Die Quadratur des Kreises? ORF-Wahlforschung als öffentlich-rechtliche Aufgabe und wissenschaftliche Herausforderung Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier Leiter des Departments Politische Kommunikation Donau-Universität Krems 1. Theoretische Rahmenbezüge 1
Kann die Demokratie das Fernsehen überleben? Diese Frage, vor über 20 Jahren für die USA formuliert , gilt für alle Länder und sämtliche Formen der Berichterstattung über Politik bzw. insbesondere über Wahlen als demokratisches Kernelement. Unzweifelhaft hat die fortschreitende Mediatisierung nicht nur die Logik politischer Prozesse und des politischen Wettbewerbs nachhaltig verändert, sondern auch jene der Wahlabende in Fernsehen, Radio und Internet. Zu den problematischen Faktoren 2
zählen seit ebenfalls mindestens zwei Jahrzehnten u. a. Punkte wie im Folgenden dargestellt: Eine fortschreitende Personalisierung und De-Institutionalisierung der Politik, d. h. es stehen bei Wahlen einzelne Politiker bzw. Parteien als Gewinner und Verlierer im Mittelpunkt, während die Funktionen der gewählten Volksvertretungen (von Gemeinderäten und Landtagen über den Nationalrat bis zum Parlament der Europäischen Par-lament) in den Hintergrund treten. Das führt zu einer Destabilisierung des Wahl- und späteren Regierungsprozesses. In den Medien wird die strategische Kommentierung von Wahlkämpfen und -ergebnissen anstatt von inhaltlichen Informationen zum bestimmenden Teil. Der Fernsehwettbewerb führt zu übertriebenen Erwartungen von Sofortinterpretationen jedweden Wahlergebnisses. Die Folge ist oft eine abrupte Desillusionierung, weil die trügerische Hoffnung auf perfekte ad-hocErklärungen vor laufender Kamera die politische Frustrationstoleranz sinken lässt. Die Wahlberichterstattung unterwirft sich politischen Inszenierungen, welche wiederum medieninternen Produktionsregeln angepasst werden – vom gesteuerten Jubel bei der Wahlfeier einer Partei bis zum Styling des Hintergrunds für abendliche