!ticket Oktober 2018

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Kurz nachdem Haiders Partei in die Regierung kam, fiel von Ihnen der Satz „Ich suche jetzt lieber den Faschisten in mir selbst.“ Ist der Faschist notwendigerweise Teil eines jeden (nicht nur) Österreichers? Nein, auf keinen Fall. Der Faschimus ist eine menschenverachtende Ideologie und sicher nicht naturgegeben. Wirklich politisches Kabarett ist bei uns jedoch – im Gegensatz zu Deutschland – rar. Warum? Ist das wirklich so? Ich finde, wir haben einige großartige politische Kabarettisten. Sie agieren vielleicht nicht ganz so direkt wie die deutschen Kollegen. Erst kürzlich wurde der Stargalerist Thaddaeus Ropac im Profil zitiert, er „könne nicht behaupten, stolzer Österreicher zu sein“. Der Kontext dazu ist freilich die aktuelle Regierung in Österreich. Wie steht es um Sie? Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass

cd-tipp Die Kabarettistin Nadja Maleh liebt nicht nur Kabarett. Sie liebt auch Musik. Deshalb hat sich die vielseitige Künstlerin mit vier Topmusikern zusammengetan. Atmosphärische Chansons werden stimmig mit verschiedensten Musikelementen verbunden, mal mit Swing, Jazz, oder Pop! Nach ihrer erfolgreichen ersten CD mit dem Titel „Songs Vol. 1“ gibt es nun eine zweite mit dem überraschenden Titel „Songs Vol. 2“. Live werden die Stücke kommenden März in St. Pölten, Pregarten, Ansfelden und Purkersdorf präsentiert.

wir unsere gute Reputation in der Welt leichtsinnig aufs Spiel setzen. Aber ich versuche, das Ganze so unaufgeregt wie möglich zu sehen. Regierungen haben im Schnitt keine sehr lange Lebenszeit. Ich hab schon einige erlebt, perfekt war übrigens keine. Die österreichische Regierung war auch Thema eines Gesprächs, das Wolfgang Ambros im Sommer der Süddeutschen gab. Hierauf entlud sich eine Lawine an Beschimpfungen. Nachdem Sie beide nur wenige Jahre trennen: Wird Kritik „vor der eigenen Haustür“ mittlerweile wieder empfindlicher aufgenommen, wäre heute erneut ein „Heldenplatz-Skandal“ denkbar? Es ist auffällig, dass gerade die, die am angriffigsten sind, ziemlich schwach im Einstecken sind. Skandale entstehen ja erst durch die überzogene Reaktion darauf. Stimmt. Gerade der rechtspopulistische Regierungspartner FPÖ ist bekannt dafür, sich gerne von Künstlern schnell auf den Schlips getreten zu fühlen. Könnten Sie dingfest machen, wieso kaum ein Kulturvertreter – abseits der John Otti Band und Andreas Gabalier – ihren Fürsprecher gibt? Ganz im Ernst, ich glaube nicht, dass Andreas Gabalier ein Fürsprecher der FPÖ ist. Der zieht einfach sein Ding durch. Und das kommerziell ziemlich erfolgreich. Gabalier empfing von der Band Krautschädl einen Brief, denn mit seinem aktuellen Album malte er wiederholt ein Österreichbild, das nicht allen genehm war – und so wird das Oberösterreicher-Trio zitiert: „Wir wollen uns den Heimatbegriff nicht okkupieren lassen.“ Können diver-

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gierende Heimatbilder nicht – wie auch im Bundespräsidentenwahlkampf, wo beide Kandidaten auf „Heimat“ pochten – nebeneinander existieren? Gegenfrage: Muss man den Begriff „Heimat“ immer als Kampfmittel missbrauchen? Das ist schon bei der Religion nicht zielführend. In Ihrem Programm fragen Sie sich auch nach den Gründen Ihrer ambivalenten Beziehung zu Österreich. Auch von Ihrer Person losgelöst: Welche Rolle nehmen hier die Medien und sozialen Netzwerke ein, die den Österreicher links wie rechts der Mitte doch in separierende Blasen hüllen? Man kann sich seine Informationsquellen ja – noch – aussuchen. Es schadet niemandem, hin und wieder ein bisschen über den Tellerrand hinauszuschauen. Gemeinsam mit Ihren Kollegen Alfred Dorfer und Lukas Resetarits (nebst anderen) starteten Sie die IG Autorinnen Autoren, die sich um die Unabhängigkeit des ORF vor politischem Einfluss sorgt. Hand aufs Herz: Unabhängig war der ORF vor der aktuellen Regierung auch nicht. Wie sieht Ihre Idealvorstellung aus, was müsste sich ändern? Ein öffentlicher Rundfunk muss so unabhängig wie möglich agieren können, sonst kann man ihn gleich einsparen. Aber es ist klar, dass jede Regierung leicht in Versuchung gerät, Einfluss zu nehmen. Was für ein Österreich möchten Sie Ihren Kindern hinterlassen? Ein freies, gerechtes, solidarisches und lebenswertes! n „Austrophobia“ premiert am 2. Oktober im Wiener Stadtsaal.


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