Hartliebs Sommer 2014

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Milena Michiko Flašar: Zu Hause Seite 1

Oliver Hartlieb: Sommerzeit – Lesezeit

Bettina Balàka: Doppeldeutig & hintergründig

Wien: Die Heimatstadt (neu) entdecken Seite 4

Unsere Empfehlungen für den Sommer

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FOTO: SEBASTIAN REICH

Last call

»  Und all jenen, die sich nicht für die wichtigste Neben­ sache der Welt interessieren, ver­ sprechen wir eine (fast) fußballfreie Zone. « Doch alle paar Jahr einmal, machen wir für ein paar Wochen Pause von der Literatur und schauen Fußball. Nicht, dass wir große Fußballfans wären, nein, aber irgendwie kann man sich dem doch nicht ganz entziehen. Fußball als Alibi, am Abend nicht mehr zu arbeiten, vor dem Fernseher zu sitzen, ins Gasthaus zu gehen, mit Freunden ein paar Biere zu trinken. Jedes Mal bei Fußballereignissen stöhnt der gesamte Buchhandel über massive Umsatzeinbrüche. Wir blicken dem einigermaßen gelassen entgegen, denn wir wissen, Sie kommen wieder. Inzwischen kleben wir mit unserer Tochter das Panini-Album voll und freuen uns über unsere internationale Belegschaft, denn somit spielen wir auch ein bisschen mit. Und all jenen, die sich nicht für die wichtigste Nebensache der Welt interessieren, versprechen wir eine (fast) fußballfreie Zone. Wie sie unserer neuen Zeitung entnehmen können, gibt es in jedem Fall genug gute Bücher. Petra Hartlieb

„A diamond is forever.“ Dieser vielzitierte Werbeslogan, entworfen im Jahr 1947, steht mittlerweile oft stellvertretend für ewige Liebe. So ist es auch nur passend, dass ebendieser Satz Sullivans neuen Roman einleitet. In Die Verlobungen erproben vier absolut unterschiedliche Paare über vier Jahrzehnte verteilt den realen Wert eines diamantenen Versprechens. Ob es Untreue, Geldsorgen oder die eigenen Kinder sind: Was geschieht mit der Liebe, wenn sie mit dem echten Leben konfrontiert Zsolnay, 592 S., e 22,60 wird?

h Das neue Buclieb rt von Petra Ha

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Zu Hause

Milena Michiko Flašar | Schriftstellerin Ein Jahr ist vergangen, seitdem wir hierher, nach Währing, gezogen sind, und wenn man mich heute fragt, ob ich mich hier zu Hause fühle, dann sage ich Ja, obwohl ich manchmal noch Heimweh habe, Heimweh nach Ottakring, gerade jetzt, wo die ­Kastanien blühen, Heimweh nach Radfahren auf der Hasnerstraße. Zu Hause. Das ist ein schönes, weil unendlich dehnbares Wort. Eins, das so weit ist, dass in ihm unzählige Orte Platz haben, auch solche, die eigentlich keine Orte sind, vielmehr: Räume, in denen es sich gut leben lässt, wenn Leben bedeutet, von einem Raum in den andern zu gehen, voller Staunen über all die kleinsten Kleinigkeiten, die einem darin begegnen. Das Prasseln des Regens etwa. In ihm bin ich zu Hause. Mit unserem Sohn, der kurz nach unserem Umzug hierher geboren wurde, sitze ich am Fenster und wir horchen beide hinaus, in den Regen. Er ahmt sein Prasseln nach, macht Zaaa-zaa-za, und auch in diesen seinen allerersten Wörtern bin ich zu Hause, in den kleinen Händen, die sich nach dem Himmel ausstrecken, ihn sachte berühren. Radfahren, das gehört vorläufig der Vergangenheit

an. Seitdem wir hierher ge­ zogen sind, bin ich hauptsächlich zu Fuß unterwegs. Vor mir, schon Teil meines Körpers, der Kinderwagen, ein weiteres Zuhause. Und so gehe ich die neuen Wege ab, die ebenfalls schon Teil meines Körpers geworden sind, die Weimarer Straße, die Martinstraße, die Währinger Straße, und bleibe immer wieder bei Hartliebs stehen, weil das ein unwandelbares Zuhause ist: Der Geruch von Büchern, bis zur Decke. Dieser köstliche Geruch, wenn man ein Buch aufschlägt und darin einen Satz findet, den man selbst gerne geschrieben hätte. Der Geruch von Gedanken und Ideen. Der Geruch von demjenigen, der sie zu Papier gebracht hat. Ich werde wohl noch viele Male stehen bleiben. Und wer weiß? Vielleicht wird unser Sohn bei ­einem dieser vielen Male seine kleinen Hände nach dem Buch ausstrecken, in dem ich gerade blättere und das Geräusch der Seiten nachahmen, parapara. Kastanienbäume gibt es immerhin auch in Währing. Einer blüht vor dem Fenster, an dem wir in den Regen hinaushorchen.

Kraft der Verweigerung

Milena Michiko Flašar | Ich nannte ihn Krawatte Taguchi Hiro ist ein Hikikomori. Das ist in Japan eine moderne „Volkskrankheit“: Meist sind es junge Männer, die aufgrund des enormen gesellschaftlichen Drucks ihre eigenen vier Wände nicht mehr verlassen. Nach zwei Jahren wagt Hiro den Schritt nach draußen, setzt sich Tag für Tag auf eine Parkbank und macht eine sonderbare Begegnung mit einem Herrn mit Aktentasche, Anzug und Krawatte. Flašars Sprache ist einzigartig: Knapp und dennoch unglaublich poetisch, ein kleiner Roman wie ein Gedicht. btb, 144 S., e 9,30

Porzellangasse 36, 1090 Wien / Währinger Straße 122, 1180 Wien

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HEINRICH STEINFEST

SCHLEYER/AU TORENARCHIV.D

Eine Woche nachdem Sie diese Zeitung erhalten, werden Sie vermutlich weniger lesen. Nicht etwa, weil die Buchtipps hier so schlecht sind oder weil es die Bücher nicht mehr gibt. Nein, viele von Ihnen werden ab dem 18. Juni etwas Wichtigeres zu tun haben, als zu lesen. Sie werden vor dem Fernseher sitzen und Fußball schauen. Wir sind ein echter Lesehaushalt. Wer unsere Wohnung kennt oder manchmal des Nachts von der Währinger Straße einen Blick durch unsere Fenster wirft, der sieht nichts als Bücher. Und das ist nicht das Lager der Buchhandlung, nein, das sind unsere Privatbestände.

Die Verlobungen

FOTO: SUSAN NE

König Fußball

J. COURTNEY SULLIVAN

Der Allesforscher Es gibt Romane, die kann man nicht nach­ erzählen. Oder würden Sie ein Buch kaufen, dessen Inhalt wir so zusammenfassen? Der Manager Sixten Braun wird von einem explodierenden Pottwal getroffen. Als er aus dem Koma erwacht, verliebt er sich in seine Ärztin, überlebt einen Flugzeugabsturz und beschließt, sein Leben zu ändern, indem er kün­ digt und Bademeister wird. Ein paar Jahre später bekommt er einen Sohn, der angeblich aus der Verbindung mit der Ärztin stammt. Und es geht noch weiter ...Wenn Heinrich Steinfest sich solche Geschichten ausdenkt, kann man gar nicht mehr aufhören sie zu lesen. Große Empfehlung für alle, die Lust an Phantasie haben.

Piper, ca. 400 S., e 20,60

BERNHARD AICHNER

Totenfrau

Trotz eines schwierigen Verhältnisses zu ihren Eltern übernahm Blum deren Bestattungsunternehmen. Schon als kleines Mädchen musste Blum beim Herrichten der Leichen helfen. Jetzt sind ihre Eltern tot, sie ist eine hingebungsvolle Mutter und glücklich mit einem Polizisten verheiratet. Als der bei einem Unfall tödlich verunglückt, bricht ihre Welt zusammen. Durch einen Zufall erfährt sie, dass sein Tod ge­ plant war, und nimmt eiskalt Rache. Aichners Stil ist atemlos: Mit kurzen Sätzen treibt er die Spannung auf den Höhepunkt. Wer es nicht so blutig mag, muss ein paar Seiten überblättern ... btb, 448 S., e 20,60

www.hartliebs.at

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