die Möglichkeit, ihm direkt Hilfe anzubieten. Außerdem zeigt die Software an, aus welchem Land der User stammt, „andere Informationen unterliegen natürlich dem Datenschutz“, fügt er hinzu.

Zukunft Internetverkauf.

Das System wurde in England entwickelt. Es war auch ein Gast aus England, der Anfang auf die Idee brachte, die Live-Hilfe

glaubt Anfang. Ob das tatsächlich gelingt, ist derzeit noch nicht abzusehen. Immerhin sei momentan Nebensaison und die Testphase noch zu kurz, um einen Trend ablesen zu können. Neben mehreren Tiroler Hotels zählt mittlerweile auch der Ötztal Tourismus zu den Live-HilfeAnbietern. Anfang stellte die Software auch bei theALPS vor. Besonders beratungsintensive Branchen, zu denen der 40-Jährige auch den Tourismus zählt, könnten von dem Online-Tool am meisten profitieren, meint er. ×


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Ressourcen erhöhen. Es soll aber auch der Erholungswert der Natur hervorgehoben werden, der von einer immer größeren Gästeschicht gezielt gesucht wird. Zwangsläufig prallen bei der Frage, wie und in welchen Grenzen die touristische Entwicklung verlaufen soll, die Interessen aufeinander. Kann man es überhaupt irgendjemandem recht machen? Es allen recht machen zu wollen, hieße unverbindlich zu bleiben, das ist gewiss nicht mein Ziel. Nicht alle Interessengegensätze sind so unüberbrückbar, wie sie auf den ersten Blick scheinen mögen. Es ist daher wichtig gewesen, von vornherein Vertreter aller Beteiligten in die Erstellung des Raumordnungsplans einzubeziehen. © GERHARD BERGER

„Unsere natur- und kulturräumlichen Ressourcen müssen wir verantwortungsbewusst nutzen, aber nicht verbrauchen – nicht zuletzt auch im Interesse des Tourismus selbst.“

„ Beschränkter Raum verträgt kein unbeschränktes Wachstum“ Seit einem halben Jahr ist der Raumordnungsplan „Raumverträgliche Tourismusentwicklung“ in Kraft. Landesrat Christian Switak spricht im Interview mit der SAISON über Ziele und erste Erfahrungen im Rahmen des Projekts sowie Grenzen und Wachstumschancen des Tiroler Tourismus. D A S I N T E R V I E W F Ü H R T E M AT T H I A S K R A P F.

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AISON: Herr Switak, welche Ziele verfolgt die Landesregierung mit dem Raumordnungsplan „Raumverträgliche Tourismusentwicklung“? CHRISTIAN SWITAK: Der Tourismus kann je nach Ausprägung zum Teil sehr flächenintensiv und landschaftsprägend sein. Das zentrale Thema des Raumordnungsplans ist daher eine qualitätsvolle und zukunftsfähige touristische Entwicklung, die die begrenzten räumlichen Ressourcen Tirols sinnvoll nutzt und zugleich im Sinne der Nachhaltigkeit schonend damit umgeht.

Wie lassen sich die Ergebnisse auf den Punkt bringen? Mit dem Raumordnungsplan ermöglichen wir eine Einbettung des Tourismus in die Regionalentwicklung unter Beachtung der örtlich spezifischen Eignungspotenziale. Wir stellen eine behutsame bauliche Weiterentwicklung, vor allem was Großprojekte anbelangt, sicher und treffen Vorkehrungen für eine verträgliche Entwicklung der touristischen Mobilität. Mit einer Bewusstseinsbildung für die Komplexität des Lebensraums Alpen wollen wir die Sensibilität für den Umgang mit unseren natürlichen und landschaftlichen

Ist bei Raumordnungsfragen der Kompromiss immer die richtige Lösung? Es kann nicht immer und überall Kompromisse geben. Speziell die Schonung der Ressourcen macht es auch notwendig Grenzen zu setzen. Gerade hier ist die Politik gefordert. Als Beispiel möchte ich das Verbot von Neuerschließungen im Tiroler Seilbahn- und Skigebietsprogramm nennen. Wenn alle an einem solchen Planungsprozess Beteiligten erkennen, dass hier glaubhaft an einem ausgewogenen Programm gearbeitet wird, dann ist es auch leichter für notwendige Entscheidungen Akzeptanz zu finden. Wer war bei der Ausarbeitung des Planes konkret eingebunden? Vertreter von Tourismusunternehmen und der Tourismusorganisationen, die Tirol Werbung und der Koordinationsausschuss Tourismus (KAT) waren ebenso mit dabei wie die verschiedenen Interessenvertretungen, der Gemeindeverband und die Stadt Innsbruck, der Alpenverein und Umweltorganisationen sowie einschlägig tätige Dienststellen. In Summe waren deutlich über 100 Personen in verschiedenen Beteiligungsformaten eingebunden. Abschließend hat es auch das für Raumordnungspläne vorgesehene formelle Begutachtungsverfahren mit Einbindung des Tiroler Raumordnungsbeirats gegeben. Der Landesregierung lag somit am 9. 11. 2010 ein auf breiter Basis konsensual erstellter Entwurf zur Beschlussfassung vor. Welche Rolle spielen Klimaerwärmung und Naturgefahren bei der langfristigen


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Strategieentwicklung? Der Klimawandel ist zweifellos ein Schlüsselthema für die langfristige Landesentwicklung und damit auch für den Tourismus. Die Landesregierung hat daher erst vor kurzem den Auftrag erteilt, neben der konsequenten Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen diesbezügliche Anpassungsstrategien als Schwerpunktthema voranzutreiben. Ein wichtiger Aspekt ist es dabei, mehr Klarheit über die tatsächlichen regionalen Auswirkungen des Klimawandels zu gewinnen, um zielgerichtet ansetzen zu können. Auch von touristischer Seite wurden dazu ja bereits verschiedene Forschungsprojekte in Gang gesetzt. Wichtig erscheint es mir, dass hier lösungsorientiert gearbeitet wird und dass in Bezug auf den Tourismus nicht nur die problematischen Aspekte wie die Schneesicherheit oder Naturgefahren behandelt werden. Es sollen auch die Chancen, wie eine zunehmende Attraktivität des Sommertourismus, Berücksichtigung finden. Es wird die Wichtigkeit der Vernetzung und Kooperation mit anderen Wirtschaftszweigen, den Planungsverbänden und Regionalmanagements betont. Wie kann der Tourismus davon profitieren? Die Authentizität des Tiroler Tourismus ergibt sich in hohem Maße aus der einzigartigen Landschaft und seiner Integration in die Gesellschaft. Vernetzungen und Kooperationen unterstützen dieses positive Profil. Zusätzlich leisten sie auch einen Beitrag zur Erhöhung der Akzeptanz des Tourismus unter der einheimischen Bevölkerung, zahlreiche Infrastruktur- und Freizeiteinrichtungen stehen Gästen und Einheimischen gleichermaßen zur Verfügung. Die Verknüpfung zwischen Tourismus und Land- und Forstwirtschaft ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erhaltung der für Tirol typischen Kulturlandschaft, die wiederum eine wesentliche Basis für die touristische Attraktivität bildet. Kann der Tourismus in Tirol räumlich noch wachsen? Der Siedlungs- und Wirtschaftsraum in Tirol ist sehr beschränkt. Zweifellos ist die touristische Intensität in Tirol – und damit auch der Raumbedarf – insgesamt sehr hoch. Da es regional stark unterschiedliche Situationen und Perspektiven gibt, muss man diese Fra-

ge differenziert sehen. Grundsätzlich wird der Tiroler Tourismus verstärkt auf qualitatives Wachstum auszurichten sein. Nicht nur Nächtigungszahlen oder die Pistenkilometer können auf Dauer die maßgeblichen Kriterien sein, sondern die erzielte Wertschöpfung und ein nachhaltiges Profil. Sind Wachstum und Nachhaltigkeit in der Praxis nicht oft ein Widerspruch? In der Tat müssen wir über zukunftsfähige Formen des Wachstums nachdenken. Die EU-Strategie „Europa 2020“ postuliert das Ziel des „smart growth“ und versteht darunter ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Wir brauchen eine Ressourcen schonende und umweltverträgliche Entwicklung, die auch den sozialen Zusammenhalt sichert. Dieses Ziel gilt auch für Tirol und für den Tiroler Tourismus: Beschränkter Raum verträgt kein unbeschränktes Wachstum. Unsere natur- und kulturräumlichen Ressourcen müssen wir verantwortungsbewusst nutzen, aber nicht verbrauchen – nicht zuletzt auch im Interesse des Tourismus selbst. Wo hört die verträgliche Tourismusentwicklung auf und fängt die Übernutzung an? Es gibt keine eindeutige „Grenze“, aber Indizien, die uns eine problematische Entwicklung signalisieren. Nehmen wir als Beispiel die Verkehrsüberlastung in einzelnen Talschaften beziehungsweise auf einzelnen Streckenabschnitten, die die Mobilität stark beeinträchtigt und hohe Infrastrukturkosten verursacht. Auch ausgestorbene Ortschaften, in denen außerhalb der Saisonzeiten Gasthäuser und Geschäfte geschlossen bleiben, führen langfristig zu einem Lebensqualitätsverlust und in weiterer Folge zu einem Akzeptanzproblem innerhalb der Bevölkerung. Das Thema Verkehr beziehungsweise Mobilität ist gerade auch für den Tourismus von großer Bedeutung. Wo orten Sie hier Verbesserungspotenzial? Wir müssen die Stärkung des Öffentlichen Verkehrs vorantreiben und unseren Gästen diese Angebote bewusst machen. Angemessene Siedlungsstrukturen und Mobilitätsangebote am Urlaubsort sollten das Mobilitätsverhalten positiv beeinflussen. Auch die Forcierung der Elektromobilität und die Entwicklung und bewusste Bewerbung

autofreier Urlaubsaktivitäten sind Beispiele für diesbezügliche Maßnahmen. Der Raumordnungsplan wurde etwa vor einem halben Jahr von der Tiroler Landesregierung beschlossen. Hat er sich in der Praxis bereits bewährt? Für die Bewertung eines Strategieplans ist der Beobachtungszeitraum von einem halben Jahr nach Umsetzung zwar etwas kurz, wir können aber trotzdem bereits sagen, dass sich der Raumordnungsplan bewährt. Schon allein durch den Ausarbeitungsprozess konnten wir Bewusstsein bilden. Die zahlreichen Beteiligten haben eine gemeinsame Sicht des Handlungsbedarfs und der Handlungsmöglichkeiten entwickelt, die Sensibilität für bestimmte Themen hat zugenommen. Im engeren Handlungsbereich des Landes ist der Raumordnungsplan eine Richtschnur für alle raumrelevanten Aktivitäten mit Tourismusbezug. In den Regionen werden zahlreiche Projekte entwickelt, die den Intentionen des Raumordnungsplans entsprechen. So steht beim Projekt „Nature Watch“ das Beobachten und Entdecken der heimischen Flora und Fauna im Vordergrund, „Climbers Paradise“ präsentiert die Vielfalt der Kletterwelt Tirols, Genussregionen wie „Stanzer Zwetschke“, „Osttiroler Berglamm“ oder „Nordtiroler Gemüse“ definieren sich über die kulinarischen Besonderheiten der Region, um nur einige Beispiele anzuführen, bei denen die Naturressourcen Tirols ein gern angenommenes Highlight im touristischen Angebot darstellen. Vielen Dank für das Gespräch.

DOWNLOAD Der Raumordnungsplan „Raumverträgliche Tourismusentwicklung“ kann auf www.tirol.gv.at/ raumordnung als pdf heruntergeladen werden.

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Shalom, Serfaus! Viele Tourismusbetriebe ächzen unter dem Gästeschwund in der Sommersaison. In Serfaus sorgen ungewohnte Gäste auch in der warmen Jahreszeit für volle Betten. V O N S Y LV I A A I N E T T E R

er Sommer ist für viele Tourismusbetriebe keine einfache Zeit. Weniger Gäste als im Winter kommen in die Berge – wer nichts Besonderes zu bieten hat, bemerkt das schnell an der Auslastung. Auch die Hotels im Skifahrerparadies Serfaus haben in den warmen Monaten zu kämpfen: Serfaus war im Jahr 2010 mit 1.052.087 Nächtigungen in Tirol zwar auf Platz 7, doch nicht einmal ein Drittel (32 %) der Nächtigungen fallen auf den Sommer (Landesstatistik Tirol). Diese Zahl wäre wohl noch niedriger, hätten nicht ein paar Hoteliers eine besondere Zielgruppe entdeckt: orthodoxe Juden. „Wir bekamen per E-Mail eine Anfrage, ob wir jüdisch-orthodoxe Gäste beherbergen würden. Uns hat das Neue gereizt – und so öffnen wir diesen Sommer das Hotel bereits zum sechsten Mal exklusiv für jüdische Urlauber“, erklärt Sonja Purtscher, Juniorchefin des Hotels Alte Schmiede in Serfaus. Eine ungewöhnliche Methode, um dem sommerlichen Gästeschwund vorzubeugen – gilt die Beherbergung von orthodoxen Juden doch als besonders anspruchsvoll. Juden haben sich an viele Regeln zu halten, die jüdischen Speisegesetze (Kashrut) alleine sind schon kompliziert genug. Nichtsdestotrotz scheint die Rechnung aufzugehen: Zwischen 1.000 und 2.000 orthodoxe Juden urlauben jeden Sommer in Serfaus. „Wir haben auch Stammgäste, die jedes Jahr wieder kommen. Die Resonanz ist sehr gut“, zeigt sich Purtscher zufrieden. Ein wenig anders sieht das Hotel aber in der Sommersaison schon aus. „Die Hausbar wird zu einem Gebetsraum umgestaltet“, nennt Purtscher nur ein Beispiel dafür, wie das Hotel für die speziellen Gäste umgestaltet wird.

Koschere Hotelküche. Jüdischorthodoxe Urlauber zu beherbergen, setzt auch Wissen über das Judentum voraus – und die Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Denn orthodoxe Juden halten sich peinlich genau an die strengen Regeln der Thora und des Talmuds – am bekanntesten in Mitteleuropa sind die jüdischen Speisegesetze. Diese schreiben vor, dass nur koschere und koscher zubereitete Lebensmittel verzehrt werden


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Stromloser Sabbat. Doch nicht nur der Küchenbetrieb unterscheidet sich wesentlich von dem in der Wintersaison. Auch am Samstag (Sabbat), dem Ruhetag der Juden, läuft der Hotelbetrieb ein wenig anders ab. Die drei wichtigsten Regeln für den Sabbat: Es darf nicht gearbeitet werden, es darf kein Feuer entfacht werden (also auch kein Funken erzeugt und somit kein Stromschalter betätigt) und man darf sich nicht weiter als

SONJA PURTSCHER, JUNIOR-CHEFIN HOTEL ALTE SCHMIEDE, SERFAUS

© MAROUNDPARTNER GMBH

dürfen. Für den Hotelbetrieb heißt das konkret, dass die Küche umgestellt und adaptiert werden muss – und auch alle Gerätschaften müssen „gekaschert“, also koscher gemacht werden. Dies geschieht beispielsweise durch Erhitzen oder Eintauchen der Geräte in kochendes Wasser. Dann müssen die Arbeitsbereiche neu aufgeteilt werden. „Milchige und fleischige Lebensmittel müssen getrennt voneinander verarbeitet und zubereitet werden“, erklärt Purtscher. In der Küche gibt es dann zwei Kochbereiche, zwei Kochgeschirrausstattungen und sogar zwei Geschirrspülmaschinen. Fleischiges und Milchiges dürfen unter keinen Umständen miteinander in Berührung kommen – sonst gilt die Speise als „treife“, also nicht-koscher, und darf nicht mehr verzehrt werden. Auch die Auswahl der Lebensmittel ist eingeschränkt: Nur Fleisch von wiederkäuenden Tieren mit zweigespaltenen Hufen ist erlaubt – Schwein, Hase und Pferd sind verboten, stattdessen gibt es Rind, Lamm und Geflügel wie Huhn. Auch der Verzehr von Blut ist streng verboten, weshalb nur geschächtete Tiere auf den Teller kommen. Dass alle diese Regeln auch wirklich eingehalten werden, überprüft ein Rabbiner, der die Küche beaufsichtigt. Das geht sogar so weit, dass er jedes Ei eigenhändig öffnet, um sicherzugehen, dass kein Blut enthalten ist. Er ist bei der Zubereitung der Speisen immer in der Nähe und überwacht den Kochvorgang.

„Wir haben im Sommer eine Auslastung von 100 Prozent.“

Serfaus

1.000 Meter von der Stadtgrenze entfernen. Letzteres bedeutet, dass der Samstag als klassischer An- und Abreisetag im jüdischen Serfauser Sommer nicht gilt. „Das Licht in den Hausgängen bleibt den ganzen Tag über eingeschaltet, da keine Elektrizität betätigt werden darf“, erklärt Purtscher. Am Sabbat stehen auch die Aufzüge im Hotel still und sogar die Lichtsensoren in den Waschbecken der Toiletten haben Pause. Der Sabbat dauert von Freitagabend, Sonnenuntergang, bis zum Samstagabend, Sonnenuntergang – erst danach darf auch wieder ein Stromschalter betätigt und auch gearbeitet werden: Eine neue jüdische Woche beginnt.

Mundpropaganda.

Doch welche finanziellen Auswirkungen hat dieser Aufwand für den Hotelier? „Wir haben keinen finanziellen Mehraufwand“, sagt Purtscher, der Reiseveranstalter „Tour Olam“

kümmere sich sogar um das notwendige Equipment. Auf seiner Homepage wirbt der Veranstalter damit, dass alle Hotels streng überwacht werden – und zwar von einem eigens engagierten Rabbiner. Die nötige Ausstattung wie Gebetbücher und die Thorarolle für den Gebetsraum, aber auch Lebensmittel, die nicht aus der Region bezogen werden können, werden von „Tour Olam“ organisiert. Für die Bewerbung des koscheren Angebots sei ebenfalls der Reiseveranstalter zuständig, „aber viele kommen auch zu uns, weil sie von uns gehört haben“, so Purtscher. Im Juli und im August steht das Hotel Alte Schmiede wieder exklusiv für jüdische Gäste offen. „Wir freuen uns schon sehr, wenn es im Hotel wieder ,Shalom’ heißt“, sagt sie. Außerdem lohnt sich der Aufwand – die Auslastung des Hotels Alte Schmiede betrage im Sommer 100 Prozent. Davon können andere Hotels nur träumen. ×

VORREITER IN SALZBURG Die Auswahl an koscheren Hotels in Österreich ist nicht gerade groß: Das Hotel Alpenkarawanserai in Saalbach-Hinterglemm/Salzburg galt lange sogar als das einzige koschere Hotel in Österreich. Es wirbt unter anderem mit nach Geschlechtern getrennten Wellnessbereichen, traditionellen Reinigungsbädern (Mikveh) und jüdischen Gebetsräumen. Die koschere Küche und der traditionelle Sabbat gehören zum Standard. Doch auch die Alpenkarawanserai bietet den Service für die jüdischen Gäste nur in den Sommermonaten an.


42 Natur entdecken.Die beste Perspektive liegt nicht immer auf Augenhöhe. In Fotoworkshops erfahren Hobbyfotografen das Gespür für die Natur.

Natur im Zoom Artenvielfalt auf Zelluloid. Die Tiroler Naturparks und der Nationalpark Hohe Tauern machen ihre Artenvielfalt jetzt auch in Fotoworkshops erfahrbar und öffnen sich damit dem Weg zu einem neuen Naturbewusstsein. V o n J a n e K at h r e i n

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lle vier von sich gestreckt liegt er da. Tarnen und täuschen. „Das ist ein besonders schönes Exemplar“, schwärmt Reinhard Hölzl. Die meisten Schnellkäfer sind schwarz, dieser ist braun. Hölzl wartet. Stative werden verrückt. Objektive gewechselt. Alles möglichst geräuschlos. Plötzlich springt der Käfer in die Bauchlage, verharrt noch kurz in Hölzls Handfläche, um sich dann auf und davon zu machen. Hat das jemand fotografisch festgehalten? Kopfschütteln geht durch die Runde. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, spontan sein, diesen Leitsatz gibt der Naturfotograf Reinhard Hölzl gleich zum Auftakt des viertägigen Fotoworkshops mit. Die meisten Motive in der Naturfotografie könne man in Szene setzen. Aber eben nicht alle. Für den Schnellkäfer waren wir zu langsam. Die Tiroler Naturparks und der Natio­nalpark Hohe Tauern gehen diesen Sommer neue Wege und laden Naturfreunde zum großen Zoom. In Fotoworkshops, angeleitet von professionellen Na-

turfotografen wie Reinhard Hölzl, sollen sie das echte Tirol auf Zelluloid bannen. Erste Überlegungen dazu gab es schon vor zwei Jahren. Die Premiere fand im Alpenpark Karwendel statt. „Der Anfang ist gemacht“, sagt Hermann Sonntag, Leiter des Alpenpark Karwendel, erleichtert. In einzelnen Themenschwerpunkten wird die Tiroler Tier- und Pflanzenwelt in den fünf Naturparks und im Nationalpark Hohe Tauern in den Mittelpunkt geholt. Professionelle Naturfotografen, die wie Reinhard Hölzl aus der Gegend stammen, begleiten die Kursteilnehmer durch die verschiedenen Lebensräume. Hölzl freut sich über das kindliche Staunen seiner Wegbegleiter. „Ich bin hier so häufig unterwegs, dass einem das Besondere gar nicht mehr auffällt.“

Pirsch durch das Halltal.

Es sind ambitionierte Hobbyfotografen, die heute durch das Halltal pirschen. Grundsätzlich kann aber jedermann bei den Workshops mitmachen. Angereist sind die Teilnehmer aus der Schweiz, aus Deutschland und aus Tirol. Man tauscht sich aus. Jeder kann von

jedem lernen. Reinhard Hölzl hält sich im Hintergrund. Gibt da und dort kurze Tipps. Der dazu passende Theorieteil folgt dann am Abend. Jetzt wird das Tageslicht genutzt. Angeführt von Hermann Sonntag stapft die Gruppe den Halltalbach entlang. Der Langsamste bestimmt das Tempo. „Vor zwei Jahren mussten wir an dieser Stelle über ein Schneefeld stapfen“, erzählt Hermann Sonntag. Am meisten erfährt man eben doch von den Einheimischen. Sich Zeit lassen, mit offenen Augen durch Wald und Wiesen streifen. Die Geräusche wahrnehmen. Für gestresste Großstadtmenschen eine schwere Übung. Ein richtig gutes Naturfoto ist eine Komposition aus Licht, Schatten, Linien und Farben, Blick- und Bildwinkel, weiß Reinhard Hölzl. Einen guten Fotoplatz müsse man meistens mehrmals aufsuchen, um die Stimmung und das beste Licht zu erhaschen. Ideale Arbeitszeiten? Die frühen Morgenstunden und spät am Abend. Am Standort „Frauenschuh“ wird dann auch klar: Naturfotografie hat weniger mit Bilderbuchromantik zu tun. Sie ist ein


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Inszenieren. Reinhard Hölzl steckt viel Zeit in die Vorbereitung des Bildhintergrundes.

Knochenjob. Wir kauern auf dem feuchten Waldboden und beobachten die gelbrotblühende Orchideenart aus der Nähe. Die beste Perspektive befindet sich nicht immer auf Augenhöhe. Also legen wir uns auf den Boden. Zeckenalarm. Wer lange Hosen trägt, ist gut beraten. Ideal wären Kleider in Naturfarben. Doch eigentlich sind alle Farben o. k., bis auf Blau, meint Hölzl. Das kommt in der Natur nicht vor, schlägt die Wildtiere daher in die Flucht.

Vielfalt an Motiven. Fotografen sind Spinner, die tagelang Tieren nachschleichen, um mit einem einzigen Foto zurückzukommen? Ja, das könnte hinkommen. Fünf Stunden zu warten kann fünf Minuten zu wenig sein“, sagt Reinhard Hölzl. Der Naturfotograf muss seine Ausrüstung beherrschen und in jeder Lage ein gutes Bild machen können. Idealerweise ist er Biologe und weiß über die Symbiosen in der Tierund Pflanzenwelt Bescheid. Hölzl hat sich vieles selber beigebracht, auch ein paar Semester Biologie studiert. Die Naturfotografie ist jener fotografische Bereich mit der größten Vielfalt an Motiven. Die Tierwelt hat mehr als eine Million Arten, man kann sich gut vorstellen, dass man eine Palette von Kameras, Objektiven, Stativen und anderer Hilfsmittel braucht, will man all diese Motive fotografisch festhalten. Schaut man in die Runde, findet man alle Fotomarken. Hölzl will keine Empfehlung abgeben. Fragt man sich durch, wird auch schnell klar: Jeder Fotograf bevorzugt einen bestimmten Hersteller. Die Gründe dafür sind nicht immer objektiv nachvollziehbar. „Beim Fotografieren versuchen,

© MICHAEL GLIENECKE (2)

DIE NÄCHSTEN TERMINE • Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen, 29. 6. bis 3. 7. 2011 Thema: Berg & Naturfotografie; mit Hermann Muigg, Bernd Ritschel • Naturpark Ötztal, 14. bis 18. 9. 2011 Thema: Hochalpine Naturlandschaft, Gletscher, Makro; mit Jürgen Winkler • Nationalpark Hohe Tauern, 21. bis 25. 9. 2011 Thema: Formen der Landschaft im Nationalpark Hohe Tauern; mit Patrice Kunte, Henning Bode • Naturpark Kaunergrat, 28.9. bis 2. 10. 2011 Thema Steinbock und Gämsen, herbstliche Weitblicke, Almwiesen & Moore; mit Reinhard Hölzl, Anton Vorauer

das optimale Ergebnis zu erreichen, dann ist der Aufwand bei der Bildbearbeitung im Nachhinein gering“, sagt Hölzl und zupft ein paar welke Grashalme aus dem Bildausschnitt. Der Frauenschuh kommt noch mehr zur Geltung. Ein lebhafter Hintergrund wirkt meistens störend. „Wenn ich Pflanzen fotografiere, verwende ich meistens mehr Zeit mit der Gestaltung des Hintergrundes als mit dem eigentlichen Motiv.“ Wir tun es ihm gleich. Nur gegen das viele Treibholz, das im Bett des Halltalbaches liegt, können wir nichts ausrichten.

Gamsbock in der Schotterhalde. Hermann Sonntag sucht mit dem Fernglas die gegenüberliegenden Berghänge ab. Gamsböcke treiben sich sonst hier herum. Doch heute will sich keiner zeigen. Noch beeindruckender für die Gäste wäre ein Adler. Doch heute will keiner seine Bahnen über die Berggipfel des Karwendel ziehen. Am Ende der Tour ist er da. Ein stattlicher Gamsbock stapft die Schotterhalde hinauf. Jetzt kommt das Fernglas zum Einsatz. Jeder schaut einmal Richtung Gamsbock. Um ihn auf Zelluloid zu bannen, ist die Entfernung zu groß. „Das wäre jetzt ein Fall für das Teleobjektiv“, macht Reinhard Hölzl bereits Lust auf mehr. Der Anblick dieses stattlichen Tieres macht uns auch aus der Weite zufrieden. ×

ARTENVIELFALT IN TIROL Fünf Naturparks und der Nationalpark Hohe Tauern rücken den Schutz der alpinen Pflanzen- und Tierwelt ins Bild. NATIONALPARK HOHE TAUERN • 1.800 km² (611 km² allein in Tirol) • Großglockner (3.798 m); Pasterzenkees am Fuße des Großglockners (20 km²) ist der größte Einzelgletscher der Ostalpen (Länge 9 km, Eisdicke 250 m). In der Venedigergruppe liegen die größten zusammenhängenden Gletscherflächen Österreichs. • 10.000 Tierarten leben im Nationalparkgebiet, darunter 40 Adlerbrutpaare, wildlebende Gänsegeierpopulation, Gämse, Murmeltier, Steinadler, der wieder eingebürgerte Alpensteinbock und der Bartgeier. • www.hohetauern.at ALPENPARK KARWENDEL • 727 km², 2009 zum Naturpark ernannt und damit der jüngste in Tirol; das größte Tiroler Schutzgebiet und der größte Naturpark Österreichs • 800 Schmetterlingsarten, östlichste Verbreitung der Latschenwälder in den Alpen • Wildflusssystem Isar • 350 Quellen; 1.305 Pflanzenarten, 3.035 Tierarten (größte Steinadlerdichte der Alpen) • 150-jährige Alpingeschichte • www.karwendel.org NATURPARK KAUNERGRAT • 589 km² • Im Mai 1998 wurde der Naturpark Kaunergrat (Pitztal-Kaunertal) gegründet. • Fließer Trockenrasen, Moore am Piller Sattel, Arzler Pitzeklamm • www.kaunergrat.at NATURPARK ÖTZTAL • 510 km², Wildspitze (3.774 m); höchstgelegenes Moor der Ostalpen am Rofenberg (2.760 m); Stuibenfall; 67 Gletscher; 850 Planzenarten; 960 Tierarten • Naturdenkmal Obergurgler Zirbenwald; Naturwaldreservat im Windachtal bei Sölden • UNESCO Biosphärenpark Gurgler Kamm • www.naturpark-oetztal.at NATURPARK TIROLER LECH • 41 km², Natura 2000 Schutzgebiet; seit 2004 offiziell anerkannter Naturpark • Wildfluss Lech mit Überflutungszonen, Auwälder, Bergmischwälder erstrecken sich von 800 m bis 1.380 m Seehöhe • www.naturpark-tiroler-lech.at HOCHGEBIRGS-NATURPARK ZILLERTALER ALPEN • 379 km², 85 Gletscher • Artenreiche alpine Landschaften zwischen 1.000 und 3.500 Höhenmetern. Wechselnde Ausstellungen im Naturparkhaus Ginzling. • www.naturpark-zillertal.at

NATURE WATCH Nature Watch nennt sich ein spezielles Angebot, für das sich die Tirol Werbung und Swarovski Optik entschlossen haben. Mit einem Nature-Watch-Guide wandern Naturbegeisterte durch die Tiroler Naturräume. Die Tier- und Pflanzenwelt erkunden sie dabei mit Hilfe der neuesten Ferngläser von Swarovski Optik. www.nature-watch.at


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Dramatik in Innerkrottenberg Die Geierwally Freilichtbühne steht 2011 unter neuer Führung. Bernhard Wolf, künstlerischer Leiter, Schauspieler und Autor aus dem Lechtal, sorgt gemeinsam mit Autor und Regisseur Thomas Gassner für frischen Wind respektive Sturm in den Bergen. Da s Interview führte Es ther Pirchner .

In dem Stück haben Sie sich einiger typischer Zutaten bedient: verfeindete Dörfer, ein Fremder, der von außen in ein entlegenes Tal kommt, Liebeszenen und handfeste Prügeleien … Bernhard Wolf: Natürlich muss man auf das Stammpublikum ein wenig Rücksicht nehmen. Man braucht niemanden nackt über die Bühne jagen und mit Blut bespritzen. Das würde ich auch nicht wollen. Aber die Zutaten waren einfach für den Krimi notwendig und für die Situation, die wir schaffen wollten. In der Probenphase haben die Figuren dann solche Eigenheiten bekommen, dass das Stück fast schon wieder skurril ist. Die Leute machen das richtig gut!

Die Handlung ist im Tirol der 1960erJahre angesiedelt. Lässt sich die Geschichte vor 50 Jahren besser erzählen als heute? Thomas Gassner: Die Sechziger waren eine sehr interessante Zeit. Tirol war – international gesehen – noch im Dornröschenschlaf. „Sturm in den Bergen“ spielt in Innerkrottenberg, und wenn in so eine Abgeschiedenheit jemand von außen kommt, werden die Dorfbewohner mit anderen Dingen konfrontiert. Der Kommissar bringt Rock-’n’-Roll-Platten mit, ist anders angezogen und die Jugend springt ein bisschen auf das auf. Da wird das Dorf auch durchgerüttelt, was natürlich dramaturgisch sehr spannend ist. Bernhard Wolf: Die Stücke in Elbigenalp haben bisher immer im 18. und

„In der freien Szene ist man ja auf Zwei- bis Dreipersonenstücke festgelegt und muss dann noch daheim den Duschvorhang abbauen, damit man ein Bühnenbild zusammenbekommt.“ Thomas Gassner

19. Jahrhundert bzw. zur Jahrhundertwende gespielt. Jeder Darsteller hat fast jedes Jahr dieselbe Lederhose anziehen müssen. Wir wollten einfach einmal in eine andere Zeit hineinrutschen. Auch dass es sich um eine Kriminalkomödie handelt, unterscheidet „Sturm in den Bergen“ von den bisherigen Stücken in Elbigenalp. Wollten Sie als neuer künstlerischer Leiter der Freilichtbühne auch ein neues Genre erschließen? Bernhard Wolf: Ich finde, dass man nach den schweren Dramen der letzten Jahre schon einmal eine Komödie dazwischenstreuen kann. Es gibt in „Sturm in den Bergen“ aber auch ernste Szenen und es wird auch dramatisch. Die Grundidee, die ich im Kopf hatte, war ja, ein ernstes Stück zu schreiben, aber wir haben festgestellt, dass wir Komödie eigentlich viel besser können. In den Proben merken wir, dass das die richtige Entscheidung war. Arbeiten Sie mit denselben Laiendarstellern wie in den vergangenen Jahren? Bernhard Wolf: Ja, es gibt einen ziemlich großen Pool an Schauspielern, aus denen ich das Ensemble zusammengestellt habe. Die Geierwally Freilichtbühne war ja über all die Jahre immer ein Erfolg. Die haben gut vorgelegt und ich muss nur nachziehen. Also habe ich mir gedacht: Never change a winning team! Im Laientheater können Sie – im Gegensatz zur freien Szene – auch einmal mit einem großen Ensemble arbeiten. Thomas Gassner: Ja, das ist super! In der freien Szene ist man ja auf Zwei- bis Dreipersonenstücke festgelegt und muss dann noch daheim den Duschvorhang abbauen, damit man ein Bühnenbild zusammenbekommt. In Elbigenalp bauen die Leute die Bühne, bringen Originaltei-

© gerhard berger

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AISON: Nach Ihrer Kurzfassung der Bibel haben Sie mit „Sturm in den Bergen“ ein Volkstheaterstück für die Geierwally Freilichtbühne verfasst. Liegt Ihnen das Volkstheater am Herzen? Thomas Gassner: Ich merke mit den Jahren, dass ich immer mehr zum Volkstheater tendiere, dass es eine Liebe dazu gibt, die sich entwickelt hat und die immer stärker wird. Es ist mir sehr nahe. Außerdem kann man in dem Bereich relativ viel machen. Denn wenn man kein gängiges Volkstheaterstück sucht – entweder mindestens 60 Jahre alt und völlig humorfrei oder einen Schwank –, dann stößt man schnell an Grenzen. Deshalb habe ich begonnen, selbst Volkstheaterstücke zu schreiben, und das macht so viel Spaß, dass ich das weiterbetreiben will. Bernhard Wolf: Gerade jetzt, bei den Proben zu „Sturm in den Bergen“, fällt mir auf, dass es im Volkstheater eine Intensität und einen Enthusiasmus gibt, der mir in der Profiszene fehlt. Wegen des Geldes muss man den Beruf ja nicht machen, und dann muss man doch wenigstens Spaß dabei haben.


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KLASSIKER UND VOLKSTHEATER

le aus ihren speichern daher, so schöne kann man ja nirgends bekommen. Und wenn man so viele schauspieler hat, kann man auch einmal ganz anders schreiben. es wird zwar komplex, aber es ist interessant, sich mit den einzelnen figuren auseinander zu setzen. BernharD WoLf: Diese kleinen rollen, die es halt gibt, damit viele Leute mitspielen können, haben so eine Qualität bekommen, dass es eine freude ist zuzuschauen. Jeder bringt seine eigenheiten mit, und Tom lässt sie auch machen und zieht die richtigen fäden. Die spieler sind extrem lustig. ich bin normalerweise recht hart, was das Lachen auf der Bühne angeht, aber in manchen Proben habe ich mich nicht mehr zurückhalten können.

Sorgen für frischen Wind auf der Bühne: Thomas Gassner (hinten) und Bernhard Wolf (vorne).

Dann haben Sie bei dieser Produktion den Spaß am Beruf, den Sie vorher angesprochen haben? BernharD WoLf: Ja, die künstlerische Leitung zu übernehmen, war ja auch ein Versuch. ich stehe vor allem gerne auf der Bühne und in diesem Jahr wollte ich sehen, ob mir auch das organisatorische liegt. ich habe ein Team von Leuten, die sich gut kennen und gut miteinander harmonieren. Darum ist bisher alles entspannter und einfacher, als ich es mir vorgestellt habe. Thomas Gassner: Die Logistik läuft so gut, dass ich manchmal das Gefühl habe: Wo ist da der haken? BernharD WoLf: Ja, mir geht es genauso. in unserer Branche hat man ja oft ein bisschen sorge, die Dinge positiv zu sehen, weil man immer meint, es kommt dann ein hammer und haut einem auf den Kopf. aber es läuft derzeit so reibungslos – die Proben, die musik, der Bühnenbau, der Vorverkauf –, dass wir alle guter Dinge sind. Vielen Dank für das Gespräch.

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Bernhard Wolf und Thomas Gassner bilden gemeinsam mit markus oberrauch das feinripp ensemble, das „shakespeares sämtliche Werke – leicht gekürzt“ und „Die Bibel – leicht gekürzt“ verfasste und erfolgreich auf die Bühne brachte – zuletzt im rahmen der Langen nacht der Kirchen in der innsbrucker Pauluskirche. 2011 leitet Bernhard Wolf die Geierwally freilichtbühne in elbigenalp, wo er 1996 erstmals als schauspieler mitwirkte, und holte Thomas Gassner als Co-autor und regisseur an Bord. in der Kriminalkomödie „sturm in den Bergen“ ist er in der Titelrolle als hilfsinspektor Kajetan sturm zu sehen. sTUrm in Den BerGen Kriminalkomödie von Thomas Gassner und Bernhard Wolf Geierwally freilichtbühne 6652 elbigenalp Tel.: 05634/5315-12 geierwally@lechtal.at www.lechtal.at/geierwallyfreilichtbuehne Premiere: 9. Juli 2011, danach jeden freitag und samstag bis 27. august 2011, jeweils 20.30 Uhr

KRIMISPANNUNG IN TIROL Wen bei „sturm in den Bergen“ das Krimifieber gepackt hat, der findet im Tiroler Theatersommer noch mehrfach Gelegenheit, knifflige fälle auf der Bühne zu erleben. sommer.TheaTer.haLL Kommissar haLLer ermiTTeLT 3 fälle für Kommissar haller von eva rossmann, Thomas raab und stefan slupetzky Burg hasegg 6060 hall in Tirol 7. bis 30. Juli 2011 www.sommertheaterhall.at innsBrUCKer sTrassenTheaTer L’affaire faTaLe im hofgarten, rapoldipark und auf anderen straßen und Plätzen von innsbruck 19. Juni bis 2. Juli 2011 www.innsbruck.at KrimiDinner am sChiff ms Tirol achensee, schiffsanlegestelle Pertisau 6213 Pertisau 27. Juli bis 14. oktober 2011 www.gastrotheater.at


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Neue Töne in Oper & Konzert

VON ES THER PIRCHNER

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it Brigitte Fassbaender, die im Herbst 2011 ihre letzte Saison als Intendantin des Tiroler Landestheaters antritt, verbindet das Tiroler Publikum eine kontinuierliche Arbeit am heimischen Drei-Sparten-Haus und – vor allem anderen – eine hervorragende Ausrichtung der Bühne in Richtung Musiktheater aller Genres: Von leichtfüßigen Musicals über lebensfrohe Operetten bis hin zu Opern aus allen Epochen reicht die Bandbreite, und selbst schwerere Kost wie Alban Bergs „Wozzeck“, Richard Strauss’ „Salome“ oder die Opern von Benjamin Britten fanden und finden unter ihrer Ägide ein begeistertes Publikum. Das hat mit Fassbaenders Liebe zu diesen Werken zu tun, mit ihrer großen Musikalität und ihrer Fähigkeit, außergewöhnliche Stimmen zu erkennen und nach Innsbruck zu holen. Und selbstverständlich ist es auch ein Verdienst des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck und seiner Dirigenten.

Abwechslung und Stabilität. In den vergangenen Jahren hat das Orchester mit

© TSOI

Ab der Saison 2011/12 steht das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der Leitung zweier Dirigenten, die sich um die Geschicke in Oper und Konzert kümmern: Alexander Rumpf ist für das Musiktheater zuständig, Christoph Altstaedt leitet die symphonischen Belange des Orchesters.

einer ganzen Reihe von Dirigenten zusammengearbeitet: Nach dem Ausscheiden von Georg Schmöhe 2004 folgte eine Saison, in der ausschließlich Gastdirigenten die Opernaufführungen und Symphoniekonzerte leiteten, danach standen Dietfried Bernet und Aleksandar Markovic, Georg Fritsch und – als Erster ständiger Gastdirigent – Alexander Rumpf am Dirigentenpult. Rumpf, der nun schon zwei Jahre in Innsbruck wirkt und zuletzt Smetanas „Die verkaufte Braut“ und Poulencs „Dialogues des Carmélites“ vorstand, wird mit der Saison 2011/12 zum Chefdirigenten des Tiroler Landestheaters – eine Veränderung hin zu mehr künstlerischer Stabilität, die beiden Seiten sehr entspricht. In seinen 26 Berufsjahren war der gebürtige Stuttgarter jeweils mehrere Jahre als Generalmusikdirektor bzw. Erster Kapellmeister in Darmstadt, Hagen, Dortmund und zuletzt acht Jahre in Oldenburg engagiert. Über einen längeren Zeitraum mit Sängern und Instrumentalisten zusammenzuarbeiten, sieht er als wesentliche Voraussetzung, um „die Bildung eines Ensembles, eines gewissen Stils“ erreichen zu können.

Von Wagner bis Britten. Innsbruck bietet dafür gute Voraussetzungen. „Das Ensemble ist für ein Haus dieser Größenordnung erfreulich groß und von sehr hoher Qualität“, sagt Rumpf. Zum Orchester hat er ein gutes Verhältnis, er arbeitet gerne mit den Musikern zusammen und freut sich auf den nun erweiterten Aufgabenbereich. Probespielen und Vorsingen hat er zwar auch bisher schon mitbetreut, in der kommenden Saison kommt aber erstmals ein Symphoniekonzert dazu und – trotz seiner langjährigen Erfahrung und seines umfangreichen Repertoires – wird er drei Opern zum ersten Mal dirigieren: „Lohengrin“ von Richard Wagner, „Jenůfa“ von Leoš Janáček und „Albert Herring“ von Benjamin Britten, die letzte Produktion, bei der Brigitte Fassbaender Regie führt. Neu und selten gehört.

Klar vom Aufgabenbereich des Chefdirigenten am Tiroler Landestheater getrennt ist jener des Chefdirigenten des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck, auch wenn es bestimmte Überschneidungen geben wird. Für die nächsten zwei Jahre füllt der


47 gen anders zu beleuchten. „Wenn man bekannte Stücke in einen neuen Kontext stellt“, sagt Altstaedt, „tun sich interessante Türen auf. Wenn man ein revolutionäres Stück von Beethoven, das musikalisch die Konventionen sprengt, in andere Stücke der gleichen Zeit bettet, merkt man erst, was für eine Sprengkraft das hat.“

Wegweiser für die Zukunft. Und

junge deutsche Dirigent Christoph Altstaedt diese Funktion aus, Kapellmeister an der Deutschen Oper am Rhein sowie Gründer und Leiter des Jungen Klangforum Mitte Europa, das sich aus jungen Musikern aus Deutschland, Tschechien und Polen zusammensetzt und auf wenig bekannte Werke aus diesen Ländern spezialisiert ist. In Innsbruck wird Altstaedt 2011/12 drei Symphoniekonzerte leiten und am Tiroler Landestheater Wolfgang Amadeus Mozarts „Idomeneo“. Nachdem seine Berufung erst im April 2011 erfolgte, waren die Programme schon weitgehend festgelegt, die von ihm selbst dirigierten Konzerte sind aber von Werken geprägt, die in Innsbruck nicht oder sehr lange nicht mehr gespielt wurden. Haydns „Militär-Symphonie“ gehört ebenso dazu wie „Schelomo“ von Ernest Bloch oder „The Unanswered Question“ von Charles Ives. Bis auf die „Militär-Symphonie“ sind die Werke auch für Altstaedt Neuland, auch wenn es allesamt solche sind, die ihm schon lange am Herzen liegen. Dabei geht es auch darum, Musik in ungewöhnlichen Zusammenstellun-

© GERHARD BERGER

so, wie sich sein zukünftiger Kollege Alexander Rumpf darauf freut, nicht nur Opern, sondern auch Symphoniekonzerte zu leiten, freut sich Altstaedt über den „Ausgleich“ zum Konzertbetrieb, den ihm sein Engagement an der Rheinoper und das Dirigat von „Idomeneo“ am Landestheater bieten. Sowohl Konzerte als auch Opern zu dirigieren, sei allein deshalb wichtig, weil beide Arbeiten sehr unterschiedlich seien. Die Vorbereitun-

gen auf Symphoniekonzerte seien – mit einem feststehenden Orchester und vier Tagen Probenzeit – kürzer und weniger spontan als die Proben zu musiktheatralischen Werken; zudem „ist es etwas ganz anderes, ob man auf der Bühne oder im Orchestergraben steht“. Man darf also gespannt sein, wie der Konzertdirigent mit Liebe zur Oper und der Operndirigent mit Freude am Konzert das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck und die Musiksparte am Tiroler Landestheater in eine neue künstlerische Periode führen – schließlich fällt in ihre Amtszeit auch der Intendantenwechsel von Brigitte Fassbaender zu Johannes Reitmeier im Herbst 2012. Und dann darf sich das Tiroler Publikum – bei allem Bedauern über das Ende der Ära Fassbaender – noch über weitere Neuerungen im Innsbrucker Kulturleben freuen. ×

ZUR PERSON CHRISTOPH ALTSTAEDT (geb. 1980) • Gründer und Leiter des Jungen Klangforum Mitte Europa (seit 2003) • seit 2010/11 Kapellmeister an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg • ab 2011/12 Chefdirigent des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck

www.tsoi.at ALEXANDER RUMPF (geb. 1958) • seit 1984 Kapellmeister bzw. Generalmusikdirektor an verschiedenen deutschen Theatern, zuletzt am Oldenburgischen Staatstheater (2001–2009) • seit 2009/10 Erster ständiger Gastdirigent, ab 2011/12 Chefdirigent am Tiroler Landestheater


Risiken im Griff – Chancen nützen Der Wirtschaftstrend zeigt in den meisten Branchen wieder nach oben und damit voraussichtlich auch das Zinsniveau – höchste Zeit also, Finanzierungen auf ihr Risikopotenzial zu überprüfen. Risiken zu beherrschen und auch zu managen ist eine zentrale Anforderung an Unternehmer/-innen und Führungskräfte. Die generelle wirtschaftliche Situation zeigt derzeit wieder vorsichtig in Richtung Wachstum – wobei die Unsicherheiten der weiteren Entwicklung aufgrund der steigenden Kosten wie zum Beispiel Löhne und Gehälter sowie Energiepreise, noch groß sind. Ein zusätzliches Risiko für Unternehmen bergen die zunehmenden Schwankungsbreiten der Fremdwährungen sowie der Zinsen. Branchen mit hohem Fremdfinanzierungsanteil, wie unter anderem der Tourismus, die in Fremdwährung investiert haben, sollten derzeit ihre Finanzierungen genau unter die Lupe nehmen. Generell ist es so, dass Währungsschwankungen und steigende Zinsen die Kosten im Unternehmen sehr schnell stark in die Höhe treiben können. Weitreichende (Aus-)Wirkungen Damit sich Unternehmen auf Veränderungen einstellen können, brauchen sie zuerst aussagekräftige Unternehmenskennzahlen, wie sich die individuelle Situation entwickeln kann. Die Finanzexperten der Hypo Tirol Bank haben im letzten Jahr dazu zwei Modelle entwickelt, mit Hilfe derer die Auswirkungen von Währungsund Zinsschwankungen mit den Zahlen des Unternehmens in verschiedenen Szenarien in der Beratung durchgespielt werden. Vor allem bei Unternehmen und Kunden, die in Fremdwährung finanziert haben, ist derzeit ein erhöhter Beratungsbedarf deutlich vorhanden. Auch die zunehmende Wahrscheinlichkeit steigender Zinsen steht im Raum. Man muss heute kein Finanzexperte sein, um vorauszusehen, dass die Zinsen steigen werden. Allerdings sind sich viele Unternehmen noch nicht

bewusst, dass sich schon eine Zinssteigerung von einem Prozentpunkt in der Kostenstruktur eines Unternehmens mit sehr markanten Folgen auswirken kann. Ein genaues Bild machen Aufgrund des derzeit sehr niedrigen Zinsniveaus ist eine Absicherung gegen steigende Zinsen in den Unternehmen bei allen Finanzierungen ein wichtiges Thema. Je größer der Kapitalbedarf und je höher der Fremdfinanzierungsanteil ist, umso drastischer können sich auch scheinbar geringe Zinssteigerungen auswirken. Um zu zeigen, welche Auswirkungen Zinsänderungen auf die Kostenstrukturen im Unternehmen haben, wenden die Firmenkundenberater der Hypo Tirol Bank ein spezielles Instrument an. So können sich Kunden ein genaues Bild machen, was unterschiedliche Szenarien bewirken können. Es geht dabei aber nicht nur um die reinen Finanzierungskosten, sondern auch hier können die Auswirkungen auf die Gewinn-und-Verlust-Rechnung dargestellt und die Einflüsse auf den Cashflow des Unternehmens aufgezeigt werden. Absicherung kostet auch im Bereich Währungs- und Zinsrisiken Geld. Wenn die Verantwortlichen aber in der Gesamtheit betrachten, wie sich Zinssteigerungen auf die Gewinn-und-VerlustRechnung niederschlagen können, rentiert sich eine solide Absicherung sehr schnell.

Markus Hildmann Bereichsleiter Firmenkunden der Hypo Tirol Bank

„Es ist nicht jedes Risiko versicherbar, aber gerade im Zinsund Währungsbereich können sich Unternehmen und Kommunen auf stark steigende Zinsen vorbereiten und absichern, um beruhigt in eine Zukunft der weiterhin wohl volatilen Finanzmärkte zu schauen.“

● Kontakt HYPO TIROL BANK AG Firmenkunden Innsbruck Meraner Straße 8 6020 Innsbruck Tel 050700 2380 www.hypotirol.com


49 KOMMENTARE SAISON

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V O N A LO I S S C H Ö P F

as Umdenken ist da! Mehr theoretisch nach dem Unfall in Fukushima, nun aber auch praktisch durch den Beschluss der deutschen Bundesregierung, den Ausstieg aus der Atomenergie rasch durchzuziehen. Ergänzend dazu ist auch die Absicht der Italiener zu erwähnen, den zuletzt doch noch geplanten Einstieg in die Atomenergie auszusetzen. Was dies für Tirol bedeutet, das mit seinen natürlichen Energiereserven auf einem Goldschatz sitzt, ist nicht schwer auszumalen. Neben einer gesteigerten Inlandsnachfrage wird der Export von Strom aus Wasserkraft, möglicher

sche und die ganze Palette medienwirksamer Apokalypsespektakel zu verhindern. Dadurch wird, wie schon beim touristisch aufgrund seiner angeblich schrecklichen Brennerautobahn kaum noch vermarktbaren Wipptal, auf den touristischen Märkten der Eindruck entstehen, Tirol sei dabei, sich ökologisch und touristisch selbst abzuschaffen. Es ist zu bezweifeln, ob ein Appell an die Vernunft und zur Mäßigung das Land vor den Folgen dieser religiös hochgerüsteten Endzeitbewegung bewahren wird. Vernunft ist allerdings auch bei jenen gefragt, „Kraftwerke müssen einen ästhetischen und ökolodie in der Vergangenheit oft durch rüde und unsensible Betonorgien tatsächlich den Verdacht erhärgischen Mehrwert schaffen und die Schönheit der teten, dass überall dort, wo der Mensch mit seiner Landschaft überzeugend steigern.“ Technologie auftaucht, Natur und Naturschönheit Weise auch aus Windkraft, zum Verkaufsschlager schlechthin zerstört werden. Dass dem keineswegs so sein muss, beweisen die werden. Dass die Auswirkungen dieser Entwicklung auf den über zweitausend Tiroler Almen, die als vom Menschen geschafTourismus ebenfalls erheblich sein werden, liegt auf der Hand. fene Kulturdenkmäler die Voraussetzung für einen erfolgreichen Das trivialste Ungemach, das Tirols Gastronomen und Sommertourismus bilden. Ähnliches ist in Zukunft auch von unseren Hoteliers droht, könnte man das „Wipptalsyndrom“ nennen. Kraftwerksbetreibern einzufordern: Kraftwerke müssen einen äsAusgangsbasis ist dabei die Notwendigkeit, alle Wasserkraftrethetischen und ökologischen Mehrwert schaffen und die Schönheit serven und Windkraftpotenziale zu nutzen, um nicht die Lichter der Landschaft überzeugend steigern. Wo dies mit Phantasie und ausgehen oder die Preise ins Unerschwingliche steigen zu lassen. Lebensfreude gelingt, werden Proteste und Bürgerinitiativen auf ihr Dies wird wie schon in der Vergangenheit bei jedem größeren sektiererisches Maß zusammenschrumpfen. Wo es nicht gelingt, Bauprojekt dazu führen, dass die vereinigten Antimodernisten wird der Schaden in jeder Hinsicht grenzenlos sein. × und Rousseau-Anhänger alles unternehmen werden, um den Bau Alois Schöpf lebt als Journalist und Schriftsteller in Lans. der neuen Kraftwerke durch Demonstrationen, Schützenaufmär-

An der ganz großen Straße

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ie wirklich superen Wirtshäuser liegen niemals am Ende der Straßen, das wäre zu einfach, fast so einfach, als wenn sie am Anfang der Straßen lägen. Die wirklich superen Wirtshäuser liegen irgendwo mitten auf der Strecke. Man muss die Kunst des Pausierens beherrschen, um die wirklich superen Wirtshäuser zu finden. Das Wirtshaus verlangt vom Reisenden, die Fahrt zu drosseln, nur um seiner selbst willen. So sind eben auch die Wirtshäuser inmitten der Orte, die gewissen „ersten Häuser am Platz“, wie es meine Eltern noch nennen, eben nur selten wirklich interessant.

VON ERNS T MOLDEN

die Donau. Und hier, mitten an der Strecke, liegt dieses supere Wirtshaus. Etwas anspruchslos heißt es „Uferhaus“, aber die, die herkommen, sagen eh etwas anders dazu: Sie sagen, dass sie zum Humer Schurl gehen. Der Humer Schurl III., ist nach den Humer Schurln I.und II. der dritte Wirt in diesem Haus. Die Humers waren Donaufischer, die irgendwann am Anfang des vergangenen Jahrhunderts das Wirtshaus eines verarmten Barons übernahmen. Der Humer Schurl III. ist auf Flussfische spezialisiert, und seine Karpfen, Zander, Welse bereitet er gern serbisch zu, also fett und mit viel Knofl. So „Die wirklich superen Wirtshäuser liegen irgendwo ein Fisch legt sich schwer an, und die Kraft mitten auf der Strecke. Man muss die Kunst des reicht dann gerade noch, um sich ein paar Pausierens beherrschen, um die wirklich superen hundert Meter flussabwärts zu schleppen, Wirtshäuser zu finden.“ wo die Baumriesen auf den Halbinseln stehen und der Fluss sich kleine Buchten mit frischem Unlängst waren die Meinen und ich wieder einmal stromgrünen Wasser in die Au geschleckt hat. Da liegt man, die Füße abwärts, in Orth an der Donau, im Herzen des Nationalparks. im Wasser, am Kies ausgestreckt, die Donau zuzelt an den Zehen. Dieser Nationalpark enstand vor einem Vierteljahrhundert, weil Über den Kronen der Silberpappel zieht ein riesiger Vogel vorbei, die kritische Öffentlichkeit eines ganzen Landes, angeführt von aber ob es ein Kaiseradler war oder ein Graureiher, um das zu Dichtern, Sängern und Nobelpreisträgern, ein ebendort geerfahren, hätte man aufstehen müssen. plantes Kraftwerk verhinderte. Jetzt wuchert dort strengstens Irgendwann treiben einen die Gelsen ins Wasser. Und ein geschützter Donaudschungel. Eben stand in der Zeitung, dass weißes, langes Schiff fährt vorbei, auf der ganz großen Straße, sich in diesen Urwäldern nach 200 Jahren bundesweiter Absenz aber es bleibt nicht stehen. × der Kaiseradler wieder angesiedelt hat. Durch diese Wildnis führt Ernst Molden lebt als Dichter und Songwriter in Wien. nur eine echte Straße, die ganz große Straße, die Wasserstraße,

© BÖHME

Die Almen als Vorbild für den Kraftwerksbau


50 NACHGEFRAGT SAISON

15 FR AGEN AN ...

Rainer Schultes DREI SCHÖNE ORTE AUF DER WELT (AUSSERHALB TIROLS): Vancouver, British Columbia, Toskana, Fidschi Island DIE GRÖSSTEN TUGENDEN IM TOURISMUS: Freundlichkeit, Netzwerke, Aktionismus DIE GRÖSSTEN SÜNDEN IM TOURISMUS: Unfreundlichkeit, Pessimismus DIE STÄRKEN DES TIROLER TOURISMUS: Natur, Gemütlichkeit, Struktur, Lage, fehlende Alternativen in den Tälern, starke Betriebe DIE SCHWÄCHEN DES TIROLER TOURISMUS: Teilweise fehlen gemeinsames Denken und Handeln, Zusammenarbeit, internationale Fluganbindung, Tourismusgesinnung DIE BESTE IDEE DER LETZTEN FÜNF JAHRE: Es gibt wahnsinnig viele „beste Ideen“ LETZTER URLAUB (WANN UND WO?): Barcelona, Mai 2011 ICH LERNE VON: Sehr vielen Menschen DAS KÖNNTEN TIROLS TOURISTIKER GUT GEBRAUCHEN: Positive Einstellung, aus jeder Situation das Beste machen, Unternehmergeist DAS BESONDERE AM PITZTAL: Nette Menschen, herrliche Natur EINE MARKE FUNKTIONIERT, WENN ... ... sie klare Werte hat und wahrheitsgetreu kommuniziert wird SANFTER TOURISMUS HEISST FÜR MICH ... ... niedrige Intensität, wenig Infrastruktur, naturnah DAS FEHLT IM PITZTAL: Infrastruktur, teilweise Tourismusgesinnung ICH ENTSPANNE MICH BEI: Sport, Familie OHNE GLETSCHER WÄRE DAS PITZTAL ... ... um ein Vielfaches ärmer

Rainer Schultes ist Obmann des Tourismusverbands Pitztal, Skisschulleiter und Freizeitunternehmer.


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