!ticket Juni 2018

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TIM_24_25_Rea Garvey_g_KSB_k1.qxp_Layout 1 16.05.18 16:11 Seite 2

uen Ich de Rock-Power trifft auf modernes Programming, zurückgelehnte Beats auf irische Traditionsinstrumente und urbane Pop-Vibes. Rea wagt sich gerade weit genug aus dem Fenster, um den Horizont zu erweitern, dabei aber nicht zu fallen. Der Gläubige Apropos fallen: Jede gute Reise beschreitet neue Wege. Und diese bergen wiederum das Risiko des sang- und klanglosen Scheiterns. Für Rea jedoch nicht abschreckend: „Scheitern ist Teil des Prozesses. Man muss zuvor falsche Wege beschreiten, um zu erkennen, welcher der richtige ist.“ Auf sein neues Album sei er „unglaublich stolz“, er bezeichnet es gar als seine bisher beste Arbeit: „Würde ich das nicht behaupten Rea Garvey können, Der „Irishman in Berlin“ rückt mit seinem vierten würde ich Album „Neon“ die dazugehörige Tour die CD nicht in ein besonderes r ausbrinLicht. gen.“ Für „Neon“ sei er an seine Grenzen gegangen, denn ein neues Album sei mit einer anstrengenden Bergbestei-

gung zu vergleichen, für die man alle erdenklichen Strapazen auf sich nimmt, erzählt er. Perfektionist sei er zwar keiner, „aber ich habe gelernt zu erkennen, wann ich die Handbremse ziehen muss. Dann kehre ich um und fange von Neuem an. Das wird nicht immer gern gesehen und gehört.“ Seine Werte zu verteidigen, auch das kann eine Grenzerfahrung sein. Als Quelle der Kraft und Inspiration nennt Rea seinen Glauben. Vielleicht ist es so zu erklären, dass Hoffnung und Angst bei ihm eine große Rolle spielen – oder eher: wie man diese bewahrt beziehungsweise hinter sich lässt. „Ich hab grundsätzlich vor nichts Angst. Weil ich mich auf etwas verlassen kann. Ängste stellen dich selbst und deinen Glauben infrage.“ Zugegeben, auch Lebenserfahrung hilft: „Als 13-Jähriger wäre ich nach einer Operation beinahe gestorben. Seitdem weiß ich: Ich kann alles schaffen!“ Der Liebende Seine Songs, nicht unüblich unter Künstlern, würden stets jene Lebensphase ausdrücken, in der er sich aktuell befindet. Die Musik als Seelenspiegel sozusagen. Und weil Rea sich mehr denn je weigert, sich von dunklen Gedanken beherrschen zu lassen, ist auch „Neon“ im Vergleich zur gesellschaftskritisch-wütenden Vorgängerplatte „Prisma“ hoffnungsvoller, positiver und lebensbejahender geworden, das Pulsierende und Fordernde ist aber geblieben. Der erste Song auf dem Album trägt gar den Titel „Beautiful Life“ – ist das in Zeiten von, sagen wir mal, politisch ambivalenten Zeiten nicht ein bisserl gar zynisch? „Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, beim Songschreiben nicht das zu wiederholen, was ohnehin schon jeder weiß. Wieso soll ich die aktuell allgegenwärtige Angst mit meinen Songs zusätzlich verstärken?“ Der Soft-

rocker macht sich gerne Gedanken über das Menschsein, die Welt und wieso wir tun, was wir tun, weshalb er jetzt so richtig in Fahrt kommt. „Gerade jetzt dürfen wir nicht vergessen, dass Hoffnung und Liebe immer noch in der Welt existieren. Denn nur mit Liebe bekämpft man die Ignoranz, aus der Angst geboren wird. Und daraus wiederum wird Hass.“ Das klingt zwar ein bisschen nach Kirchenpredigt, aber eigentlich will der Mann mit den gütigen Augen den Zuhörern mit seiner Musik vor allem die Möglichkeit geben, aus dem oftmals tristen Alltag zu entfliehen. Denn Reisen bedeutet schließlich auch, seinen Gedanken Flügel zu verleihen: „Wie bei Walter Mitty!“, grinst er. Der Angekommene Weil Rea, der Tiefgründige, aber weiß, dass es ohne Schatten kein Licht gebe, hat sich dann doch auch der eine oder andere düstere Song eingeschlichen. „Wie stark ein noch so kleines Licht ist, weißt du erst, wenn du in der Dunkelheit stehst. Erst durchs Hinfallen lernst du das Aufstehen.“ Von Dichotomien hält Rea ohnehin wenig, und auch im Dunklen findet mensch Glückseligkeit: „In der Dunkelheit gibt es keine Geschlechter, keine Hautfarbe, keine Namen. Nur Gleichheit. Nur Da-Sein.“ Beim Philosophieren vermeidet Rea Augenkontakt. Nicht, weil ihm das Gesagte peinlich, weil er unsicher oder gar arrogant wäre. Vielmehr ist es ein Blick in die Ferne, in sein tiefstes Inneres, in seine Seele. Rea geht dann auf Reisen, wieder mal. Auch wenn er eigentlich schon längst angekommen ist. n Im Zuge seiner „Neon“-Tour kommt Garvey zwei Mal nach Österreich, am 2. Juni nach Gmunden, am 4. Oktober nach Wien. Für Wien sind ticketPLUS+ Dinner und ticketPLUS+ Hotel verfügbar.

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