!ticket September 2019

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Erlebte Geschichte Sabaton haben sich vor Ort Eindrücke aus der „Hölle von Verdun“ geholt. Hier sieht man sie vor dem Denkmal für die Gefallenen von Verdun.

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Verdun hört man bis hierher.“ „Hierher“, das heißt: Bis ins 200 Kilometer entfernte Karlsruhe. Näher an der Hölle dran war freilich der Militärarzt und spätere „Berlin Alexanderplatz“-Autor Alfred Döblin, der im rund 100 Kilometer von Verdun entfernten Sarreguemines stationiert war und am 29. März in einem Brief schreibt: „Wochenlang Kanonendonner von Verdun herüber. Mit den Ohren haben wir die Schlachten von Verdun mitgekämpft […], so stark war die Kanonade tags und nachts, dass bei uns die Scheiben zitterten, […] Explosionen, ein ewiges Dröhnen, Bullern, Pauken am westlichen Himmel.“ Ernst Jünger („In Stahlgewittern“) schreibt von einem „höllischen Konzert“, sein Kollege Ernst Johannsen („Vier von der Infanterie“) erzählt von einem auf die Spitze getriebenen Vernichtungswillen – und auch der junge Theodor W. Adorno berichtet in einem Schulaufsatz über einen sommerlichen Ausflug in den Schwarzwald. Selbst dort war der Donner des „Langen Max“, ein 38-cm-Geschütz von Krupp, zu hören, das gerade den Hagel über Belfort regnen ließ. Der Gesamteindruck wird deutlich: Die Artillerie war daheim eine makaber fesselnde Liveübertragung, an der Front freilich wurde das Ohr von der grollenden Kakophonie erbarmungslos belagert und

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betäubt. Der Geschützlärm war ein Schallereignis von bis dato ungekannter Brutalität – und das vor Verdun gleich millionenfach. Das Dauergetöse traumatisierte die Soldaten reihenweise, die ersten wurden freilich zu Simulanten erklärt. Bereits 1916 veröffentlichte aber der Philosoph Hellmuth Falkenfeld seine Abhandlung „Die Musik der Schlachten“, über das zermürbende Trommelfeuer aufs Trommelfell. Die Musik der Schlachten Für eine solche zeichnen seit 1999 auch Sabaton verantwortlich: Zwei Dekaden widmet sich das Quintett bereits akustisch treffend in Szene gesetzten Kriegsnacherzählungen von der Antike bis in die Gegenwart, ohne den Krieg dabei zu glorifizieren oder gar in ein Politisieren mit dem Zeigefinger zu verfallen: Ihr neuntes Album ist dem Ersten Weltkrieg gewidmet, vier Jahren des Konflikts, der die Welt erschütterte und vier Monarchien unter sich begrub. Der Kontrast zwischen der Brutalität dieses gnadenloses Krieges, aber auch heroischen Heldentaten seiner Soldaten spiegelt sich auf „The Great War“ wieder – erstmals jedoch mit einer besonderen Tiefenwirkung: Mit „Heavy Metal ist seit jeher Inspirationsquelle für gerade Jugendliche, sich mit Geschichte oder Zeitgeschichte zu beschäftigen“, legitimiert Gitarrist Tommy Jo-

gerecht zu werden. Daher gibt es „The Great War“ auch in einer „History Version“, die für die Hörer gedacht ist, die sich nebst der Musik auch der konzeptuellen Bedeutung widmen wollen: „Ihnen bedarf es einer Tiefenwirkung“, weiß Bassist und Sabaton-Mastermind Pär Sundström. Eine weibliche Erzählstimme führt hier thematisch in die einzelnen Songs ein: „Es war wichtig, dass neben der martialischen Härte des Albums, das natürlich das Kriegsgetöse widerspiegelt, durch die weibliche Stimme auch eine einerseits verletzliche, fragile, gleichzeitig aber auch taffe Seite zum Tragen kommt: die menschliche Perspektive, die in einer mechanisierten Kriegsführung oft vergessen wird.“ Viel weiter noch gehen Sabaton seit Jahresanfang mit ihrem eigenen History Channel, denn die größte Gefahr ist nicht, dass wir nicht aus der Geschichte lernen wollen, sondern wenn Pluralismus beschnitten wird und wir somit nicht lernen können, wie Pär exponiert: „Kritische Berichterstattung darf nicht unterbunden werden, man muss sich auch aus seiner Blase hinausbewegen. Das ist vielleicht das einzige, aber dabei nicht minder wichtige Statement, das es jemals von Sabaton zu hören geben wird. Nur durch eine Vielzahl an Positionen kann sich der Rezipient seine eigene Vogelperspektive schaffen. Und das wollen wir auch mit unserem eigenen History-Channel erreichen.“ Denn während Heavy Metal – Musik – Geschichte naturgemäß simplifiziert, gelingt ebenda eine Lehrstunde, die über das Gewöhnliche weit hinausgeht. n Sabaton gastieren im Rahmen ihrer „The Great Tour“ am 21. Jänner mit Apocalyptica und Amaranthe im Vorprogramm im Gasometer.


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